European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00006.21G.0218.000
Spruch:
Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.094,04 EUR (darin 182,34 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten deren Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 418,36 EUR (darin 69,38 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten dessen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts sind die ordentlichen Revisionen beider Parteien nicht zulässig:
[2] Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, die Frage der Behandlung des Erlöses aus der „Veräußerung“ (richtig: Übertragung von Geschäftsanteilen an) einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und der Abfindung für die Privatpension (gemeint: bei Bildung der Bemessungsgrundlage des unterhaltspflichtigen Ehegatten) stelle im Hinblick auf die Einzelfallgerechtigkeit eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.
[3] 1.1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Erlöse aus dem Verkauf von Liegenschaftsvermögen – selbst bei vereinbarter Ratenzahlung (1 Ob 98/03y) – als reine Vermögensumschichtungen zu behandeln und deshalb nicht als „Erträgnis des Vermögens“ anzusehen sind, sondern als Gegenwert für die Sachsubstanz selbst und damit als „Vermögenssubstanz“ (vgl die zahlreichen Nachweise aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 495; aus jüngerer Zeit 3 Ob 9/19y iFamZ 2019/123 [Deixler‑Hübner]; 5 Ob 206/20k); der Erlös ist somit nicht als Einkommen zu behandeln (3 Ob 193/07i; 7 Ob 186/16b; 4 Ob 43/20g), und zwar selbst dann nicht, wenn bei der Liegenschaft ein Wertzuwachs durch den Verkauf realisiert wurde (3 Ob 9/19y). Da auch der Geschäftsanteil an einer GmbH einen Vermögensbestandteil darstellt, kann bei dessen Übertragung unter Erzielung eines Veräußerungserlöses nichts anderes gelten. Der Vergleich der Beklagten in ihrer Revision mit einer vom Unterhaltspflichtigen bezogenen Abfertigung – weshalb der vom Kläger bezogene Veräußerungserlös unter Berücksichtigung dessen „fernerer Lebenserwartung“ in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen gewesen wäre – geht fehl, handelt es sich doch bei einer Abfertigung letztlich um Arbeitsentgelt (vgl bloß 3 Ob 2/98k). Dass – wie die Beklagte meint – der Abtretungspreis den nicht entnommenen Gewinnen der Gesellschaft entsprochen hätte, lässt sich den Feststellungen so nicht entnehmen; jedenfalls für 2018 legten die Vorinstanzen dem Nettoeinkommen des Klägers im Übrigen ohnehin monatlich 347,40 EUR an fiktiver Gewinnausschüttung zugrunde.
[4] 1.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte die GmbH, deren Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Kläger lange Zeit gewesen war, für diesen zwei Pensionszusatzversicherungen abgeschlossen, aus denen er – offensichtlich in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit der Übertragung seines Geschäftsanteils – einmalige Auszahlungen in Höhe von insgesamt 200.000 EUR erhielt, die er zur Abdeckung des Negativsaldos seines Verrechnungskontos bei der GmbH verwendete. Die Beklagte wirft dem Kläger in ihrer Revision vor, zum einen sein Wahlrecht (Einmalzahlungen statt monatlicher Rentenzahlungen) zu ihren Lasten als Unterhaltsberechtigte ausgeübt und zum anderen Zahlungen auf sein Verrechnungskonto geleistet zu haben, obwohl er aufgrund des Abtretungsvertrags für diese gar nicht mehr gehaftet habe.
