OGH 5Ob167/23d

OGH5Ob167/23d23.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H*, 2. C*, ebenda, beide vertreten durch die AKELA RechtsanwältInnen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Mag. Michael Wirrer, Rechtsanwalt in Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei S* AG, *, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof und Dr. Damian GmbH in Wien, wegen 27.788,05 EUR sA, über die Rekurse der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2023, GZ 1 R 54/23b‑19, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Februar 2023, GZ 48 Cg 50/22w‑13, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00167.23D.1123.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind Miteigentümer einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an einer Wohnung und einem PKW‑Stellplatz. Sie haben als Verbraucher ihre Anteile von der Beklagten als Bauträgerin mit Kaufvertrag vom 22. 8. 2019 erworben. Die Wohnung wurde am 12. 9. 2019 übergeben. Die Nebenintervenientin war als Generalunternehmerin mit der Errichtung der Wohnhausanlage beauftragt.

[2] In dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrag finden sich zu allfälligen Mängeln des Kaufobjekts folgende Regelungen:

„5.1 Es gelten die gesetzlichen Gewährleistungsregeln gemäß den §§ 922 ff ABGB. Die Gewährleistungsfrist beträgt drei Jahre ab Übergabe der Wohnungseigentumsobjekte gemäß Punkt 4.2 und 4.3 dieses Kaufvertrages an die kaufende Partei.

5.2 Eine allfällige Mängelrüge ist schriftlich an die Verkäuferin zu richten. In diesem Falle ist es der Verkäuferin gestattet, diesen Mangel, auch im Beisein eines von der Verkäuferin beigezogenen Sachverständigen, zu besichtigen.

5.3 Wenn die kaufende Partei und die Verkäuferin eine Einigung darüber, ob Mängel vorliegen oder wie ein allenfalls vorliegender Mangel zu sanieren ist, nicht erzielen können, entscheidet ein von der kaufenden Partei und der Verkäuferin einvernehmlich zu bestellender gerichtlich beeideter Sachverständiger aus dem jeweiligen Fachgebiet, dem der behauptete Mangel zuzuordnen ist. Die Kosten des Sachverständigen werden von der Vertragspartei getragen, deren Standpunkt durch das Sachverständigengutachten widerlegt wird. Sollten sich die Vertragsparteien auf keinen Sachverständigen einigen können, so ist binnen vier Wochen ein Sachverständiger vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien zu bestellen. Die vierwöchige Frist, nach welcher jede der Vertragsparteien durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien einen Sachverständigen bestellen kann, beginnt zu dem Zeitpunkt, nach welchem keine Einigung darüber zu erzielen war, ob Mängel vorliegen.“

[3] Die Kläger begehrten (zuletzt) insgesamt 27.788,05 EUR sA aus den Rechtsgründen der Gewährleistung und des Schadenersatzes wegen verschiedener von ihnen behaupteter Mängel in Zusammenhang mit der gekauften Wohnung. Sie begehren einerseits den Ersatz von bereits angefallenen Reparaturkosten für Mängel an allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Die Mängel der Außenbeleuchtung beträfen die gesamte Liegenschaft, den Klägern stehe hier Ersatz von 6,79 % der Reparaturkosten, somit 2.754,95 EUR zu. Die Undichtheit des Dachs betreffe nur das Haus 1, den Klägern stehe diesbezüglich der Ersatz von 32,71 % der Reparaturkosten, somit 5.033,10 EUR an Mängelbehebungskosten zu. Andererseits begehrten die Kläger wegen Lärmemissionen aufgrund der Heizung sowie des mangelhaften Einbaus zweier Terrassentüren und barrierefreier Fenstertüren in ihrer Wohnung Preisminderung von 20.000 EUR. Ihre Aktivlegitimation gründe sich darauf, dass sie aus dem Vertragsverhältnis zum Bauträger anspruchsberechtigt seien. Da die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer nicht gefährdet sein könnten, bedürfe es keines Mehrheitsbeschlusses der Eigentümergemeinschaft. Die im Kaufvertrag enthaltene Schiedsgutachterabrede sei nach KSchG und WEG unwirksam und stehe der Fälligkeit ihrer Ansprüche nicht entgegen.

