OGH 5Ob38/05g

OGH5Ob38/05g15.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 19. Mai 2003 verstorbenen Doris B*****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Zsizsik & Dr. Prattes, Rechtsanwälte GmbH in Kapfenberg, gegen die beklagte Partei Dr. Wolfgang P*****, vertreten durch Gstirner, Siegl & Choc, Rechtsanwälte OEG in Graz, wegen Feststellung (Streitwert EUR 12.000), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2004, GZ 5 R 177/04w-27, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

1. Der beklagte Rechtsanwalt hat den Vertrag vom 29. 8. 2000 verfasst, mit welchem Doris B***** den Hälfteanteil des Franz H***** B-LNr 6 an der Liegenschaft EZ ***** zum Preis von S 350.000 sowie gegen Übernahme der im Kaufvertrag vom 29. 8. 2000 näher bezeichneten bücherlichen Lasten kaufte. Laut Vertragspunkt 6. sollte der Miteigentumsanteil abgesehen von den im Vertrag genannten, von der Käuferin zu übernehmenden Verbindlichkeiten frei von bücherlichen Lasten sein. Zur Zeit des Vertragsabschlusses war aber sub C-LNR 17a das exekutive Pfandrecht zugunsten der Republik Österreich für eine Forderung von S 1,250.000 und der Kosten von S 6.594 vorgemerkt. Davon hatte weder Doris B***** noch der Beklagte Kenntnis, weil dieser unmittelbar vor Vertragsabschluss keine Grundbuchsabfrage mehr durchgeführt hatte. Das exekutive Pfandrecht zugunsten der Republik Österreich wird demnach im Kaufvertrag vom 29. 8. 2000, insbesondere auch nicht bei den von der Käuferin zu übernehmenden Lasten erwähnt.

2. Der klagende Nachlass nach Doris B***** begehrt gegenüber dem Beklagten ua die Feststellung, dass dieser für sämtliche Vermögensnachteile hafte, „welche der klagenden Partei durch das Verhalten der beklagten Partei im Zuge des Abschlusses des Kaufvertrages vom 29. 8. 2000 betreffend den Hälfteanteil B-LNr 6 an der Liegenschaft EZ ***** entstehen werden". „Das Verschulden der beklagten Partei (liege) im Unterlassen einer aktuellen Grundbuchsabfrage vor Unterfertigung des Kaufvertrages vom 29. 8. 2000 bzw vor Auszahlung des Kaufpreises, weshalb die im Kaufvertrag vereinbarte lastenfreie Übergabe bis dato nicht möglich (gewesen sei)". Die Erhebung eines Leistungsbegehrens sei derzeit nicht möglich, weil über das Vermögen des Franz H***** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und anschließend das Abschöpfungsverfahren eingeleitet worden sei; es sei daher noch nicht absehbar, inwieweit die Pfandgläubigerin Republik Österreich dort Befriedigung finde. Der Beklagte wandte ua ein, der von Doris B***** bezahlte Barkaufpreis sei zu deren Entlassung aus wesentlich höheren anderen Verbindlichkeiten verwendet worden, was bei Nichtzustandekommen des Kaufvertrages nicht möglich gewesen wäre; Doris B***** sei daher im Ergebnis jedenfalls kein Schaden entstanden.

3. Das Erstgericht bejahte die Haftung des Beklagten mit dem Hinweis auf § 1299 ABGB und gab dem genannten Teil des Feststellungsbegehrens statt; es traf dabei die (negative) Feststellung, wonach nicht erwiesen sei, „dass auch bei Kenntnis des Pfandrechtes Doris B***** den Kaufvertrag vom 29. 8. 2000 unterschrieben hätte". Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, es sei „in den Bereich der Spekulation zu verweisen, welches Schadens-Geschehen im Falle der Kenntnis der Doris B***** von der Pfandrechtsvormerkung vor Unterfertigung des Kaufvertrages vom 29. 8. 2000 seinen Verlauf genommen hätte".

