OGH 7Ob600/89

OGH7Ob600/8915.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Anna und Georg R***, Gastwirte, Seekirchen, Wimmsiedlung 57, vertreten durch Dr.Wolfgang Hochsteger, Rechtsanwalt in Hallein, wider die beklagte Partei Dr.Georg H***, Rechtsanwalt, Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 48, vertreten durch Dr.Roland Reichl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 998.214,33 sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6. Februar 1989, GZ 1 R 256/88-17, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 23. Juni 1988, GZ 4 Cg 75/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 20.528,64 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.421,44 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 8.April 1982 hatten die Kläger von Josef und Irmengard O*** deren Gasthausunternehmen "Gasthof Kirchenwirt" in Attersee für die Zeit vom 1.April 1982 bis 31.Dezember 1982 gepachtet. Nach Beendigung des Pachtverhältnisses begehrten die Kläger von den Verpächtern zu 2 C 76/83 des Bezirksgerichtes Frankenmarkt den Ersatz ihrer Aufwendungen auf das Pachtobjekt. Sie wurden in jenem Verfahren vom Beklagten vertreten. In der am 27.Juni 1983 eingebrachten Klage wurde zunächst ein Aufwandersatz von S

402.364 sA, gestützt auf eine bei Auflösung des Pachtverhältnisses getroffene Ablösevereinbarung, begehrt. Mit Schriftsatz vom 22. November 1983, vorgetragen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 25.November 1983, wurde das Klagebegehren teilweise eingeschränkt, um S 87.773 als Ersatz für weitere Aufwendungen und um weitere S 46.300 als Interesseersatz auf insgesamt S 474.057,60 sA ausgedehnt. Die Kläger unterlagen zur Gänze. Eine Ablösevereinbarung wurde von den Tatsacheninstanzen nicht als erwiesen angenommen. Der erst am 22.November 1983 erhobene Teilanspruch wurde vom Berufungsgericht wegen Versäumung der Klagefrist nach § 1097 ABGB als präkludiert angesehen. Vom Obersten Gerichtshof wurde eine Prüfung des schon in der Klage geltend gemachten Anspruchs nach § 1097 ABGB als entbehrlich erachtet, weil diesbezüglich als Klagegrund nur eine vertragliche Vereinbarung geltend gemacht worden, eine Ablösevereinbarung jedoch nicht zustande gekommen sei, und überdies ausgesprochen, daß selbst der schon in der Klage geltend gemachte Anspruch, auch wenn er auf § 1097 ABGB gestützt worden wäre, verfristet sei, weil die Zurückstellung der Bestandsache bereits in den ersten Dezembertagen des Jahres 1982 erfolgte.

Die Kläger werfen dem Beklagten vor, ihre Ansprüche nicht schon in der Klage auch auf § 1097 ABGB gestützt und die Klagefrist versäumt zu haben. Sie behaupten, daß bei Wahrung der Klagefrist und Heranziehung auch des Klagegrundes nach § 1097 ABGB für den schon in der Klage geltend gemachten Anspruch die Klage zur Gänze Erfolg gehabt hätte, und begehren den Ersatz des ihnen dadurch vom Beklagten verursachten Schadens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen war im Pachtvertrag vorgesehen, daß die Pächter nach Beendigung des Pachtverhältnisses die Liegenschaft kaufen. Über das Inventar wurde eine gesonderte Liste angelegt, die einen wesentlichen Bestandteil des Pachtvertrages bildete. Die Ausstattung des Gasthauses und Pensionsbetriebes war zu deren Führung ausreichend. Die Verpächter behielten sich das Recht vor, Investitionen, insbesondere bauliche Veränderungen, soweit diese der Herstellung eines verbesserten Zustandes dienen, auf ihre Kosten vorzunehmen. Bei Abschluß des Pachtvertrages wurden die Kläger vom Verfasser des Pachtvertrages, dem Sohn der Verpächter, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Investitionen nicht abgelöst werden. Im Hinblick auf den beabsichtigten Erwerb der Liegenschaft schafften die Kläger einen Gewürzbord, einen Gastwirtschaftsherd, eine Doppelfritteuse, einen Sahneautomaten, einen Heißluftherd, eine Geschirrspülmaschine, eine Bainmarie, einen Tellerwärmeschrank, ein Kühlfach mit Aggregat, einen Tortenschrank und einen Musikautomaten an. Für diese Geräte waren die Stromleitungen nicht ausreichend, sodaß die Kläger stärkere Leitungen verlegen ließen. Ferner wurden Tisch- und Bettwäsche angeschafft, Hygieneartikel und Kabelfernsehanschlüsse installiert sowie Maler- und Tapeziererarbeiten durchgeführt. Die Kläger ließen auch den Öltank auffüllen. Dazu ließen die Kläger bei ihrem Auszug noch einen Müllcontainer zurück. Im Oktober 1982 erklärten die Kläger den Verpächtern, daß sie vom beabsichtigten Kauf der Liegenschaft Abstand nehmen. Sie boten den Verpächtern verschiedene Gegenstände und Investitionen um einen Ablösebetrag von S 690.545 an. Die Kläger gingen von einer Ablösevereinbarung mit den Verpächtern aus und wandten sich zur Durchsetzung ihrer vermeintlichen Ansprüche an den Beklagten. Am 3.Februar 1983 nahm der mit dem Beklagten in Kanzleigemeinschaft stehende Rechtsanwalt Dr.Peter W*** mit der Erstklägerin eine Information auf. Die Erstklägerin teilte mit, daß das Pachtverhältnis im November 1982 wegen einvernehmlicher Auflösung geendet habe und hinsichtlich der zurückgelassenen Gegenstände eine Ablösevereinbarung zustande gekommen sei. Im wesentlichen habe es sich um folgende Gegenstände gehandelt:

