VwGH 95/20/0179

VwGH95/20/017910.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 1995, Zl. 4.335.511/10-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §41 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 24. März 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 26. März 1992 Asyl. Am 9. April 1992 wurde er zu seinen Fluchtgründen und zum Fluchtweg einvernommen. In bezug auf den Fluchtweg gab er an:

"Mein Onkel in der Türkei hat meine Flucht organisiert. Er hat für mich einen Reisepaß besorgt, welchen ich problemlos erhalten habe. Er bezahlte einem Schlepper ca. 3500 DM. Am 21. März 1992 bin ich mit einem Reiseautobus aus der Türkei ausgereist. Wir fuhren über Bulgarien, Rumänien, Ungarn nach Österreich. Die bulgarische und rumänische Grenze überquerten wir legal. Die rumänisch-ungarische Grenze überquerten wir zu Fuß. Vor der Grenze hielt der Bus an und ein Schlepper ging mit mir und sechs weiteren Flüchtlingen zu Fuß über die grüne Grenze. Auf der anderen Seite wartete bereits der Bus auf uns und wir fuhren weiter. Die ungarisch-österreichische Grenze überquerten wir auf die gleiche Art und Weise. Bezüglich des Schleppers kann ich keine Angaben machen. Bei dem Bus handelt es sich um einen blauen Reiseautobus mit deutschem Kennzeichen. Dieser Bus ist nach Deutschland unterwegs und bringt Gastarbeiter von der Türkei nach Deutschland."

Mit Bescheid vom 27. April 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling. Die am 12. Mai 1992 dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde - unter Anwendung des inzwischen in Kraft getretenen

Asylgesetzes 1991 - mit Bescheid vom 1. Dezember 1993 ab. Sie verneinte die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers. Mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1994, Zl. 94/20/0186, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Berufungsbescheid (wegen Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof) auf.

Mit Schreiben vom 9. Jänner 1995 gab die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu einer der bereinigten Fassung des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 entsprechenden Berufungsergänzung und hielt ihm folgendes vor:

"Darüber hinaus wird Ihnen mitgeteilt, daß es die Berufungsbehörde als notorische Tatsache ansieht, daß Sie im Zuge Ihrer Reisebewegung in Rumänien bzw. Ungarn Verfolgungssicherheit erlangt haben. Rumänien ist Mitgliedstaat der Genfer Konvention, womit es Ihnen möglich gewesen wäre, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen. Sie waren in diesem Staat keinerlei Verfolgungen ausgesetzt (oder von solcher bedroht) und mußten auch nicht befürchten, ohne Prüfung Ihrer Fluchtgründe in Ihre Heimat abgeschoben zu werden. Es spricht nichts dafür, daß Rumänien die sich aus der Mitgliedschaft zur Genfer Konvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässigt. Den Sonderfall Ungarn betreffend ist anzumerken, daß der UNHCR in einem Gutachten vom 4. Juli 1994 feststellte, daß in Ungarn (trotz des legitimen territorialen Vorbehaltes zur Genfer Flüchtlingskonvention) faktisch lückenlose Abschiebungssicherheit für außereuropäische Flüchtlinge und Asylwerber besteht. Die Verfahren außereuropäischer Asylwerber werden, gemäß einem "Arrangement" zwischen den ungarischen Behörden und dem UNHCR von letzterem durchgeführt. Bis zur Finalisierung des Asylverfahrens bzw. im Falle seiner Anerkennung als Flüchtling durch UNHCR genießt der Asylwerber faktischen Schutz vor Abschiebung in sein Heimatland. Auch geht die Behörde aufgrund der allgemeinen Lage davon aus, daß Sie in Ungarn keinen Verfolgungen ausgesetzt waren. Sie können innerhalb einer Frist von zwei Wochen auch zu diesen von der Behörde als erwiesen angenommenen Tatsachen Stellung nehmen. Der Bescheid wird auf der Grundlage dieser Tatsachen erlassen werden, soweit nicht Ihre Stellungnahme anderes erfordert."

Der Beschwerdeführer reagierte mit einer Berufungsergänzung, in der er in der Zwischenzeit neu entstandene Fluchtgründe geltend machte. Auf den Vorhalt der Verfolgungssicherheit in Rumänien und Ungarn ging er in diesem Schriftsatz nicht ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich ab. Sie führte aus, das durchgeführte Ermittlungsverfahren, "insbesondere auch" die Einvernahme des Beschwerdeführers, habe "nicht ergeben", daß er Flüchtling sei. Begründet wurde dies - im Anschluß an allgemeine Rechtsausführungen - mit folgendem Satz:

"Das Vorliegen Ihrer Flüchtlingseigenschaft wurde von der erkennenden Behörde gründlich geprüft, mußte aber verneint werden und konnte auch deshalb kein Asyl gewährt werden."

