OGH 3Ob49/13x

OGH3Ob49/13x15.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Maleschitz, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin I***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Werner Heißig, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. K*****, Rechtsanwalt, *****, wegen 75.224 EUR, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Jänner 2013, GZ 13 R 115/12w‑22, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3. April 2012, GZ 57 Cg 46/11w‑15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Im Sommer 2006 kaufte die klagende Partei von der Rechtsvorgängerin der Nebenintervenientin, zum Teil auch vom damaligen Alleingesellschafter der Rechtsvorgängerin der Nebenintervenientin, Anteile an fünf Liegenschaften in Wien. Es wurde jeweils ein eigener Kaufvertrag errichtet. Der Beklagte war über Auftrag der klagenden Partei als Vertragserrichter tätig und auch mit der grundbücherlichen Durchführung betraut. Zudem fungierte er im Auftrag beider Kaufvertragsparteien als Treuhänder bei der Abwicklung der Kaufverträge.

Der Kauf des „Immobilienpakets“ wurde durch eine Bank finanziert. Zur Kreditbesicherung räumte die klagende Partei der Bank mit Pfandbestellungsurkunde vom 11. Juli 2006 ein Höchstbetrags‑Simultanpfandrecht von 6.268.600 EUR an den Liegenschaftsanteilen ein. Das Pfandrecht sollte ob einer Liegenschaft als Haupteinlage und ob den anderen vier Liegenschaften als Nebeneinlage einverleibt werden. Die Kosten der Einverleibung, Übertragung und Löschung des Pfandrechts sowie alle Kosten infolge Nichterfüllung der in der Pfandbestellungsurkunde übernommenen Verbindlichkeiten sollte vereinbarungsgemäß die klagende Partei tragen.

Zur Durchführung der Pfandrechtsbegründungen und Freigabe der Kaufpreise haben die Bank und der Beklagte einen Treuhandvertrag geschlossen, in dem sich der Beklagte gegenüber der Bank zur Einverleibung des Eigentumsrechts der klagenden Partei an allen gekauften Liegenschaftsanteilen und „zur Einverleibung des vereinbarten Simultanpfandrechtes bis zum Höchstbetrag von EUR 6.268.600,-- gemäß der oberwähnten Pfand-bestellungsurkunde […] zugunsten der Bank, und zwar ob sämtlichen fünf Liegenschaften jeweils im ersten Rang“ verpflichtete. Ein bestimmter Zeitpunkt für die Erfüllung der Verpflichtungen wurde nicht vereinbart. „Eine ausdrückliche Vereinbarung dahingehend, dass das Pfandrecht auf allen fünf Liegenschaften jedenfalls gleichzeitig einzuverleiben ist, wurde auch nicht getroffen.“

Der Beklagte begann nach der Unterfertigung sämtlicher Vertragsurkunden mit der Erfüllung seiner Treuhandverpflichtungen. Mit dem erlegten Kaufpreis nahm er die Lastenfreistellungen hinsichtlich der Pfandrechte vor und zahlte den Restkaufpreis an die Verkäuferin aus. Hinsichtlich einer Liegenschaft („Liegenschaft 4“) scheiterte die Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin und des Pfandrechts der Bank im ersten Rang vorerst daran, dass die Verkäuferin die Löschung zweier eingetragener Belastungen nicht wie vereinbart vornehmen konnte. Der Beklagte wartete vorerst mit der Erfüllung des Treuhandauftrags gegenüber der Bank zu und fragte ‑ nach einer Urgenz der Bank ‑ etwa Anfang des Jahres 2007 beim Rechtsanwalt der Verkäuferin nach, wieso die zugesagten Löschungen im Grundbuch nicht erfolgten. Aufgrund der erhaltenen Informationen schätzte der Beklagte die Lage daraufhin so ein, dass es noch einige Zeit dauern werde, bis die Löschung der Belastungen durchgeführt werden könne. Auch bei einer zweiten Liegenschaft („Liegenschaft 5“) traten Umstände auf, die zur Verzögerung bei der Einverleibung des Eigentums‑ und Pfandrechts führten.

