OGH 5Ob200/23g

OGH5Ob200/23g27.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* M*, vertreten durch Dr. Anton Schäfer, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei J* S*, vertreten durch Mag. Bernhard Schwendinger, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 13.440,55 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 18. Juli 2023, GZ 2 R 149/23m‑75, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 22. März 2023, GZ 34 C 178/20p‑69, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00200.23G.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin beauftragte den Beklagten auf Basis eines Angebots vom 4. 3. 2019 mit der Sanierung des undicht gewordenen Daches ihres Hauses. Der Beklagte führte die Dachsanierung im Zeitraum vom 16. bis 19. 4. 2019 durch und stellte diese am 25. 4. 2019 mit 17.158,91 EUR in Rechnung. Die Klägerin zahlte diesen Betrag.

[2] Das Dach ist seither dicht und funktionstauglich; die zu erwartende Lebensdauer beträgt bei Durchführung der notwendigen jährlichen Wartungen 25 bis 30 Jahre. Die Arbeiten des Beklagten sind nicht sach‑ und fachgerecht, weil sie – wegen des fehlenden Gefälles – nicht den geltenden ÖNORMEN entsprechen.

[3] Das nach den ÖNORMEN erforderliche Gefälle ist dafür gedacht, dass das Wasser schnellstmöglich an den Entwässerungspunkt geleitet wird. Dadurch soll verhindert werden, dass die Dachfläche zu stark beansprucht wird und Wasser eindringt. Bei Fehlen des Gefälles bleibt das Wasser auf der Dachfläche stehen. Die sich bildenden Pfützen können zu massiven Verunreinigungen (zB durch Mikrobenbefall) führen und dadurch die Dachhaut schädigen. Ein weiterer Nachteil ist, dass Wasser oder Wasserdampf zwischen der alten und der neuen Dachschicht länger liegen bleibt. Wäre die untere Schicht der Daches undicht, könnte es dadurch zu Wassereintritten kommen. Durch ein Gefälle kann der Wasserdampf schneller entweichen, wodurch die Gefahr, dass Feuchtigkeit durch die untere Dachschicht dringt, geringer ist.

[4] Wenn die jährlichen Wartungen ordnungsgemäß durchgeführt werden, sind durch die nicht ÖNORM‑konforme Ausführung der Arbeiten des Beklagten keine Spätschäden am Dach der Klägerin zu erwarten.

[5] Die Klägerin begehrte vom Beklagten 13.440,55 EUR sA. Er habe die Dachsanierung nicht sach- und fachgerecht ausgeführt, insbesondere entspreche diese nicht den geltenden ÖNORMEN. Da sich der Beklagte geweigert habe, die Sanierung selbst vorzunehmen, hafte er für die Kosten der Ersatzvornahme. Im zweiten Rechtsgang erhob die Klägerin – für den Fall, dass die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Deckungsbeitrags zur Reparatur des Daches nicht vorlägen, sondern nur die Voraussetzungen für eine Wandlung des Werkvertrags oder Preisminderung – das Eventualbegehren, den Beklagten zur Zahlung von 15.000 EUR sA zu verpflichten.

[6] Der Beklagte wandte ein, er habe die Dachsanierung dem Angebot entsprechend und damit auftragsgemäß und mängelfrei ausgeführt. Dass die Ausführung den ÖNORMEN zu entsprechen habe, hätten die Parteien nicht vereinbart. Die nicht ÖNORM‑konforme Ausführung bedeute an sich keinen Schaden und dadurch bedingte Schäden seien nicht zu erwarten. Für die nicht vom Auftrag umfassten Arbeiten zur Herstellung der ÖNORM‑Konformität hätte die Klägerin Sowieso‑Kosten zu tragen gehabt. Die Klage sei außerdem unschlüssig. Die Klägerin habe ihr Klagebegehren nicht nach den einzelnen Mängelpositionen aufgeschlüsselt, auch das diesem Begehren zugrunde gelegte Angebot des Drittunternehmens führe zu keiner ÖNORM‑gerechten Ausführung des Daches. Einzelne der geltend gemachten Mängel seien zudem unbehebbar und unwesentlich bzw wäre deren Behebung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden.

[7] Das Erstgericht gab der Klage (mit ihrem Hauptbegehren) statt.