[5] Nach der Rechtsprechung sind Zuwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des unterhaltspflichtigen Arbeitnehmers in dessen Bemessungsgrundlage einzubeziehen (6 Ob 278/01b), was auch für derartige Zuwendungen einer Gesellschaft an ihren (Allein‑)Gesellschafter zu gelten hat. Dennoch kann daraus für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen werden, hat doch das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, es sei im Zuge der Übertragung der Geschäftsanteile des Klägers vereinbart worden, dass diese Zahlungen aus den Pensionszusatzversicherungen mit dem Verrechnungskonto gegenverrechnet werden; es ist also nicht richtig, dass der Kläger für diese Verpflichtungen nicht mehr gehaftet hätte und dass es für diese wirtschaftliche Disposition keine objektive Rechtfertigung gegeben habe. Darüber hinaus lässt sich – entgegen den Annahmen der Revision der Beklagten – den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen, in welcher Höhe der Kläger monatliche Rentenzahlungen anstelle der Einmalzahlungen erhalten hätte; die Revision beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf die Behauptung, „dass sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage um monatlich 1.000 EUR (auszuzahlende laufende Pension) erhöht“ hätte. Und schließlich unterlässt es die Revision vollkommen darzulegen, welche konkreten Auswirkungen all dies auf die Unterhaltsansprüche der Beklagten tatsächlich gehabt hätte.
[6] 1.3. Die Beklagte wendet sich gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, dem Kläger sei hinsichtlich der Vermietung der vom Bruder seiner Lebensgefährtin benützten Wohnung Recht zu geben. Tatsächlich setzte das Berufungsgericht die fiktiven monatlichen Mieteinnahmen des Klägers für den Zeitraum April 2017 bis April 2018 von 1.121,71 EUR auf 200 EUR und von Mai 2018 bis Dezember 2019 von 1.121,71 EUR auf 540 EUR herunter, jedoch wirkte sich dies im Ergebnis nicht zu Lasten der Beklagten aus, gab doch das Berufungsgericht der Berufung des Klägers keine Folge. Die Revision der Beklagten vermag auch rechnerisch nicht darzulegen, wie sich fiktive Mieteinnahmen von insgesamt 1.121,71 EUR monatlich – wovon sie ausgeht – auf ihren Unterhaltsanspruch letztlich ausgewirkt hätten.
[7] 1.4. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung des Klägers gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat darin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
[8] 2. Der Kläger wirft den Vorinstanzen vor, sie hätten ihn zu Unrecht auf „fiktive Mieteinnahmen“ und eine „fiktive Veranlagung“ aus dem Erlös der Übertragung seiner Geschäftsanteile an der GmbH angespannt. Tatsächlich veranschlagten das Erstgericht über den gesamten zu beurteilenden Zeitraum monatlich 1.121,71 EUR und das Berufungsgericht (siehe 1.3.) monatlich 200 bzw 540 EUR an Mieteinnahmen, die der Kläger für eine Liegenschaft in K***** hätte erzielen können: Der Kläger habe im Erdgeschoss Büroflächen gar nicht und im Obergeschoss eine Wohnung an den Bruder seiner Lebensgefährtin ohne Entgelt vermietet. Der Veranlagungsgewinn wiederum ergab sich aus dem vom Kläger tatsächlich bezogenen Erlös aus der Veräußerung seiner Geschäftsanteile an der GmbH in Höhe von netto 51.693,33 EUR zuzüglich der zur Abdeckung des Verrechnungskontos verwendeten Auszahlungen aus den Pensionszusatzversicherungen (siehe 1.2.); bei einer Veranlagung von 251.693,33 EUR ließe sich bei einer Verzinsung von nur 2 % ein Veranlagungsgewinn in Höhe von monatlich 419,49 EUR erzielen. Der Kläger hält dem entgegen, eine Anspannung auf derartige fiktive Einkünfte wäre nur gerechtfertigt (gewesen), wenn er zur Deckung des angemessenen Unterhalts allein aus seinem sonstigen Einkommen nicht in der Lage gewesen wäre; tatsächlich habe er aber im gesamten Zeitraum (unter Außerachtlassung der Miet- und Zinseinnahmen) monatliche Einkünfte in Höhe von 3.188,88 bzw 3.965,60 bzw 3.651,81 EUR gehabt.
