OGH 1Ob2267/96f

OGH1Ob2267/96f26.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin W*****, vertreten durch Dr.Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Margit W*****, vertreten durch Dr.Gert Paulsen, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 72.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgerichts vom 29.April 1996, GZ 4 R 102/96-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 9.November 1995, GZ 3 C 88/95-28, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 72.000,-- samt 4 % Zinsen seit 1.3.1995 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von 6 % Zinsen aus S 72.000,-- seit 1.3.1995 wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 43.040,88 (darin S 4.645,98 Umsatzsteuer und S 15.165,-- Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 9.6.1988 wurde die Ehe der Streitteile gemäß § 55a EheG geschieden. Mit dem anläßlich der Ehescheidung abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten ab 1.7.1988 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.000,-- zu bezahlen. Diese Unterhaltsleistung wurde von ihm bis einschließlich Februar 1995 erbracht.

Der Kläger begehrte zunächst die Rückzahlung der von ihm in der Zeit vom 1.1.1991 bis einschließlich Februar 1995 geleisteten Unterhaltsbeiträge im Gesamtbetrag von S 100.000,- -. In der Verhandlungstagsatzung vom 13.7.1995 schränkte er sein Begehren um die im Jahre 1991 bzw in den Monaten Jänner und Februar 1992 geleisteten Unterhaltsbeiträge von monatlich S 2.000,-- auf S 72.000,-- ein, begehrte aber weiterhin 10 % Zinsen seit 1.3.1995, weil die Beklagte den Zahlungsverzug durch auffallende Sorglosigkeit herbeigeführt habe und der Kläger seine freien Geldmittel zu dem im Klagebegehren angegebenen Zinssatz hätte anlegen können. Im übrigen brachte er vor, der vergleichsweisen Regelung seien monatliche Bezüge des Klägers von S 14.000,-- bis S 15.000,-- und der Beklagten als halbtagsbeschäftigte Raumpflegerin von S 3.000,-- bis S 4.000,-- zugrundegelegt worden. Zu Beginn des Jahres 1995 habe er festgestellt, daß die Beklagte schon kurze Zeit nach Abschluß des Scheidungsvergleichs als Angestellte eine Ganztagsbeschäftigung angenommen und deshalb seither wesentlich höhere Einkünfte bezogen habe. Seit 1989 sei er daher zur Leistung eines Ehegattenunterhalts nicht mehr verpflichtet gewesen. Die Beklagte habe ihm die wahren Einkommensverhältnisse verschwiegen. Die rechtsgrundlosen Zahlungen seien zurückzuerstatten.

Die Beklagte wendete ein, der Unterhalt im Scheidungsvergleich sei einvernehmlich ohne Bezugnahme auf eine Bemessungsgrundlage festgelegt worden. Im Juni 1988 habe die Beklagte monatlich S 8.096,-- netto bezogen, und dem Kläger sei dies auch bekannt gewesen. Seit 1.7.1990 sei sie als Angestellte beschäftigt, ihr monatliches Einkommen gegenüber Juni 1988 habe sich aber nicht wesentlich erhöht. Sie habe die vom Kläger geleisteten Unterhaltsbeiträge gutgläubig verbraucht und auch zur Deckung der Bedürfnisse der der Ehe entstammenden Kinder verwenden müssen. Die vom Vater für die Kinder geleisteten Unterhaltsbeiträge von monatlich je S 1.000,-- hätten zur Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse der Kinder nicht ausgereicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Rückforderung der Unterhaltsbeiträge, die vom Kläger irrtümlich in Erfüllung einer vermeintlichen Unterhaltspflicht geleistet worden seien, stehe der gutgläubige Verbrauch dieser Beträge durch die Beklagte entgegen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung in der Hauptsache. Die Unterhaltsbeiträge seien von der Beklagten zur Gänze verbraucht worden. Sie habe diese Beträge auch für den Unterhalt der beiden minderjährigen Kinder verwenden müssen. Im Hinblick auf die geringen Unterhaltsleistungen, die für die beiden Kinder erbracht worden seien, habe die Beklagte davon ausgehen können, daß die auf ihrer Seite gestiegenen Einkommensverhältnisse keinen Einfluß auf den „Gesamtunterhaltsanspruch“ hätten. Die Beklagte habe die ihr zugekommenen Unterhaltsbeiträge daher zur Gänze gutgläubig zum Zwecke des Lebensunterhalts, vor allem der Kinder, verbraucht.

