Spruch:
Beiden Rechtsmitteln wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die im erstgerichtlichen Firmenbuch eingetragenen A***** AG (übertragende Gesellschaft) und ihre 100%ige Tochtergesellschaft A***** AG (übernehmende Gesellschaft) schlossen am 23. September 1999 einen Verschmelzungsvertrag über die Übertragung des Vermögens der Mutter- auf die Tochtergesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ab (sogenannter "down-stream-merger"). Die Hauptversammlungen beider Gesellschaften stimmten am selben Tag dem Verschmelzungsvertrag zu. In der Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft wurden die Änderung ihrer Firma in A***** AG und die Änderung ihrer Satzung in deren Punkt I. Abs 1 beschlossen. Antragsgemäß bewilligte das Erstgericht bei der übernehmenden Gesellschaft die Löschung der bisherigen Firma, die Eintragung des geänderten Firmenwortlauts A***** AG, die Änderung der Satzung sowie die Eintragung der Verschmelzung mit der Mutter- als übertragender Gesellschaft sowie bei dieser die Löschung der Firma und die Eintragung der Verschmelzung mit der Tochter- als übernehmender Gesellschaft. Die Eintragungen wurden am 24. November 1999 im Firmenbuch vollzogen.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Gläubigerin R***** Gesellschaft mbH & Co KG, die gegen die übernehmende Gesellschaft eine bereits klageweise geltend gemachte Forderung von rund 17,4 Mio S zu haben behauptet, als unzulässig zurück, weil die Gläubigerin die Eintragung der Verschmelzung mangels Verletzung subjektiver Rechte nicht bekämpfen könne. Die zum Rekurs der Gläubigerin von der übernehmenden Gesellschaft erstattete Äußerung, die im Außerstreitverfahren einer gesetzlichen Grundlage entbehre, sei gleichfalls zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
a) Der von der zweiten Instanz mit der Begründung, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Rekursrecht eines Gläubigers gegen die Eintragung der Verschmelzung von Aktiengesellschaften, zugelassene Revisionsrekurs der Gläubigerin ist unter den Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Rechtsmittellegitimation eines Gläubigers der übernehmenden Gesellschaft bei einer Verschmelzung - hier down-stream - noch nicht Stellung genommen hat, aber nicht berechtigt.
Nach stRsp gelten die §§ 1 bis 9 AußStrG auch in Firmenbuchssachen.
Gemäß § 15 des Art I des BG BGBl 1991/10 (Firmenbuchgesetz, FBG) ist
die Zulässigkeit der Anfechtung von Verfügungen des
Firmenbuchgerichtes nach § 9 AußStrG zu beurteilen (SZ 66/24; 6 Ob
2358/96z = SZ 70/30 = NZ 1998, 182 [Kletecka] = GesRZ 1997, 107 = RdW
1997, 403 = WBl 1997, 258 = ecolex 1997, 850; 6 Ob 168/98v = GesRZ
1998, 211 = RdW 1998, 737 = ecolex 1999, 97 = WBl 1999, 36 ua). Gemäß
§ 9 Abs 1 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über den Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Es steht das Rekursrecht jedem zu, dessen rechtlich geschützte Interessen, das heißt ein subjektives Recht durch den Beschluss beeinträchtigt werden. Auch gegen Eintragungsbeschlüsse des Firmenbuchgerichtes steht ein Rekursrecht
nur bei Verletzung solcher subjektive Rechte zu (vgl 6 Ob 27/95 = SZ
