OGH 6Ob242/00g

OGH6Ob242/00g23.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Gesellschaft mbH in Liquidation, ***** vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim, gegen die beklagte Partei DDr. Karl Robert H*****, vertreten durch Grassner Lenz Thewanger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 5,000.000 S, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 14. April 2000, GZ 4 R 246/99w-57, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 15. September 1999, GZ 1 Cg 68/96i-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 33.525 S (darin 5.587,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das klagende Bauunternehmen war zum 31. 12. 1992 mit mehr als 17 Mio S und zum 31. 12. 1993 mit mehr als 18 Mio S buchmäßig überschuldet. Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) erhob im Sommer 1993 eine Beitragsforderung von 1,033.846 S, erließ darüber einen Rückstandsausweis und betrieb die Forderung exekutiv. Der Beklagte war der gewählte Rechtsvertreter der Klägerin und bekämpfte die Exekutionsbewilligung erfolglos mit Rekurs und brachte eine Oppositionsklage ein. Er erhob aber keinen Einspruch gegen den Rückstandsausweis bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft. Am 19. 10. 1993 stellte die BUAK beim Landesgericht Ried im Innkreis einen Konkursantrag. Am 12. 12. 1993 erhob die Klägerin selbst einen Einspruch gegen den Rückstandsausweis, der letztlich erfolgreich war (mit Bescheid vom 25. 7. 1994 erkannte die Verwaltungsbehörde, dass die im Rückstandsausweis enthaltene Vorschreibung von 1,001.516 S nicht zu Recht bestehe). Die Klägerin anerkannte einen Teil der offenen Forderung der BUAK und erreichte nach entsprechender Vereinbarung durch die Zahlung von 1 Mio S die Zurückziehung des Konkursantrages. Aufgrund weiterer Zahlungsrückstände beantragte die BUAK jedoch am 10. 3. 1994 neuerlich die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Klägerin. Am 28. 6. 1994 wurde der Konkurs eröffnet.

Die Klägerin begehrt nun von ihrem früheren Rechtsfreund Schadenersatz und die Feststellung seiner Haftung mit dem wesentlichen Vorbringen, er hätte statt der zwecklosen Schritte im Exekutionsverfahren den Rückstandsausweis der BUAK mit Einspruch und Aufschiebungsantrag bekämpfen müssen. Dann wäre der für die Zurückziehung des ersten Konkursantrages aufgebrachte und hinterlegte Betrag von 1 Mio S zur Verfügung gestanden und es hätte der zweite Konkursantrag vermieden werden können. Das Unternehmen hätte fortgeführt werden können. Es habe eine gute Auftragslage bestanden. Mit dem detailliert geltend gemachten Schadenersatzbegehren macht die Klägerin einen Verdienstentgang, die Kosten im Konkursverfahren und in den Exekutionsverfahren sowie eine Kreditschädigung geltend.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte im Wesentlichen vor, dass die Klägerin schon im Jahr 1993 und im Jahr 1994 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei, sodass ihr Geschäftsführer zur Stellung eines Konkursantrages verpflichtet gewesen wäre. Selbst wenn der Beklagte gegen einen Rückstandsausweis Einspruch erhoben hätte und wenn eine Aufschiebung der Exekution bewilligt worden wäre, hätte die BUAK den (zweiten) Konkursantrag gestellt.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es stellte über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus die gegen die Klägerin im Jahr 1993 anhängigen Exekutionsverfahren fest und legte seiner rechtlichen Beurteilung noch den Umstand zugrunde, dass nicht feststellbar sei, dass die BUAK bis zur Zurückziehung des Konkursantrages von dem von der Klägerin eingebrachten Berichtigungsantrag (gemeint: Einspruch gegen den Rückstandsausweis) Kenntnis erlangt habe. Wenn sie Kenntnis erlangt hätte, hätte sie den Konkursantrag nicht ohne dieselbe Bedingung der Zahlung eines Betrages von 1 Mio S zurückgezogen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Klägerin den Kausalzusammenhang zwischen der unterlassenen Einspruchserhebung gegen den Rückstandsausweis und den geltend gemachten Schäden nicht nachgewiesen habe, weil die BUAK auch in Kenntnis eines bereits eingebrachten Einspruchs den Konkursantrag nur unter der Bedingung der Zahlung von 1 Mio S zurückgezogen hätte. Ein Schadenersatzanspruch wäre aber auch zu verneinen, wenn die Klägerin selbst aufgrund der bestandenen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit zur Stellung eines Konkurseröffnungsantrags verpflichtet gewesen wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nach Beweiswiederholung nicht Folge. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen nicht zur Gänze und traf zu den Themen der Kenntnis der BUAK über einen erhobenen Einspruch der Klägerin gegen den Rückstandsausweis sowie zur hypothetischen Vorgangsweise der BUAK, wenn schon im September 1993 vom Beklagten gegen den Rückstandsausweis Einspruch erhoben worden wäre, folgende Feststellungen:

1. "Im Gespräch vom 4. 1. 1994 inWien zwischen Ernst R***** und den damals anwesenden Repräsentanten der BUAK ging deren Direktor Dr. N***** davon aus, dass R***** gegen den damals aktuellen Rückstandsausweis Einspruch bei der Bezirksverwaltungsbehörde erhoben hat. dies hatte R***** am 13. 12. 1993 tatsächlich im Umfang von S

996.533 getan. Aktenkundig bei der BUAK wurde dieser von R***** bei der Bezirksverwaltungsbehörde erhobene Einspruch nicht vor dem 22. 3. 1994."

2. "Der Berufungssenat sieht sich aus diesen Gründen nach ausführlichster Erwägung der Beweisergebnisse nicht in der Lage, mit einem dem § 272 ZPO genügenden Überzeugungsgrad festzustellen, ob ein früherer, vom Beklagten im Vollmachtsnamen der klagenden Partei im September 1993 erhobener Einspruch eine andere Vorgangsweeise der BUAK zur Folge gehabt hätte und insbesondere ob sich die BUAK dadurch zur bedingungslosen Einschränkung des Konkursantrages um den beeinspruchten Teil veranlasst gesehen hätte."

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass die Klägerin aufgrund der festgestellten Zahlungsunfähigkeit und der erheblichen Übrschuldung im Jahr 1993 selbst zur Antragstellung auf Konkurseröffnung gemäß § 69 Abs 2 KO verpflichtet gewesen sei. Mit einer solchen Antragstellung wäre der von der BUAK am 10. 3. 1994 neuerlich gestellte Konkursantrag bedeutungslos geworden. Die Klägerin dürfe sich zur Begründung der auf § 1299 ABGB gestützten Haftung des beklagten Rechtsanwalts nicht auf eine eigene fiktive Gesetzesübertretung berufen. Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts nach § 1299 ABGB habe nicht den Schutzzweck, dem Klienten die gegen § 69 Abs 2 KO verstoßende Konkursverschleppung zu ermöglichen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels oberstgerichtlicher Judikatur zu dieser Frage zulässig sei.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes unzulässig.

Die vom Berufungsgericht für erheblich gehaltene Rechtsfrage nach dem Schutzzweck des § 1299 ABGB, der nicht die Vermeidung von pflichtgemäßen Konkursanträgen eines zahlungsunfähigen Schuldners umfasse, ist nicht entscheidungswesentlich. Die Abweisung des Klagebegehrens wäre vielmehr schon im Sinne der in ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Grundsätze über die Beweislast zur Kausalität rechtswidriger Unterlassungen zu bestätigen gewesen:

Die Haftung für die Folgen einer rechtswidrigen Unterlassung ist zu verneinen, wenn der Nachteil, auf dessen Ersatz jemand in Anspruch genommen wird, auch bei dessen pflichtgemäßem positiven Tun eingetreten wäre. Die Unterlasung ist nur dann ursächlich, wenn die Vornahme einer bestimmten aktiven Handlung den Eintritt des Erfolges verhindert hätte und diese Handlung möglich gewesen wäre (1 Ob 33/97b). Die Beweislast, dass bei gebotenem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (EvBl 1993/57), wobei aber an einen für die Haftungsbegründung erforderlichen Kausalitätsbeweis keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen (7 Ob 677/89). Der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, dass zumindest überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten de Beklagten herbeigeführt worden (1 Ob 2051/96s = ZVR 1996/96; 6 Ob 220/99f). Diese Grundsätze gelten auch beim schuldhaft rechtswidrigen Verhalten eines Rechtsanwalts, der pflichtwidrig eine Prozesshandlung unterlässt (2 Ob 224/97y). Nach den wiedergegebenen Feststellungen des Berufungsgerichtes ist der Klägerin der ihr obliegende Kausalitätsbeweis nicht gelungen. Sie hätte nachweisen müssen, dass bei rechtzeitigem Einspruch gegen den Rückstandsausweis der Konkursantrag mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit zurückgezogen worden wäre.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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