Vorhänge, Tischdecken etc. S 60.564; eine Nirostaküche S 345.000; Vorhänge und Tischdecken seien zur Gänze, die Küche zum Großteil ausbezahlt; einen Kaffeeautomaten im Wert von S 130.000, wobei S 90.000 an den Lieferanten zu bezahlen seien; für die Einleitung von Licht, für die Ergänzung von Stromleitungen, für die Einleitung von Wasser, für den Barverbau, für die Nischentapezierung, für die Einleitung von Kabelfernsehen mit zwei Anschlüssen könnten Rechnungen nachgebracht werden. Die Stromanschlußgebühr sei mit S 6.000 bezahlt worden, S 31.000 seien noch offen; der Heizöltank sei um S 14.000 im Oktober neu aufgefüllt worden. Firmen, die noch Eigentumsvorbehalte an Geräten geltend machen könnten, hätten der Übertragung zugestimmt. Belege für die Aufwendungen werde die Erstklägerin noch nachbringen. Weiters beanspruche sie für eine Musicbox S 35.000, für einen Müllcontainer S 7.500 und für eine Nußglocke S 3.800. Den Verpächtern stünde eine Gegenforderung von S

70.200 für offene Fleischhauerrechnungen und rückständige Pachtzinse zu, die verrechnet werden könnten.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß der Beklagte bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt sämtliche Ansprüche der Kläger auch auf § 1097 ABGB stützen und die Klage innerhalb der sechsmonatigen Frist hätte einbringen müssen. Die Kläger hätten jedoch nachweisen müssen, daß ihnen ein Anspruch nach § 1097 ABGB auch tatsächlich zugestanden wäre. Dieser Beweis sei ihnen nicht gelungen. Sie hätten den Beweis nicht erbracht, daß es sich bei den von ihnen getätigten Aufwendungen um nützliche im Sinne des § 1037 ABGB gehandelt habe. Seitens der Verpächter sei überdies ausdrücklich erklärt worden, daß keine Investitionen abgelöst würden. Die Investitionen seien daher gegen den Willen der Verpächter getätigt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes könne der Bestandnehmer den Ersatz von Aufwendungen auf die Bestandsache, soweit es sich nicht um dem Bestandgeber obliegende Aufwendungen handle, nur so weit begehren, als sie bei Beendigung des Pachtverhältnisses dem Bestandgeber zum klaren und überwiegenden Vorteil gereichten. Die Vornahme von dem Bestandgeber obliegenden Aufwendungen hätten die Kläger nicht einmal behauptet. Der Aufwandersatz aus nützlicher Geschäftsführung könne aber durch Parteienvereinbarung ausgeschlossen werden. Eine solche Vereinbarung liege hier vor, hätten doch die Verpächter bei Abschluß des Pachtvertrages unwidersprochen erklärt, Investitionen nicht abzulösen. Eine hypothetische Nachvollziehung des Rechtsstreites gegen die Verpächter ergebe demnach, daß die Kläger auch dann keinen Erfolg gehabt hätten, wenn der Beklagte die Klage innerhalb der Frist des § 1097 ABGB eingebracht und die schon in der Klage erhobenen Ansprüche auch auf § 1097 ABGB gestützt hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Kläger ist nicht berechtigt.