Weiters führte die belangte Behörde aus, das durchgeführte Ermittlungsverfahren, "insbesondere" die Einvernahme des Beschwerdeführers, habe auch ergeben, daß er schon in anderen Staaten vor Verfolgung sicher gewesen sei:

"Aus Ihrer Erstbefragung vom 9. April 1992 geht hervor, daß Sie sich vor Ihrer Einreise nach Österreich in Rumänien und auch in Ungarn aufgehalten haben. Es wäre Ihnen somit möglich gewesen, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen. Sie waren sowohl in Rumänien als auch in Ungarn keinerlei Verfolgungen ausgesetzt und mußten auch nicht befürchten, ohne Prüfung Ihrer Fluchtgründe in Ihre Heimat abgeschoben zu werden. Es spricht nichts dafür, daß Rumänien die sich aus der Mitgliedschaft zur Genfer Konvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot etwa vernachlässigt."

Dem folgten in der Bescheidbegründung Ausführungen über den "Sonderfall Ungarn", die mit denen im Vorhalt vom 9. Jänner 1995 wörtlich übereinstimmten. Abschließend verwies die belangte Behörde darauf, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs betreffend die von der belangten Behörde angenommene Verfolgungssicherheit "in einem der Drittstaaten" sei dem Beschwerdeführer "die einschlägige Annahme" vorgehalten worden:

"Da Sie dem Vorhalt in Ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 31. Jänner 1995 nichts entgegensetzten, geht die erkennende Behörde davon aus, daß Sie in Rumänien und auch Ungarn Verfolgungssicherheit erlangt haben."

Dem Beschwerdeführer habe daher schon nach § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht Asyl gewährt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach §§ 58 Abs. 2 und 60 in Verbindung mit § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Entscheidung 8 zu § 67 AVG und Entscheidung 1 bis 9 zu § 60 AVG nachgewiesene Rechtsprechung). Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/13/0201).

Im vorliegenden Fall behauptet die belangte Behörde, sie habe die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers "gründlich geprüft", diese habe "aber verneint werden" müssen. Abgesehen von allgemeinen Rechtsausführungen wird dazu - ohne Verweisung auf den Inhalt früherer Bescheide - nur noch ausgeführt, das "durchgeführte Ermittlungsverfahren", und zwar "insbesondere auch" die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers, habe "nicht ergeben", daß er Flüchtling sei. Die Ergebnisse der Einvernahme des Beschwerdeführers werden nicht dargestellt. Inwiefern auch noch andere Beweisaufnahmen Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gewesen seien, wird nicht dargetan. Die Geltendmachung neu entstandener Fluchtgründe und somit einer Sachverhaltsänderung in der Berufungsergänzung bleibt unerwähnt. Eine Auseinandersetzung mit diesen und mit den ursprünglichen Behauptungen des Beschwerdeführers fehlt zur Gänze.

Die Formulierungen, in denen sich die Bescheidbegründung zur Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers erschöpft, erweisen sich damit als inhaltsleere Floskeln (vgl. dazu schon die Erkenntnisse vom 16. Jänner 1996, Zl. 95/20/0124, und vom 6. Februar 1996, Zl. 95/20/0085), die den Anforderungen des § 60 AVG nicht entsprechen und dem völligen Fehlen einer Begründung gleichzuhalten sind. In bezug auf die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers leidet der angefochtene Bescheid daher an einem Begründungsmangel, der ihn einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof entzieht.

Auf die Flüchtlingseigenschaft käme es nicht an, wenn die Ausführungen der belangten Behörde zum Vorliegen des Asylversagungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 wegen der Aufenthalte des Beschwerdeführers in Rumänien und Ungarn dem Gesetz entsprächen. Die belangte Behörde verweist auch hier auf "das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere Ihre niederschriftliche Einvernahme", ohne dabei schon erkennen zu lassen, welche über die Einvernahme des Beschwerdeführers hinausführenden Ermittlungen noch stattgefunden hätten. Auf die Einvernahme des Beschwerdeführers stützt sie die

- unstrittige - Feststellung, er habe sich vor seiner Einreise nach Österreich "in Rumänien und auch in Ungarn aufgehalten". Daran schließen sich - ohne Bezugnahme auf bestimmte Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens - die weiteren Feststellungen, dem Beschwerdeführer wäre es "somit" möglich gewesen, "bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen", er sei sowohl in Rumänien als auch in Ungarn keinerlei Verfolgungen ausgesetzt gewesen und er habe "auch nicht befürchten" müssen, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in seine Heimat abgeschoben zu werden.