68/185 = EvBl 1996/59 = ecolex 1996, 174 [Reich-Rohrwig] = NZ 1997, 96 = RdW 1996, 167 = WBl 1996, 125; 6 Ob 2/95 = NZ 1996, 277; 6 Ob 19/95 = ecolex 1995, 644 = RdW 1995, 343 = WBl 1995, 425; 6 Ob 168/98v ua). An dieser vor Inkrafttreten des FBG begonnenen Rsp hat das FBG nichts geändert (6 Ob 168/98v). Eine Beeinträchtigung bloß wirtschaftlicher - oder ideeller oder sonstiger (1 Ob 98/99i ua) - Interessen begründet hingegen kein rechtliches Interesse an der Vornahme oder - wie hier - Beseitigung einer Eintragung (6 Ob 19/95; 6 Ob 2/95; 6 Ob 2358/96z; 6 Ob 168/98v ua). Es besteht nun in Firmenbuchverfahren ein Spannungsverhältnis zwischen § 9 AußStrG einerseits und § 18 FBG andererseits, wonach Betroffener - und daher zu verständigen - nur derjenige ist, in dessen Rechtstellung einzugreifen objektiv gerade das gewollte oder doch unvermeidliche bewusste Ziel der gerichtlichen Verfügung ist (arg: "Soll ...; 6 Ob 2040/96k = JBl 1997, 187 [Burgstaller] = EvBl 1997/12 = GesRZ 1996, 182 mwN aus der Rsp; Burgstaller in Jabornegg, HGB/FBG § 15 Rz 15; § 18 Rz 3). Unbestritten wird die Rechtsmittelwerberin als Gläubigerin der übernehmenden Gesellschaft durch die nun von ihr bekämpfte Firmenbucheintragung nicht in ihren eingetragenen (Firmen)Rechten verletzt.
Die Rechtsprechung lässt indes, ausgehend von § 9 AußStrG und den
Wertungen der ZPO in der Frage der Rekursberechtigung - ungeachtet
der fehlenden Stellung als Betroffener iSd § 18 FBG - auch ein
rechtliches Interesse gelten, das in einem anderen Verfahren nicht
mehr geltend gemacht werden kann, in concreto das des Gläubigers
einer Kapitalgesellschaft, die gelöscht werden soll (Burgstaller aaO
§ 15 Rz 16). Ein solches Beitrittsrecht zum Firmenbuchverfahren und
damit auch ein Rekursrecht müsse auch dort anerkannt werden, wo es
durch das Ergebnis des Firmenbuchverfahrens zu einer ganz erheblichen
Erschwerung oder gar zur Unmöglichkeit der sonstigen
Rechtsdurchsetzung (des Gläubigers) käme. Begründet wird dieses
Rekursrecht des Gläubigers der Gesellschaft gegen die angeordnete
Löschung, weil damit die Gesellschaft ihre organschaftliche
Vertretung verliere und ein Gläubiger, der seine Ansprüche gegen die
Gesellschaft in einem schon anhängigen Verfahren betreibe, in seiner
verfahrensrechtlichen Stellung beeinträchtigt werde, weil er die
Bestellung eines vertretungsbefugten Organs zu veranlassen genötigt
sei (6 Ob 4/88 = EvBl 1988/124 = GesRZ 1989, 104 = RdW 1988, 198 = NZ
1988, 309 = WBl 1988, 306; 6 Ob 120/97h = WBl 1997, 485; Burgstaller
aaO § 18 Rz 4 ff), etwa eines Nachtragsliquidators (6 Ob 8/92) oder
eines Prozesskurators. An dieser Auffassung wurde in der Entscheidung
6 Ob 131/00h festgehalten, daran ist auch weiter festzuhalten. Der
vorliegende Fall ist damit aber entgegen dem Rechtsmittelvortrag
nicht vergleichbar: Hier wird die Gläubigerin der übernehmenden,
somit weiter bestehenden Gesellschaft in einem anhängigen Verfahren
nicht in ihrer verfahrensrechtlichen Stellung beeinträchtigt. Auch in
der Entscheidung des verstärkten Senats 8 ObA 2344/96f (SZ 71/175 =
JBl 1999, 126 [Oberhammer 268] = GesRZ 1999, 34 [Dellinger] = RdW
1999, 143 = ecolex 1999, 176) wurde auf diese maßgebliche
verfahrensrechtliche Stellung abgestellt und dazu ausgesprochen, der Prozess gegen eine beklagte Kapitalgesellschaft sei auf Begehren des Klägers fortzusetzen, wenn sie während eines anhängigen Prozesses gelöscht werde.