[8] Die Eigenschaften des Werks bestimmten sich– abgesehen von der vom Auftrag ausdrücklich nicht umfassten Isolierung – nach der Verkehrsauffassung, sodass die anerkannten Regeln der Technik auf dem Gebiet der Flachdachsanierung nach dem im Zeitpunkt der Leistungserbringung aktuellen Stand zu beachten gewesen seien. Stillschweigend bedungener Vertragsinhalt sei daher, dass die Dachsanierung durch den Beklagten als Fachunternehmen – mit Ausnahme der nicht einzubauenden Isolierung – sach‑ und fachgerecht dem Stand der Technik entsprechend durchzuführen gewesen sei. Die Beschreibung der einzelnen Leistungen im Angebot des Beklagten habe für die Klägerin – für den Beklagten erkennbar – keine Bedeutung gehabt und lediglich zu deren Information und als Kalkulationsgrundlage für den Beklagten gedient.

[9] Die vom Beklagten durchgeführte Dachsanierung sei nicht sach‑ und fachgerecht gewesen, weil sie – mangels eines ausreichenden Gefälles – nicht den geltenden ÖNORMEN und nicht dem Stand der Technik entsprochen habe. Gegenüber der vertraglich vereinbarten, dem Stand der Technik entsprechenden Ausführung mit Gefälle bestehe eine erhöhte Gefahr von Feuchtigkeitsschäden durch stehendes Wasser. Um ein ÖNORM‑konformes Dach herzustellen, sei nach Anbringen eines Gefälles zudem die Erhöhung des Dachrandes sowie die Erweiterung des Notüberlaufs erforderlich. Damit liege ein mangelhaft ausgeführtes Werk vor. Die Schlechterfüllung führe zu Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen, sodass sich die Frage der Sowieso‑Kosten erst gar nicht stelle. Da der Beklagte eine Sanierung abgelehnt bzw (nur) gegen Ersatz der – ihm aufgrund der Schlechterfüllung nicht zustehenden – Sowieso‑Kosten zur Verbesserung bereit gewesen sei, sei er mit der Beseitigung des Mangels in Verzug. Darüber hinaus habe die Klägerin aufgrund der mangelhaften Leistungen und des jahrelangen Verfahrens das Vertrauen in den Beklagten verloren, sodass ihr nunmehr eine Verbesserung durch den Beklagten aus triftigen in dessen Person liegenden Gründen unzumutbar sei. Dass das Dach in wesentlichen Teilen (mangelndes Gefälle, zu geringe Dachrandhöhe und zu gering dimensionierter Notüberlauf) nicht den geltenden ÖNORMEN entspreche, sei für die Klägerin von wesentlicher Bedeutung. Sie wolle das Dach ÖNORM‑konform sanieren lassen und der aus der Verbesserung erwachsende Vorteil sei – trotz des Umstands, dass das Dach grundsätzlich dicht und daher funktionstauglich sei – so hoch anzusetzen, dass ein redlicher und vernünftiger Verkehrsteilnehmer die Reparatur auch auf eigene Kosten durchführen würde. Daher seien grundsätzlich auch über den Wert des Werks liegende Kosten für die Verbesserung aufzuwenden. Bei Sanierung des Daches im Sinn der im Werkvertrag getroffenen Vereinbarungen fielen nach den Feststellungen Kosten von insgesamt 22.790,49 EUR an. Diese Verbesserungskosten würden zwar die ursprüngliche Werklohnforderung um ca 33 % übersteigen; dennoch sei die Bedeutung des Mangels für die Klägerin auch unter Berücksichtigung des mit der Verbesserung verbundenen Aufwands nachvollziehbar und dieser Aufwand daher nicht als unverhältnismäßig anzusehen.

[10] Die Klägerin habe damit Anspruch auf das Deckungskapital für die beabsichtigte Sanierung der Mängel als zweckgebundenen Vorschuss. Da die Klägerin mit ihrem Hauptbegehren nur den Betrag von 13.440,55 EUR gefordert habe, sei ihr nur dieser Betrag zuzusprechen.

[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge.