Bloß daraus, daß sich der Beschwerdeführer in den genannten Staaten aufgehalten habe, kann dies nicht abgeleitet werden. Es setzt vielmehr (u.a.) voraus, daß die Behörden in Rumänien und Ungarn im fraglichen Zeitraum Asylansuchen entgegennahmen und daß es der Praxis dieser Staaten entsprach, Asylwerber nicht ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe (direkt oder im Weg einer Kettenabschiebung) in ihre Heimat zurückzuschicken.

In bezug auf Rumänien besteht die Begründung dieser Voraussetzungen im angefochtenen Bescheid in dem Satz, es spreche "nichts dafür, daß Rumänien die sich aus der Mitgliedschaft zur Genfer Konvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot etwa vernachlässigt". Diesem Satz liegt zunächst die unbedenkliche Ansicht zugrunde, Rumänien sei ein Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention. In bezug auf den Beschwerdeführer ist dies freilich nur in Verbindung mit dem weiteren Umstand von Bedeutung, daß Rumänien am 7. August 1991 mit der Beitrittsurkunde hinsichtlich dieser Konvention auch eine solche hinsichtlich des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, hinterlegt hat (vgl. dazu die Kundmachungen des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 260 und 261/1992), wodurch die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention für Rumänien auch in bezug auf nach dem 1. Jänner 1951 eingetretene Ereignisse am 5. November 1991 (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 28. März 1995, Zl. 94/19/0860) in Kraft traten.

Die in der Gegenwartsform gehaltene, im Februar 1995 getroffene Feststellung, nach deren Inhalt nichts dafür "spricht", daß Rumänien seine daraus folgenden Verpflichtungen "etwa vernachlässigt", bringt aber nicht zum Ausdruck, Rumänien habe in dieser Hinsicht schon im März 1992 die erforderlichen Vorkehrungen getroffen gehabt. Daß der Beschwerdeführer schon damals nicht fürchten mußte, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in seine Heimat abgeschoben zu werden, ist aus dieser Feststellung - auch mit Rücksicht darauf, daß die Genfer Flüchtlingskonvention in Rumänien erst wenige Monate vor der Durchreise des Beschwerdeführers in Kraft getreten war - nicht logisch ableitbar.

Der Satz, es spreche "nichts dafür", daß Rumänien die in Frage kommenden Verpflichtungen vernachlässige, erschöpft sich aber - mangels in der Bescheidbegründung dargestellter oder auch nur den Akten entnehmbarer Ermittlungen zur Klärung dieser Frage - vor allem in der Aussage, die belangte Behörde habe nicht auf andere Weise als durch Ermittlungen zu diesem Thema davon Kenntnis erlangt, daß Rumänien seine Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention in einem Ausmaß, das der Annahme von Verfolgungssicherheit entgegenstünde, mißachte. Damit fehlt es in bezug auf die Frage, ob der Beschwerdeführer in Rumänien vor einer Abschiebung in seine Heimat sicher war, nicht nur in zeitlicher Hinsicht an einer nachvollziehbaren Begründung. Eine Begründung, die ohne konkreten Hinweis auf Ermittlungen aus dem Fehlen demnach nur zufälligen Wissens um das Gegenteil einer Tatsache deren Vorliegen ableitet, widerspricht den Denkgesetzen.

Die belangte Behörde führt noch aus, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs betreffend die "angenommene Verfolgungssicherheit in einem der Drittstaaten" sei dem Beschwerdeführer "die einschlägige Annahme per Manuduktionsschreiben vorgehalten" worden und der Beschwerdeführer habe dem nichts entgegengesetzt.

