OGH 1Ob1/98y

OGH1Ob1/98y30.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael M*****, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Marianne M*****, vertreten durch Dr. Helmut Trattnig, Rechtsanwalt in Ferlach als Verfahrenshelfer, wegen 43.000 S sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 8. Oktober 1997, GZ 2 R 296/97z-13, womit das Urteil des Bezirksgerichts Ferlach vom 23. Juni 1997, GZ 1 C 320/97b-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Trotz Eintritts der Rechtskraft des die Scheidung der Ehe der Streitteile aus dem beiderseitigen gleichteiligen Verschulden aussprechenden Urteils durch Zustellung des letztinstanzlichen Urteils am 29. Juni 1994 betrieb die Beklagte zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts weiterhin die Gehaltsexekution gegen den Kläger.

Im Vorverfahren AZ 1 C 428/96h des Erstgerichts über das Begehren des Klägers, auszusprechen, daß der Anspruch der Beklagten aus dem im Aufteilungsverfahren geschlossenen Vergleich der Streitteile vom 11.April 1995, zu dessen restlicher Hereinbringung die Beklagte Exekution geführt hatte, erloschen sei, stellte sich dort im Berufungsverfahren heraus, daß die Anlaßexekution infolge vollständiger Befriedigung der Beklagten bereits beendet war; Gegenstand des Berufungsverfahrens war daher dort nur mehr das Kostenersatzbegehren. Dabei kam das Berufungsgericht in seinem abändernden Urteil vom 21.Februar 1997, GZ 4 R 5/97w-17, nach Beweisergänzung - nur zum Beweisthema eines allfälligen Übergenusses der Beklagten an Unterhalt - in seiner rechtlichen Beurteilung zu folgendem Ergebnis: "Es besteht bei dieser Sachlage auch kein Anhaltspunkt dafür, die ... Beklagte habe beim Vergleichsabschluß annehmen dürfen, allfällige Übergenüsse an Unterhalt seien mit diesem Vergleich mitbereinigt worden. ... Daraus folgt rechtlich, daß die Beklagte im klagsgegenständlichen Zeitraum - gemeint 1.Juli 1994 bis 31.Jänner 1995 - 43.000 S widerrechtlich an Unterhalt bezog. Daß die Beklagte ab 29.6.1994 (Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Scheidungsverfahren) hinsichtlich der exekutiv geltend gemachten Unterhaltsanspruches schlechtgläubig war, bedarf keiner weiteren Erörterung (vgl 1 Ob 2267/96f ua). ..." Das Erstgericht hatte nur festgestellt, die Beklagte habe sämtliche Beträge, die sie aufgrund der Unterhaltsexekutionen vom Dienstgeber des Klägers überwiesen erhalten hatte, für ihren Unterhalt verbraucht.

Im folgenden, hier zur Beurteilung stehenden Verfahren gab das Erstgericht dem auf Bereicherung und Schadenersatz gestützten Begehren des Klägers auf Rückzahlung zuviel bezahlten Unterhalts für den Zeitraum vom 1.Juli 1994 bis 31.Jänner 1995 von 43.000 S sA statt. Denn die Beklagte sei ab dem 29.Juni 1994 (Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Scheidungsverfahren) in Ansehung des exekutiv geltend gemachten Unterhaltsanspruchs schlechtgläubig gewesen. Diese Feststellung gründete der Erstrichter "auf die Ausführungen im Urteil ... vom 21.Februar 1997, 4 R 5/97w-17" und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, daß die Beklagte ab 29.Juni 1994 in Ansehung des exekutiv geltend gemachten Unterhaltsanspruchs schlechtgläubig gewesen sei, bedürfe keiner weiteren Erörterung; dazu berief sich das Erstgericht abermals auf das obgenannte Berufungsurteil im Vorverfahren.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Gemäß § 502 Abs 2 ZPO idF vor der WGN 1997 ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert 50.000 S nicht übersteigt. Gemäß dem hier als Ausnahme allein in Betracht kommenden Abs 3 Z 1 dieser Gesetzesstelle gilt deren Abs 2 nicht für die im § 49 Abs 2 Z 1, 2, 2a, 2b und 2c JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten. Von diesen Bestimmungen der JN kommt hier wieder nur jene des § 49 Abs 1 Z 2 in Frage, wonach sonstige (also andere als die in der Z 1 angeführten) Streitigkeiten "über" den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands vor die Bezirksgerichte gehören. Die Bestimmung des § 49 Abs 2 Z 2 JN ist nicht nur auf die durch Urteil zu entscheidende Streitigkeiten anzuwenden, die sich auf den erstmaligen Zuspruch eines Unterhaltsanspruchs oder auf Erhöhung oder Herabsetzung eines schon titulierten Unterhaltsanspruchs beziehen, sondern erfaßt alle Rechtsfragen des gesetzlichen Unterhaltsrechts (stRspr, zuletzt 2 Ob 80/98y; RIS-Justiz RS0046467; Petrasch in ÖJZ 1983, 747). In diesen weit gezogenen Rahmen fällt aber auch ein Rechtsstreit, in dem zu klären ist, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte zuviel bezahlten Unterhalt zurückzahlen muß, geht es doch auch dabei letztlich um die Frage, ob und bejahendenfalls, in welchem Umfang der gesetzliche Unterhalt gebührt (vgl AB, 916 BlgNR 14.GP, 23, in dem erläutert wird, weshalb vom Gesetzgeber das Vorwort "wegen" durch die den weitergezogenen Rahmen verdeutlichende Präposition "über" ersetzt wurde; vgl auch SZ 37/86).

