OGH 1Ob63/18y

OGH1Ob63/18y17.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* H*, vertreten durch Dr. Friedrich Helml, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Dr. H* B*, Rechtsanwalt, *, wegen 43.008,09 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Februar 2018, GZ 6 R 2/18h‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 2. November 2017, GZ 11 Cg 23/17x‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122307

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Ein Herr S* erwirkte gegen eine Frau O* unter Berufung auf ein gewährtes Darlehen bei einem deutschen Landgericht 1995 ein Versäumungsurteil über 20.014 DM zuzüglich Zinsen sowie Kosten in Höhe von 3.426,73 DM; dieses Urteil wurde für vollstreckbar erklärt. S* F* (in der Folge nur F*) brachte die (vermeintliche) Forderung unter der Firma einer in Wahrheit nicht existenten C* GmbH in eine Internetversteigerung ein, wo sie vom Kläger am 20. 7. 2006 um 1.000 EUR ersteigert wurde. Nachdem Frau O* am 2. 7. 2007 gegen das Versäumungsurteil Einspruch erhoben und der Kläger das Verfahren fortgesetzt hatte, wurden das Versäumungsurteil mit Urteil des Landgerichts vom 1. 10. 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Kläger das Bestehen einer Darlehensforderung nicht nachweisen konnte. Er brachte daraufhin am 18. 4. 2011 eine Klage gegen F* ein. Das angerufene Bezirksgericht hob antragsgemäß den Forderungskaufvertrag auf und erkannte F* schuldig, dem Kläger den Kaufpreis von 1.000 EUR sowie die durch Telefonat, Porto und ähnliches entstandenen Kosten in Höhe von 70 EUR zurückzuerstatten sowie die Prozesskosten zu ersetzen. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft und wurde auch von einem deutschen Landgericht für vollstreckbar erklärt, wobei die „Vollstreckungsklausel“ F* am 30. 11. 2011 zugestellt wurde. Der Kläger entschied sich dazu, weitere rechtliche Schritte gegen F* in Erwägung zu ziehen, und wandte sich per E‑Mail am 28. 3. 2014 an den beklagten Rechtsanwalt, worauf am 6. 6. 2014 ein persönliches Gespräch stattfand, in dem der Sachverhalt schriftlich ausführlicher geschildert wurde. Am 15. 8. 2014 schilderte der Kläger dem Beklagten den Sachverhalt noch einmal sehr ausführlich und fügte hinzu, dass die Einleitung rechtlicher Schritte erst nach Abstimmung mit ihm gewünscht sei. Mit E‑Mail vom 18. 8. 2014 teilte der Beklagte dem Kläger seine Einschätzung zu den etwaigen Forderungen mit. Er führte aus, dass die „ausgefallene Forderung“ nicht mit Erfolg betreibbar sei. Es wäre zu überlegen, das Verfahren gegen F* wegen der frustrierten Kosten fortzuführen; in Anbetracht der Zustellung [des vom Kläger erwirkten Mahnbescheids] an die Privatadresse am 29. 3. 2014 sei der Verjährungsablauf mit 29. 9. 2014 anzunehmen.