Dem käme nur in dem Umfang Bedeutung zu, in dem den Beschwerdeführer eine Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes traf. Wird eine derartige Pflicht verletzt, so kann dies dazu führen, daß die Behörde keine weiteren Erhebungen mehr durchführen muß und die wegen des Unterbleibens solcher Erhebungen vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobene Verfahrensrüge abzulehnen ist (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, aaO, Entscheidung 11c und d sowie Entscheidung 69a ff zu § 37 AVG, Entscheidung 32 ff zu § 39 Abs. 2 AVG und Entscheidung 12 ff zu § 45 Abs. 2 AVG, nachgewiesene Rechtsprechung). Die Mitwirkungspflicht, aus deren Verletzung sich dies ergeben kann, ist von Bedeutung, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus tätig zu werden (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 3. Juli 1986, Zl. 86/08/0055, und vom 23. Jänner 1987, Zl. 86/11/0044; in bezug auf Ermittlungen zur Verfolgungssicherheit das Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413, mwN). Insoweit die Behörde nicht gehindert ist, die in Frage kommenden Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen, besteht keine derartige Pflicht der Partei (vgl. das Erkenntnis vom 2. April 1982, Slg. Nr. 10.700/A). Die Mitwirkungspflicht geht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht soweit, daß sich die Behörde - die ihre Pflicht zur Feststellung des Sachverhaltes nicht auf die Partei überwälzen kann (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 31. März 1949, Slg. Nr. 772/A, und vom 23. Mai 1978, Slg. Nr. 9.565/A) - die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens ersparen dürfte (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, aaO, Entscheidung 71b ff zu § 37 AVG nachgewiesene Rechtsprechung; für Ermittlungen zur Verfolgungssicherheit das schon erwähnte Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413, und zahlreiche daran anschließende Erkenntnisse).

In bezug auf seine Sicherheit in einem Drittstaat, in dem er sich vor der Einreise in Österreich aufgehalten hat, wird einen Asylwerber daher insoweit eine Mitwirkungspflicht treffen, als er die auf Ermittlungsergebnisse - etwa solche, die die im Drittstaat in bezug auf Flüchtlinge allgemein beobachtete Vorgangsweise oder einen längeren Aufenthalt des Asylwerbers in diesem Staat betreffen - gegründete Annahme der Verfolgungssicherheit mit Argumenten, die sich aus seiner individuellen Situation ergeben, zu widerlegen vermag. Unterläßt er dies im Verwaltungsverfahren, obwohl ihm dazu Gelegenheit gegeben wurde, so kann er das Unterbleiben entsprechender Ermittlungen vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mit Erfolg geltend machen. Den Asylwerber trifft aber nicht die Pflicht, den Vorhalt der Berufungsbehörde, daß sie (aufgrund einer Rechtsänderung oder unabhängig von einer solchen) im Gegensatz zur Behörde erster Instanz vom Versagungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Gebrauch machen wolle (vgl. zum Erfordernis eines Vorhaltes vor einer Änderung des Versagungsgrundes Hauer-Leukauf, aaO, Entscheidung 68 zu § 45 Abs. 3 AVG), in jedem Fall mit einer Erklärung darüber zu beantworten, aus welchen Gründen er seine Flucht nicht schon in dem Drittstaat, in dem die Verfolgungssicherheit bestanden haben soll, abgebrochen habe. Eine solche Pflicht könnte nur angenommen werden, wenn es auf die Motive und Absichten des Asylwerbers und seine subjektive Einschätzung der Lage in dem Drittstaat ankäme, was nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - soweit sich daraus nicht im Einzelfall Fragen der Zumutbarkeit ergeben - nicht zutrifft (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0033). Die Entscheidung über die Verfolgungssicherheit in einem bestimmten Drittstaat, in dem sich der Asylwerber aufgehalten hat, hängt damit grundsätzlich nicht und jedenfalls nicht nur von Umständen ab, über die nur der Asylwerber Auskunft geben kann. Bloß deshalb, weil er auf einen Vorhalt nicht antwortet, kann die Behörde von der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zur Klärung der Frage, ob er schon vor seiner Einreise nach Österreich Verfolgungssicherheit erlangt hatte, daher nicht absehen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben vielmehr von sich aus (und nicht nur aufgrund eines Verlangens des Asylwerbers oder aufgrund der zumindest formalen Bestreitung eines pauschalen Vorhaltes wie des im vorliegenden Fall aktenkundigen) zum Vorliegen des Asylausschließungsgrundes nach § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Ermittlungen anzustellen, die im besonderen auch die Frage des Rückschiebungsschutzes zu umfassen haben (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 16. Juni 1994, Zl. 94/19/0271, und vom 4. Juli 1994, Zl. 94/19/0391). Die Frage, welche Vorgangsweise in bestimmten Drittstaaten in bezug auf den Schutz von Flüchtlingen vor einer Abschiebung in ihren Heimatstaat beobachtet wird, zählt dabei - wie der Verwaltungsgerichtshof in einer großen Zahl von Entscheidungen ausgesprochen hat - nicht zu denen, bei deren Klärung der Mitwirkungspflicht des Asylwerbers Bedeutung zukäme (vgl. dazu das schon zitierte Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413, und zahlreiche daran anschließende Erkenntnisse). Das muß umso mehr gelten, wenn sich der Asylwerber - wie im vorliegenden Fall - nur im Zuge einer Durchreisebewegung in dem Drittstaat aufgehalten hat, sodaß selbst oberflächliche Kenntnisse der Verhältnisse in diesem Staat bei ihm nicht ohne weiteres zu vermuten sind. Unterläßt die Behörde Ermittlungen über die in dem Drittstaat gepflogene Vorgangsweise - etwa durch eine auf den relevanten Zeitraum bezogene Anfrage beim UNHCR - zur Gänze und läßt sich die Verfolgungssicherheit nicht aus anderen Umständen - etwa aus der Art und Dauer des Aufenthaltes des Asylwerbers in dem Drittstaat - schlüssig ableiten, so bedeutet dies daher auch dann, wenn der Asylwerber auf einen pauschalen Vorhalt nicht reagiert hat, eine Verletzung der der Behörde obliegenden Pflicht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes.