[12] Der Einwand der Unschlüssigkeit des Klagebegehrens sei unbegründet. Werde – wie hier mit der aus einem einzigen Lebenssachverhalt (nämlich dem Werkvertrag) abgeleiteten, auf einem einheitlichen Anspruchsgrund (nämlich Bevorschussung der Kosten für die beabsichtigte Behebung von Mängeln am Gewerk) gestützten Klageforderung – ein einheitlicher Anspruch eingeklagt, sei es auch bei einer bloßen Teileinklagung nicht erforderlich, die Forderung weiter aufzugliedern. Das Gericht habe dann nur zu prüfen, ob dem Kläger jedenfalls der geltend gemachte Betrag zustehe. Der Aufschlüsselung der pauschal begehrten Mängelbehebungskosten nach einzelnen unselbständigen Teilpositionen der technischen Ausführung der Verbesserung bedürfe es daher nicht. Es komme auch nicht (unmittelbar) darauf an, ob das der Klageforderung zugrunde gelegte Angebot des Drittunternehmens zu einer ÖNORM‑gerechten Ausbildung des Daches führe. Maßgeblich sei, dass die Klägerin durch die Verbesserung so gestellt werde, wie sie stünde, wenn der Beklagte die Dachsanierung von vornherein vertragsgemäß durchgeführt hätte. Die Klägerin habe nur insoweit Anspruch auf eine ÖNORM‑gerechte Verbesserung, als auch der Beklagte zur ÖNORM‑gerechten Ausführung der Dachsanierung verpflichtet gewesen sei.

[13] Die in der ÖNORM vorgesehene Isolierung habe die Klägerin trotz Aufklärung ausdrücklich nicht gewünscht. Die weiteren Eigenschaften der Flachdachsanierung bestimmten sich mangels abweichender Vereinbarung nach der Verkehrsauffassung. Damit habe der Beklagte – abgesehen von der nicht anzubringenden Isolierung – eine dem Stand der Technik und damit eine den ÖNORMEN entsprechende Dachsanierung geschuldet. Der Einwand, die Klägerin erleide durch die nicht ÖNORM‑konforme Ausführung keinen Nachteil, gehe nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Denn mit der vom Beklagten gewählten Dachsanierung seien die vom Erstgericht festgestellten Nachteile verbunden, die bei ÖNORM‑konformer Sanierung (mit Gefälle) nicht bestünden. Die Gefahr der möglichen Schädigung der Dachhaut bei Mikrobenbefall und die erhöhte Gefahr, dass bei Auftreten einer Undichtheit des Daches Feuchtigkeit durch die untere Dachschicht dringe, bedeute daher eine Schlechterfüllung der werkvertraglichen Hauptleistung.

[14] Da die Dachsanierung des Beklagten nicht die vereinbarten Eigenschaften aufweise, habe die Klägerin einen Verbesserungsanspruch wegen Schlechterfüllung. Die Klägerin begehre die Kosten, die zur Verbesserung des Werks im Sinne der Herstellung des vertragsmäßig geschuldeten Zustands aufzuwenden seien. Nach § 933a Abs 2 ABGB könne der Übernehmer Geldersatz verlangen, wenn der Übergeber die Verbesserung verweigere. Der Beklagte habe die Verbesserung davon abhängig gemacht, dass die Klägerin die Mehrkosten trägt. Diese von der Zahlung eines zusätzlichen Entgelts abhängig gemachte Bereitschaft sei als Verweigerung der Verbesserung zu qualifizieren.

[15] Da der Vertragsinhalt so zu verstehen sei, dass eine ÖNORM‑konforme Dachsanierung geschuldet sei, und der Beklagte dafür jene Mittel einzusetzen habe, die zur Erreichung des geschuldeten Erfolgs taugten, sei für den Beklagten mit der Berufung auf „Sowieso‑Kosten“ nichts zu gewinnen. Von im Zug der Sanierung anfallenden Kosten, die die Klägerin bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Werkvertrags ebenso zu tragen gehabt hätte, könne keine Rede sein.

[16] Auch mit seiner Argumentation zur Unverhältnismäßigkeit gehe der Kläger nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, stehe doch fest, dass mit der ausgeführten Dachsanierung gegenüber einer der vertraglich vereinbarten, dem Stand der Technik entsprechenden Ausführung eine erhöhte Gefahr von Feuchtigkeitsschäden bestehe. Bereits aufgrund dieser Gefahrenerhöhung während der gesamten Lebensdauer des Daches sei die ÖNORM‑konforme Dachsanierung (mit Gefälle, ausreichender Dachrandhöhe und ausreichend dimensioniertem Notüberlauf) für die Klägerin von wesentlicher Bedeutung und die Beurteilung des Erstgerichts, dass die Verbesserung für den Beklagten damit nicht mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden sei, nicht korrekturbedürftig.