[4] Die Beklagte wendete ein, die Klage sei unschlüssig. Die Kläger seien nicht aktiv klagelegitimiert. Sie hätten die Schiedsgutachterabrede nicht eingehalten, weshalb der Anspruch nicht fällig sei. Hinsichtlich des allgemeinen Teils der Liegenschaft sei ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft erforderlich. Mängel des Objekts seien bei Übergabe nicht vorgelegen oder aber bereits saniert worden. Eine Frist zur Verbesserung der nun behaupteten Mängel hätten die Kläger nicht gesetzt, sodass ihnen kein Preisminderungsanspruch zustehe.

[5] Die Nebenintervenientin wendete die Unbestimmtheit der pauschalen Klageforderung ein. Die zum Vorteil der Kläger wirkende Schiedsgutachterabrede hätten diese nicht eingehalten, weshalb die Klageforderung nicht fällig sei. Auch die Nebenintervenientin bestritt die aktive Klagelegitimation und wendete ein, sie habe sämtliche Leistungen sach‑ und fachgerecht und nach dem Stand der Technik erbracht. Die Kläger hätten ihre Wartungspflichten hinsichtlich Fenster und Heizung verletzt.

[6] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die im Kaufvertrag vereinbarte Schiedsgutachterabrede sei wirksam. § 9 Abs 1 KSchG stehe dem nicht entgegen, weil darin kein Rechtsverzicht zu erkennen sei und den Klägern ihre Gewährleistungsrechte unverändert zustünden. Auch § 38 WEG hindere die Gültigkeit der Schiedsgutachterabrede nicht. Da die Kläger den darin vorgesehenen Mechanismus nicht ausgelöst hätten, sei ihr Anspruch nicht fällig. Zum Preisminderungsanspruch erachtete das Erstgericht die Klage auch als unschlüssig, weil die Kläger nicht dargelegt hätten, welchen Wert sie für die mangelfreie und die mangelhafte Sache ansetzen.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge, hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

[8] Dass die Kläger nicht für jeden von ihnen im Rahmen der Preisminderung relevierten Mangel einen eigenen (Teil‑)Betrag behaupten, sondern pauschal für alle Mängel eine Preisminderung von 20.000 EUR begehren, begründe keine Unschlüssigkeit. Der Gewährleistungsbehelf der Preisminderung beziehe sich nicht isoliert auf den Einbau einer Heizung oder von Terrassen‑ oder Fenstertüren, sondern die Miteigentumsanteile einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung. Einer konkreten Darlegung, wie sich der Preisminderungsbetrag unter Heranziehung der relativen Berechnungsmethode errechnet, bedürfe es nicht. Zu den Verbesserungskosten an allgemeinen Teilen des Hauses hätten die Kläger jeweils einen Gesamtbetrag an Verbesserungskosten behauptet, von dem sie jeweils nur den – entsprechend der Eigentumsverhältnisse – auf sie entfallenden Anteil gegenüber dem Beklagten geltend machen. Auch dies sei ausreichend bestimmt.