Damit ist die außerordentliche Revision der Beklagten nicht absolut unzulässig.

b) Nach dem Judikat 33 neu (= SZ 11/86) und der dieser folgenden stRspr können zu Unrecht ausbezahlte Dienstbezüge, sofern ihnen Unterhaltscharakter zukommt, nicht zurückgefordert werden, wenn sie der Arbeitnehmer in gutem Glauben empfangen und verbraucht hat. Die dem Judikat 33 neu folgende Rspr wird nicht nur mit einem gewissen Schuldelement auf der Seite des Zahlenden begründet, es liegt ihr vielmehr vornehmlich der Gedanke zugrunde, daß bei gutgläubigem Verbrauch von Unterhaltsleistungen von einer echten Bereicherung nicht gesprochen werden kann (ZAS 1987/1 [Zemen]; 2 Ob 9/96). Auch auf die Rückforderung irrtümlich bezahlter Unterhaltsbeiträge wird das Judikat 33 neu sinngemäß angewendet; bei gutgläubigem Verbrauch können daher Unterhaltszahlungen mangels Bereicherung nicht zurückgefordert werden (SZ 13/262, SZ 58/57 ua, zuletzt 1 Ob 2267/96f mwN; RIS-Justiz RS0033609; Rummel in Rummel2, § 1437 ABGB Rz 12 mwN; Honsell/Mader in Schwimann, § 1437 ABGB Rz 18 ff mwN).

Ob im vorliegenden Fall die Beklagte, wie sie behauptet, die vom Kläger unbestrittenermaßen erhaltenen Unterhaltsbeiträge zur Gänze für ihren Unterhalt gutgläubig verbrauchte, steht entgegen der Auffassung der Vorinstanzen aufgrund der zweitinstanzlichen Entscheidung im Vorverfahren nicht fest. Denn dort hat das Berufungsgericht nach beschränkter Beweiswiederholung nur festgestellt, daß der Kläger näher bezeichnete Übergenüsse an Unterhalt an die Beklagte geleistet habe, aber keinerlei Feststellungen getroffen, die Rückschlüsse auf eine Schlechtgläubigkeit der Beklagten zuließen, und sich in seiner rechtlicher Beurteilung dazu mit dem Hinweis begnügt "... bedarf keiner weiteren Erörterung, vgl 1 Ob 2267/96f ua ...". In der Entscheidung des erkennenden Senats 1 Ob 2267/96f war aber sehr wohl von einer konkreten Sachverhaltsgrundlage ausgegangen worden, hieß es doch dort: "Der gutgläubige Verbrauch der vom Kläger für den Unterhalt der Beklagten erbrachten Unterhaltszahlungen ist von den Vorinstanzen aber nicht festgestellt worden und ist nach den getroffenen Feststellungen auch zu verneinen. ..." Im vorliegenden Fall fehlten indes im Vorverfahren Feststellungen, die einen sicheren Rückschluß auf die Gut- oder Schlechtgläubigkeit der Beklagten zuließen, sodaß hier entgegen der Auffassung der zweiten Instanz schon begrifflich weder von einer Bindung nach § 411 ZPO noch an Feststellungen eines Vorverfahrens zur Wahrung der Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie die Rede sein kann. Eine Beweiswürdigung zu Feststellungen, die unabhängig von der vermeintlich bindenden Berufungsentscheidung im Vorverfahren einen sicheren Schluß auf die Schlechtgläubigkeit der Beklagten zuließen, nahm der Erstrichter nicht vor. Der Hinweis in der nun bekämpften Berufungsentscheidung, jedenfalls sei die Beweiswürdigung des Erstgerichts in diesem Punkt unbedenklich (§ 500a ZPO), sodaß diesem auch inhaltlich darin zu folgen sei, ist demnach inhaltsleer.

