VwGH 94/19/0413

VwGH94/19/041326.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Oktober 1993, Zl. 4.312.770/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
FlKonv;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
FlKonv;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Oktober 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Bangladesch, der am 27. Februar 1991 in das Bundesgebiet eingereist war und am 1. März 1991 einen Asylantrag gestellt hatte - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 16. Mai 1992 - mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen - abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der nach seinem "Fluchtweg" befragte Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlich festgehaltenen Vernehmung (durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark) am 6. Februar 1992 (unter Punkt 18) unter anderem angegeben, er sei mit dem Zug von Hongkong über China, Moskau, Bukarest und Budapest nach Österreich gefahren.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark hat ihren negativen Feststellungsbescheid damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft (im Sinne des § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zukomme.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen - ausschließlich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer aufgrund seines Aufenthaltes (im Dezember 1991, richtig: 1990) in China bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb ausgehend von § 2 Abs. 2 Z. 3 des im Beschwerdefall gemäß seinem § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 die Gewährung von Asyl gemäß § 3 leg. cit. nicht in Betracht komme.

Insoweit der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit der Auslegung des Begriffes "Verfolgungssicherheit" geltend macht, kommt dieser Rüge im Lichte der zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) keine Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer wendet sich des weiteren aber gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er bereits in China vor Verfolgung sicher gewesen sei. Er bringt dazu unter anderem vor, die Geltung der Genfer Flüchtlingskonvention reiche noch keineswegs aus, von "Verfolgungssicherheit" in diesem Land ausgehen zu können. Die im angefochtenen Bescheid gegebene "Begründung", es spreche nichts dafür, daß sich die Volksrepublik China nicht an das (im Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention verankerte) Rückschiebungsverbot halte, werde nicht durch Ermittlungsergebnisse gestützt. Die belangte Behörde sei insoweit ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Hätte die belangte Behörde jedoch entsprechende Ermittlungen über China angestellt, dann hätte sie dadurch zu dem Schluß kommen müssen, daß China im konkreten Fall nicht als ein Land angesehen werden könne, in dem er (im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) bereits vor Verfolgung sicher gewesen sei. Zusammenfassend ergebe sich, daß er in China keineswegs vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Mit diesen Ausführungen macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, um annehmen zu können, China biete - wie dies die belangte Behörde allein aufgrund der Mitgliedschaft bei der Genfer Flüchtlingskonvention annahm - als Zufluchtsstaat von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz (vgl. insbesonders auch die hg. Erkenntnisse jeweils vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0291 und Zl. 94/01/0585).

Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier: gemäß §§ 11, 16 AsylG 1991 iVm §§ 39, 45, 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1984, 81/05/0019, u. v.a.). Der Mitwirkungspflicht kommt dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1987, 86/11/0044, und 27. April 1993, 91/08/0123). Dies trifft auf die im allgemeinen in China beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat nicht zu. Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet.

Diesen Erwägungen stehen gemäß § 13 Abs. 1 VwGG relevante (ausdrückliche) Aussagen in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm - zumal die Erstbehörde zufolge der von ihr anzuwendenden Rechtslage des Asylgesetzes (1968) ihren abweislichen Bescheid zutreffend nicht darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer in China bereits vor Verfolgung sicher gewesen sei - im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu der ihm noch nicht bekanntgegebenen Annahme der belangten Behörde, daß er in China "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.

Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III Abs. 2.

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