[9] Die Schiedsgutachterabrede verstoße allerdings gegen § 9 Abs 1 KSchG. Nach dieser Bestimmung könnten Gewährleistungsrechte des Verbrauchers vor Kenntnis des Mangels nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Die Unzulässigkeit einer Vertragsbestimmung könne sich – trotz inhaltlich unveränderter Gewährleistungsbehelfe – auch daraus ergeben, dass die (gerichtliche) Durchsetzung von Gewährleistungsrechten gegenüber dem Vertragspartner erschwert wird. Zu 2 Ob 198/10x habe der Oberste Gerichtshof eine Klausel in einem KFZ‑Leasingvertrag als § 9 Abs 1 KSchG widersprechend beurteilt, in der der Kunde sich verpflichtete, die Behebung von Gewährleistungsmängeln und Garantieansprüchen beim Lieferanten geltend zu machen, weil der Verbraucher sich im Rahmen eines „Zwischenverfahrens“ an den Leasinggeber und dessen Werkstätten wenden müsse. Auch hier sei von einer Erschwerung der gerichtlichen Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche für den Verbraucher auszugehen. Die Schiedsgutachterabrede verweise einen Vertragspartner zunächst auf eine Art „Zwischenverfahren“, in dem ein Sachverständiger zur Beurteilung der behaupteten Gewährleistungsansprüche beigezogen wird. Wolle der Verbraucher dieses Verfahren nicht einhalten, stehe dem immer der Einwand der mangelnden Fälligkeit der Gewährleistungsansprüche entgegen, worin eine Einschränkung der Gewährleistungsrechte des Verbrauchers zu sehen sei. Überdies verliere der Verbraucher durch die Schiedsgutachterklausel weitgehend auch die im zwingenden Verfahrensrecht der ZPO im Zusammenhang mit gerichtlich bestellten Sachverständigen vorgesehenen Möglichkeiten, auf die Unbefangenheit des Sachverständigen und die fachliche Richtigkeit des Gutachtens hinzuarbeiten, weil bei einem Schiedsgutachterverfahren vergleichbare Mitwirkungsrechte nicht vorgesehen seien. Ein nach Abwicklung des Schiedsgutachterverfahrens nachfolgendes Gerichtsverfahren verschaffe dem Verbraucher keine Abhilfe, weil das Ergebnis des Schiedsgutachtens grundsätzlich für die Parteien und das Gericht materiell‑rechtlich bindend sei. Nur eine qualifizierte Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens würde dieses seiner bindenden Wirkung berauben; eine nachprüfende richterliche Kontrolle sei daher nur in sehr eingeschränktem Umfang vorgesehen. Damit bewirke die Schiedsgutachterklausel ein potentiell erhebliches Rechtsschutzdefizit für einen Verbraucher bei der gerichtlichen Durchsetzung seiner Gewährleistungsansprüche. Ob Pkt 5.3 des Kaufvertrags auch gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG verstoße, sei ebenso wenig abschließend zu klären wie es einer Beurteilung bedürfe, ob die Bestimmung gegen § 38 WEG, § 879 Abs 3 ABGB oder § 617 Abs 1 ZPO verstoße.

[10] Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil dieser zu der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage, ob eine zwischen Verbraucher und Unternehmer vereinbarte Schiedsgutachterklausel in einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung eine Einschränkung von Gewährleistungsrechten des Verbrauchers iSd § 9 Abs 1 KSchG bewirke, bislang noch nicht Stellung genommen habe.

[11] Dagegen richten sich die Rekurse der Beklagten und der Nebenintervenientin, in denen sie eine Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils beantragen und hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellen.

[12] Die Kläger beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, die Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Rekurse sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie sind aber nicht berechtigt.

[14] 1.1. Die Parteien ziehen die Auffassung der Vorinstanzen, in Pkt 5.3 des Kaufvertrags hätten die Streitteile eine Schiedsgutachterabrede getroffen, nicht in Zweifel. Nach der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0106359 [T2]) liegt der Unterschied zwischen Schiedsverträgen und Schiedsgutachterverträgen darin, dass der Schiedsvertrag die Entscheidung eines Rechtsstreits zum Ziel hat, während die Schiedsgutachterabrede auf die Feststellung von Tatsachen, Tatbestandselementen oder auf die Ergänzung des Parteiwillens gerichtet ist. Der Schiedsgutachter soll aufgrund seiner Sachkunde gewisse Unterlagen und Tatsachen beschaffen und mit bindender Wirkung für die Parteien Feststellungen gewinnen (RS0106358 [T4]; jüngst 5 Ob 119/22v [Mietzinsevaluierungsvereinbarung]). Das Ergebnis eines Schiedsgutachtens ist für die Parteien und das Gericht grundsätzlich materiell‑rechtlich bindend. Diese Rechtsfolge entspricht dem Zweck des Schiedsgutachtens, einem zeitaufwändigen und kostspieligen Rechtsstreit vorzubeugen. Aus diesem Grund soll das Schiedsgutachten nicht jeder beliebigen Anfechtung ausgesetzt sein, andererseits aber auch keine absolute Gültigkeit haben (RS0106359). Nicht bindend ist ein Schiedsgutachten ausnahmsweise – als offenbar unbillig – dann, wenn es den Maßstab von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und seine Unrichtigkeit sich dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängt. Nicht jede objektive Unrichtigkeit oder Sachwidrigkeit bewirkt allerdings schon qualifizierte Unrichtigkeit (RS0016769 [T2]).

