European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00182.17A.1120.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz gestützt auf mangelhafte Beratung und Vertretung im Verfahren 4 C 52/09i des Bezirksgerichts Klagenfurt betreffend einstweilige Verfügung gemäß § 382b Abs 1 iVm § 382e EO.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Ein vom Gericht zweiter Instanz verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens kann – ebenso wie ein im zweitinstanzlichen Verfahren gar nicht geltend gemachter Mangel – im Revisionsverfahren nicht mehr gerügt werden (RIS‑Justiz RS0043111; RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]).
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mangelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑Justiz RS0043150). Entgegen den Revisionsausführungen hat sich das Berufungsgericht hier mit der Beweisrüge ausreichend auseinandergesetzt; die Revision versucht in unzulässiger Weise, die im Revisionsverfahren unanfechtbaren Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung der Vorinstanzen in Zweifel zu ziehen (vgl RIS‑Justiz RS0069246).
3. Die Vorinstanzen sind keineswegs in Widerspruch zu den Grundsätzen der Entscheidung 8 Ob 17/15f (= JBl 2015, 585) geraten, haben sie doch übereinstimmend einen Sorgfaltsverstoß des Beklagten bejaht, der darin lag, dass er die Erhebung eines Widerspruchs gegen die erlassene einstweilige Verfügung unterlassen hatte. Eine Haftung des Beklagten verneinten die Vorinstanzen allerdings deshalb, weil die Klägerin die Kausalität der Unterlassung dieses Rechtsbehelfs für den von ihr behaupteten Schaden nicht nachweisen konnte.
4. Dass der Kläger für die Behauptung beweispflichtig ist, der Schaden wäre bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten, entspricht der völlig einheitlichen ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0022700), der die Vorinstanzen gefolgt sind. Warum der Ausspruch des Fehlens eines Kausalzusammenhangs hier dem Beklagten anzulasten sein soll, wird aus den Revisionsausführungen nicht klar. Derartiges ist auch aus der Entscheidung 8 Ob 17/15f nicht zu entnehmen.
5. Liegt das Verschulden des Rechtsanwalts in der unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer Prozesshandlung, ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess – auch in den dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen – hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die Prozesshandlung vorgenommen worden wäre (RIS‑Justiz RS0022706). Geht es bei dieser hypothetischen Beurteilung um die Klärung strittiger Tatfragen, ist das Ergebnis dieser Prüfung als in dritter Instanz unanfechtbare Tatsachenfeststellung zu werten (RIS‑Justiz RS0022706 [T5]), während insbesondere dann, wenn es ausschließlich um rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts geht, die Beurteilung des hypothetischen Verfahrens als – revisible – Rechtsfrage anzusehen ist (9 Ob 22/15y = RIS‑Justiz RS0115755 [T4]; 1 Ob 57/17i).
6. Hier gingen die Vorinstanzen in tatsächlicher Hinsicht davon aus, selbst im Fall der Erhebung eines Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung hätte dies zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt, die einstweilige Verfügung wäre antragsgemäß erlassen (bzw aufrecht erhalten) worden. Begründet wurde dies damit, dass die Angaben der Klägerin, sie sei größtenteils nicht zu Hause gewesen, nicht geeignet gewesen wären, eine andere Entscheidung im Provisorialverfahren herbeizuführen, die Behauptungen der Klägerin und ihrer Schwester wären als nicht ausreichend glaubwürdige Schutzbehauptungen angesehen worden. Damit ist klargestellt, dass nach der Auffassung der Vorinstanzen selbst im Fall der Erhebung des Widerspruchs kein anderer Sachverhalt als bescheinigt festgestellt worden wäre, als es tatsächlich der Fall war. Hier handelt es sich bei dem Ergebnis der hypothetischen Prüfung des Verfahrensausgangs bei Erhebung des Widerspruchs somit um eine in dritter Instanz unanfechtbare Tatsachenfeststellung, die der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist. Soweit die Rechtsrüge von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen abweicht und auf einem so nicht festgestellten Wunschsachverhalt beruht, ist sie als nicht gesetzesgemäß ausgeführt anzusehen (RIS‑Justiz RS0043312 [T12, T14]).
7. Da somit nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen auch ein rechtzeitig erhobener Widerspruch nichts am Verfahrensergebnis des Provisorialverfahrens geändert hätte bzw die einstweilige Verfügung auch diesfalls aufrecht geblieben wäre, hat die Klägerin die Kausalität des Pflichtverstoßes des Beklagten für ihren Schaden nicht nachgewiesen. Fragen einer alternativen oder kumulativen Kausalität stellen sich daher gar nicht mehr.
8. Die außerordentliche Revision war somit zurückzuweisen, ohne dass dies einer noch eingehenderen Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
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