OGH 1Ob255/15d

OGH1Ob255/15d28.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin L*****, vertreten durch die F/A/M Frimmel Anetter Maiditsch und Partner Rechtsanwälte GmbH, Klagenfurt am Wörthersee, gegen die Erlagsgegner 1. I***** U*****, vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in Murau, und 2. C***** G*****, vertreten durch Dr. Karin Prutsch und Mag. Michael Franz Damiter, Rechtsanwälte in Graz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erlegerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 22. Oktober 2015, GZ 4 R 217/15a‑13, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 21. August 2015, GZ 1 Nc 51/15b‑7, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00255.15D.0128.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. In § 66 AußStrG 2003 sind die Revisionsrekursgründe nunmehr taxativ aufgezählt. Unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG wurden nicht alle bisher als Nichtigkeit geltend zu machenden Verfahrensfehler als Revisionsrekursgründe beibehalten. Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 58 Abs 1 Z 1 AußStrG) ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht mehr absolut ‑ wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO ‑ wirkt. Er kann nur dann zur Aufhebung führen, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RIS‑Justiz RS0120213).

Der Erlegerin stand es hier frei, mit ihrem Revisionsrekurs zu den vom Rekursgericht wiedergegebenen und für tragend erachteten Rekursargumenten des Zweiterlagsgegners Stellung zu nehmen (vgl 5 Ob 87/14a mwN), was sie auch tat. Sie konnte aber weder darstellen, zu welchen konkreten Ausführungen im Rekurs des Zweiterlagsgegners sie im Rekursverfahren hätte gehört werden müssen (vgl 3 Ob 186/11s = SZ 2011/124) oder welche neuen Tatsachen sie ansonsten vorgebracht hätte, noch wozu eine Ergänzung des Verfahrens notwendig gewesen wäre (vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 15 Rz 26). Damit zeigt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf (vgl RIS‑Justiz RS0120213 [T14]) und kann nicht darlegen, warum die Verletzung des rechtlichen Gehörs Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung des Rekursgerichts haben konnte (vgl RIS‑Justiz RS0120213 [T13]).

2. Forderungsprätendent ist, wer die „gleiche“ Forderung für sich geltend macht (RIS-Justiz RS0118340). Beim Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten ist der Gerichtserlag durch den Schuldner dann berechtigt, wenn dem Schuldner objektiv nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, den in Ansehung seiner Leistung Berechtigten auch bei sorgfältiger Prüfung zu erkennen (RIS‑Justiz RS0033597). Das Vorhandensein mehrerer Gläubiger allein bedeutet noch keinen tauglichen Erlagsgrund (2 Ob 182/99z = RIS‑Justiz RS0033597 [T5]). Bei einer Mehrzahl von Erlagsgegnern sind die Voraussetzungen für den Gerichtserlag hinsichtlich jedes einzelnen Erlagsgegners darzulegen (RIS‑Justiz RS0113469 [T4], RS0033597 [T8]; zuletzt 7 Ob 160/15b).

3. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Erlagsgesuch der Erlagsgrund anzugeben. Das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung im Sinn des § 1425 ABGB an sich taugt. Dem Erlagsgericht obliegt dabei nur eine Schlüssigkeitsprüfung (RIS‑Justiz RS0112198 [T3]). Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit sind immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG begründen (RIS‑Justiz RS0116144; RS0042828).

4. Dass dem Rekursgericht bei seiner Rechtsansicht, die Erlegerin habe nicht einmal ansatzweise dargelegt, ob die gegen sie in den Verfahren erhobenen Ansprüche einander ausschlössen und ob es sich bei den beiden Forderungen der Erlagsgegner um die gleiche Forderung handelt, ein auch im Einzelfall aufzugreifender Beurteilungsfehler unterlaufen wäre, kann die Revisionsrekurswerberin nicht aufzeigen:

Diese nannte zwar die beiden Erlagsgegner namentlich und bezeichnete sie als Kindesvater und Kindesmutter bzw Forderungsprätendenten, sie konnte aber deren Anspruch auf denselben Erlagsgegenstand nicht nachvollziehbar darstellen, wenn sie in ihrem Antrag (ohne die Nennung von Beträgen oder anderer Umstände) lediglich drei Aktenzeichen zu beim Landesgericht Klagenfurt (angeblich noch) anhängigen Gerichtsverfahren nannte und vorbrachte, sie habe sich bereit erklärt, eine Akontozahlung auf die behaupteten Ansprüche (bis zu einer bestimmten Höhe) zu leisten und einen Vergleich über diesen Betrag angeboten. Aus ihrem weiteren Vorbringen ist der (richtige) Schluss zu ziehen, dass in einem der beiden noch anhängigen Verfahren allein die Ersterlagsgegnerin (und nicht das Kind) als Kläger auftritt, während dies im anderen allein der Zweiterlagsgegner ist. Auch die Erläuterung im Revisionsrekurs, dass die Erlegerin als Schuldnerin den Erlagsgegnern als Gläubigern aus einem sie gemeinsam betreffenden schädigenden Ereignis, nämlich der Schädigung des gemeinsamen Sohnes, gegenüberstünden, hat nicht notwendig zur Folge, dass den (getrennt lebenden) Eltern aus diesem tatsächlichen Zusammenhang des (einen) schädigenden Ereignisses gemeinsam zustehende Forderungen erwachsen, weil jedem der Ersatz für die von ihm erbrachten Pflegeleistungen oder Aufwendungen allein gebührt. Gegenstand der Verwahrung (des Erlags) soll der von der Erlegerin als jeweils beklagte Partei insgesamt und für beide Verfahren angebotene Gesamtbetrag eines tatsächlich nur in Aussicht genommenen, aber auch nach dem Vorbringen der Erlegerin noch nicht abgeschlossenen Vergleichs sein. Die bloße grundsätzliche Einigkeit darüber, dass eine Gesamterledigung der Ansprüche zwischen allen beteiligten Parteien erfolgen solle, kann einen (eben noch nicht abgeschlossenen) Vergleich als Titel nicht ersetzen.

Der Gläubiger kann eine (teilweise) Schuldbefreiung nicht dadurch erzwingen, dass er für sich beschließt, zwei Schuldnern, von denen er nicht darlegt, dass diese einander ausschließende Forderungen gegen ihn erheben, insgesamt einen bestimmten Betrag zahlen zu wollen, weil er meint, die Aufteilung (und Anrechnung auf welche?) Forderungsteile sei allein Aufgabe der Schuldner. Die weiteren Erwägungen der Revisionsrekurswerberin zur Verpflichtung der Gegner zur Annahme von Teilzahlungen, anstelle des vollen geschuldeten Betrags sind damit nicht von Bedeutung.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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