[15] 1.2. Auf Basis dieser gesicherten Rechtsprechung ist daher in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob die hier getroffene Schiedsgutachterklausel § 9 Abs 1 KSchG widerspricht. Gemäß dieser Bestimmung (idF BGBl I Nr 48/2001, somit vor BGBl I Nr 175/2021 [das inhaltlich § 9 KSchG allerdings im Wesentlichen unverändert ließ]) können Gewährleistungsrechte des Verbrauchers vor Kenntnis des Mangels nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Dieses Verbot ist weit auszulegen (Apathy/Frössel in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 9 KSchG Rz 2 und die dort genannten Beispiele). Die Unabdingbarkeit bezieht sich auf alle Gewährleistungsbestimmungen, so auf die Fristen, die Gewährleistungsbehelfe und die Beweislastumkehr des § 924 ABGB (vgl RS0121432). Somit ist ein (gänzlicher oder partieller) Ausschluss sowie – abgesehen von den in § 9 Abs 1 KSchG erlaubten Vereinbarungen über die Gewährleistungsfrist beim Erwerb gebrauchter beweglicher Sachen – jede Einschränkung der Gewährleistungsrechte des Verbrauchers vor dessen Kenntnis des Mangels unzulässig (Apathy/Frössel aaO Rz 1 und 2). Einseitig zwingend zu Gunsten der Verbraucher ist dabei nicht nur das ABGB‑Gewährleistungsrecht, sondern auch Sondergewährleistungsbestimmungen (Aichberger‑Beig in Flume/Kronthaler/Laimer, VGG § 9 KSchG Rz 3). Demgemäß ist auch die Verknüpfung des Gewährleistungsanspruchs mit im Gesetz nicht vorgesehenen Bedingungen, wie der vorherigen Zahlung des gesamten Entgelts oder eines angesichts des Mangels unverhältnismäßig hohen Teils unzulässig (Krejci in Rummel, ABGB3 § 9 KSchG Rz 20). Zur Frage, ob das hier vorgesehene Schiedsgutachterverfahren ebenso als Einschränkung iSd § 9 Abs 1 KSchG zu werten ist, nahmen aber weder die bisherige Judikatur noch die Literatur ausdrücklich Stellung.

[16] 1.3. Der erkennende Senat schließt sich der überzeugend begründeten Argumentation des Berufungsgerichts an. Zunächst indiziert die Schiedsgutachterabrede aufgrund der bereits dargestellten Funktion eines Schiedsgutachtens und dessen Auswirkung auf die Klagbarkeit eines Anspruchs (vgl RS0081371 [T2]) jedenfalls eine gewisse zeitliche Verzögerung. Materiell‑rechtlich ist ein Anspruch vor Einleitung und (wenn auch erfolgloser) Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens nicht fällig, eine Klage wäre daher abzuweisen. Dem Argument der Rekurswerber, für Verbraucher ergäben sich „Vorteile“ durch die Schiedsgutachterklausel, ist zu entgegnen, dass eine tatsächlich bewirkte Einschränkung der Gewährleistungsrechte von Verbrauchern iSd § 9 Abs 1 KSchG nicht durch Vorteile in anderen Bereichen kompensiert werden kann. Eine optional (fakultativ) zugunsten der Verbraucher ausgestaltete Schiedsgutachterabrede (vgl die freiwillige Inanspruchnahme einer Schlichtungsstelle auf Basis des § 66a ÄrzteG) stünde der Beklagten ja offen. Darin wäre – aufgrund der dann gegebenen Freiwilligkeit für die Verbraucher – keine unzulässige Einschränkung ihrer Gewährleistungsansprüche zu sehen.

