Rechtssatz
Das rechtliche Gehör wird in einem Zivilverfahren nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wurde, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten.
5 Ob 545/91 | OGH | 22.10.1991 |
Veröff: EvBl 1992/54 S 236 = NZ 1992,58 |
3 Ob 1091/91 | OGH | 27.11.1991 |
Vgl auch; Veröff: IPRax 1992,331 = RZ 1993/65 S 176 |
4 Ob 514/92 | OGH | 25.02.1992 |
Beisatz: Da dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt wird, ist eine solche Verletzung auch im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels wahrzunehmen. (T1) |
5 Ob 568/93 | OGH | 25.01.1994 |
Beisatz: Und wegen des Neuerungsverbotes - auch im Rechtsmittelverfahren nicht Stellung nehmen können (hier: Durchführung eines Verfahrens, um Entscheidungsgrundlagen für die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zu schaffen). Zumindest eine Ladung der Parteien zur Beweisaufnahme oder die Bekanntgabe der Verfahrensergebnisse mit der Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit wird gefordert. (T2) |
Okt 7/93 | OGH | 14.12.1993 |
Beisatz: Das Gericht hat daher den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen (auch im Außerstreitverfahren, sofern nachteilige Beweisergebnisse vorliegen, die im Rekurs nicht bekämpft werden können). (T3) |
4 Ob 1668/95 | OGH | 05.12.1995 |
Beis wie T3 nur: Das Gericht hat daher den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen. (T4)<br/>Beisatz: Dass den Klägern die Berufungsbeantwortung nicht zugestellt wurde, hat ihr Recht auf Gehör nicht verletzt; die Berufungsbeantwortung wurde in der Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Kläger (ihres Vertreters) vorgetragen. (T5) |
6 Ob 9/00t | OGH | 20.01.2000 |
Vgl auch; Beisatz: Der im Art 6 Abs 1 MRK verankerte Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt auch im außerstreitigen Verfahren. Seine Verletzung bewirkt immer dann eine Nichtigkeit, wenn der Partei die Möglichkeit zu einer Stellungnahme genommen wurde, nicht aber dann, wenn die Partei noch mit Rekurs wegen der Neuerungserlaubnis nach § 10 AußStrG Tatsachen und Beweismittel vorbringen hätte können. (T6) |
7 Ob 73/00m | OGH | 29.05.2000 |
Beis wie T2 nur: Und wegen des Neuerungsverbotes - auch im Rechtsmittelverfahren nicht Stellung nehmen können. (T7)<br/>Beis wie T6; Beisatz: Auch der Unterhaltsschuldner ist als Partei des Verfahrens zu betrachten, da mit der Entscheidung über die Gewährung des Unterhaltsvorschusses auch in seine Rechte eingegriffen wird. (T8)<br/>Beisatz: Der mögliche Ausschluss des Unterhaltsschuldners vom Verfahren erster Instanz nach § 12 UVG ist unbedenklich, weil es dem Unterhaltsschuldner ohnehin offensteht, im Rekursverfahren entsprechende Neuerungen vorzubringen. (T9)<br/>Beisatz: Da eine Neuerungsmöglichkeit im Revisionsrekursverfahren nicht mehr besteht, muss dem Unterhaltsschuldner vor einer stattgebenden Entscheidung durch das Rekursgericht, die die Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung im Sinne des § 4 Z 1 UVG bejaht, die Möglichkeit der Äußerung geboten werden. Dazu hat keine Rückverweisung an die erste Instanz zu erfolgen, sondern das Rekursgericht hat selbst dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (T10) |
7 Ob 186/00d | OGH | 15.09.2000 |