[17] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Rechtsfrage nach der Tragung der Sowieso‑Kosten für den Werkbesteller bei Schlechterfüllung durch einen Werkunternehmer und Vorliegen einer vertraglichen (nur deklarativen) Leistungsbeschreibung außerhalb einer Pauschalpreisvereinbarung über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

[18] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die Abänderung im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise stellt der Beklagte Aufhebungsanträge.

[19] Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

[20] Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Begründung der Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[21] 1.1. Das Berufungsgericht und – diesem folgend – der Beklagte begründen die Zulässigkeit der Revision mit der Frage des Ersatzes der Sowieso‑Kosten in dem Fall der Schlechterfüllung eines Werkvertrags, dem eine bloß deklarative Leistungsbeschreibung zugrunde liegt, mit dem aber auch kein Pauschalpreis vereinbart wurde.

1.2. Nach der damit angesprochenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum „widersprüchlichen“ Werkvertrag gilt grundsätzlich Folgendes:

[22] Bei einem Werkvertrag hat der Werkunternehmer das vertraglich geschuldete Werk herzustellen. Das Geschuldete ergibt sich aus dem Vertrag und den darin enthaltenen Bestimmungen und Beschreibungen. Das vom Unternehmer Geschuldete ist daher mittels Vertragsauslegung zu ermitteln (RS0109226).

[23] Wird eine bestimmte Ausführung des Werks vereinbart, die aufgrund der konkreten Verhältnisse nicht geeignet ist, den (zumindest implizit) bedungenen Zweck zu erfüllen, so muss zunächst – bei Vorliegen der Voraussetzungen – auf irrtumsrechtlichem Weg eine Vertragsanpassung herbeigeführt werden, die unter Umständen mit einer Erhöhung des Entgelts verbunden ist; erst dann greifen die Rechtsbehelfe des Gewährleistungsrechts. Dies gilt wie im Fall einer Warnpflichtverletzung (2 Ob 230/17p mwN; RS0016270; RS0016258). Der Besteller ist in einem solchen Fall so zu stellen, wie er stünde, wenn der Unternehmer seiner Warnpflicht entsprochen hätte. Der Besteller kann daher nicht jene Kosten begehren, die er bei entsprechender Warnung „sowieso“ zu tragen gehabt hätte (2 Ob 230/17p mwN; RS0102085; RS0117792).

[24] DieAuslegung des Vertrags kann aber ergeben, dass eine bestimmte Leistungsbeschreibung für den Besteller keine Bedeutung hat, weil es für ihn – und zwar für den Werkunternehmer erkennbar – nur auf die (zumindest implizit) vereinbarte Funktionalität ankommt (2 Ob 230/17p; 4 Ob 96/16w; 1 Ob 132/15s). In diesem Fall stellt sich das Problem der Sowieso‑Kosten nicht, weil trotz Leistung im Sinn der vertraglichen, in diesem Fall aber nur deklarativen Leistungsbeschreibung in Wahrheit Schlechterfüllung vorliegt, die zu Gewährleistungs- und Schadenersatz-ansprüchen führen kann. Ein widersprüchlicher Vertrag liegt dann nicht vor (2 Ob 230/17p).

[25] 1.3. Welche Eigenschaften das Werk aufzuweisen hat, ergibt sich in erster Linie aus der konkreten Vereinbarung, hilfsweise – soweit eine Detailvereinbarung nicht besteht – aus Natur und (erkennbarem) Zweck der Leistung, letztlich aus der Verkehrsauffassung (5 Ob 7/19v; RS0021694; RS0021716; RS0126729). Bestimmen sich die Eigenschaften einer Leistung nach der Verkehrsauffassung, sind die anerkannten Regeln der Technik des jeweiligen Fachs nach dem im Zeitpunkt der Leistungserbringung aktuellen Stand zu beachten (RS0021694 [T3]; RS0021716 [T2]). ÖNORMEN sind in besonderer Weise zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen geeignet, weil sie grundsätzlich den Standard der für die betroffenen Kreise geltenden Regeln der Technik widerspiegeln (RS0062063).

[26] 1.4. Der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, kommt in der Regel keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RS0042776 uva). Anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit die Korrektur einer unhaltbaren, durch die Missachtung fundamentaler Auslegungsregeln zustande gekommenen Entscheidung geboten ist (RS0042776 [T22]). Das gilt insbesondere auch für die Bestimmung des nach dem Vertrag Geschuldeten sowie die Beurteilung, ob das tatsächlich ausgeführte Werk dem vertraglich Vereinbarten entspricht (6 Ob 198/22v; 4 Ob 44/14w).