[17] 1.4. Auch die vom Berufungsgericht genannten inhaltlichen Verschlechterungen der Rechtsstellung der Verbraucher aufgrund der Schiedsgutachterabrede sind nicht zu leugnen. Dies gilt für die Modalitäten der Bestellung des Sachverständigen und auch in Bezug auf eine Befangenheit dieses Sachverständigen. Auf welche Grundlage sich die in der Schiedsgutachterabrede vorgesehene Bestellung des Sachverständigen im Fall mangelnder Einigung der Parteien durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien gründen soll, ist nicht erkennbar, zumal eine solche Funktion gesetzlich nicht vorgesehen ist. Nähere Bestimmungen, wie im Fall einer (möglichen) Befangenheit des Sachverständigen oder dessen Säumnis mit der Gutachtenserstellung vorzugehen wäre, finden sich in der Schiedsgutachterklausel ebenso wenig wie zur Entlohnung dieses Sachverständigen. Dass im Fall der Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen (aber auch eines Privatgutachtens) ein Kostenersatz im Fall des Obsiegens grundsätzlich in Betracht kommt, während dies bei dem hier vorgesehenen Schiedsgutachterverfahren nicht der Fall wäre, ist ebenso eine Verschlechterung der prozessualen Position des Verbrauchers wie die im Schiedsgutachterverfahren fehlende Möglichkeit, Verfahrenshilfe für Sachverständigengebühren zu beantragen. Letztlich ist die Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche inhaltlich auch insoweit eingeschränkt, als im Rahmen des Schiedsgutachterverfahrens dem Verbraucher weder die mündliche Erörterung des Gutachtens noch Rechtsschutzinstrumente wie Verfahrens‑ oder Beweisrügen zur Verfügung stehen. Das Ergebnis des Schiedsgutachtens ist vielmehr – von groben Fehlern abgesehen – für die Parteien und ein in der Folge angerufenes Gericht grundsätzlich bindend. Wenn auch die Entkräftung eines Sachverständigengutachtens in einem Gerichtsverfahren entsprechende Unrichtigkeiten voraussetzen mag, was meist nur mit einem weiteren Gutachten bewiesen werden kann, unterliegt doch ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen – anders als dasjenige des Schiedsgutachters – der freien Beweiswürdigung des Richters. Die auf Basis eines gerichtlichen Gutachtens getroffenen Feststellungen können im Rahmen der Verfahrensgesetze auch mittels Beweisrüge bekämpft werden. All dies steht dem Verbraucher wegen der weitgehend bindenden Wirkung des Schiedsgutachtens nicht zur Verfügung.

[18] 1.5. Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 2 Ob 198/10x betraf zwar eine Klausel in einem KFZ‑Leasingvertrag, in der sich der Kunde verpflichtete, die Behebung von Gewährleistungsmängeln und Garantieansprüchen beim Lieferanten geltend zu machen, wobei der Kunde für den Fall, dass keine Mängelbehebung erfolgte oder er Preisminderung verlangte, das Fahrzeug in eine Werkstatt des Leasinggebers zu bringen hatte, wobei – falls ein vom Leasinggeber beauftragter Sachverständiger feststellen sollte, dass die Kundenansprüche nicht gerechtfertigt seien – der Leasinggeber die Ansprüche ablehnen konnte. Dem Kunden sollte es diesfalls freistehen, die Abtretung der Gewährleistungsansprüche des Leasinggebers gegenüber dem Lieferanten zu verlangen. Dort beurteilte der Oberste Gerichtshof die Klausel als § 9 Abs 1 KSchG widersprechend und verwies auf das für den Kunden vorgesehene „Zwischenverfahren“ mit dem Leasinggeber und dessen Werkstätten. Wenn auch die hier zu beurteilende Schiedsgutachterklausel nicht ganz vergleichbar ist, sind die Erwägungen dieser Entscheidung und die Erschwerung der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen eines Verbrauchers durch ein vorgeschaltetes „Zwischenverfahren“ durchaus auch hier relevant.

