Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Am 1.2.1995 meldete der Geschäftsführer unter Vorlage eines Gesellschafterbeschlusses über die Auflösung der Gesellschaft mbH die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft an. Das Erstgericht bewilligte die Eintragung im Firmenbuch. Der Geschäftsführer wurde zum Liquidator bestellt. Ein Gläubiger teilte dem Firmenbuchgericht mit, daß er eine Schadenersatzklage gegen die Gesellschaft eingebracht habe (ON 16). Die Gesellschaft nahm den Bericht des Liquidators über die Beendigung der Liquidation zur Kenntnis und erteilte dem Liquidator die Entlastung. Unter Vorlage des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses beantragte der Liquidator die Löschung der Gesellschaft infolge Beendigung der Liquidation. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes wurde nachgereicht. Der Gläubiger widersprach dem Löschungsantrag mehrmals unter Hinweis auf anhängige "Schadenersatzverfahren" (ON 21 und 23).
Das Erstgericht verfügte die Löschung der Gesellschaft.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Gläubigers nicht Folge. Es bejahte seine Rekurslegitimation. Ein Erfolg könne dem Rekurs jedoch nur beschieden sein, wenn noch ein verteilbares Vermögen der Gesellschaft vorhanden wäre. Dies sei hier nicht der Fall. Gegen die Gesellschaft anhängige Prozesse stünden der Beendigung der Gesellschaft nicht entgegen.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Gläubiger erkennbar die Abänderung dahin, daß der Antrag auf Löschung der Gesellschaft abgewiesen werde; hilfsweise wird weiters auch die Aufhebung zur Verfahrensergänzung beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig. Zur Rechtsfrage, ob ein anhängiger Passivprozeß einer vermögenslosen Gesellschaft mbH deren Löschung im Firmenbuch zu hindern geeignet ist, liegt eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vor. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Die Löschung einer Gesellschaft mbH im Firmenbuch, sei es aufgrund einer amtswegigen Anordnung nach den Bestimmungen des ALöschG, sei es - wie hier - nach Beendigung einer Liquidation gemäß § 93 GmbHG, ist nach hA nur deklarativ. Die Gesellschaft mbH besteht trotz ihrer Löschung noch solange fort, als ein Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist (SZ 58/168 mwN; Gellis, GmbHG3 Rz 7 und 16 zu § 93). Die Vorinstanzen haben zutreffend und im Einklang mit der Lehre (Koppensteiner, GmbHG Rz 6 zu § 93) und der oberstgerichtlichen Rechtsprechung ein Rekursrecht des Gläubigers der Gesellschaft bejaht. Mit der Löschung verliert die Gesellschaft ihre organschaftliche Vertretung, wodurch ein Gläubiger, der seine Ansprüche gegen die Gesellschaft in einem schon anhängigen Verfahren betreibt, in seiner verfahrensrechtlichen Stellung beeinträchtigt wird, weil er die Bestellung eines vertretungsbefugten Organs zu veranlassen genötigt ist (GesRZ 1989, 104), etwa eines Nachtragsliquidators (6 Ob 8/92) oder eines Prozeßkurators. Die vollständige Beendigung der Gesellschaft setzt jedenfalls sowohl die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft als auch ihre Löschung im Firmenbuch voraus (Koppensteiner aaO mwN). Wenn eine im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft noch über verteilungsfähiges Vermögen verfügt, ist sie nach der materiellen Rechtslage noch nicht beendet.
Der rekurrierende Gläubiger bekämpft die Löschung der Gesellschaft primär mit dem Argument, er habe gegen die Gesellschaft Schadenersatzforderungen (nach dem Vorbringen im Verfahren erster Instanz hat er auch schon Klagen gegen die Gesellschaft eingebracht). Die Anhängigkeit von Passivprozessen der Gesellschaft steht - im Gegensatz zu Aktivprozessen - der Beendigung der Liquidation und der Löschung der Gesellschaft jedoch nicht entgegen (Koppensteiner aaO Rz 3). Der Revisionsrekurswerber bestreitet die Beendigung der Tätigkeit des Liquidators (der die Gläubiger gemäß § 91 GmbHG aus dem vorhandenen Vermögen zu befriedigen und erst einen Überschuß an die Gesellschafter zu verteilen hat) nicht. Die gerügte Verletzung der materiellen Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichtes liegt nicht vor. Dieses durfte mangels gegenteiliger Anhaltspunkte vom Bericht des Liquidators über die Beendigung der Liquidation ausgehen, also von der vollständigen Verteilung des vorhandenen Vermögens der Gesellschaft. Daß darüber hinaus noch Vermögen der Gesellschaft vorhanden wäre, hat der Rekurswerber im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet. Damit liegen jedoch alle Voraussetzungen für die Löschung der Gesellschaft vor, die vom Firmenbuchgericht über Antrag des Liquidators zu verfügen ist (§ 93 Abs 1 und 2 GmbHG; § 10 FBG). Der Rekurs wäre nur berechtigt, wenn behauptet und nachgewiesen worden wäre, daß noch verteilbares Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist (zutreffend OLG Wien in NZ 1983, 142). Unter verteilbarem Vermögen können nur zur Befriedigung