Der Kläger begehrt nun vom Beklagten Schadenersatz in Höhe von 43.008,09 EUR samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, letzterer habe es trotz entsprechender Zusage unterlassen, die erforderlichen rechtlichen Schritte gegen F* einzuleiten, wodurch der Schadenersatzanspruch des Klägers gegen diesen am 29. 9. 2014 verjährt sei. F* wäre verpflichtet gewesen, dem Kläger sowohl den Ausfall der gekauften Forderung in Höhe von 35.532,44 EUR als auch die dem Kläger im Verfahren vor dem Landgericht entstandenen Kosten von 7.475,65 EUR zu ersetzen; einerseits wäre F* nicht in der Lage gewesen, sein fehlendes Verschulden nachzuweisen, andererseits bestünde beim Forderungskauf eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung. Hätte der Beklagte entsprechend dem Auftrag vom 15. 8. 2014 die Forderung fristgerecht geltend gemacht, wäre sie durchsetzbar und einbringlich gewesen. Den schriftlichen Äußerungen des Beklagten sei nicht zu entnehmen gewesen, dass er gerichtliche Schritte nicht einleiten werde.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, er habe keinen Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung gegen F* bekommen. Die Forderung habe gar nicht bestanden, wäre aber jedenfalls weder durchsetzbar noch einbringlich gewesen. Das Erfüllungsinteresse hätte der Kläger nach maßgeblichem deutschen Recht nicht verlangen können, da insoweit ein Schadenersatzanspruch Verschulden voraussetze, welches F* nicht vorgeworfen werden könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein Vertrag, mit dem eine anfänglich unmögliche Leistung – im vorliegenden Fall die Übertragung einer nicht existenten Forderung – versprochen werde, sei bis zu seiner Aufhebung wirksam. Die Schadenersatzpflicht richte sich nach § 311a BGB, wobei dem Gläubiger das Wahlrecht gegeben werde, entweder Schadenersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner nutzlos gewordenen Aufwendungen in dem in § 284 BGB bestimmten Umfang zu verlangen. Die Kombination eines Schadenersatzanspruchs mit dem Anspruch aus § 284 BGB sei ausgeschlossen; die beiden Varianten seien ausschließlich alternativ möglich. Der Kläger habe mit seiner Klage beim Bezirksgericht bereits die nutzlos gemachten Aufwendungen in Form von 1.000 EUR für den bezahlten Kaufpreis und 70 EUR für die im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemachten Telefonate, gezahlten Portos etc geltend gemacht; diese beiden Aufwendungen seien naturgemäß nur im Hinblick auf den Erhalt der Leistung gemacht worden. Damit habe der Kläger die nutzlos gemachten Aufwendungen bereits erfolgreich geltend gemacht, wodurch er sein Wahlrecht nach § 311a BGB „verwirkt“ habe. Damit stehe ihm der Anspruch auf Schadenersatz nicht mehr zu. Selbst wenn man von einer Beauftragung des Beklagten zur Geltendmachung weiterer Ansprüche ausginge, wäre für den Kläger somit nichts gewonnen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Ob der vom Erstgericht herangezogene Abweisungsgrund tragfähig sei, könne dahingestellt bleiben. Einerseits habe der Beklagte einen allfälligen Auftrag mit seinem E‑Mail vom 18. 8. 2014 hinreichend deutlich abgelehnt, habe er darin doch ausgeführt, dass er davon ausgehe, der Kläger sei damit einverstanden, dass „in Sachen C*“ keine Schritte gesetzt werden. Mit der Wendung „in Sachen C*“ seien eindeutig sowohl C* als auch F* gemeint gewesen, da hinter der nicht existenten Firma C* die Privatperson F* gestanden sei. Mit seiner abschließenden Formulierung, „Können wir am Freitag, ... telefonieren?“ habe der Beklagte deutlich gemacht, dass eine weitere Initiative vom Kläger ausgehen solle; eine solche Kontaktaufnahme sei unstrittigerweise nicht erfolgt. Darüber hinaus sei ein allfälliger Schadenersatzanspruch gegen F* bereits mit Ablauf des Jahres 2013– also vor der erstmaligen Kontaktaufnahme mit dem Beklagten – verjährt gewesen. Damit habe der Beklagte keine Möglichkeit mehr gehabt, den Kläger vor der (bereits eingetretenen) Verjährung zu bewahren.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil der Erklärungswert einer E‑Mail, also die Auslegung von Urkunden, von den Umständen des Einzelfalls abhinge.

Mit seiner gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revision strebt der Kläger die Abänderung der Berufungsentscheidung im stattgebenden Sinn an; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil sich das Berufungsgericht einerseits mit einer bloß selektiven Urkundenauslegung begnügt und andererseits die Parteien in der Frage der Kausalität der behaupteten Pflichtverletzung des Beklagten für den geltend gemachten Schaden mit einer im Verfahren nicht erörterten Rechtsansicht überrascht hat. Sie ist mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

1. Beim Auftragsvertrag im Sinne des § 1002 ABGB handelt es sich um einen Konsensualvertrag, bei dem sich der Beauftragte zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Besorgung erlaubter Geschäfte auf Rechnung des Auftraggebers verpflichtet (RIS‑Justiz RS0109132). Der Abschluss eines Konsensualvertrags erfordert die Einigung der Vertragspartner über den Vertragsinhalt und die (ausdrückliche oder stillschweigende) Erklärung des Abschlusswillens (RIS‑Justiz RS0038607). Dazu bedarf es der inhaltlich ausreichend bestimmten, Bindungswillen aufweisenden Offerte des einen (RIS‑Justiz RS0013981) und der mit dieser Offerte korrespondierenden Annahme des anderen Vertragsteils (vgl nur Riedler in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar4 § 861 ABGB Rz 2; RIS‑Justiz RS0013992).