[19] 1.6. Die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung 7 Ob 201/12b betraf eine Klausel in einem Versicherungsvertrag, die eine für den Versicherungsnehmer freiwillige Durchführung eines Schiedsgutachterverfahrens regelte und ist daher nicht einschlägig. Abgesehen davon sind die zu § 64 VersVG angestellten Überlegungen der Rekurswerber hier grundsätzlich nicht fruchtbar zu machen, zumal diese Bestimmung außergerichtliche Sachverständigenverfahren gesetzlich regelt, indem ein oder mehrere Sachverständige „einzelne Voraussetzungen des Anspruchs“ des Versicherungsnehmers oder „die Höhe des Schadens“ für die Partei eines Versicherungsvertrags verbindlich zu klären haben (Burtscher/Garger in Fenyves/Perner/Riedler VersVG § 64 Rz 1 ff). Diese – auf das Versicherungsvertragsrecht und nur bestimmte Fragen im Versicherungsvertragsverhältnis beschränkte – Regelung bietet keinen Anlass, die allgemeinen Schutzvorschriften des KSchG grundsätzlich einschränkend auszulegen.

[20] 1.7. Letztlich ist auch auf § 617 ZPO und die dort zum Ausdruck kommende Zurückhaltung des Gesetzgebers gegenüber der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit zu verweisen. Für Schiedsvereinbarungen zwischen einem Unternehmer iSd § 1 Abs 1 Z 1 KSchG und einem Verbraucher iSd § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sieht die Bestimmung abweichend von allgemeinen Regeln für das Schiedsverfahren nämlich vor, dass eine Schiedsvereinbarung nur für eine bereits entstandene Streitigkeit abgeschlossen werden kann und darüber hinaus noch besondere Formvorschriften einzuhalten sind (Rechberger/Hofstätter in Rechberger/Klicka ZPO5 § 617 ZPO Rz 1 ff mwN). § 617 ZPO wird durch § 6 Abs 2 Z 7 KSchG ergänzt, der den Zugang des Verbrauchers zu Gericht sichert, weil auch im Verbrauchergeschäft das Prinzip der absoluten Freiwilligkeit der Parteien bei der Vereinbarung eines Schiedsgerichts gewahrt werden soll. Wenn auch hier keine echte Schiedsklausel vorliegt, ist doch zu bedenken, dass mit dem Schiedsgutachten der Rechtsstreit jedenfalls auf Tatsachenebene weitgehend entschieden werden wird. Die Parteien delegieren nämlich die entscheidende Frage nach dem Vorliegen eines Mangels an eine dritte Person (vgl hiezu auch Weber, Zur Abgrenzung von Schiedsvereinbarung und Schiedsgutachtervertrag, ImmoZak 2020, 3).

[21] 1.8. Der – nicht näher ausgeführten – Anregung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht näher zu treten, zumal die Frage der Einschränkung von Gewährleistungsrechten beim Liegenschaftskauf durch einen Verbraucher keine unmittelbare unionsrechtliche Grundlage hat. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie betrifft nach Art 1 Abs 2 lit b nur bewegliche körperliche Sachen.

1.9. Dieses Ergebnis ist wie folgt zusammenzufassen:

[22] Die in einem Kaufvertrag zwischen einem Bauträger und einem Verbraucher vereinbarte Verpflichtung zur Durchführung eines Schiedsgutachterverfahrens zur Feststellung von Mängeln schränkt im Hinblick auf die fehlenden prozessualen Mitwirkungsrechte der Käufer im Schiedsgutachterverfahren bei gleichzeitig weitgehender Bindung an das Ergebnis dieses Gutachtens im darauf folgenden Gerichtsverfahren die Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers iSd § 9 Abs 1 KSchG unzulässig ein. Eine derartige Klausel ist im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern daher unwirksam.