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei gutgläubigem Verbrauch können Unterhaltszahlungen nicht zurückgefordert werden (SZ 60/136; SZ 54/147; JBl 1970, 47; JBl 1965, 37 mit ausdrücklicher Ablehnung von SZ 14/65; SZ 13/262; SZ 11/86 ua; Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 12 zu § 1437 mwN). Der gutgläubige Verbrauch der vom Kläger für den Unterhalt der Beklagten erbrachten Unterhaltszahlungen ist von den Vorinstanzen aber nicht festgestellt worden und ist nach den getroffenen Feststellungen auch zu verneinen. Die Streitteile legten ihrer Unterhaltsvereinbarung anläßlich der Ehescheidung ein Monatsnettoeinkommen von S 12.000,-- auf seiten des Klägers und von S 3.000,-- bis S 4.000,-- auf seiten der Beklagten zugrunde. Hätte der Kläger zum Zeitpunkt des Scheidungsvergleichs gewußt, daß die Beklagte ganztägig beschäftigt ist bzw sein wird, hätte er sich zur Leistung eines Ehegattenunterhalts im Scheidungsvergleich nicht verpflichtet. Er wußte nicht, ob die Beklagte eine fixe Ganztagsarbeit übernehmen werde. Erst Anfang 1995 erlangte der Kläger davon Kenntnis, daß sich die Einkommensverhältnisse der Beklagten wesentlich verbessert hatten. Die Beklagte teilte dem Kläger die Erhöhung ihrer Bezüge nie mit (S 4 f des Ersturteils). Die Vorinstanzen stellten unbekämpftermaßen fest, daß der Kläger im Jahre 1988 (zum Zeitpunkt des Scheidungsvergleichs) monatlich durchschnittlich S 12.036,03 netto und die Beklagte monatlich durchschnittlich S 6.161,64 verdient hätten; die Beklagte sei im April und Mai dieses Jahres nur als Aushilfe tätig und erst ab Juni 1988 als teilzeitbeschäftigte Raumpflegerin fix angestellt gewesen. Im Juni 1990 sei die Beklagte in ein Angestelltenverhältnis übernommen worden. Bereits im Jahre 1990 habe sie monatlich S 10.339,44 netto verdient; im Jahre 1993 habe sie ein monatliches Nettoeinkommen von S 15.113,53, im Jahre 1994 ein solches von S 16.107,49 und in den ersten sechs Monaten des Jahres 1995 ein Einkommen von monatlich S 15.887,94 netto erzielt. Demgegenüber sei der Beklagte mit Ausnahme der beiden Monate September und Oktober 1992 vom 1.1.1992 bis 17.4.1994 arbeitslos gewesen, in der Zeit seiner Arbeitslosigkeit habe er an Beihilfen, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe 1992 monatlich durchschnittlich netto S 10.000,- -, im Jahre 1993 und im Frühjahr 1994 etwa S 12.000,-- bezogen. Seit April 1994 stehe der Kläger wieder in einem Beschäftigungsverhältnis, habe 1994 aus seiner Tätigkeit monatlich S 17.029,18 netto und in den ersten beiden Monaten 1995 monatlich jeweils netto (ohne Einrechnung von Sonderzahlungen) S 14.573,10 verdient. Aufgrund dieser Einkommenssituation wäre der Kläger zumindest ab 1.3.1992 nicht mehr zur Leistung eines Ehegattenunterhalts verpflichtet gewesen, weil sich die der Unterhaltsvereinbarung zugrundegelegte Relation der beiden Einkommen gravierend zugunsten der Beklagten verändert hatte. Nach den Feststellungen verdiente die Beklagte im Jahre 1992 etwa gleichviel wie der Kläger, im Jahre 1993 sogar mehr, und im Jahre 1994 ist - ebenso wie in den ersten Monaten des Jahres 1995 - wieder von etwa einem gleich hohen Einkommen auszugehen. Dem Kläger ist darin beizupflichten, daß die Beklagte angesichts der festgestellten Einkommensrelationen die von ihm seit März 1992 für sie erbrachten Unterhaltsleistungen nicht gutgläubig verbrauchte. Die Beklagte hätte vielmehr an der Rechtmäßigkeit des ihr geleisteten Unterhalts ernstliche Zweifel haben müssen (SZ 54/147; JBl 1970, 47 ua; Rummel aaO Rz 13). Sie hätte auch den ihr vertraglich (mittels Scheidungsfolgenvergleichs) zugesicherten Unterhalt nicht eigenmächtig als Unterhalt für die gemeinsamen Kinder umwidmen dürfen. Im Vergleich waren der Ehegatten- und der Kindesunterhalt voneinander getrennt festgelegt worden. Die Beklagte hätte deshalb nicht einfach unterstellen dürfen, daß die Summe als Gesamtunterhalt zu verstehen sei. Die Vorinstanzen haben jedoch festgestellt, daß die Beklagte die für sie bestimmten Unterhaltsleistungen vor allem (bzw teilweise) auch für die Kinder verwendete. War die Beklagte der Meinung, daß die Kinder mit den ihnen zugestandenen Unterhaltsbeiträgen nicht das Auslangen finden, wäre es an ihr gelegen, beim Pflegschaftsgericht auf die Erhöhung dieser Unterhaltsleistungen zu dringen. Daß die Beklagte die Unterhaltsleistungen - die für sie bestimmt waren - gutgläubig verbrauchte, kann den vorinstanzlichen Feststellungen somit nicht entnommen werden; in diesem Sinne hat die Beklagte im übrigen auch gar nicht behauptet, sie selbst habe die Leistungen gutgläubig konsumiert.