[9] 2.1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass in die Unterhaltsbemessungsgrundlage das gesamte Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen miteinzubeziehen ist, wobei auch die Erträgnisse des Vermögens des Verpflichteten hinzuzurechnen sind, grundsätzlich aber nicht die Vermögenssubstanz selbst, die nur dann heranzuziehen ist, wenn das Einkommen nicht zur Deckung des angemessenen Unterhalts ausreicht (RS0113786). Tatsächlich nicht gezogene Einkünfte, die vertretbarerweise hätten gezogen werden können, sind angemessen zu berücksichtigen (6 Ob 545/91; 7 Ob 635/94; 10 Ob 57/08t); tut der Unterhaltspflichtige dies nicht, kann er auf eine erfolgversprechende Anlageform angespannt werden (6 Ob 552/93; 4 Ob 557/94; 9 Ob 261/97s). Konkret zu fiktiven Mieteinkünften (etwa bei einer leer stehenden Eigentumswohnung) hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass auch solche in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind (6 Ob 41/00y; 2 Ob 246/09d EF‑Z 2011/42 [Gitschthaler]); der Unterhaltspflichtige muss ganz grundsätzlich Kapital unter Abwägung von Ertrag und Risiko möglichst erfolgversprechend anlegen (vgl 3 Ob 89/97b; 10 Ob 57/08t; 1 Ob 240/09i; 3 Ob 96/15m EF‑Z 2016/120 [Dummer] = iFamZ 2015/190 [Deixler‑Hübner] = PSR 2015/34 [Burger‑Scheidlin]; 3 Ob 9/19y iFamZ 2019/123 [Deixler‑Hübner]; 5 Ob 206/20k). Dies entspricht auch dem Standpunkt der überwiegenden Literatur (vgl etwa Hopf/Kathrein, Eherecht³ § 94 ABGB Rz 41; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 91; Koch in KBB6 § 66 EheG Rz 4; Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 231 Rz 338 f).
[10] 2.2. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 98/03y ausführte, die Vermögenssubstanz selbst sei nur dann für den Unterhalt bedeutsam, wenn das Einkommen eines Unterhaltspflichtigen nicht zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Unterhaltsberechtigten ausreicht; der Eigentümer einer Liegenschaft könne deshalb – ist er zur Deckung des angemessenen Unterhalts aus seinem Einkommen in der Lage – zur Vermietung oder Verpachtung seines Liegenschaftsbesitzes nicht verhalten werden: Eine derartige „Anspannung“ sei von Gesetzes wegen nicht geboten. Dem schlossen sich zwar die Entscheidung 1 Ob 231/17b (iFamZ 2018/68 [Deixler‑Hübner]) und in der Literatur Deixler‑Hübner (iFamZ 2018/68 [Entscheidungsanmerkung]) und Hinteregger (Ehengattenunterhalt, in Deixler‑Hübner, Handbuch des Unterhaltsrechts² 83 [88]) an, die Entscheidung 1 Ob 98/03y wurde aber von Gitschthaler (in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR § 94 ABGB Rz 137) ausdrücklich abgelehnt: Gerade bei Bedachtnahme auf partnerschaftlich eingestellte Ehegatten und ihre gemeinschaftlichen Interessen sei davon auszugehen, dass diese Vermögen nicht ertraglos „herumliegen“ lassen, sondern anlegen würden, und zwar jedenfalls Kapitalvermögen. Dann könne aber die einseitige Entscheidung des Unterhaltspflichtigen, sein Kapital nicht zu veranlagen, nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigen gehen. Die Heranziehung fiktiver Vermögenserträgnisse sei auch keine teilweise Verwertung der Substanz (andernfalls dürften auch tatsächliche Vermögenserträgnisse der Unterhaltsbemessung nicht grundsätzlich unterworfen werden). Und schließlich dürfe die Frage der Angemessenheit des Unterhalts, die nach der Prozentwertmethode beurteilt wird, nicht mit der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage verwechselt werden. Fiktive (Kapital‑)Vermögenserträgnisse seien daher grundsätzlich in die Unterhaltsbemessungsgrundlage miteinzubeziehen. Auch Hinteregger (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch in Klang, ABGB³ § 94 ABGB Rz 43), Stabentheiner/Reiter (in Rummel/Lukas, ABGB4 § 231 Rz 14) und Zankl/Mondel (in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 66 EheG Rz 39) beziehen die Einschränkung „soweit das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Unterhaltsberechtigten ausreicht“ nur auf jene Fälle, in denen der Vermögensstamm des Unterhaltspflichtigen angegriffen werden soll (vgl auch 1 Ob 14/04x).
