OGH 4Ob142/23w

OGH4Ob142/23w17.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G*, vertreten durch die Bartl & Partner Rechtsanwälte KG in Graz, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen Unterhalts, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 2. Februar 2023, GZ 2 R 152/22k‑27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 29. Juni 2022, GZ 1 C 93/21f‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00142.23W.1017.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 601,44 EUR (darin 100,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltspflicht von 1.000 EUR auf 336 EUR anstrebende und in den Vorinstanzen damit teilweise (mit monatlich 376,43 EUR) erfolgreiche Kläger hat GmbH-Geschäftsanteile im Wert von 793.300 EUR veräußert, wobei jedoch sein Verrechnungskonto bei der GmbH mit 741.606,67 EUR belastet war; im Zusammenhang mit der Übertragung der Geschäftsanteile deckte er das Verrechnungskonto mit 200.000 EUR aus einer zu seinen Gunsten von der GmbH abgeschlossenen Pensionszusatzversicherung teilweise ab.

[2] Die Vorinstanzen rechneten dem Kläger fiktive Veranlagungserlöse aus 251.693,33 EUR (der Differenz aus dem Wert der Geschäftsanteile und dem Verrechnungskontosaldo, vermehrt um 200.000 EUR) als einkommens- und damit an sich unterhaltserhöhend an.

[3] Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision nachträglich zur Frage zugelassen, ob die Übertragung der Geschäftsanteile eine Vermögensumschichtung sei, bei der die fiktiven Erträgnisse die Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöhen würden.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Da auch die Revision der Beklagten keine erheblichen Rechtsfragen aufzeigt, kann sich die Entscheidung auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[5] 1. Unterhaltsbemessungen sind grundsätzlich Einzelfallentscheidungen (RS0007204 [T12]). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn das Gericht zweiter Instanz erkennbar gesetzliche Bemessungsfaktoren unbeachtet gelassen oder bei ihrer Beurteilung gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen hat (RS0053263 [T3]). Ob die Voraussetzungen für eine Anspannung gegeben sind oder nicht, richtet sich ebenso nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls (RS0113751) wie die Frage, ob und in welchem Umfang dem Unterhaltspflichtigen – ausnahmsweise – die Heranziehung des Vermögensstammes zumutbar ist (vgl RS0047414 [T1]; RS0047470).

[6] 2. Zur Zulassungsfrage hat der Oberste Gerichtshof die einschlägige Rechtslage bereits in der dieselben Parteien und denselben Tatsachenkomplex (jedoch andere Unterhaltszeiträume) betreffenden Entscheidung 6 Ob 6/21g erschöpfend dargelegt.

[7] 3.1. Die Revision äußert sich zur Zulassungsfrage auch nicht, sondern strebt nunmehr an, dass nicht nur der Erlös aus der Veranlagung des Werts der GmbH sowie des dem Kläger als zugeflossen anzusehenden Betrags von 200.000 EUR als Einkommen anzurechnen seien, sondern auch weitere 541.606,67 EUR (betraglich erkennbar die Differenz von 251.693,33 EUR und dem Betrag des Firmenwerts von 793.300 EUR). Die Beklagte begründet dies damit, dass der Kläger nicht bewiesen habe, dass die Schulden keine Privatschulden seien.

[8] 3.2. Die Revision zeigt damit keine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf, zumal sie nicht nachvollziehbar erklärt, warum schon an sich die Befreiung von einem Schuldenstand oder ein fiktives Einkommen aus der Veranlagung eines dementsprechenden Betrags als dem Kläger zugeflossenes Einkommen angesehen werden sollten. Dem Kläger sind der Restbetrag des um die Schulden bereinigten Kaufpreises sowie weitere 200.000 EUR als zugeflossen anzusehen, womit er sich die Befreiung von den Schulden am Verrechnungskonto „erkauft“ hat. Aus dem Umstand, dass private Schulden und Kredite keine Abzugsposten sind (vgl die Nachweise aus der Rsp bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 [2019] Rz 460 ff), ist die Ansicht der Beklagten, sie wären zur Errechnung fiktiven Einkommens zusätzlich heranzuziehen, nicht ableitbar.

[9] 4.1. Die Revision führt weiters aus, aus einer Qualifikation als Privatschulden folge auch, dass der Kläger durch seine Wahl von Einmalzahlungen den Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht mindern könne.

[10] 4.2. Auch hierzu hat der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 6/21g bereits dahin Stellung genommen, dass nicht erkennbar ist, in welcher Höhe der Kläger monatliche Rentenzahlungen anstelle der Einmalzahlungen erhalten hätte, und sich die damalige Revision (ebenso wie die nunmehrige) in diesem Zusammenhang auf die Behauptung beschränkt, dass sich die monatliche Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöht hätte, ohne darzulegen, welche konkreten Auswirkungen dies auf die Unterhaltsansprüche der Beklagten tatsächlich gehabt hätte; woraus nunmehr ein zusätzliches Einkommen von 1.666,67 EUR oder ein Unterhaltsanspruch von monatlich 600 EUR ableitbar sein sollten, ist nicht nachvollziehbar, zumal die Vorinstanzen die beiden Pensionsabfindungen entgegen der Darlegung der Revision gerade nicht „unterhaltsbemessungsgrundlagenmindernd“ berücksichtigten, sondern im Gegenteil deren Erträgnisse als unterhaltsrelevantes Einkommen des Klägers werteten.

[11] 5. Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor:

[12] 5.1. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963), es sei denn, das Berufungsgericht hätte infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen (RS0043086 [T8]; RS0043144) oder die Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen (RS0043086 [T4, T7]; RS0043092 [T1]; RS0043166). Beides ist hier nicht der Fall.

[13] 5.2. Dass der einen erstinstanzlichen Verfahrensmangel (hier wegen Unterbleibens der Vernehmung eines Zeugen) geltend machende Berufungswerber in seiner Berufung behaupten muss, welche für die Entscheidung des Rechtsfalles relevanten Ergebnisse ohne den Mangel hätten erzielt werden können, ansonsten die Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt wird, ist keine Scheinbegründung des Berufungsgerichts, sondern entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl RS0043039 [insb T4]). Zudem ist das Berufungsgericht auf die Mängelrüge der Beklagten ohnehin ausführlich eingegangen und hat dargelegt, inwieweit das Erstgericht in Ansehung der Abtretung ohnehin entsprechende Feststellungen getroffen hat.

[14] 5.3. Die Auslegung von Prozessvorbringen begründet im Übrigen regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0044273 [insb T41, T43, T47, T49, T56]); dass der Kläger die Berücksichtigung des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens der Beklagten anstrebte und das Erstgericht nicht gegen § 405 ZPO verstoßen hat, ist zumindest vertretbar.

[15] 6. Soweit die Revisionswerberin „auch ihre übrige Bestreitung ausdrücklich aufrecht“ erhalten will, führt sie ihr Rechtsmittel nicht gesetzmäßig aus (vgl RS0043603).

[16] 7. Zusammengefasst stellen sich keine Fragen der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität, sodass die Revision zurückzuweisen ist.

[17] 8. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Mehr als die verzeichneten Kosten waren ihm nicht zuzusprechen.

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