Obwohl der Beklagte ‑ in erster Linie aus gebührenrechtlichen Gründen ‑ zunächst beabsichtigt hatte, alle Eigentums‑ und Pfandrechte gleichzeitig einverleiben zu lassen, entschied er sich wegen der nicht abschätzbaren Verzögerungen dafür, vorerst wenigstens die Eigentums- und Pfandrechte ob den restlichen drei Liegenschaften („Liegenschaften 1-3“) verbüchern zu lassen, um seiner Treuhandverpflichtung gegenüber der Bank und der klagenden Partei wenigstens so weit wie möglich nachzukommen. Eine vorhergehende Rücksprache mit einem der Beteiligten über die geplante Splittung des Treuhandauftrags fand nicht statt. Insbesondere wies der Beklagte weder die klagende Partei noch die Bank darauf hin, dass dadurch später die Eintragungsgebühr für das Pfandrecht neuerlich anfallen würde.

Für die Einverleibung der Simultanpfandrechte ob den Liegenschaften 1‑3 wurde der klagenden Partei eine Eintragungsgebühr von 75.224 EUR vorgeschrieben. Wären damals gleichzeitig auch die Simultanpfandrechte auf den Liegenschaften 4 und 5 einverleibt worden, hätte sich die Eintragungsgebühr (später) nicht erhöht.

Erst im Oktober 2009 waren die Voraussetzungen geschaffen, um auf der Liegenschaft 4 Eigentums- und Pfandrecht einverleiben zu können. Die Eintragung wurde am 9. Dezember 2009 grundbücherlich durchgeführt. Für die Einverleibung des Simultanpfandrechts wurde neuerlich eine Eintragungsgebühr von 75.224 EUR vorgeschrieben.

Diesen Betrag verlangt die klagende Partei vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes ersetzt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Beklagte habe in erster Linie die Interessen der Bank wahrzunehmen gehabt, die auch alleinige Auftraggeberin des Treuhandauftrags gewesen sei. Ein monatelanges oder gar jahrelanges Zuwarten mit der Erfüllung des gesamten Treuhandauftrags hätte weder dem Sicherungsinteresse der Bank noch den Interessen der klagenden Partei an der umgehenden Eigentumseinverleibung entsprochen. Es sei daher geboten gewesen, wenigstens das Eigentums- und Pfandrecht auf den Liegenschaften 1‑3 einzuverleiben; eine mehrfache Eintragungsgebühr sei damit nicht vermeidbar gewesen. Lasse sich der Treuhandauftrag aus nicht in der Sphäre des Treuhänders liegenden Gründen nicht auf einmal sondern nur geteilt erfüllen, so bleibe dem Treuhänder keine Wahl. Die höheren Gebühren seien gesetzlich vorgegeben und letztlich von jener Partei zu tragen, in deren Sphäre das Hindernis aufgetreten sei. Dem Beklagten sei die Verzögerung bei der Löschung der Belastungen nicht vorzuwerfen, habe er doch kein diesbezügliches Mandat gehabt. Insgesamt habe er die Treuhandaufträge korrekt erfüllt; das behauptete schuldhafte Fehlverhalten liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und ließ die Revision im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit nicht zu. Dem Beklagten sei keine Sorgfaltsverletzung vorzuwerfen. Bei einer mehrseitigen Treuhand habe der Treuhänder bei einem nicht in seiner Sphäre liegenden Hindernis die gegensätzlichen Interessen der Treugeber bestmöglich zu wahren. In der vorliegenden Konstellation sei der Beklagte verpflichtet gewesen, zugunsten der Bank (und zu Lasten des Interesses der klagenden Partei an einer möglichst niedrigen Gebührenbelastung) wenigstens eine teilweise Erfüllung in Ansehung der Liegenschaften 1‑3 zu bewirken, auf die auch der Großteil des Kaufpreises entfallen sei. Eine unbedingte Verpflichtung zur ‑ grundsätzlich anzustrebenden ‑ gleichzeitigen Einverleibung der Pfandrechte habe nicht bestanden, ebenso wenig eine Verpflichtung, bei der Bank eine Abänderung der Treuhandvereinbarung zu erwirken. Eine denkbare Haftung sei auch nicht aus einer Verletzung einer Informationspflicht abzuleiten, weil die klagende Partei dazu kein Vorbringen erstattet habe.

In ihrer außerordentlichen Revision wirft die klagende Partei eine Reihe von Rechtsfragen auf, die der Oberste Gerichtshof aus Anlass des Falles lösen möge. Nach Ansicht der Rechtsmittelwerberin habe der Beklagte durch die eigenmächtige Teilung des Treuhandauftrags gegen die Verpflichtung verstoßen, die Treuhandschaft bestmöglich auszuüben und dabei unnötige Gebührenpflichten zu vermeiden. Insbesondere wäre er verpflichtet gewesen, die Pfandrechtseinverleibung auf allen fünf Liegenschaften gleichzeitig vorzunehmen und hier gegebenenfalls ‑ mangels besonderer Dringlichkeit und mangels Befristung der Treuhand ‑ zeitliche Verschiebungen in Kauf zu nehmen oder die Pfandrechte auf den Liegenschaften 4 und 5 ‑ mit Zustimmung der Liegenschaftseigentümer ‑ vorerst nachrangig eintragen zu lassen. Vor allem wäre er zur umfassenden Information der Beteiligten verpflichtet gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht geltend gemacht.

