Rechtssatz
Liegt das Verschulden des Rechtsanwaltes in der unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer Prozesshandlung, ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess - auch in den dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen - hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die Prozesshandlung vorgenommen worden wäre.
RA
2 Ob 554/86 | OGH | 28.10.1986 |
nur: Liegt das Verschulden in der unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer Prozesshandlung, ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess - auch in den dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen - hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die Prozesshandlung vorgenommen worden wäre. (T1) <br/>Veröff: RdW 1987,96 |
1 Ob 577/91 | OGH | 09.10.1991 |
Zweiter Rechtsgang zu 1 Ob 785/83<br/>Beisatz: Im Haftungsprozess zwischen dem Mandanten und seinem seinerzeitigen Rechtsvertreter muss dieser Beweislastregeln gegen sich gelten lassen, auf Grund derer der Mandant im Vorprozess mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegt hätte. (T2) |
1 Ob 151/01i | OGH | 25.09.2001 |
Ähnlich; Beisatz: Hier wurde ein bestimmter Antrag nicht gestellt. (T3)<br/>Veröff: SZ 74/159 |
1 Ob 218/02v | OGH | 28.10.2002 |
Beisatz: Bei Prüfung der Kausalität des Versäumnisses des Beklagten ist der mutmaßliche Verlauf und Ausgang des Verfahrens zu ermitteln, wobei darauf abzustellen ist, wie das Gericht im Vorverfahren richtigerweise zu entscheiden gehabt hätte. (T4) |
1 Ob 260/04y | OGH | 22.02.2005 |
Beisatz: Das Ergebnis dieser Beurteilung ist eine in dritter Instanz unanfechtbare Tatsachenfeststellung. (T5) |
8 Ob 137/07s | OGH | 28.02.2008 |
Auch; Beisatz: Der mutmaßliche Verlauf und Ausgang des Vorprozesses ist unter der Voraussetzung zu ermitteln, dass sich der Anwalt richtig verhalten hätte. Bei diesem sogenannten hypothetischen Inzidentprozess hat das mit dem Schadenersatzbegehren befasste Gericht (Regressgericht) bei einer behaupteten Unterlassung den Vorprozess hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte. Dabei ist darauf abzustellen, wie nach Auffassung des Regressgerichts der Vorprozess richtigerweise hätte entschieden werden müssen. (T6) |
5 Ob 38/05g | OGH | 15.03.2005 |
Ähnlich; Beisatz: Eine unrichtige (unterbliebene) Beratung (Aufklärung) des Rechtsanwalts berechtigt idR nur zum Ersatz des verursachten Vertrauensschadens. Es ist nur die Vermögensdifferenz zu ersetzen, die bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre. (T7)<br/>Beisatz: Hängt der Erfolg der Schadenersatzklage gegen den Rechtsanwalt davon ab, ob dem Kläger durch den Anwaltsfehler ein Schaden entstanden ist, so muss das Gericht den mutmaßlichen Verlauf der Geschehnisse unter der Voraussetzung ermitteln, dass sich der Anwalt richtig verhalten hätte. (T8)<br/>Beisatz: Der Geschädigte hat darzustellen, was er bei erfolgter Aufklärung durch den Rechtsanwalt unternommen hätte. Ohne ein Vorbringen in dieser Richtung kann nicht beurteilt werden, ob der Anwaltsfehler überhaupt, und gegebenenfalls für welchen Nachteil dieser kausal gewesen sein könnte. (T9)<br/>Bem: Hier: Rechtsanwalt als Vertragsverfasser (Vertragserrichter). (T10) |
17 Ob 11/11h | OGH | 09.08.2011 |
Beis wie T4; Beisatz: Zur Frage der Bindung an nicht mit dem Anwaltsfehler verknüpfte Verfahrensergebnisse des Vorprozesses siehe RS0127136. (T11)<br/>Veröff: SZ 2011/105 |
6 Ob 205/15p | OGH | 23.02.2016 |
Vgl aber; Beisatz: Ist das vom Mandanten vermisste Vorbringen aber schon abstrakt nicht geeignet, einen anderen Ausgang des Vorverfahrens herbeizuführen, dann bedarf es keiner Tatsachenfeststellungen über den hypothetischen Verfahrensausgang. (T12) |