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es sich bei dem Drittstaat um einen solchen handelt, der der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten ist (vgl. das Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 94/20/0343). Die bloße Tatsache eines derartigen Beitritts bietet "keinen ausreichenden Grund für die Annahme, daß ein Asylwerber in diesem Land (bezogen auf den Zeitpunkt des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in diesem Land) einen dem Standard der Konvention entsprechenden Schutz genossen habe" (Erkenntnis vom 9. Mai 1996, Zl. 94/20/0240), und ist für sich genommen daher noch kein ausreichendes Ermittlungsergebnis.

Davon abgesehen könnte selbst ein Verstoß der Partei gegen ihre Mitwirkungspflicht nur zur Folge haben, daß eine sich daraus ergebende Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden könnte. Ihrer aus § 60 AVG erwachsenden Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Bescheidbegründung würde die belangte Behörde dadurch aber nicht enthoben. Die Bescheidbegründung müßte auch in einem solchen Fall u.a. erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde und aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, aaO, Entscheidung 32 zu § 39 Abs. 2 AVG und Entscheidung 11a und b zu § 60 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung).

Schlußfolgerungen aus der Verweigerung der Mitwirkung durch die dazu verpflichtete Partei könnten ein Teil der darzustellenden Erwägungen sein, doch wäre dies im vorliegenden Fall nur schlüssig, wenn auch begründet würde, daß und weshalb die in bezug auf Flüchtlinge von Rumänien im März 1992 eingehaltene Praxis dem Beschwerdeführer im Jänner 1995, als er den diesbezüglichen Vorhalt der belangten Behörde nicht beantwortete, bekannt sein mußte. Das (im vorliegenden Fall festzustellende) Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung für die Annahme, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt seiner Durchreise durch Rumänien nicht befürchten müssen, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in seine Heimat abgeschoben zu werden, würde den angefochtenen Bescheid auch dann mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belasten, wenn die belangte Behörde Ermittlungen zu dieser Frage gepflogen hätte oder wenn sie ihrer Verpflichtung dazu aufgrund der Verletzung einer den Beschwerdeführer treffenden Mitwirkungspflicht enthoben gewesen wäre.

Auch in bezug auf Ungarn behauptet die belangte Behörde, es wäre dem Beschwerdeführer "möglich gewesen, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen". Statt auf Verpflichtungen Ungarns aus dessen Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention, der unter dem territorialen Vorbehalt des Art. 1 Abschnitt B lit. a der Genfer Flüchtlingskonvention erfolgte (vgl. dazu die Kundmachung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 260/1992), verweist die belangte Behörde in bezug auf den Beschwerdeführer als Staatsangehörigen der Türkei (vgl. dazu das Erkenntnis vom 27. Juni 1995, Zl. 94/20/0817) auf ein "Arrangement" zwischen den "ungarischen Behörden" und dem UNHCR, wonach letzterer "die Verfahren außereuropäischer Asylwerber" durchführe und ein solcher Asylwerber bis zum Abschluß dieses "Asylverfahrens" sowie "im Fall seiner Anerkennung als Flüchtling durch UNHCR" einen "faktischen Schutz vor Abschiebung in sein Heimatland" genieße.