Nach § 1003 ABGB trifft Personen, welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte „öffentlich bestellt“ sind– dazu gehören auch Rechtsanwälte (RIS‑Justiz RS0128321 = 7 Ob 56/12d, RS0025277 [T1] = 3 Ob 44/06a) – die Verpflichtung, Anträge zum Abschluss eines Auftrags unverzüglich zu beantworten (RIS‑Justiz RS0128321). Schweigen auf ein Anbot führt allerdings nicht zum Vertragsabschluss, sondern verpflichtet gegebenenfalls zum Ersatz des Vertrauensschadens nach den Regeln der culpa in contrahendo (vgl nur P. Bydlinski in KBB5 § 1003 ABGB Rz 1, Apathy in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar4 § 1003 ABGB Rz 1).

Ob sich die Parteien binden wollen, ist – ebenso wie der Inhalt einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung – nach allgemeinen Auslegungsregeln zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0038607 [T11], vgl RS0013968). Demnach ist nach den §§ 914 f ABGB zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS‑Justiz RS0017915 [T8], RS0017797). Für das Vorliegen ebenso wie für die Bedeutung einer Erklärung kommt es nicht primär auf den Willen des Erklärenden, sondern vielmehr auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte und gewonnen hat (RIS‑Justiz RS0113932 [T2]).

Bei der Erforschung des wahren Parteiwillens handelt es sich um eine quaestio mixta, bei der zwischen der Sammlung von Indizien für den Parteiwillen als Tatsachenfeststellung und deren rechtlicher Bewertung zu unterscheiden ist (RIS‑Justiz RS0017797 [T11]). Dabei gehört die Auslegung einer nach Inhalt und Form unbestrittenen Urkunde allein aus ihrem Text zur rechtlichen Beurteilung (RIS‑Justiz RS0017911 [T5, T13, T18]); die Erforschung der Absicht der Parteien ist dagegen eine Beweisfrage (RIS‑Justiz RS0017911 [T1]).

Das Berufungsgericht stützte die Klageabweisung darauf, dass der Beklagte ein (allenfalls vorliegendes) Anbot des Klägers zum Abschluss eines Auftragsvertrags über die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen F* mit E-Mail vom 18. 8. 2014 abgelehnt habe, sodass mangels einer darauf gerichteten Verpflichtung des Beklagten eine Haftung aus der unterbliebenen Vornahme gerichtlicher Verfolgungsmaßnahmen gegen F* ausscheide.

Das Berufungsgericht hat klargestellt, dass es die Auslegung der E‑Mail des Beklagten vom 18. 8. 2014 auf Grundlage des „originalen“ Wortlauts der – von beiden Seiten vorgelegten, ihrem Inhalt nach sohin unstrittigen und daher vom Revisionsgericht ohne Weiteres verwertbaren (vgl RIS‑Justiz RS0121557 [T3]) – Urkunde vornahm. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Textes der E‑Mail des Beklagten vom 18. 8. 2014 hält einer Überprüfung jedoch nicht stand.

Betrachtet man das Schreiben in seiner Gesamtheit, ist erkennbar, dass der Beklagte darin zwischen der „ausgefallenen Forderung“ und den „frustrierten Kosten“ differenziert und lediglich eine Erfolgsaussicht für die Betreibung der „ausgefallenen Forderung“ verneint. Im weiteren Text unterscheidet er ausdrücklich zwischen den drei potentiellen Haftenden, nämlich Herrn S*, Herrn F* und der Fa C*, womit der rechtliche Schluss des Berufungsgerichts, das Abraten von weiteren Schritten „in Sachen C*“ erfasse auch eine Rechtsverfolgung gegen F*, in klarem Widerspruch steht, führt er doch ausdrücklich an, es wäre zu überlegen, gegen Herrn F* das Verfahren wegen der frustrierten Kosten fortzuführen. Eine hinreichend bestimmte Erklärung des Beklagten, ein (allenfalls bereits bindend erklärtes) Angebot des Klägers abzulehnen, kann hingegen aus dem Wortlaut der Urkunde nicht abgeleitet werden.