Beis wie T3; Beis ähnlich wie T6; Beis wie T8; Beis wie T9; Beis ähnlich wie T10 |
6 Ob 121/00p | OGH | 17.01.2001 |
Beisatz: Der im Art 6 Abs 1 MRK verankerte Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt auch im außerstreitigen Verfahren; er ist in § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG verankert und wird überdies aus einer Analogie zur ZPO (§ 477 Abs 1 Z 4) abgeleitet. (T11)<br/>Beisatz: Jedenfalls besteht kein Recht zur Äußerung im Sinn einer Rechtsmittelgegenschrift zu einem ohnehin unzulässigen Rechtsmittel, weil insoweit keine die Partei beschwerenden Umstände der Entscheidung zugrunde gelegt werden können. Insoweit werden bei der maßgeblichen objektiven Betrachtung die Grundsätze eines fairen Verfahrens ("in billiger Weise") nicht verletzt. (T12) |
7 Ob 196/01a | OGH | 26.09.2001 |
Auch; Beis wie T3; Beis ähnlich wie T6; Beisatz: Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn der Unterhaltsschuldner weder in der (streitigen) Unterhaltssache einvernommen wurde noch ihm zumindest der Unterhaltsfestsetzungsantrag des Unterhaltssachwalters mit oder ohne Aufforderung nach § 185 Abs 3 AußStrG zugestellt wurde. (T13) |
1 Ob 6/01s | OGH | 18.12.2001 |
Verstärkter Senat; Veröff: SZ 74/200 |
4 Ob 26/02f | OGH | 12.02.2002 |
Beisatz: Wenn daher das Berufungsgericht Erhebungen über behauptete Mängel des Verfahrens erster Instanz durchführt oder die Ergebnisse von vom Erstgericht durchgeführten Erhebungen verwerten will, so ist den Parteien Gelegenheit zu geben, zu den Erhebungsergebnissen Stellung zu nehmen. (T14) |
6 Ob 281/01v | OGH | 11.07.2002 |
Auch; Beis wie T11; Beisatz: Die Verletzung begründet auch im außerstreitigen Verfahren Nichtigkeit. (T15)<br/>Veröff: SZ 2002/93 |
7 Ob 141/03s | OGH | 05.08.2003 |
Vgl auch; Beisatz: Das rechtliche Gehör ist gewahrt, wenn den Parteien Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen und wenn sie sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, äußern können. (T17) |
6 Ob 244/07m | OGH | 07.11.2007 |
Vgl auch; Beis ähnlich wie T13; Beis ähnlich wie T17; Beisatz: Hier: Zum Vorbringen des eine Unterhaltsherabsetzung beantragenden Vaters, es sei ihm aufgrund konkreter gesundheitlicher Beschwerden nicht möglich einer Erwerbsarbeit nachzugehen, hätten Beweise aufgenommen werden müssen. (T18) |
10 Ob 60/07g | OGH | 27.11.2007 |
Vgl auch; Beis wie 17<br/>Veröff: SZ 2007/183 |
2 Ob 77/08z | OGH | 29.05.2008 |
Vgl; Beisatz: Hier: Möglichkeit zur Äußerung zu einem im Rekursverfahren gemäß § 17 Abs 2 HeimAufG eingeholten Ergänzungsgutachten. (T19) |
5 Ob 1/09x | OGH | 27.01.2009 |
Beisatz: Das rechtliche Gehör im Sinn des § 15 AußStrG ist nur dann ausreichend gewahrt, wenn den Parteien nicht nur Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen, sondern sich auch zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden, zu äußern. (T20) |
2 Ob 232/08v | OGH | 25.06.2009 |
Vgl; Beisatz: Hier: Äußerungsmöglichkeit der kündigenden Partei zu den Erhebungsergebnissen betreffend einen Mangel der Zustellung der Aufkündigung. (T21)<br/>Veröff: SZ 2009/85 |
5 Ob 98/09m | OGH | 09.06.2009 |
Vgl; Beis wie T17; Beis wie T20 |
16 Ok 8/10 | OGH | 12.12.2011 |