[11] 2.3. Der erkennende Senat schließt sich der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur an. Den Vermögensstamm hat der Unterhaltspflichtige zwar nur dann anzugreifen, wenn das sonstige Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Unterhaltsberechtigten ausreicht, wobei hier dahin gestellt bleiben kann, wann ein solcher Fall vorliegt. Diese Einschränkung gilt aber nicht für zumutbarerweise erzielbare Vermögenserträgnisse, stellt dies doch keine Verwertung der Vermögenssubstanz dar. Damit haben aber die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht dem Kläger vorgeworfen, dass er die Liegenschaft in K***** zum Teil gar nicht und zum Teil ohne Entgelt vermietete. Dass ihm eine Vermietung gegen Entgelt nicht zumutbar gewesen wäre, führt der Kläger im Revisionsverfahren nicht näher aus.
[12] 2.3.1. In seiner Revision beruft sich der Kläger vielmehr lediglich darauf, sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht hätten bei der Ermittlung des erzielbaren Vermietungserlöses unzutreffende Flächenausmaße angegeben, ohne allerdings darzulegen, welche Erlöse bei Zugrundelegung der – nach Auffassung des Klägers richtigen – Ausmaße anzunehmen gewesen wären.
[13] 2.3.2. Hinsichtlich des Veranlagungsgewinns meint die Revision des Klägers, die Vorinstanzen seien zu Unrecht von einem Kapital in Höhe von 251.693,33 EUR ausgegangen, tatsächlich habe er hievon 200.000 EUR zur Abdeckung seines Verrechnungskontos verwendet. Er übersieht hiemit allerdings, dass aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen nicht auszuschließen ist, dass es sich bei den auf dem Verrechnungskonto aufgelaufenen Verbindlichkeiten um „Privatschulden“ des Klägers gehandelt hat, die seine Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zu Lasten der unterhaltsberechtigten Beklagten verringern konnten (vgl die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 460); hiefür wäre aber der unterhaltspflichtige Kläger beweispflichtig gewesen (Gitschthaler aaO Rz 1002). Dass er – wie dies in seiner Revision anklingt – aus diesen Schulden der Beklagten ohnehin Unterhalt geleistet hätte, kann den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnommen werden.
[14] 2.4. Soweit der Kläger die Rückzahlung zu viel geleisteten Unterhalts begehrt, übersieht er schließlich, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei gutgläubigem Verbrauch durch den Unterhaltsberechtigten Unterhaltszahlungen mangels Bereicherung jedenfalls nicht zurückgefordert werden können (3 Ob 2065/96i; 1 Ob 2267/96f; 1 Ob 1/98y; 1 Ob 295/00i; 6 Ob 217/02h; 6 Ob 197/08a EF‑Z 2010/44 [Reischauer, 65]; 1 Ob 48/14m; 8 Ob 38/19z EF‑Z 2020/52 [Weißensteiner/Winkler]); weshalb die Beklagte bei Verbrauch der ihr geleisteten Unterhaltszahlungen schlechtgläubig gewesen sein sollte, lässt sich den Ausführungen des Klägers im Revisionsverfahren nicht entnehmen.
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