Die Frage, ob und inwieweit zwischen den Parteien eine Einigung über die Beauftragung des Beklagten mit der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen F* zustande gekommen ist, wird daher im fortgesetzten Verfahren nach den dargestellten Auslegungsgrundsätzen unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände der Erklärungen (RIS‑Justiz RS0017915) zu beantworten sein. Dabei wird insbesondere zu beachten sein, dass die E-Mail des Klägers vom 15. 8. 2014, in der er die bindende Erteilung des Auftrags sieht, sowie die E‑Mail des Beklagten vom 18. 8. 2014 nur ein Teil der zwischen den Streitteilen schriftlich und mündlich geführten Kommunikation über die Beauftragung mit der Geltendmachung von Forderungen war. So brachte der Beklagte vor, der Kläger habe ein gerichtliches Vorgehen gegen F* ausdrücklich ausgeschlossen; es sei auch keine Einigung über das Entgelt zustande gekommen. Demgegenüber behauptete der Kläger, der Beklagte habe bereits Schritte zur Einbringlichmachung der Forderung gesetzt.

Die Beurteilung, ob zwischen den Parteien durch übereinstimmende (ausdrückliche oder schlüssige) Willenserklärungen ein Auftragsvertrag zustande gekommen ist, nach dem der Beklagte zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen F* verpflichtet war, sowie die Beurteilung, welche Forderungen nach einem allfälligen Auftragsverhältnis geltend zu machen waren, erfordert die Feststellung des Willens der Parteien sowie sämtlicher relevanter Umstände, aufgrund derer erst beurteilt werden kann, welchen Inhalt die Parteien den Erklärungen des Verhandlungspartners jeweils zumessen durften.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass eine Willenseinigung der Parteien über eine Beauftragung des Beklagten mit der gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen gegen F* nicht zustande gekommen ist, wäre bei Vorliegen eines ausreichend bestimmten, bindenden Offerts des Klägers mit den Parteien zu erörtern, ob dem Beklagten iSd § 1003 ABGB vorzuwerfen ist, dem Kläger nicht ausreichend deutlich mitgeteilt zu haben, dass er rechtliche Schritte gegen F* namens des Klägers nicht einleiten werde. Sollte ein Auftragsvertrag nicht zustande gekommen und dem Beklagten der genannte Vorwurf nicht zu machen sein, hätte es bei der Klageabweisung zu bleiben.

Sollte sich hingegen herausstellen, dass der Kläger zumindest darauf vertrauen durfte (und dies auch getan hat), dass der Beklagte in seinem Namen gerichtlich gegen F* vorgehen werde, wird zu prüfen sein, ob die Unterlassung der Ablehnung des Auftrags bzw der Geltendmachung der Ansprüche kausal für den vom Kläger behaupteten Schaden war.

2. Der Kläger ist für die Behauptung beweispflichtig, dass der geltend gemachte Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtmäßigen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre (RIS‑Justiz RS0022700; 1 Ob 151/01i); er hat die Pflichtverletzung und den Kausalzusammenhang zwischen pflichtwidrigem Verhalten und schadensbegründendem Prozessverlust zu beweisen (RIS‑Justiz RS0022700 [T13]).