Auch; Beisatz: Die Möglichkeit, sich schriftlich zu Beweisergebnissen zu äußern, besteht nur bei außerhalb einer mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweisen; ein Anspruch darauf, Ergebnisse einer mündlichen Verhandlung nachträglich schriftlich zu kommentieren, besteht nicht. (T22)<br/>Beisatz: Hier: Ausfolgung eines schriftlichen Memorandums zu den Ergänzungsfragen durch den Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung. (T23)<br/>Beisatz: Hier: Kartellverfahren. (T24)<br/>Veröff: SZ 2011/148 |
10 Ob 4/13f | OGH | 26.02.2013 |
Auch; Beisatz: Hier: Den Parteien ist im Verfahren wegen Unterhaltsvorschuss Gelegenheit zu geben, zu den Entscheidungen des Asylgerichtshofs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen und sich dazu zu äußern (§ 15 AußStrG). (T25) |
2 Ob 174/13x | OGH | 19.09.2013 |
Beisatz: Aber keine Verletzung des rechtlichen Gehörs mangels Einvernahme beantragter Zeugen. (T26) |
5 Ob 87/14a | OGH | 18.11.2014 |
Auch; Beisatz: Die vom Antragsteller behauptete Verletzung seines rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, stand es ihm doch frei, mit Revisionsrekurs zu den vom Rekursgericht wiedergegebenen und für tragend erachteten Rekursargumenten der Einschreiterin, die erfolgreich ohnehin nur auf die im Grundbuchverfahren allein beachtlichen, mit dem Gesuch vorgelegten Urkunden und dem Grundbuchstand aufbauen konnten, Stellung zu nehmen. (T27)<br/> |
2 Ob 100/14s | OGH | 23.10.2014 |
Beisatz: Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO kann auch dann gegeben sein, wenn einer Partei die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln nur bei einer von mehreren Tagsatzungen entzogen wurde. (T28)<br/>Beisatz: Wird der Stoff dieser Verhandlung in einer weiteren Verhandlung, an der die zuvor ausgeschlossene Partei nun teilnimmt, neuerlich erörtert und verhandelt, liegt eine Nichtigkeit nach Z 4 nicht vor, kann doch der Nichtigkeitsgrund schon unbeachtlich werden, wenn die Partei doch noch die Möglichkeit hatte, ihren Prozessstandpunkt in der Tatsacheninstanz mündlich vorzutragen. (T29) |
2 Ob 144/15p | OGH | 09.09.2015 |
Auch; Beis wie T7; Beisatz: Hier aber nur unzulässige „überschießende“ Feststellungen betroffen. (T30) |
1 Ob 39/15i | OGH | 22.10.2015 |
Auch; Beisatz: Hier: Die Verwendung eines Aktes des UVS entgegen § 281a ZPO kann einen wesentlichen Verfahrensmangel begründen. (T31); Veröff: SZ 2015/115 |
1 Ob 255/15d | OGH | 28.01.2016 |
Vgl auch; Beis wie T27; Beisatz: Hier: Erlagsverfahren. Unterlassene Rekurszustellung. (T32) |
18 OCg 2/16t | OGH | 28.09.2016 |
Auch; Beis wie T17; Beisatz: Unterlassung der Einvernahme der durchgehend anwaltlich vertretenen Partei im Schiedsverfahren begründet keinen Gehörverstoß. (T33) |
6 Ob 162/21y | OGH | 02.02.2022 |
Beisatz: Als wesentliche Verfahrensergebnisse sind auch Berichte und Expertisen der Familiengerichtshilfe den Parteien zur Äußerung zu übermitteln. (T34) |
9 ObA 30/22k | OGH | 24.03.2022 |
Vgl; Beis wie T17; Beisatz: Hier: Provisorialverfahren. (T35) |
1 Ob 44/23m | OGH | 21.03.2023 |
vgl; Beisatz: Hier: keine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Erwachsenenschutzverfahren, wenn bei fehlendem Antrag auf Gutachtenserörterung keine Verhandlung stattfindet. (T36)<br/>Anm: So bereits 7 Ob 68/19d. |
Dokumentnummer
JJR_19890620_OGH0002_010OBS00047_8900000_001
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