Gegen diese Ausführungen wendet sich der Beschwerdeführer vor allem unter dem Gesichtspunkt einer "lückenhaften und entstellt falschen" Wiedergabe des von der belangten Behörde zitierten, den vorgelegten Akten aber nicht beiliegenden "Gutachtens vom 4. Juli 1994", worin der UNHCR nach den Ausführungen der belangten Behörde "festgestellt" haben soll, daß aufgrund des erwähnten "Arrangements" für außereuropäische Flüchtlinge in Ungarn "faktisch lückenlose Abschiebungssicherheit" bestehe. Geht man von der Ausfertigung dieses "Gutachtens" aus, die der Beschwerdeführer mit der Beschwerde vorgelegt hat, so scheint diese Kritik im Hinblick auf das Fehlen einer derartigen Formulierung sowie etwa im Hinblick darauf, daß die Weiterleitung von Asylwerbern an den UNHCR danach nur auf ausdrücklichen Wunsch geschieht und somit die Kenntnis dieser Möglichkeit voraussetzt, nicht völlig unberechtigt zu sein. Im Detail braucht darauf nicht eingegangen zu werden, weil die in der Gegenwartsform gehaltenen "Anmerkungen" der belangten Behörde zum "Sonderfall Ungarn", die sich auf ein "Gutachten" vom Juli 1994 gründen, in Ermangelung eines Hinweises darauf, seit wann das behauptete "Arrangement" wirksam sein soll, keinen Schluß auf die Verhältnisse im März 1992, als der Beschwerdeführer durch Ungarn reiste, erlauben (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 6. Februar 1996, Zl. 95/20/0085, vom 18. April 1996, Zl. 95/20/0280, und vom 26. Juni 1996, Zl. 95/20/0428). Auch für die Annahme, der Beschwerdeführer habe bei den ungarischen Behörden um Asyl (gemeint: aufgrund einer Weiterleitung durch diese Behörden beim UNHCR um die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft) ansuchen können und nicht befürchten müssen, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe von Ungarn aus in seine Heimat abgeschoben zu werden, enthält der angefochtene Bescheid daher keine nachvollziehbare Begründung. Daß eine solche Begründung und die ihr zugrunde zu legenden Ermittlungen nicht wegen des Umstandes, daß der Beschwerdeführer dem an ihn gerichteten Vorhalt zur Frage der Verfolgungssicherheit nichts entgegensetzte, unterbleiben konnten, ergibt sich auch in bezug auf Ungarn aus den schon zur Verfolgungssicherheit in Rumänien dargestellten Erwägungen.

Die Pflicht des Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet (vgl. das Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Auch das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG findet keine Anwendung, wenn der Amtswegigkeitsgrundsatz die Behörde zur Feststellung des Sachverhaltes im Verwaltungsverfahren ohne Mitwirkung der Parteien verpflichtet (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juli 1994, Zl. 93/10/0170; weiters die Erkenntnisse vom 27. September 1982, Zl. 81/10/0058, vom 5. November 1984, Zl. 84/10/0151, vom 29. September 1986, Zl. 86/10/0040, vom 17. Mai 1988, Slg. Nr. 6318/F, vom 18. Oktober 1988, Zl. 87/11/0127, vom 22. Februar 1989, Zl. 88/02/0202, und vom 14. Dezember 1995, Zl. 94/18/0398). Sind daher die Annahmen der belangten Behörde, auf die sich die Anwendung des Asylversagungsgrundes nach § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 stützt, nicht ausreichend begründet, was der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall auch ausdrücklich geltend macht, und fehlt es nicht etwa nur an Feststellungen, die nur unter Mitwirkung des Beschwerdeführers zu erzielen gewesen wären (was in der Bescheidbegründung entsprechend darzulegen wäre), so muß dies insoweit, als es auf das Vorliegen dieses Asylversagungsgrundes ankommt, zur Aufhebung des Bescheides führen (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 28. März 1995, Zl. 94/19/0010, mwN).

Auf den in der Beschwerde nicht relevierten Umstand, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufungsergänzung Nachfluchtgründe geltend gemacht hat, die auch erst nach seinem Aufenthalt in den Staaten, in denen er nach Meinung der belangten Behörde vor Verfolgung sicher war, eingetreten sein sollen, braucht unter diesen Umständen nicht mehr eingegangen zu werden.

Der vorliegende Bescheid war vielmehr aus den schon dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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