Zur Frage der Gutgläubigkeit der Klägerin beim Verbrauch der ihr ungeachtet der Rechtskraft der Scheidung ihrer Ehe aus gleichteiligem Verschulden im Exekutionsweg zugeflossenen Unterhaltsbeträge sind somit im fortgesetzten Verfahren die entsprechenden Feststellungen nachzuholen. Dabei ist es im Hinblick auf § 328 ABGB Sache des kondizierenden Klägers, die Unredlichkeit der Beklagten zu behaupten und zu beweisen (SZ 60/136; 2 Ob 9/96; RIS-Justiz RS0010271, RS0010182; Honsell/Mader aaO § 1437 ABGB Rz 8 mwN). Nach der Rspr ist als Maßstab dem Bereicherten Redlichkeit nicht erst bei auffallender Sorglosigkeit, sondern schon dann abzusprechen, wenn er und zwar nicht nach seinen subjektiven Wissen, sondern bei objektiver Beurteilung an der Rechtsmäßigkeit der ihm rechtsgrundlos ausgezahlten Beträge auch nur zweifeln hätte müssen (Arb 10.057; DRdA 1993, 214 [Wachter] = WBl 1993, 20; 3 Ob 2065/96i = JBl 1996, 727 ua; Honsell/Mader aaO § 1437 ABGB Rz 5 ff mwN).

Die Beklagte hat im Verfahren vorgetragen, die ihr zugeflossenen Beträge entsprächen den ihr zustehenden Unterhaltsbeiträgen nach § 68 EheG, weil sie im Zeitpunkt der Auszahlung der nun kondizierten Beträge arbeitssuchend, einkommens- und vermögenslos gewesen sei und keine unterhaltspflichtigen Verwandten gehabt habe. Ob der "Unterhaltsanspruch" nach § 68 EheG erst durch konstitutiven Richterspruch entsteht oder zumindest dem Grunde nach ex lege einem Rechtsanspruch entspringt (vgl dazu Zankl in Schwimann2, § 68 EheG Rz 1 mwN), muß ebensowenig entschieden werden wie die Frage, ob ein solcher Anspruch nur mit Klage - die die Beklagte unbestrittenermaßen nicht erhoben hat - , oder entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch durch Einrede geltend gemacht werden könnte, wie die Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung SZ 34/71 meint. Denn eine solche Aufrechnungseinrede hat die Beklagte im Verfahren nicht erhoben. Wenngleich die Beklagte somit den Rückforderungsanspruch des Klägers den Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG schon deshalb nicht mit Erfolg entgegenhalten kann, weil sie diesen Anspruch im Verfahren erster Instanz nicht eingewendet hat, ist doch zur Ermittlung ihrer Gutgläubigkeit im fortgesetzten Verfahren zu prüfen, ob sie der Überzeugung sein konnte, die Unterhaltsleistungen des Klägers trotz der Scheidung aus dem gleichteiligen Verschulden zu verbrauchen berechtigt zu sein, etwa wegen der kraß unterschiedlichen Vermögens- und Einkommensverhältnisse und mangels Versorgung durch Angehörige; diesbezüglich wird das Erstgericht den Sachverhalt im fortgesetzten Verfahren vor Aufnahme von Beweisen iSd § 182 ZPO mit den Parteien zu erörtern haben.

c) Auf die Behauptung, daß die Übergenüsse vom Vergleich im Aufteilungsverfahren erfaßt worden wären, kommt die Beklagte nicht mehr zurück.

Dem Rechtsmittel ist Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt fußt auf dem § 52 Abs 1 ZPO.

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