Der gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteiles erhobenen Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und wies das Feststellungsbegehren ab. Unterstelle man, dass aus dem Vorbringen der der klagenden Partei abzuleiten wäre, dass Doris B***** in Kenntnis der zusätzlichen Belastung des zu erwerbenden Liegenschaftsanteils den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte - eine ausdrückliche Behauptung in diese Richtung fehle -, dann sei ihr der Beweis der Schadensursächlichkeit der Unterlassung des Beklagten aber jedenfalls nicht gelungen; wenn (unbekämpft) feststehe, dass nicht feststellgestellt werden könne, dass Doris B***** auch bei Kenntnis des Pfandrechts den Kaufvertrag vom 29. 8. 2000 unterfertigt hätte. Diese Negativfeststellung wirke sich zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin aus. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige, doch sei die ordentliche Revision nicht zulässig, weil zur Beweislastverteilung bei Schadenersatzansprüchen aus Tun oder Unterlassungen rechtsberatender Berufe ausreichend Rechtsprechung vorzuliegen scheine.

4. Der klagende Nachlass geht in der außerordentlichen Revision davon aus, dass Doris B***** den Kaufvertrag vom 29. 8. 2000 nicht unterfertigt hätte, wenn diese vom beklagten Vertragsverfasser auf das bei Vertragsunterfertigung sub C-LNr 17a vorgemerkte exekutive Pfandrecht zugunsten der Republik Österreich hingewiesen worden wäre. Damit sei ein vom Beklagten zu vertretender Fehler und dessen Schadenskausalität erwiesen. Die vom Erstgericht getroffene (negative) Feststellung, wonach nicht feststehe, „dass auch bei Kenntnis des Pfandrechtes B den Vertrag 00 unterschrieben hätte", dürfe dann nicht zu Lasten der klagenden Partei, sondern müsse zu Lasten des beklagten Vertragsverfassers gehen.

Rechtliche Beurteilung

5. Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0037797 insb [T8, 16]). Der Geschädigte hat daher zunächst die Pflichtverletzung und dann den dadurch verursachten Schaden zu beweisen (9 ObA 200/02f); dabei ist ein konkreter, nicht bloß theoretisch möglicher Nachteil zu behaupten und zu beweisen, der dem Schädiger iS der Adäquanztheorie überwiegend wahrscheinlich zuzurechnen ist (vgl Harrer in Schwimann² § 1295 ABGB Rz 37). Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst dabei jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist (RIS-Justiz RS0022537), so etwa auch das Anwachsen von Passiva (1 Ob 3/92 = SZ 65/125).

6. Den Geschädigten trifft grundsätzlich auch die Behauptungs- und Beweislast für den Kausalzusammenhang (RIS-Justiz RS0022686 [T2]) und zwar auch dann, wenn es sich um eine Unterlassung handelte (RIS-Justiz RS0022686 [T8]). Eine Unterlassung ist für einen konkreten Schadenserfolg dann ursächlich, wenn die Vornahme einer bestimmten Handlung den Eintritt eines bestimmten schädigenden Erfolgs verhindert hätte (RIS-Justiz RS0022913). Die Kausalität ist demnach zu verneinen, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre (RIS-Justiz RS0022913 [T1]). Die Beweislast dafür, dass der Schaden bei gebotenem Verhalten nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten selbst im Fall der Anwendbarkeit des § 1298 ABGB (stRsp RIS-Justiz RS0022900; RS0022686). Diese Grundsätze gelten auch bei pflichtwidriger Unterlassung eines Rechtsanwalts (vgl 2 Ob 224/97y; 6 Ob 242/00g), bei welchem ebenfalls dem Geschädigten der Nachweis der Kausalität des Verhaltens des Schädigers für den eingetretenen Schaden zugemutet wird (vgl 1 Ob 151/01i = SZ 74/159; RIS-Justiz RS0106890).