Bei der Behauptung von Ansprüchen gegen Dritte durch einen Klienten ist es in erster Linie Aufgabe des Rechtsanwaltes, die Rechtslage zu prüfen und danach die gebotenen rechtlichen Maßnahmen zu empfehlen bzw. zu ergreifen. Der Rechtsanwalt muß sich zu diesem Zwecke die notwendigen Informationen beschaffen. Er darf sich hiebei nicht bloß mit dem Vortrag des Klienten begnügen, sondern muß durch Befragung des Rechtssuchenden die Tatsachengrundlagen klären und ergänzen. Im Rahmen seiner Pflicht nach § 9 RAO, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten, darf sich der Rechtsanwalt dann, wenn bei nicht ganz eindeutiger Sachlage mehrere Klagegründe in Betracht kommen, auch nicht mit der Geltendmachung bloß eines Klagegrundes begnügen. Daß er hiebei auf allfällige Verjährungs- oder Präklusivfristen Bedacht zu nehmen hat, kann nicht fraglich sein (vgl. SZ 56/181). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen gingen zwar die Kläger von einer wirksamen Ablösevereinbarung mit den Verpächtern aus, die vom Vertreter des Beklagten mit der Erstklägerin aufgenommene Information ließ es aber zweifelhaft erscheinen, ob und vor allem in welchem Umfang tatsächlich eine Ablösevereinbarung zwischen den Vertragsparteien wirksam zustande gekommen ist. Zutreffend hat daher schon das Erstgericht dargelegt, daß der Beklagte das Klagebegehren nicht bloß auf eine Vereinbarung hätte stützen dürfen, sondern auch auf § 1097 ABGB Bedacht nehmen und sämtliche Ansprüche innerhalb der Präklusivfrist des § 1097 ABGB erheben hätte müssen. Liegt das Verschulden des Rechtsanwaltes in der Unterlassung der gebotenen Geltendmachung eines bestimmten Klagegrundes und in der Versäumung einer Frist, ist der Prozeß in diesem Umfang, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwaltes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte (vgl. SZ 58/165; SZ 56/181). Beizupflichten ist dem Berufungsgericht auch darin, daß der Ersatzanspruch des Bestandnehmers, soweit nicht § 10 MRG anzuwenden ist, vertraglich ausgeschlossen werden kann (MietSlg. 4968; 7 Ob 523/89; Würth in Rummel ABGB Rz 6 zu § 1097).

Auch hinsichtlich notwendigen Aufwandes ist ein vertraglicher Ausschluß des Ersatzes zulässig, soweit eine von § 1096 ABGB abweichende Instandhaltungsregelung vereinbart werden kann (Würth aaO). Die Pflicht des Verpächters zur laufenden Instandhaltung kann aber auf den Pächter vertraglich abgewälzt werden (MietSlg. 25.120; Würth aaO Rz 5 zu § 1096). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß im vorliegenden Fall ein Ersatzanspruch vertraglich ausgeschlossen wurde, wird von der Revision nicht bekämpft; sie ist auch unbedenklich. Die in beiden Prozessen unbekämpft festgestellte Erklärung, daß Investitionen nicht abgelöst werden, stammt zwar vom Verfasser des Pachtvertrages, dem Sohn der Verpächter, sie wurde jedoch bei Abschluß des Pachtvertrages abgegeben. Gab aber der Sohn der Verpächter in deren Anwesenheit rechtsgeschäftliche Erklärungen ab, die diese stillschweigend hinnahmen, muß von einer schlüssigen Bevollmächtigung ausgegangen werden (vgl. Koziol-Welser8 I 163). Wie schon das Berufungsgericht dargelegt hat, hätten die Kläger der Erklärung widersprechen müssen, sollte sie nicht Vertragsinhalt werden. Bloßes Schweigen hat zwar grundsätzlich keinen Erklärungswert, eine Pflicht zum Widerspruch ist aber anzunehmen, wenn die Ablehnung durch erkennbar wichtige Interessen des Vorschlagenden geboten war, wenn ferner die Gegenseite auf die Beantwortung rechnen und bei ausbleibender Antwort Grund zur Annahme haben konnte, daß der Erklärungsgegner mit dem Vorschlag einverstanden ist (Gschnitzer in Klang2 IV/1 80; SZ 37/59; vgl. auch Rummel in Rummel ABGB Rz 15 zu § 863). Wurde auf Seiten der Verpächter vor Vertragsabschluß klar zum Ausdruck gebracht, Investitionen der Kläger nicht ablösen zu wollen, hätten die Kläger vor Unterfertigung des Pachtvertrages dem widersprechen müssen, da die Verpächter mangels Widerspruches annehmen konnten, daß die Kläger mit dem Vorschlag einverstanden sind. Anhaltspunkte dafür, daß nach dem Parteiwillen nur der Ersatz nützlicher Aufwendungen ausgeschlossen sein sollte, liegen nicht vor, und es wurden in dieser Richtung auch keine Tatumstände vorgebracht. Die Berufung der Rechtsmittelwerber auf § 10 MRG ist deshalb verfehlt, weil diese Bestimmung nur für die Wohnungsmiete gilt und selbst auf Geschäftsräume nicht anzuwenden ist (Würth aaO Rz 1 zu § 10 MRG). Die Behauptung, es habe sich in Wahrheit um eine Geschäftsraummiete gehandelt, ist überdies eine unzulässige Neuerung und steht mit dem Sachvorbringen der Kläger in erster Instanz im Widerspruch. Lag aber ein wirksamer Verzicht auf den Ersatz von Aufwendungen vor, hätte der Klage gegen die Verpächter auch dann kein Erfolg beschieden sein können, wenn als Klagegrund auch für den schon in der Klage erhobenen Anspruch § 1097 ABGB geltend gemacht und die Frist des § 1097 ABGB gewahrt worden wäre. Ob dem Beklagten darüber hinaus ein Versehen zur Last fällt, ist mangels eines entsprechenden Sachvorbringens nicht zu untersuchen.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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