Die Beklagte hat aber auch nicht vorgebracht, sie habe davon ausgehen dürfen, daß das Einkommen des Klägers in der fraglichen Zeit entsprechend gestiegen sei, sodaß sie schon deshalb berechtigterweise habe annehmen dürfen, daß demnach die Unterhaltsleistungen trotz der wesentlichen Verbesserung ihrer eigenen Einkommensverhältnisse weiterhin angemessen waren. Das Rückforderungsbegehren des Klägers ist demnach berechtigt. Im übrigen wäre es Sache der Beklagten gewesen, den Kläger über die Änderung ihrer Verhältnisse, die wohl ihr, nicht aber auch ihm bekannt waren, zu informieren.

Das den gesetzlichen Zinsfuß übersteigende Zinsenbegehren ist abzuweisen, weil der Kläger den Beweis dafür, daß er den entgangenen Kapitalbetrag zu einem günstigeren Zinsfuß hätte anlegen können, nicht angetreten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 und 2 sowie § 50 ZPO. Das erstinstanzliche Verfahren war in zwei Abschnitte zu gliedern, wobei der erste Abschnitt lediglich die Klage und den Schriftsatz vom 6.6.1995 umfaßt. In diesem Abschnitt obsiegte der Kläger mit 72 % seines Begehrens, sodaß ihm 44 % der ihm entstandenen Kosten zu ersetzen sind. Im zweiten Abschnitt - ab der Einschränkung des Klagsbetrags vom 13.7.1995 - gebühren ihm sämtliche Kosten, weil er nur mit einem relativ geringen Zinsenteilbetrag unterlegen ist. Die Kosten eines Aufschiebungsantrags vom 29.8.1995 waren nicht zuzuerkennen, weil ein solcher Antrag nicht aktenkundig ist.

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