der Gläubiger geeignete Aktiva verstanden werden. Derartiges wurde nicht festgestellt. Nur Aktivprozesse und die dahinterstehenden Forderungen der Gesellschaft könnten der Annahme der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft entgegenstehen. Der Oberste Gerichtshof hat zwar schon einmal die Auffassung vertreten, daß eine (allfällige) Kostenforderung in einem Passivprozeß der Gesellschaft, in dem diese obsiegt, die Annahme einer Vermögenslosigkeit hindere. Diese Ansicht wurde jedoch zur Berechtigung eines Fortsetzungsantrages der Gesellschaft in einem Passivprozeß geäußert und eine Vergleichbarkeit mit Aktivprozessen bejaht (RdW 1991, 233). Diese Vergleichbarkeit fehlt jedoch im vorliegenden Fall, wo es um die von einem Gläubiger angestrebte Fortsetzung des Prozesses geht. Der Gläubiger kann sich nicht auf sein eigenes Unterliegen in diesem Prozeß und das dadurch bedingte Entstehen eines Kostentitels der Gesellschaft berufen. Dies hat der Rekurswerber hier auch gar nicht getan. Er steht nur auf dem Standpunkt, daß es "nicht rechtens sein kann, daß sich eine juristische Person durch selbstinszenierte Auflösung der Verantwortung entziehen kann", daß also nicht durch die Vollbeendigung der Gesellschaft die Fortsetzung der anhängigen Passivprozesse vereitelt werden dürfe. Zu dieser Frage liegt zwar eine kontroversielle (allerdings zur Beendigung und Löschung von Personengesellschaften ergangene) oberstgerichtliche Judikatur vor. Der 1.Senat vertritt die Auffassung, daß sich eine Personengesellschaft durch ihre Vollbeendigung einem einmal eingeleiteten Verfahren (Passivprozeß) nicht entziehen könne. Der Prozeß sei gegen die Personengesellschaft fortzusetzen, auch wenn die Parteifähigkeit im Zuge des Prozesses weggefallen sei (1 Ob 551, 552/89 = SZ 62/43). Demgegenüber steht der 8.Senat auf dem Standpunkt, daß gegen eine vollbeendete Personengesellschaft ein Prozeß weder geführt noch fortgesetzt werden könne. Mit der Vollbeendigung sei die Gesellschaft als solche erloschen. Wenn kein Gesamtrechtsnachfolger existiere, habe das Prozeßrechtsverhältnis ein Ende gefunden. Die Fortsetzung des Prozesses mit der untergegangenen Gesellschaft sei grundsätzlich nicht möglich. Bei Aktivprozessen, die vermögenswerte Ansprüche der Gesellschaft zum Gegenstand hätten, wäre eine Vollbeendigung der Gesellschaft, also der Untergang der Gesellschaft wegen Vorhandenseins eines Vermögens ohnehin nicht möglich. Bei Passivprozessen gelte dies nicht. Die Schaffung eines Exekutionstitels gegen eine nicht existierende Partei wäre völlig wert- und sinnlos. Eine nicht mehr existierende Gesellschaft sei ein "rechtliches Nichts" (8 Ob 652/88 = SZ 62/127). Im vorliegenden Firmenbuchverfahren ist diese Streitfrage, ob sich also eine Gesellschaft (die Rechtslage ist hinsichtlich der Beendigung der Gesellschaft für Personengesellschaften und Gesellschaften mbH gleichartig) durch Auflösung einem Passivprozeß entziehen könne, aber nicht entscheidungswesentlich. Hier sind nur die Löschungsvoraussetzungen zu prüfen, die nach dem festgestellten Sachverhalt auch vorliegen. Daß eine vermögenslose Gesellschaft mbH nach Beendigung der Liquidation wegen der Anhängigkeit von Passivprozessen nicht zu löschen wäre, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Sollte die Gesellschaft - entgegen dem für die nur deklarativ wirkende Löschung maßgeblichen, derzeit bekannten Sachverhalt - doch über Vermögen verfügen, besteht die Gesellschaft nach herrschender Auffassung weiter. Einer Nachtragsliquidation (§ 93 Abs 5 GmbHG) stünde ebenso nichts im Wege wie einer Fortsetzung eines anhängigen Passivprozesses. Im Falle der Vermögenslosigkeit führte die angeführte Rechtsansicht des 8.Senates zwar zum Eintritt des vom Rekurswerber befürchteten Falles, daß sich die Gesellschaft dem anhängigen Passivprozeß entzogen hätte, diese (vom 1.Senat verneinte) Rechtsfolge kann aber nicht über den Umweg des Firmenbuchverfahrens durch Ignorierung der gesetzlichen Löschungsvoraussetzungen vermieden werden. Sie ergibt sich - wenn man der Auffassung des 8.Senates folgt - aus den Erwägungen zum Verlust der Parteifähigkeit der untergegangenen Gesellschaft. Eine Abstandnahme von der Löschung der vermögenslosen Gesellschaft trotz Vorliegens aller gesetzlichen Voraussetzungen widerspräche dem Gesetzeszweck. Das Firmenbuch hat die materielle Rechtslage richtig wiederzugeben. Vermögenslose Gesellschaften mbH sind zu löschen. Ihre Entfernung liegt im öffentlichen Interesse (HS 12.485). Nicht anders läge der Fall bei einer amtswegigen Löschung der Gesellschaft gemäß § 2 ALöschG nach rechtskräftiger Abweisung eines auf die Eröffnung des Konkurses gerichteten Antrages. Auch nach diesem Gesetz ist die Aufrechterhaltung der Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch wegen anhängiger Passivprozesse nicht vorgesehen. Der Revisionsrekurs des Gläubigers ist daher nicht berechtigt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)