7. Eine unrichtige (hier: unterbliebene) Beratung (Aufklärung) des Rechtsanwalts berechtigt idR nur zum Ersatz des verursachten Vertrauensschadens. Es ist nur die Vermögensdifferenz zu ersetzen, die bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre (6 Ob 131/97a = ImmZ 1998, 283). Hängt der Erfolg der Schadenersatzklage gegen den Rechtsanwalt davon ab, ob dem Kläger durch den Anwaltsfehler ein Schaden entstanden ist, so muss das Gericht den mutmaßlichen Verlauf der Geschehnisse unter der Voraussetzung ermitteln, dass sich der Anwalt richtig verhalten hätte (vgl 1 Ob 151/01i = SZ 74/159).

8.1. Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei vor dem Erstgericht behauptet, der Beklagte habe es unterlassen, vor Unterfertigung des Kaufvertrages vom 29. 8. 2000 bzw vor Auszahlung des Kaufpreises eine aktuelle Grundbuchsabfrage durchzuführen, weshalb die im Kaufvertrag vereinbarte lastenfreie Übergabe bis dato nicht möglich gewesen sei (vgl S 3 in ON 1). Damit hat die klagende Partei zwar ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten des Beklagten vorgetragen, nicht aber dargestellt, was Doris B***** bei erfolgter Aufklärung über das zugunsten der Republik Österreich vorgemerkte Pfandrecht unternommen, insbesondere ob sie den Kaufvertrag nicht oder doch, gegebenenfalls mit welchem (anderen) Inhalt sie diesen unterfertigt hätte. Ohne ein Vorbringen in dieser Richtung kann aber nicht beurteilt werden, ob die Unterlassung des Beklagten überhaupt, und gegebenenfalls für welchen Nachteil der Doris B***** diese kausal gewesen sein könnte und ob - im Hinblick auf das geltend gemachte Feststellungsbegehren - ein allfälliger Schaden bereits bezifferbar wäre. Soweit die klagende Partei vor dem Erstgericht einen Schaden allenfalls darin erblickt haben könnte (S 5 in ON 7), dass auf ihrem Hälfteanteil das Pfandrecht der Republik Österreich vorgemerkt ist, so kann dieser - schon vor Vertragsabschluss bestandene - Zustand jedenfalls nicht ursächlich auf die Unterlassung des Beklagten bei Vertragsunterfertigung zurückgehen.

8.2. Der Beklagte hat zwar vor dem Erstgericht ein hypothetisches Szenario für den Fall des Nichtzustandekommens des Kaufvertrages dargestellt (S 8 f in ON 9), um nachzuweisen, dass Doris B***** im Hinblick auf die mit dem Kaufpreis erzielte Befreiung von anderen Verbindlichkeiten kein Schaden entstanden sei. Der vom Beklagten diesen Überlegungen zugrunde gelegten Prämisse, Doris B***** hätte in Kenntnis des zugunsten der Republik Österreich vorgemerkten Pfandrechts den Kaufvertrag nicht unterfertigt, hat sich die klagende Partei vor dem Erstgericht aber nicht erkennbar angeschlossen. Die erstmals in der Revision aufgestellte Behauptung von der unterbliebenen Unterfertigung des Kaufvertrages, auf die die klagende Partei ihren Schadenersatzanspruch nunmehr gestützt sehen will, stellt dagegen eine unzulässige Neuerung dar.

9. Zusammengefasst folgt, dass die klagende Partei den aus der Unterlassung des Beklagten vermeintlich entstandenen Schaden vor dem Erstgericht nicht schlüssig dargestellt und insbesondere nie die in der Revision in Anspruch genommene Behauptung von der bei Aufklärung über das Pfandrecht unterbliebenen Vertragsunterfertigung aufgestellt hat. Auf das Fehlen dieser Behauptung hat schon das Berufungsgericht hingewiesen (S 26 unten in ON 27) und eine unterbliebene Erörterung dieser Tatfrage wird von der klagenden Partei nicht reklamiert. Da die klagende Partei schon der Pflicht zur schlüssigen Behauptung eines vermeintlich vom Beklagten zu vertretenden Schadens nicht entsprochen hat, stellt sich die einzige in der Revision aufgeworfene Frage einer allfälligen Verkennung der Beweislastverteilung durch die Vorinstanzen nicht.

Die Revision erfüllt die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO daher nicht.

Stichworte