OGH 7Ob160/15b

OGH7Ob160/15b16.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, gegen die Erlagsgegner 1) S***** M*****, vertreten durch Mag. Brigitte Steinhuber-Kals, Rechtsanwältin in Bad Ischl, 2) M***** D*****, 3) C***** K*****, 4) J***** P*****, Zweit- bis Vierterlagsgegner vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, 5) B***** B*****, 6) W***** P*****, 7) F***** S*****, wegen Erlags von 66.141,59 EUR, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erlegerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 29. Juli 2015, GZ 22 R 137/15a‑12, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00160.15B.1016.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Erlegerin zeigt in ihrem Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf:

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Erlagsgesuch der Erlagsgrund anzugeben. Das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung im Sinn des § 1425 ABGB an sich taugt. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist (RIS-Justiz RS0112198). Dem Erlagsgericht obliegt dabei nur eine Schlüssigkeitsprüfung (RIS-Justiz RS0112198 [T3]). Wird - wie hier - ein Erlagsgesuch damit begründet, dass mehrere Forderungsprätendenten auf den Erlagsgegenstand Anspruch erheben und der oder die wahren Gläubiger nicht mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln sind, dann gehört zur Schlüssigkeitsüberprüfung, ob die Angaben des Erlegers über die auf den Erlagsgegenstand geltend gemachten Ansprüche rechtlich plausibel sind und auch schlüssig dargelegt wurden, dass die Ermittlung des richtigen Gläubigers Schwierigkeiten bereitet (RIS‑Justiz RS0113469). Beim Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten ist der Gerichtserlag durch den Schuldner dann berechtigt, wenn dem Schuldner objektiv nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, den in Ansehung seiner Leistung Berechtigten auch bei sorgfältiger Prüfung zu erkennen (RIS‑Justiz RS0033597). In diesem Sinn wurde etwa das aufwendige Studium von Literatur und Rechtsprechung zur Rechtslage als nicht zumutbar angesehen (RIS-Justiz RS0033597 [T3, T6]). Auch wenn aufgrund verschiedener, auch einander ausschließender Ansprüche die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Schuldners durch unterschiedliche Prätendenten besteht, kann eine Hinterlegung unter Umständen gerechtfertigt sein (RIS‑Justiz RS0033644 [T4]). Hingegen berechtigt das Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten den Schuldner nicht zum gerichtlichen Erlag, wenn die konkurrierenden Ansprüche offenkundig unbegründet sind und dies für den Schuldner, vor allem wenn er rechtskundig ist, leicht erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0033644).

Forderungsprätendent ist, wer die „gleiche“ Forderung für sich geltend macht (RIS-Justiz RS0118340). Bei einer Mehrzahl von Erlagsgegner sind die Voraussetzungen für den Gerichtserlag hinsichtlich jedes einzelnen Erlagsgegners darzulegen (RIS‑Justiz RS0113469 [T4], RS0033597 [T8]).

Bei der Schlüssigkeitsprüfung der Voraussetzungen für ein Erlagsbegehren nach § 1425 ABGB sind aktenkundige Tatumstände zu berücksichtigen, sofern unter Zugrundelegung des Vorbringens der Parteien an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen (RIS‑Justiz RS0127187).

Sowohl bei der Beurteilung der Schlüssigkeit als auch bei Beurteilung der Frage, ob bestimmte Tatsachen vorgebracht wurden, sind immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG begründen (vgl RIS-Justiz RS0116144, RS0042828).

2. Die von der Ersterlagsgegnerin und den Zweit- bis Siebenterlagsgegnern in einander ausschließender Weise auf Ausfolgung eines heimgefallenen Nachlasses in Anspruch genommene rechtskundige Erlegerin räumt in ihrem Revisionsrekurs ein, dass ihr auf Grund der insgesamt zur Verfügung stehenden Urkunden ohne weiteres möglich sei, das bessere gesetzliche Erbrecht der Ersterlagsgegnerin festzustellen. Sie verweist bloß darauf, dass die Ersterlagsgegnerin ihr gesetzliches Erbrecht bislang nicht förmlich nachgewiesen habe, weil sie die Vaterschaft ihres Adoptivvaters zur Erblasserin nicht urkundlich belegen habe können; dieser - zur Ableitung ihres eigenen gesetzlichen Erbrechts erforderliche - Nachweis sei ausschließlich von den übrigen Erlagsgegnern durch Vorlage eines Vaterschaftsanerkenntnisses erbracht worden, dessen Verwertung diese jedoch zu Gunsten der Ersterlagsgegnerin verbieten würden. Damit ist aber die Vaterschaft des Adoptivvaters der Ersterlagsgegnerin zur Erblasserin zwischen den Parteien unstrittig; dies kann die Erlegerin auch urkundlich überprüfen. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Erlegerin könne sich vor diesem Hintergrund nicht darauf zurückziehen, das aktenkundige Vaterschaftsanerkenntnis nur in Bezug auf die Zweit- bis Siebenterlagsgegner als nachgewiesen anzusehen, ist jedenfalls vertretbar. Folgt die Erlegerin der Ersterlagsgegnerin auf Grund der ihr vorliegenden Unterlagen den Nachlass aus, besteht keine Gefahr einer weiteren Inanspruchnahme durch die Zweit- bis Siebenterlagsgegner, leiten doch diese ihr gesetzliches Erbrecht auch von der Vaterschaft des Adoptivvaters der Ersterlagsgegnerin zur Erblasserin ab.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte