Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Der am 20.Mai 1961 geborene Kläger war am 14.Dezember 1976 als Lenker eines Mopeds in Wien 3 in einen Verkehrsunfall mit einem PKW verwickelt. Weil der Kläger verletzt worden war, wurde gegen den Lenker des PKWs Hans Peter S*** zu 8 U 766/77 des Strafbezirksgerichtes Wien ein Strafantrag nach § 88 Abs 4 StGB gestellt. Der Kläger und seine Mutter Pauline U*** suchten im Oktober 1977 die Kanzlei des Beklagten auf, damit dieser die Schadenersatzansprüche des Klägers geltend mache. Der Beklagte schloß sich zunächst als Privatbeteiligtenvertreter dem Strafverfahren gegen Hans Peter S*** an. Hans Peter S*** wurde mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien am 18.Jänner 1978 von der wider ihn erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen. Als Privatbeteiligtenvertreter war der Anwärter des Beklagten Dr. Kurt LUX eingeschritten. Nach der Verhandlung regte sich die Mutter des Klägers über den Freispruch auf und reagierte mit Beschimpfungen. Dr. Kurt Lux wies Pauline U*** darauf hin, daß eine Zivilklage wegen des Kostenrisikos problematisch sei. Er verwies sie an den Beklagten, den sie zur Besprechung weiterer allfälliger Schritte aufsuchen solle. Weder der Kläger noch seine Mutter erschienen aber in der Kanzlei. Eine schriftliche Verständigung des Klägers oder seiner Mutter durch den Beklagten erfolgte nicht. Der Beklagte vertrat den Kläger weiters in einem von der Haftpflichtversicherung gegen ihn angestrengten Regreßprozeß zu 4 C 419/79 des Bezirksgerichtes Favoriten. Die Haftpflichtversicherung des Klägers hatte Hans Peter S*** ein Drittel seines Schadens ersetzt. Der Kläger gab die ihm am 31. Mai 1979 zugestellte Klage in der Kanzlei des Beklagten ab, ein persönlicher Kontakt mit dem Beklagten fand aber nicht statt. Der Beklagte erhielt für dieses Verfahren vom Kläger keine Informationen. Die schriftliche Vollmachtserteilung fand offenbar in der Kanzlei des Beklagten in Gegenwart eines Angestellten statt. Weitere schriftliche Verständigungen des Klägers durch den Beklagten erfolgten nicht. Im Hinblick auf die Untätigkeit des Klägers und seiner Mutter nach dem Strafverfahren trotz ausdrücklicher Aufforderung durch Dr. Kurt LUX, zu einer Rücksprache in die Kanzlei zu kommen, hat der Beklagte in der Folge keine weiteren Schritte zur Geltendmachung allfälliger Ansprüche des Klägers unternommen. Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von S 307.298,68 samt Anhang und die Feststellung, daß ihm der Beklagte für allen kausalen Schaden aus dem Unfall vom 14.Dezember 1976 zu haften habe. Der Beklagte habe es trotz Auftrages unterlassen, die entsprechenden Zivilverfahrensschritte einzuleiten, damit die Schadenersatzforderung des Klägers befriedigt werde. Aufgrund der Untätigkeit des Beklagten sei die Schadenersatzforderung des Klägers verjährt. Unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von einem Drittel seien dadurch sein Schmerzengeldanspruch und sein Verdienstentgang in der Höhe von S 307.298,88 unbefriedigt geblieben. Spätfolgen nach dem Unfall seien nicht ausgeschlossen. Der Beklagte wendete ein, der Kläger habe ihm nie einen Auftrag zur Einbringung einer Zivilklage erteilt. Der Kläger sei von Dr. Kurt LUX nach dem Freispruch des Hans Peter S*** ausdrücklich über die weiteren Möglichkeiten belehrt worden. Wegen des Freispruches habe der Kläger einen Auftrag, eine Schadenersatzklage einzubringen, nicht erteilt. Damit sei die Sache für den Beklagten abgeschlossen und erledigt gewesen. Der Kläger habe den Beklagten nur bevollmächtigt, ihn im Regreßprozeß zu vertreten. Zur Einbringung einer Schadenersatzklage habe er ihn nicht beauftragt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Kläger und seine Mutter hätten dem Beklagten Vollmacht erteilt; der Beklagte habe bei der Vorsprache des Klägers und seiner Mutter diesen wie allgemein üblich Rechtsbelehrung über die Zweckmäßigkeit eines Anschlusses als Privatbeteiligter im Strafverfahren erteilt. Als das Strafverfahren mit dem Freispruch des Unfallsgegners geendet habe und aufgrund des Sachverständigengutachtens ein sehr wesentliches Verschulden des Klägers hervorgegangen sei, habe Dr. Kurt LUX den Kläger und seine Mutter aufgefordert, mit dem Beklagten persönlich die weitere Vorgangsweise zu besprechen, da ein Zivilprozeß wegen des Kostenrisikos zu überlegen sei. Dieser Aufforderung sei weder der Kläger noch seine Mutter nachgekommen; diese hätte die Vollmacht für eine Zivilklage, die auch pflegschaftsgerichtlich hätte genehmigt werden müssen, erteilen müssen. Beide seien trotz Aufforderung des Dr. Kurt LUX der Meinung gewesen, daß sie mit der Erteilung einer Vollmacht "für alle Rechtslagen" alles Erforderliche getan hätten und der Beklagte nach eigenem Gutdünken die weiteren Schritte zu unternehmen gehabt hätte, dies obwohl Pauline U*** selbst angegeben habe, die Vollmacht zunächst lediglich für das Strafverfahren erteilt zu haben. Im Zeitpunkt der Bevollmächtigung des Beklagten, den Kläger im Regreßprozeß zu vertreten, sei jedenfalls ein Auftrag an den Beklagten zur Einbringung einer Zivilklage nicht vorgelegen. Der Kläger habe durch die kommentarlose Übergabe der Mahnklage in der Kanzlei des Beklagten und Unterfertigung einer Vollmacht diesen konkludent jedenfalls nur mit der Vertretung im Regreßprozeß beauftragt. Durch die Aufforderung des Dr. Kurt LUX sei sowohl für den Kläger als auch für seinen gesetzlichen Vertreter erkennbar gewesen, daß ohne Erörterung und Vereinbarung eines weiteren Vorgehens seitens des Beklagten nichts unternommen werden würde. Der Beklagte habe aufgrund der Untätigkeit beider zu Recht annehmen können, daß sie keine weitere Vertretung durch ihn wünschten. Sicher wäre es zweckmäßig gewesen, wenn der Beklagte nachträglich noch einmal schriftlich den Ausgang des Strafverfahrens und dessen Bedeutung für die zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber der Mutter des Klägers festgehalten und diese gleichzeitig über die weiteren rechtlichen Möglichkeiten informiert hätte. Doch könne aus dieser Unterlassung allein im Hinblick auf den fehlenden Auftrag zur Einbringung einer Zivilklage ein Verschulden des Beklagten nicht abgeleitet werden. Da ein Auftrag an den Beklagten zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche des Klägers über die Privatbeteiligung im Strafverfahren hinaus nicht vorgelegen sei, könne dem Beklagten eine Vernachlässigung seiner Pflicht als Rechtsanwalt zur gewissenhaften und eifrigen Besorgung der Geschäfte des Klägers im Rahmen der erteilten Vollmacht nicht vorgeworfen werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwaltes, der eine Vertretung übernehme, gehöre die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten. Gehe man davon aus, daß der Kläger bzw. seine Mutter als gesetzliche Vertreterin den Beklagten beauftragt hatten, seine Schadenersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall geltend zu machen, so hätte der Beklagte als Rechtsfreund die Verpflichtung gehabt, seine Mandanten über alles, was für deren weiteres Verhalten in dieser Angelegenheit entscheidend sein konnte, aufzuklären. Der Kläger und seine Mutter hätten zweifellos keinen Einfluß darauf genommen, in welcher Weise der Beklagte die Schadenersatzansprüche des Klägers geltend zu machen habe. Der dem Beklagten erteilte Auftrag, die Schadenersatzansprüche des Klägers geltend zu machen, habe daher seine Verpflichtung umfaßt, den Kläger bzw. dessen gesetzliche Vertreterin auf die Auswirkung des freisprechenden Strafurteiles auf die Erfolgsaussichten eines einzuleitenden Zivilprozesses hinzuweisen und sie insbesondere auf die Möglichkeit der Verjährung des geltend zu machenden Anspruches aufmerksam zu machen. Der dem Beklagten vom Kläger und dessen gesetzlichen Vertreterin erteilte Auftrag, die Schadenersatzansprüche des Klägers geltend zu machen, sei nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht widerrufen worden. Das pflichtgemäße Verhalten des Rechtsanwaltes sei darauf abzustellen, daß juristische Laien erfahrungsgemäß rechtliche Belehrungen nicht immer richtig verstünden und insbesondere dazu neigten, Hinweise auf Fristen oder die Folgen prozessualen Verhaltens nicht zu erfassen oder nach einiger Zeit zu vergessen. Sie bestellten nicht zuletzt deswegen einen Rechtsfreund, damit ihre Interessen in jeder Weise gewahrt würden. Fristen und wichtige Termine habe daher nicht der Mandant, sondern der Rechtsanwalt in Evidenz zu halten und zu wahren bzw. wenn der Mandant bestimmte Aufträge erteilt habe oder dies unterlasse, den Mandanten auf die möglichen Folgen aufmerksam zu machen. Der Hinweis, daß im Hinblick auf die Ergebnisse des Strafverfahrens eine Zivilklage wegen des Kostenrisikos problematisch sei, entspreche nicht im entferntesten den Pflichten eines Rechtsanwaltes gegenüber seinem Mandanten. Aus der Pflicht des Beauftragten, bei der Geschäftsbesorgung die Interessen des Auftraggebers zu wahren, ergebe sich, daß er im Zweifel beim Geschäftsherrn rückzufragen habe. Diese Verpflichtung treffe den Beauftragten nicht nur, wenn er von den Weisungen des Geschäftsherrn abgehen wolle, sondern auch in dem gleichzuhaltenden Fall, daß der der Vollmachtserteilung zugrunde liegende Auftrag nicht ausreichend bestimmt sei. Halte man sich vor Augen, daß es üblicherweise dem Gutdünken des Rechtsanwaltes überlassen bleibe, einen Anschluß als Privatbeteiligter im Strafverfahren vorzunehmen oder den Ausgang des Strafverfahrens ohne Beteiligung abzuwarten und danach im Korrespondenz- bzw. Zivilrechtsweg die Schadenersatzansprüche seines Mandanten geltend zu machen, so habe der Beklagte mit dem Anschluß im Strafverfahren, in dem erfahrungsgemäß der Privatbeteiligte meist auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde, lediglich eine vorbereitende Maßnahme zur Durchsetzung der Ansprüche des Klägers gesetzt. Daß er danach weder im Sinn des erteilten Auftrages tätig geworden sei noch weitere Informationen vom Kläger eingeholt oder ihn auch nur auf seine rechtlichen Möglichkeiten und Erfolgschancen hingewiesen habe, insbesondere aber nicht konkret auf den Zeitpunkt der Verjährung aufmerksam gemacht habe, stelle daher eine schuldhafte Pflichtverletzung dar. Zu den Pflichten des Rechtsanwaltes gehöre es, entweder die Ansprüche seines Mandanten zu verfolgen und für eine Unterbrechung der Verjährung zu sorgen oder aber bei von ihm angenommener Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung sein Mandat so rechtzeitig niederzulegen, daß es dem Mandanten möglich sei, einen anderen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung seiner Ansprüche zu betrauen. Die Unterlassungen des Beklagten insgesamt stellten nicht nur einen objektiven Verstoß gegen ihm obliegende Vertragspflichten dar, sondern begründeten sein grundsätzlich zum Schadenersatz verpflichtendes Verschulden. Den Geschädigten treffe bei erwiesenem Verschulden des Beklagten immer noch die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und dem eingetretenen Schaden, auch wenn es sich um eine Unterlassung handle. Liege das Verschulden des Beklagten in der unterlassenen Einleitung eines Zivilverfahrens, sei der nicht durchgeführte Prozeß hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte. Das Erstgericht werde daher nach hypothetischer Nachvollziehung des vom Beklagten nicht eingeleiteten Schadenersatzprozesses dessen wahrscheinlichen Ausgang zu beurteilen haben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Beklagten ist berechtigt.
Den Entscheidungsgründen des Urteiles des Erstgerichtes läßt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, in welchem Umfang dem Beklagten vom gesetzlichen Vertreter des Klägers ein Auftrag zur rechtsfreundlichen Vertretung erteilt wurde. Während es zu Beginn der Feststellungen heißt, der damals noch minderjährige Kläger habe im Oktober 1977 zunächst allein und dann in Begleitung seiner Mutter den Beklagten aufgesucht, damit dieser seine Schadenersatzansprüche geltend machen solle, sowohl der Kläger als seine Mutter hätten dem Beklagten Vollmacht erteilt, worunter allenfalls ungeachtet der Unterfertigung bloß einer Strafvollmacht auch eine umfassende Auftragserteilung zur Verfolgung der zivilrechtlichen Ansprüche des Klägers selbst nach Freispruch seines Unfallsgegners verstanden werden könnte, wird später ausgeführt, der Beklagte habe glaubhaft angegeben, ein Auftrag zur Einbringung einer Zivilklage sei ihm nie erteilt worden. Pauline U*** habe selbst angegeben, die Vollmacht lediglich zunächst für das Strafverfahren erteilt zu haben. Dann wird aber wieder der Ansicht Ausdruck verliehen, Pauline U*** und der Kläger seien der Meinung gewesen, mit der Erteilung einer Vollmacht "für alle Rechtslagen" alles Erforderliche getan zu haben. Schließlich geht das Erstgericht davon aus, ein Auftrag des Beklagten zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche des Klägers über die Privatbeteiligung im Strafverfahren hinaus sei nicht vorgelegen. Der Umfang des dem Beklagten erteilten Auftrages ist aber entscheidungswesentlich. Hätte der Kläger (durch seinen gesetzlichen Vertreter) dem Beklagten nur einen auf den Anschluß als Privatbeteiligter beschränkten Auftrag erteilt und sollte er diesen Auftrag ungeachtet der Aufforderung, in die Kanzlei des Beklagten zu kommen, sowie späterer Vollmachtserteilung zur Vertretung im Regreßprozeß nicht erweitert haben, dann könnte in der folgenden Untätigkeit des Beklagten keine seine Schadenersatzpflicht begründende Unterlassung erblickt werden. In dieser Richtung wird das Berufungsgericht gemäß § 496 Abs 3 ZPO die Verhandlung und die Feststellungen zu ergänzen haben.
Nur wenn ein unbeschränkter Auftrag zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche des Klägers vorgelegen oder der Auftrag nicht ausreichend bestimmt erteilt worden sein sollte, könnte die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes im wesentlichen gebilligt werden. Wäre der dem Beklagten erteilte Auftrag mit der Erledigung des Strafverfahrens gegen den Unfallsgegner noch nicht beendet gewesen, wäre es Verpflichtung des Beklagten geblieben, nun von sich aus tätig zu werden. Dem Beklagten wäre es zumindestens oblegen, den Kläger (dessen gesetzlichen Vertreter) schriftlich aufzufordern, in seiner Kanzlei zu erscheinen, um die weitere Vorgangsweise mit ihm zu besprechen. Dabei wäre der Kläger, wenn der Beklagte seine weitere Tätigkeit vom Erscheinen des Klägers (des gesetzlichen Vertreters) abhängig machen wollte, darauf hinzuweisen und zudem dahin zu belehren gewesen, wenn bei Untätigkeit des Klägers die Gefahr bestünde, daß seine von ihm allenfalls angenommenen Ansprüche verjährten. Dies würde auch dann gelten, wenn der Beklagte den ihm erteilten Auftrag objektiv nicht für ausreichend bestimmt hätte halten dürfen. Gerade auch in einem solchen Fall wäre er unter Belehrung über die möglichen Folgen zur Rückfrage an seinen Mandanten verpflichtet gewesen (RdW 1983, 106). Nur bei einer Haftung des Beklagten dem Grunde nach wären Feststellungen über den Unfallshergang in einem mängelfreien Verfahren zu treffen und danach hypothetisch zu beurteilen, wie ein gegen den Unfallsgegner und dessen Haftpflichtversicherung eingeleiteter Schadenersatzprozeß mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte (vgl. SZ 56/181). Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.
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