[27] Eine solche ausnahmsweise auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Nach dem Verständnis des Berufungsgerichts ist Vertragsgegenstand eine Flachdachsanierung, die – abgesehen von der nicht anzubringenden Isolierung – den ÖNORMEN und damit den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Entgegen dem Standpunkt des Beklagten hätten die Streitteile nicht die ÖNORM‑konforme Errichtung des Daches ausdrücklich zum Vertragsinhalt zu machen gehabt. Vielmehr sei umgekehrt mangels anderweitiger Vereinbarung eine dem Stand der Technik und den diesen widerspiegelnden ÖNORMEN entsprechende Dachsanierung geschuldet. Dieser Auslegung liegt zugrunde, dass die Leistungsbeschreibung im Angebot des Beklagten für die Klägerin keine Bedeutung hatte, weil es für sie – für den Werkunternehmer erkennbar – nur auf eine bestimmte (zumindest implizit) vereinbarte Funktionalität ankam. Ein derartiges Auslegungsergebnis setzt nicht notwendig voraus, dass die Parteien zugleich eine Pauschalpreisvereinbarung getroffen haben (vgl 9 Ob 83/18y; 2 Ob 230/17p). Auschlaggebend für das Vorliegen eines „widersprüchlichen“ Werkvertrags ist nicht die Art der Preisvereinbarung, sondern der durch Auslegung des Vertrags zu bestimmende Leistungsgegenstand des Werkunternehmers. Dass die einzelnen preisbildenden Faktoren nicht offengelegt sind, der Auftraggeber das von ihm gewünschte Werk rein funktional beschreibt und der Auftragnehmer die auszuführenden Leistungen selbst kalkuliert, ist zwar für Pauschalpreisvereinbarungen charakteristisch (10 Ob 3/21w). Pauschalpreisvereinbarungen bei Werkverträgen haben aber nur zur Folge (und den Zweck), dass der Werkunternehmer keine Preiserhöhung fordern darf, auch wenn das konkret geschuldete Werk mehr Arbeit oder größere Auslagen erfordert als er vorhergesehen hatte (RS0022059). Bei nachträglichen Änderungen im Leistungsumfang verhindert eine Pauschalvereinbarung eine Erhöhung des Werklohns aber nicht (RS0022059 [T8]). Für die in Abänderung des Vertragsinhalts zu erbringenden Mehrleistungen schuldet der Besteller ein angemessenes Entgelt, das nicht schon im Pauschalpreis inbegriffen ist. Der Pauschalpreis gilt demnach in der Regel nur für die vertraglich vereinbarten Leistungen, nicht aber für jene, die in Abänderung des Vertrags später vereinbart wurden (RS0107868).

[28] 1.5. Das von den Vorinstanzen übereinstimmend gewonnene Ergebnis der Auslegung des vorliegenden Werkvertrags ist damit nicht korrekturbedürftig.

[29] Wie das Werk ausgeführt sein muss, damit es dem geschuldeten Stand der Technik entspricht, betrifft keine Rechtsfrage, sondern den Tatsachenbereich (3 Ob 143/12v; vgl RS0048339). Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist wiederum in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891).

[30] Auf dieser Basis stellt sich die in der Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage der Sowieso-Kosten nicht, weil die Klägerin ihren Anspruch auf Ersatz des Deckungskapitals (vgl RS0115060) zutreffend aus der Schlechterfüllung der nach dem Vertrag geschuldeten Leistung ableitet. Sie begehrt als Auswirkung ihres Anspruchs auf Erfüllung des Vertrags den Ersatz der objektiv notwendigen Kosten der Verbesserung. Das Problem des etwaigen Ersatzes der Sowieso‑Kosten stellt sich hingegen (nur) dort, wo ein Werk einen bestimmten Erfolg aufweisen soll, dieser Erfolg aber mit den im Vertrag vorgesehenen qualitativ und/oder quantitativ einzusetzenden Mitteln nicht erreicht werden kann (RS0117792).

[31] 2.1. Der Beklagte begründet die Zulässigkeit der Revision zudem damit, dass dem Berufungsgericht bei der Beurteilung der Schlüssigkeit des Klagebegehrens eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen sei. Konkret spricht er primär die Frage an, ob und inwieweit eine Aufschlüsselung des Klagebegehrens erforderlich ist, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen.