[23] 1.10. Auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage der mangelnden Transparenz der Bestimmung iSd § 6 Abs 3 KSchG sowie den behaupteten Verstoß gegen § 38 WEG und § 879 Abs 3 ABGB ist aus diesem Grund nicht weiter einzugehen.

[24] 2.1. Die Klage hat nach § 226 ZPO ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Werden mehrere Ansprüche gemeinsam geltend gemacht, muss jeder Anspruch ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein. Dies gilt insbesondere bei pauschal geltend gemachten Teilansprüchen. Macht der Kläger nur einen Teil einer Gesamtforderung geltend und können dabei einzelne Forderungspositionen unterschieden werden, muss er klarstellen, welche Teile von seinem pauschalen Begehren erfasst sein sollen (RS0031014 [T22, T25]). Die Aufteilung eines Pauschalbetrags auf die einzelnen Teilpositionen darf nicht dem Gericht überlassen werden (RS0031014 [T16, T35, T40]). Eine alternative Klagehäufung, bei welcher der Kläger dem Gericht die Wahl überlässt, ist unzulässig (RS0031014 [T19, T20]), weil es ohne Aufschlüsselung des Pauschalbetrags nicht möglich wäre, den Umfang der Rechtskraft zu bestimmen (RS0031014 [T31]).

[25] 2.2. Die Verpflichtung zu einer solchen Aufschlüsselung besteht nur im Fall einer objektiven Klagehäufung (RS0031014 [T19, T23]). Werden nicht mehrere Ansprüche, sondern ein einheitlicher Anspruch (so ein einheitlicher Gesamtschaden aufgrund derselben Schadenursache) geltend gemacht, würde es eine Überspannung der Verpflichtung zur Präzisierung bedeuten, würde man eine genaue Aufschlüsselung unselbständiger Teilpositionen fordern (RS0031014 [T30]; RS0037907 [T9]). Ob ein einheitlicher Anspruch vorliegt, hängt davon ab, ob die einzelnen Positionen eines Klagebegehrens ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (RS0031014 [T22, T25]; jüngst 1 Ob 77/23i).

[26] 2.3. Es trifft zu, dass hier kein einheitlicher Anspruch vorliegt; davon ging aber auch das Berufungsgericht nicht aus. Die Kläger haben die einzelnen Positionen nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts aber ausreichend aufgeschlüsselt. Sie haben ihr Begehren getrennt nach Mängelbehebungskosten für die Außenbeleuchtung und das Dach einerseits und einen Wertminderungsbetrag wegen der von ihnen behaupteten Mängel an der von ihnen gekauften Wohnung andererseits aufgeschlüsselt und zu den Mängelbehebungskosten den Prozentsatz angegeben, der aufgrund ihrer Mindestanteile auf sie als Wohnungseigentümer entfällt. Der in Höhe von 20.000 EUR geltend gemachte Preisminderungsanspruch ist aber sehr wohl ein einheitlicher Anspruch, den die Kläger auf – von ihnen näher ausgeführte – Mängel des ihnen übergebenen Objekts stützen. Eine weitere Aufschlüsselung des Preisminderungsbetrags je nach Art der von den Klägern behaupteten Mängel ist hingegen nicht zu verlangen, zumal die Kläger ja nicht die Mangelhaftigkeit einzelner Werkleistungen der Bauträgerin, sondern des Kaufobjekts an sich ins Treffen führen.

[27] 2.4. Auch die behauptete Unschlüssigkeit der Mängelbehebungskosten ist nicht zu erkennen, machen die Kläger doch geltend, diese seien ihnen als Reparaturkosten angefallen. Dies reicht für eine schlüssige Behauptung aus. Die Feststellungen des Erstgerichts dazu übernahm das Berufungsgericht aufgrund der Verfahrensrüge nicht; dies gilt auch für die Negativfeststellung hinsichtlich des Umstands, ob die Kläger diese Beträge tatsächlich bezahlten. Für die Schlüssigkeit des Klagevorbringens wäre diese Negativfeststellung im Übrigen irrelevant.