Dazu ist der mutmaßliche Erfolg der pflichtwidrig unterlassenen gerichtlichen Schritte zu ermitteln. Bei einem solchen sogenannten hypothetischen Inzidentprozess hat das mit dem Schadenersatzanspruch befasste Gericht den Vorprozess hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte (RIS‑Justiz RS0022706 [T6]). Zu den für die hypothetische Beurteilung erforderlichen Tatfragen sind vom Regressgericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen (vgl RIS‑Justiz RS0022706 [T13]). Dabei sind jene Beweislastgrundsätze anzuwenden, die in dem nicht geführten Prozess gegolten hätten (1 Ob 577/91; W. Völkl/C. Völkl/Perner/Völkl‑Posch, Beraterhaftung² [2014] Rz 7/177; so auch die dt Rsp und Lehre: BGH IX ZR 21/03, WM 2007, 419 [422]; IX ZR 211/00, WM 2004, 2220 [2221]; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer, Die Haftung des Rechtsanwalts9, Kap 4 Rz 962; G. Fischer in G. Fischer/Vill/ D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung4 [2015] § 5 Rz 135 f; Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung5 [2014] § 46 Rz 37; Vollkommer/Greger/ Heinemann, Anwaltshaftungsrecht4 [2014] 5. Teil Rz 27).

Der vom Regressgericht hinsichtlich des hypothetischen Prozesses festgestellte Sachverhalt ist danach so zu beurteilen, wie er nach Auffassung des Regressgerichts richtiger Weise hätte entschieden werden müssen (RIS‑Justiz RS0115755).

3. Das Berufungsgericht begründete die Klageabweisung ergänzend damit, dass die vom Kläger behaupteten Schadenersatzansprüche gegen F* bereits mit 31. 12. 2013, sohin vor der ersten Kontaktaufnahme des Klägers mit dem Beklagten, verjährt seien, sodass die unterbliebene gerichtliche Geltendmachung für den behaupteten Schaden nicht kausal sei.

Das Gericht darf die Parteien nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RIS‑Justiz RS0037300). Überraschend ist eine Rechtsansicht, wenn sie vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der beiden Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde (RIS‑Justiz RS0037300 [T16]), sowie eine Rechtsansicht des Gerichts, an die die Parteien mangels Erörterung nicht dachten oder denken mussten (RIS‑Justiz RS0037300 [T24]).

Zwischen den Parteien war im gesamten Verfahren nicht strittig, dass allfällige Ansprüche gegen F* erst mit Ablauf des 29. 9. 2014 verjährten. Dieses Datum haben sowohl der Beklagte in seinem E-Mail vom 18. 8. 2014 als auch der Kläger im Rahmen seines Prozessvorbringens genannt. Das Erstgericht stellte diesen Verjährungszeitpunkt sogar als unstrittig an den Beginn seiner Entscheidungsgründe. Mit der Annahme eines Verjährungseintritts spätestens am 31. 12. 2013 hat das Berufungsgericht daher der rechtlichen Beurteilung der Sache eine überraschende Wendung gegeben, ohne dem Kläger die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen. Dies verhinderte die erschöpfende Erörterung und in der Folge die gründliche Beurteilung der Kausalität der behaupteten Pflichtverletzung des Beklagten für den geltend gemachten Schaden.

Der Revisionswerber rügt, er sei durch die Überraschungsentscheidung des Berufungsgerichts daran gehindert worden, Vorbringen zur Hemmung der Verjährungsfrist durch Zustellung eines Mahnbescheids an F* zu erstatten. Diesem Vorbringen kann die Entscheidungsrelevanz nicht von Vornherein abgesprochen werden, sodass eine Ergänzung des Verfahrens erforderlich ist.

Die Beurteilung der Frage, ob dem Kläger im Zeitpunkt der behaupteten Beauftragung des Beklagten eine durchsetzbare Forderung gegenüber F* zustand, bedarf aber zunächst der Klärung des auf diese behauptete Forderung anzuwendenden Rechts. Dabei ist von folgender Rechtslage auszugehen:

Sofern das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und F* eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweist – wozu sich aus den bisher getroffenen Feststellungen keine konkreten Hinweise ergeben – ist das auf das der Zession zugrunde liegende Kausalgeschäft anzuwendende Recht nach den allgemeinen Regeln zur Ermittlung des Vertragsstatuts zu bestimmen (Staudinger/Hausmann [2016] Art 14 Rom I‑VO Rz 34; Thorn in Palandt 77 [2018] Art 14 Rom I‑VO Rz 3; Kieninger in Ferrari ua, Internationales Vertragsrecht³ [2018] Art 14 Rom I‑VO Rz 6).