Mit der Eintragung der Verschmelzung bei der übernehmenden Gesellschaft geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaft einschließlich ihrer Schulden auf die übernehmende Gesellschaft über und die übertragende Gesellschaft erlischt (§ 225a Abs 3 Z 1 und 2 AktG). Unter welchen materiellen und formellen Voraussetzungen ein down-stream-merger zulässig ist, hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 6 Ob 4/99b (JBl 2000, 188 = GesRZ 2000, 25 = ecolex 2000, 121 [Nowotny 116]; vgl dazu auch Damböck/Hecht, RdW 2000, 1 und Fellner, NZ 2000, 225) mit eingehender Begründung klargestellt, im Besonderen, dass das für die Eintragung der Verschmelzung zuständige Firmenbuchgericht im Rahmen seiner sich aus § 15 FBG iVm § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG ergebenden amtswegigen Prüfpflicht die Eintragungsvoraussetzungen in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen und allfällige Verstöße gegen Kapitalerhaltungsvorschriften wie das Verbot der Einlagenrückgewähr wahrzunehmen hat. Die Altgläubiger der übernehmenden Gesellschaft dürfen bei einer Verschmelzung down-stream nicht dadurch benachteiligt werden, dass die übertragende Gesellschaft hohe Verbindlichkeiten aufweist, die wegen der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft übergehen und die übernommenen Vermögenswerte (Aktien an der übernehmenden Gesellschaft) deshalb keinen Ausgleich schaffen, weil sie von der aufnehmenden Gesellschaft sofort an die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft weiterzuleiten ("auszukehren") sind. Die Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft behalten zwar auch nach der Verschmelzung ihren Schuldner, doch treten nunmehr neue Gläubiger (der übertragenden Gesellschaft) hinzu, mit denen die bisherigen Gläubiger nun konkurrieren. Dies kann zu einer Erhöhung des Risikos dieser Gläubiger führen, weil das im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft übergegangene Aktivvermögen der übertragenden Gesellschaft "nicht unbedingt" diese Schulden abdeckt (Grunewald in Lutter, Kommentar zum dUmwG, § 22 Rz 4, 15; Kalss, Handkommentar zur Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung, § 226 AktG Rz
2) oder sogar - wenn das Firmenbuchgericht seine Prüfungspflicht verletzt - überhaupt kein Aktivvermögen übertragen wird. Gemäß § 226 Abs 1 erster Satz AktG idFd Art II EU-GesRÄG BGBl 1996/304 ist daher den Gläubigern der beteiligten Gesellschaften - und insoweit über den Rahmen des Art 13 der dritten Richtlinie des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Art 54 Abs 3 lit g EWGV betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (Verschmelzungs-Richtlinie) hinausgehend -, unter bestimmten Voraussetzungen Sicherheit zu leisten, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können. Da die Rechtsmittelwerberin nach ihrem eigenen Vorbringen ihre bereits fällige Forderung gegen die übernehmende Gesellschaft bereits klageweise geltend gemacht hat, fehlt ihr tatsächlich ein Recht auf Sicherstellung (Kalss aaO Rz 4; Grunewald aaO § 22 Rz 8, 10; Marsch-Barner in Kallmeyer, Kommentar zum dUmwG, § 22 Rz 8), doch liegt die Ursache darin, dass auch die Sicherstellung nach § 226 Abs 1 AktG durch Klage (im streitigen Verfahren) gegen die übernehmende Gesellschaft geltend zu machen ist (Kalss aaO Rz 8 mwN); bei einem Gläubiger, der seine fällige Forderung bereits vor der Verschmelzung gegen die übernehmende Gesellschaft gerichtlich geltend machte, kann eine weitere Klage keinen weiteren Rechtsschutz gewähren und ist daher sinnlos. Ob dann der bereits geltend gemachte Anspruch durch eine einstweilige Verfügung zu sichern wäre, ist hier nicht zu entscheiden.