[28] 2.5. Zur Frage der aktiven Klagelegitimation ist es ständige Rechtsprechung (RS0119208), dass der aus individuellen Verträgen der Wohnungseigentümer mit dem Bauträger herrührende Gewährleistungsanspruch den Wohnungseigentümern zusteht und die Eigentümergemeinschaft insofern nicht anspruchsberechtigt ist (vgl auch RS0082907). Steht allen Wohnungseigentümern aus ihren individuellen Verträgen gegen den Bauträger gemeinsam ein Anspruch auf das Deckungskapital für die Sanierung bestehender Mängel an allgemeinen Teilen des Hauses (oder eines Vorschusses hierauf) zu, kann jeder einzelne Wohnungseigentümer den auf seinen Anteil entfallenden Teil begehren. Dieser Anspruch ist auf Geld gerichtet und damit teilbar (RS0013214 [T8, T10]; RS0017118 [T4, T6]). Die Geltendmachung von Deckungskapital durch den Wohnungseigentümer zur Beseitigung von Mängeln an allgemeinen Teilen der Liegenschaft begründet keine Gesamthandforderung (5 Ob 102/21t mwN). Der einzelne Wohnungseigentümer hat daher nur kein selbständiges Klagerecht in Bezug auf das Ganze, es sei denn, die anderen Wohnungseigentümer hätten ihm ihre Ansprüche zediert (RS0013214 [T14]; RS0017118 [T9]). Da weder dies noch eine Abtretung an die Eigentümergemeinschaft nach § 18 Abs 2 WEG behauptet wurde, ist das Klagevorbringen schlüssig; Mängelbehebungskosten an allgemeinen Teilen machen die Kläger nur im Ausmaß des prozentuellen Anteils aufgrund ihres Mindestanteils geltend und ihre Preisminderungsansprüche beziehen sich ausschließlich auf das von ihnen gekaufte Objekt.

[29] 2.6. Es trifft zu, dass die Wahl des Gewährleistungsbehelfs betreffend allgemeine Teile grundsätzlich nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer allein zusteht, sondern darüber ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft oder eine substituierende Entscheidung eines Außerstreitrichters erforderlich ist (RS0108157 [T7, T13, T15]; RS0108158 [T4, T8, T12, T17]; RS0082907 [T6, T9, T13]). Entbehrlich ist ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft oder die Entscheidung des Außerstreitrichters aber dann, wenn bei der Geltendmachung von Gewährleistungs‑ und/oder Schadenersatzansprüchen betreffend allgemeine Teile durch einen einzelnen Mit‑ und Wohnungseigentümer Gemeinschaftsinteressen nicht beeinträchtigt werden können, also kein Interessenskonflikt möglich ist (5 Ob 126/12h; RS0108158). Dies ist nach dem Klagevorbringen hier der Fall, zumal die Kläger mit dem primär auf Verbesserung gestützten Begehren einen Geldbetrag (Deckungskapital) ansprechen, der die gesamthafte Sanierung des Mangels ermöglichen soll (bzw bereits ermöglicht hat). Eine derartige Sanierung liegt grundsätzlich im Interesse aller Mit‑ und Wohnungseigentümer (vgl 5 Ob 126/12h), weshalb die Behauptung der Kläger, es bedürfe keines Mehrheitsbeschlusses mangels möglichen Interessenskonflikts mit der Eigentümergemeinschaft, nicht unschlüssig ist. Die Frage, ob allenfalls selbständige Ansprüche anderer Mit‑ und Wohnungseigentümer in Bezug auf die allgemeinen Teile in Betracht kommen, hinsichtlich der die Kläger nun anteilige Mängelbehebungskosten begehren, wird – im Fall entsprechender Einwendungen – im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein.

[30] 3. Damit konnte den Rekursen kein Erfolg beschieden sein.

[31] 4. Gemäß §§ 40, 50 ZPO war die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens der Endentscheidung vorzubehalten.

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