Dieses Recht können die Parteien nach Art 3 Rom I‑VO wählen. Berufen sich beide Parteien im Verfahren auf Regelungen einer bestimmten Rechtsordnung für die Beurteilung ihres Rechtsverhältnisses, kann darin unter Umständen eine konkludente Rechtswahl erblickt werden, die nach Art 3 Abs 2 Rom I‑VO auch noch während eines laufenden Verfahrens zulässig ist (vgl nur Musger in KBB5 Art 3 Rom I‑VO Rz 6 mwN; RIS‑Justiz RS0040169 [T2] = RS0077082 [T3]).

Im vorliegenden Fall gingen beide Streitteile zwar übereinstimmend davon aus, dass Ansprüche des Klägers gegen F* aus dem Forderungskauf deutschem Sachrecht unterliegen. Eine nachträgliche schlüssige Wahl des auf diesen Vertrag (und dessen Schlechterfüllung) anzuwendenden Rechts kann darin im vorliegenden Fall jedoch nicht gesehen werden, weil die Parteien des vorliegenden Verfahrens mit den Parteien des hypothetischen Inzidentprozesses, also des hypothetischen Verfahrens des Klägers gegen F*, nicht ident sind. Die für den Schadenersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu beurteilende Frage, ob dem Kläger im Zeitpunkt der Kontaktaufnahme mit dem Beklagten ein durchsetzbarer Anspruch gegen F* zustand, kann durch eine Rechtswahl der Streitparteien nicht beeinflusst werden, sondern ist nach dem im hypothetischen Inzidentprozess anzuwendenden Sachrecht zu beurteilen.

Mangels Rechtswahl ist – da Art 4 Abs 1 lit a und g Rom I‑VO nur Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen, nicht aber über Rechte, erfasst (Ferrari in Ferrari ea, Internationales Vertragsrecht³ [2018] Art 4 Rom I‑VO Rz 18, 20, 52; Thorn in Rauscher, EuZPR/EuIPR [2011] Art 4 Rom I‑VO Rz 23) – bei einem Kaufvertrag über Rechte im Regelfall gemäß Art 4 Abs 2 Rom I‑VO das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verkäufers maßgeblich (Thorn in Rauscher, Art 4 Rom I‑VO Rz 86, 88; Musger aaO Art 4 Rom I‑VO Rz 9).

Die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen sowie das Erlöschen der Verpflichtungen, insbesondere durch Verjährung, richtet sich nach Art 12 Abs 1 lit c und d Rom I‑VO nach dem Vertragsstatut (Freitag in Rauscher, EuZPR/EuIPR Art 12 Rom I‑VO Rz 20, 25; Musger aaO Art 12 Rom I‑VO Rz 1 f).

Liegt der Abtretung etwa – wie hier – ein Forderungskauf zugrunde, so entscheidet das auf diesen Vertrag anzuwendende Recht auch über die Haftung des Zedenten [präzise: des Forderungsverkäufers] für die Richtigkeit und Einbringlichkeit der abgetretenen Forderung (Hausmann in Staudinger [2016] Art 14 Rom I‑VO Rz 34; Martiny in MükoBGB7 [2018] Art 14 Rom I‑VO Rz 23).

Sofern sich im fortgesetzten Verfahren ergibt, dass der Beklagte vertraglich zur Vornahme konkreter gerichtlicher Schritte verpflichtet war oder ein Anwendungsfall des § 1003 ABGB vorlag, wird das Erstgericht daher mit den Parteien die Frage des auf den behaupteten Schadenersatzanspruch des Klägers gegen F* anzuwendenden Rechts zu erörtern und die zur Anknüpfung erforderlichen Tatsachen festzustellen haben, sofern insoweit keine ausreichenden Außerstreitstellungen erfolgen. Das auf dieser Grundlage ermittelte Vertragsstatut wäre in der Folge nach Art 12 Abs 1 lit c und d Rom I‑VO sowohl für die Beurteilung der Folgen der Nichterfüllung des Forderungskaufvertrags als auch für die Frage der Verjährung allfälliger Ansprüche des Klägers gegen F* maßgeblich.

In Stattgebung der Revision sind daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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