Entgegen den Rechtsmittelausführungen ist ein Rekurs gegen die Eintragung der Verschmelzung nicht die einzige Möglichkeit, mit der ein Gläubiger die Verletzung seiner (wirtschaftlichen) Interessen am Nichtzustandekommen der Verschmelzung wahren kann, besteht doch jedenfalls zufolge § 227 AktG eine Schadenersatzpflicht der Verwaltungsträger der übertragenden Gesellschaft.
Wie bereits entschieden wurde, vermag die Eintragung der Löschung der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Aktiengesellschaft zufolge rechtsgeschäftlicher Auflösung der Zweigniederlassung durch Einbringung des ihm zugeordnet gewesenen Betriebes in eine neue gegründete inländische Aktiengesellschaft einen Gläubiger, der im Zusammenhang mit dem Betrieb der Zweigniederlassung entstandene Forderungen behauptet, in seiner
Rechtsstellung nicht unmittelbar zu berühren (6 Ob 8/85 = NZ 1986,
65; 6 Ob 7/85 = NZ 1986, 186, beide noch zur Rechtslage vor
Inkrafttreten des FBG; RIS-Justiz RS0006856; Schenk in Straube, HGB2 I, § 8 Rz 30). Der vorliegende Fall ist damit durchaus vergleichbar. Es besteht damit kein Beitrittsrecht des Gläubigers der Gesellschaft zum Firmenbuchverfahren und damit auch kein Rekursrecht nach § 9 Abs 1 AußStrG. Zweck des Firmenbuches ist auch nicht primär der Schutz aller möglichen Rechte von Dritten, sondern die Offenlegung von erheblichen Tatsachen und Rechtsverhältnissen der im einzelnen vorgesehenen Rechtsträger im Interesse dieser und anderer Rechtsträger selbst, sowie der Öffentlichkeit (vgl Schenk aaO § 8 HGB Rz 1; Burgstaller aaO § 18 Rz 3). Damit steht aber bei einer Verschmelzung down-stream einem Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft kein Rekursrecht gegen die vom Firmenbuchgericht angeordnete Löschung der übertragenden Gesellschaft, die Übertragung deren Vermögens auf die übernehmende Gesellschaft und die Eintragung der Verschmelzung zu.
Mangels Vorliegens eines zulässigen Rechtsmittels ist dem Obersten Gerichtshof im vorliegenden Fall ein Eingehen auf die Frage versagt, ob die Verschmelzung tatsächlich unzulässig war.
b) Auch das Rechtsmittel der übernehmenden Gesellschaft ist nicht berechtigt. Der im Art 6 Abs 1 EMRK verankerte Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt zwar auch im außerstreitigen Verfahren (SZ 69/20; 6 Ob 9/00t, zuletzt 7 Ob 186/00d); er ist nach hA (vgl Schoibl in FS-Matscher 40 f mwN) in § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG verankert und wird überdies aus einer Analogie zur ZPO (§ 477 Abs 1 Z 4) abgeleitet (Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren3 Rz 44). Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird nach stRsp nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich in Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wird, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (stRsp, RIS-Justiz RS0005915). Jedenfalls besteht aber kein Recht zur Äußerung iS einer Rechtsmittelgegenschrift zu einem ohnehin unzulässigen Rechtsmittel, weil insoweit keine die Partei beschwerenden Umstände der Entscheidung zugrunde gelegt werden können. Insoweit werden bei der maßgeblichen objektiven Betrachtung die Grundsätze eines fairen Verfahrens ("in billiger Weise") nicht verletzt.
Beiden Rechtsmitteln kann kein Erfolg beschieden sein.
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