5 Ob 176/16t | OGH | 01.03.2017 |
Auch; Beis wie T7; Beis wie T8; Beis wie T9 |
5 Ob 182/17a | OGH | 20.11.2017 |
Beis ähnlich wie T5; Beisatz: Geht es bei dieser hypothetischen Beurteilung um die Klärung strittiger Tatfragen, ist das Ergebnis dieser Prüfung als in dritter Instanz unanfechtbare Tatsachenfeststellung zu werten, während insbesondere dann, wenn es ausschließlich um rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts geht, die Beurteilung des hypothetischen Verfahrens als – revisible – Rechtsfrage anzusehen ist: (T13) |
1 Ob 63/18y | OGH | 17.07.2018 |
Auch; Beis ähnlich wie T2; Beis wie T6; Beis wie T13; Beisatz: Dabei sind jene Beweislastgrundsätze anzuwenden, die in dem nicht geführten Prozess gegolten hätten (so schon 1 Ob 577/91). (T14)<br/>Beisatz: Hier: Unterlassung der Ablehnung eines Auftrags bzw der Geltendmachung von Ansprüchen durch einen Rechtsanwalt. (T15) |
7 Ob 164/18w | OGH | 30.01.2019 |
Auch; Beis wie T7; Beis wie T8; Beis wie T9 |
8 Ob 48/21y | OGH | 25.06.2021 |
Vgl; Beis wie T7; Beis wie T8; Beis wie T9 |
10 Ob 25/22g | OGH | 13.12.2022 |
Vgl; Beis wie T7; Beisatz: Hier: Die Verletzung von Aufklärungspflichten führt idR zu Schadenersatzansprüchen und nicht zum Verlust des Honoraranspruchs. (T16) |
6 Ob 60/22z | OGH | 24.03.2023 |
Beisatz: Hier: Unterlassenes Vorbringen zum Widerruf möglicherweise als geschenkt qualifizierter Beträge. (T17) |
8 Ob 23/23z | OGH | 21.04.2023 |
Beisatz: Um die behauptete Kausalität überprüfen zu können ist es notwendig, dass der Geschädigte Behauptungen über den hypothetischen weiteren Geschehensverlauf für den Fall aufstellt, dass der Rechtsanwalt gehörig gehandelt hätte, zum Beispiel seiner Pflicht, den Mandanten zutreffend zu belehren, entsprochen hätte. (T18)<br/>Beisatz: So muss, liegt der Schaden in den Kosten eines verlorenen Prozesses, vom Geschädigten behauptet werden, er hätte den Prozess nicht geführt, hätte der Rechtsanwalt ihn gehörig aufgeklärt. (T19)<br/>Beisatz: Liegt der Schaden in einem Anspruchsverlust durch Verjährung, so muss vom Geschädigten jedenfalls behauptet werden, er hätte bei gehöriger Belehrung durch den Rechtsanwalt den Anspruch rechtzeitig geltend gemacht. Ferner ist das hypothetische Geschehen dieser Geltendmachung konkret zu behaupten, kann doch ohne – auf dem Tatsachenvorbringen des Geschädigten fußenden – Feststellungen zum „hypothetischen Inzidentprozess“ nicht beurteilt werden, ob der Rechtsanwalt den behaupteten Schaden verursacht hat. (T20) |
8 Ob 35/23i | OGH | 24.05.2023 |
vgl; Beisatz nur wie T4<br/>Beisatz: Hier: Haftung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen. (T21) |
7 Ob 173/23a | OGH | 11.12.2023 |
vgl; Beisatz nur wie T7<br/>Beisatz: Hier: Notar. (T22) |
1 Ob 8/24v | OGH | 24.07.2024 |
Beisatz wie T5; Beisatz wie T6<br/>Beisatz: Hier: vertretbare Beurteilung, dass im Vorprozess weder von einem Scheindienstverhältnis noch von einem Betriebsübergang auszugehen gewesen wäre. Dass in einem andere Parteien betreffenden und zudem in zweiter Instanz aufgehobenen Urteil von einem Scheindienstverhältnis ausgegangen wurde, war irrelevant. (T23)<br/>Beisatz: Da die Vorinstanzen vertretbar davon ausgegangen sind, dass das Vorverfahren auch bei dem nach Ansicht des Klägers pflichtgemäßen Verhalten des Beklagten verlorengegangen wäre, ist auch nicht zu erkennen, inwieweit das von ihm abgegebene Anerkenntnis für den behaupteten Schaden kausal sein soll. (T24) |
Dokumentnummer
JJR_19831130_OGH0002_0010OB00785_8300000_001
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