1. Bei der Frage, ob ein Rechtsanwalt bei der Abwicklung einer mehrseitigen Treuhandschaft seiner hohen Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, handelt es sich um einen Einzelfall (RIS‑Justiz RS0107573). Welche Interessen der Treuhänder gegenüber einem bestimmten Treuhänder zu wahren hat, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des erteilten Treuhandauftrags (RIS‑Justiz RS0107335 [T3]).

2. Zweifellos trifft den Treuhänder die Verpflichtung, zur Minimierung der Gebührenbelastung beizutragen (1 Ob 1/08s). Diese Verpflichtung ist aber im Kontext damit zu sehen, dass er auch die Sicherung des Käufers (in Bezug auf die Einverleibung seines Eigentumsrechts) und der Bank (in Bezug auf die Einverleibung des Pfandrechts) zu wahren hat; ein schlichtes Zuwarten mit der Erfüllung des Treuhandauftrags aufgrund der vorhandenen Hindernisse wäre daher sorgfaltswidrig gewesen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Beklagte habe nicht sorgfaltswidrig gehandelt, wenn er in dem ‑ teils gegensätzlichen ‑ Pflichtenbündel bei Abwägung der Interessen der Treugeber (RIS‑Justiz RS0107335) die Entscheidung getroffen hat, vorweg für die Einverleibung des Eigentums- und Pfandrechts bei den Liegenschaften 1‑3 zu sorgen, ist nicht unvertretbar und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Es ist auch vertretbar, dass im vorliegenden Fall keine Verpflichtung für ein eigeninitiatives Tätigwerden des Beklagten zur Erwirkung einer Änderung des Treuhandauftrags oder der Beseitigung der der Einverleibung entgegen stehenden Hindernisse bestand.

3. Somit verbleibt als mögliche Haftungsgrundlage die Verletzung von Informationspflichten, die darauf abzielen, den Treugebern die Möglichkeit zu geben, aufgrund einer neuen Sachlage die bereits getroffenen Dispositionen anzupassen. Die Verletzung von Informations‑(Aufklärungs‑)Pflichten des Treuhänders macht ihn für einen ursächlich herbeigeführten Vertrauensschaden haftbar (RIS‑Justiz RS0107335 [T1]; RS0112065).

Eine Analyse des Vorbringens der klagenden Partei ergibt, dass sich diese in der Klage auf eine Sorgfaltsverletzung gestützt hat: Der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, das Simultanpfandrecht auf allen fünf Liegenschaften auf einmal einverleiben zu lassen. Dieser Standpunkt wird im vorbereitenden Schriftsatz ON 8 wiederholt. In der Streitverhandlung vom 24. November 2011 (ON 14) brachte die klagende Partei vor, es hätte drei Lösungsmöglichkeiten für den Beklagten gegeben: Die Verlängerung der Treuhandfrist im Verhältnis zur Bank, die Zurücklegung der Treuhandschaft und die Einholung des Einverständnisses der Verkäuferin (und wohl auch der Bank, die eine erstrangige Besicherung gefordert hatte) zur nachrangigen Einverleibung des Pfandrechts auf ihren Anteilen vor der Einverleibung des Eigentumsrechts der Käuferin.

Diesem Vorbringen lassen sich keine Behauptungen über den hypothetischen weiteren Geschehensverlauf für den Fall entnehmen, dass der Treuhänder seiner Informationspflicht nachgekommen wäre. Die Behauptungslast dafür, wie sich das Geschehen entwickelt hätte, wäre der Treuhänder seiner Informationspflicht nachgekommen, trifft den Geschädigten. Ohne ein Vorbringen in diese Richtung kann nicht beurteilt werden, ob der Informationsfehler überhaupt und gegebenenfalls für welchen Nachteil kausal gewesen sein könnte (5 Ob 38/05g = RIS‑Justiz RS0022706 [T9]). Demnach ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es fehle am notwendigen Vorbringen der klagenden Partei, nicht zu beanstanden.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision der klagenden Partei als unzulässig zurückzuweisen.

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