[32] 2.2. Für die Beurteilung, ob ein Geldleistungsbegehren iSd § 226 ZPO ausreichend bestimmt ist, ist zu unterscheiden:

[33] Werden aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt mehrere Ansprüche abgeleitet und in einer Klage geltend gemacht, dann muss in einem solchen Fall der objektiven Klagehäufung jeder der Ansprüche zumindest in der Begründung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen (5 Ob 32/23a; RS0031014 [T29]; zu Fragen der Zumutbarkeit vgl RS0037907; RS0037420).

[34] Macht ein Kläger in einem Fall der objektiven Klagehäufung nur einen Teil seines Gesamtanspruchs geltend, so hat er klarzustellen, welche Teile von seinem pauschal formulierten Begehren erfasst sein sollen (5 Ob 32/23a mwN; RS0031014 [T25]; zur Klageeinschränkung RS0037780 [T6]). Die Aufteilung eines Pauschalbetrags auf die einzelnen Teilpositionen darf nicht dem Gericht überlassen werden (RS0031014 [T35]). Eine alternative Klagehäufung, bei welcher der Kläger dem Gericht die Wahl überlässt, ist unzulässig (RS0031014 [T20]).

[35] Wird hingegen ein einheitlicher Anspruch eingeklagt, genügt es, wenn der Kläger in erster Instanz seinen Anspruch in bestimmter Weise beziffert. Ob ein einheitlicher Anspruch vorliegt, hängt davon ab, ob die einzelnen Positionen eines Klagebegehrens ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (5 Ob 167/23d mwN). Wird ein einheitlicher Anspruch geltend gemacht, würde es eine Überspannung der Verpflichtung zur Präzisierung bedeuten, würde man vom Kläger eine genaue Aufschlüsselung der einzelnen unselbständigen Teilpositionen fordern (RS0031014 [T30]; RS0037907 [T9]). Selbst wenn der Kläger nur den Zuspruch eines Teilbetrags begehrt, trifft ihn nicht die Pflicht, diese Forderung im Einzelnen aufzugliedern. Das Gericht hat dann nur zu prüfen, ob dem Kläger jedenfalls der geltend gemachte Betrag zusteht (5 Ob 32/23a mwN). Im Fall der Geltendmachung eines einheitlichen Anspruchs ist daher ein Pauschalbegehren auf Mängelbehebungskosten zulässig, auch wenn sie höher sind als der Pauschalbetrag (RS0037907 [T6]).

[36] 2.3. Die Beurteilung, ob selbständige Positionen geltend gemacht werden, die einem unterschiedlichen rechtlichen Schicksal zugänglich sind, oder ob ein einheitlicher Anspruch vorliegt, richtet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, sodass sich in der Regel keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO stellen (5 Ob 32/23a mwN; RS0031014 [T37]; RS0037907 [T10]; zur Schlüssigkeit allgemein RS0116144; RS0037780). Nur eine auffallende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht könnte die Zulässigkeit der Revision begründen (RS0116144; RS0037780 [T5]).

[37] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Klagebegehren sei ausreichend bestimmt und in diesem Sinn schlüssig, ist keine solche aus Gründen der Rechtssicherheit ausnahmsweise auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die Klägerin leitet den geltend gemachten Anspruch (nämlich Bevorschussung der Kosten für die beabsichtigte Behebung der Mangelhaftigkeit des Gewerks) aus einem Lebenssachverhalt ab und stützt diesen auf einen einheitlichen Anspruchsgrund. Die Ansicht des Berufungsgerichts, in einem solchen Fall sei die Aufschlüsselung der pauschal begehrten Mängelbehebungs-kosten auf einzelne Schadenspositionen nicht erforderlich, hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen objektiver Klagehäufung und Geltendmachung eines einheitlichen Anspruchs (vgl 1 Ob 99/07a; 8 Ob 135/03s).

[38] 3. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat zwar darauf verwiesen, dass der Beklagte in Teilaspekten seiner Argumentation nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen sei. Es hat die Rechtsrüge aber weder grundsätzlich, noch in Bezug auf die betroffenen Teilaspekte als nicht gesetzeskonform ausgeführt erachtet und deren Erledigung verweigert, sondern inhaltlich behandelt (vgl RS0043231).

[39] 4. Die Revision des Beklagten war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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