OGH 9ObA200/02f

OGH9ObA200/02f4.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und DDr. Wolfgang Massl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gabriele M*****, Reinigungskraft, ***** vertreten durch Dr. Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M***** GesmbH, ***** vertreten durch Schubeck & Schubeck, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 2.811,48 brutto sA, über die Revision (Revisionsinteresse: EUR 2.592,88) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Juni 2002, GZ 15 Ra 48/02z-20, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Feber 2002, GZ 44 Cga 51/01p-14, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin war vom 24. 10. 2000 bis 8. 1. 2001 als Reinigungskraft bei der beklagten Partei beschäftigt. Im Rechtsmittelverfahren ist nicht mehr strittig, dass ihr für diese Tätigkeit offene Löhne (einschließlich Überstundenentgelt), anteilige Sonderzahlungen sowie Urlaubsabfindung in Höhe von insgesamt EUR 2.811,48 brutto sA zustehen.

Die beklagte Partei wendete jedoch gegen diese Klageforderung, soweit im Revisionsverfahren noch relevant, bis zu deren Höhe kompensando folgende Schadenersatzforderungen ein, für die die Klägerin aufgrund schuldhaften Verhaltens hafte:

Die Klägerin habe im Zuge einer privaten Einkaufsfahrt am Pkw der beklagten Partei einen Schaden von EUR 329,20 verursacht. Weiters habe sie Kundenbestätigungen über die Ausführung von Reinigungsarbeiten vereinbarungswidrig und trotz Aufforderungen nicht ausgehändigt, wodurch erbrachte Leistungen im Umfang von EUR 2.543,55 nicht hätten verrechnet werden können. Diese Fehlleistungen gingen in ihrer Intensität über bloß entschuldbare (§ 2 Abs 3 DHG) hinaus, auch eine Minderung der Ersatzpflicht sei nicht angezeigt. Das Erstgericht erkannte die Klageforderung als zu Recht, die Gegenforderungen als nicht zu Recht bestehend und gab dem der Höhe nach unstrittigen Klagebegehren zur Gänze statt. Neben dem unstrittigen Sachverhalt traf es zu den eingewendeten Gegenforderungen folgende Feststellungen: Als die Klägerin unmittelbar nach der Beendigung ihr aufgetragener Reinigungsarbeiten mit einem VW-Bus der beklagten Partei die Innsbrucker City-Garage verließ, um zu einem anderen Auftragsobjekt zu fahren, streifte sie mit der rechten hinteren Fahrzeugseite einen Papierkorb, wodurch ein Sachschaden von EUR 340,11 entstand. Zur anderen Gegenforderung konnte das Erstgericht ausdrücklich nicht feststellen, ob die Klägerin der beklagten Partei die Liste mit Kundenbestätigungen über die Ausführung von Fensterreinigungsarbeiten in „M*****"-Filialen ausgehändigt hat und der beklagten Partei dadurch ein Schaden entstanden ist.

Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Verursachung des Schadens am Pkw im Zuge der Erfüllung einer Arbeitsleistung für die beklagte Partei auf eine entschuldbare Fehlleistung zurückzuführen und die Klägerin diesbezüglich von einer Haftung befreit sei (§ 2 Abs 3 DHG). Hinsichtlich der angeblichen Nichtablieferung von Arbeitsbestätigungen sei die beklagte Partei ihrer Beweispflicht nicht nachgekommen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Klageforderung mit EUR 2.811,48 brutto, aber auch eine Gegenforderung von EUR 72,76 netto als zu Recht bestehend erkannte und demzufolge die beklagte Partei zur Zahlung der Brutto-Klageforderung abzüglich des Nettobetrages verurteilte. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Beschädigung des Fahrzeuges zwar auf keine entschuldbare Fehlleistung zurückzuführen sei, auf Grund der Schadensgeneigtheit der - für die Klägerin ungewohnten - Tätigkeit und ihres nicht sehr hohen Lohnes aber die Ersatzpflicht auf EUR 72,67 (= ATS 1.000) zu mindern sei (§ 2 Abs 1 u 2 DHG). Hinsichtlich der angeblich nicht abgelieferten Arbeitsbestätigungen vertrat es ebenfalls die Rechtsauffassung, dass die beklagte Partei die Verletzung der (vertraglichen) Arbeitspflicht durch die Klägerin zu beweisen gehabt hätte. Die nicht mögliche Feststellbarkeit dieser Pflichtverletzung gehe daher zu ihren Lasten. Damit habe es aber auch keiner Feststellungen zur Schadenshöhe bedurft. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil hinsichtlich der von der beklagten Partei bekämpften Frage der Beweislastverteilung die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG gegeben seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass auch die Gegenforderung von EUR 2.665,64 als zu Recht bestehend erkannt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin stellt zwar formell den Rechtsmittelantrag, der Revision nicht Folge zu geben, weist aber in ihrer Revisionsbeantwortung in einem eigenen Punkt auf die Unzulässigkeit der Revision und darauf hin, dass diese zurückzuweisen sei; damit ist auch von einem entsprechend weitergehenden Antrag auszugehen.

Die Revision ist trotz des das Revisionsgericht nicht bindenden Zulassungsausspruches nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0022686, insbesondere 5 Ob 555/89 = ecolex 1991, 306) reicht die Beweislastverschiebung nach § 1298 ABGB nur so weit, dass bei Verletzung einer vertraglichen (oder gesetzlichen) Verbindlichkeit der Geschädigte vom Beweis des Verschuldens des Schädigers befreit ist, welchem dann der Beweis obliegt, dass er an der Erfüllung der vertragsmäßigen (oder gesetzlichen) Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sei. Haftungsansatzpunkt ist aber in jedem Fall die vom Gläubiger zu beweisende Nichterfüllung oder Schlechterfüllung. Der Geschädigte hat daher zunächst die Pflichtverletzung und dann den dadurch verursachten Schaden zu beweisen. Ist demnach schon die Pflichtverletzung nicht bewiesen worden, stellt sich die Frage der Beweislastumkehr zum Verschulden gar nicht. Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung diese Rechtsprechung zugrunde. Es ist nicht ersichtlich, warum bei der - behaupteten - Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen dieser allgemeine Grundsatz nicht gelten soll, sodass eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 46 Abs 1 ASGG nicht zu erkennen ist.

Die Frage, ob und inwieweit eine Mäßigung des dem Dienstgeber vom Dienstnehmer zugefügten Schadens vorzunehmen ist (§ 2 Abs 1 DHG), ist regelmäßig eine solche des Einzelfalls. Die konkrete Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zur Anwendung des Mäßigungsrechtes und dessen Umfang ist im Hinblick auf die Schadensgeneigtheit der Tätigkeit des Lenkens eines Kleintransporters (RIS-Justiz RS0054699; 8 ObA 2186/96w) und den keineswegs überdurchschnittlichen, eine Risikoabgeltung nicht enthaltenden Stundenlohn von ATS 80 brutto jedenfalls vertretbar. Auch in diesem Teil der rechtlichen Beurteilung ist daher keine erhebliche Rechtsfrage erkennbar. Der Kostenzuspruch gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO, zumal die Klägerin in ihrer Rechtsmittelbeatwortung zutreffend auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

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