OGH 5Ob103/23t

OGH5Ob103/23t13.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft der EZ * KG *, Liegenschaftsadresse *, vertreten durch KS KIECHL SCHAFFER Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Mag. Michael Bodmann MSc, Rechtsanwalt in Wien, wegen 127.913,41 EUR sA und Feststellung, hier: Anmerkung nach § 27 Abs 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. April 2023, GZ 11 R 88/23a‑34, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00103.23T.0713.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Grundbuchsrecht, Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die klagende Eigentümergemeinschaft begehrte von der beklagten Mit‑ und Wohnungseigentümerin Sanierungskosten in Höhe des Klagebetrags sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten. Diese habe den Rohdachboden der Liegenschaft unsachgemäß ausgebaut und dadurch Wassereintritte in darunterliegende Gebäudeteile verursacht, die zu erheblichen Schäden in den Deckenkonstruktionen (insbesondere der Wohnung Top 30) und anderen allgemeinen Teilen von Wohnungen geführt hätten. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Zulässigkeit der von der Klägerin beantragten Anmerkung ihrer Klage nach § 27 Abs 2 WEG 2002.

[2] Das Erstgericht bewilligte die Klageanmerkung – nach vorheriger Abweisung – antragsgemäß. Nach dem nun geänderten Vorbringen habe die Klägerin eine erste Teilrechnung der Sanierungskosten in konkret bezeichneter Höhe berichtigt und behaupte somit schlüssig einen Anspruch nach § 1042 ABGB, der vom Vorzugspfandrecht erfasst sei.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach den Behauptungen der Klägerin sei diese im Rahmen ihrer Erhaltungspflicht mit der Schadensbehebung in Vorlage getreten und habe damit einen Anspruch nach § 1042 ABGB erworben. Entscheidend sei nur die schlüssige Behauptung, nicht die Berechtigung des Anspruchs. Aufgrund geänderter Sachlage sei die neuerliche Antragstellung zulässig gewesen. Der erst mit Berichtigung der Sanierungskosten entstandene Anspruch sei innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 27 Abs 2 WEG geltend gemacht worden.

[4] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend. Den Revisionsrekurs ließ es mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 1. Die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen, der Anspruch der Eigentümergemeinschaft aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis, etwa einem Bereicherungs‑ oder Verwendungsanspruch, der seine Wurzel in der Verwaltung der Liegenschaft und damit in dem durch § 18 Abs 1 WEG 2002 definierten Rechtsbereich habe, sei eine Forderung iSd § 27 Abs 1 Z 1 WEG 2002, kann sich auf höchstgerichtliche Rechtsprechung (5 Ob 95/04p; 5 Ob 82/20z) und überwiegende Lehre (Prader Glosse zu 5 Ob 141/07g, immolex 2008, 21 f; Vonkilch Glosse zu 5 Ob 95/04p, immolex 2005, 277 ff; Painsi in GeKo Wohnrecht II § 27 WEG Rz 8 ff, 24; krit Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 27 WEG Rz 8 ff) stützen. Dies zieht die Revisionsrekurswerberin auch nicht mehr in Zweifel. Sie meint allerdings, eine Forderung nach § 1042 ABGB sei nicht vom Klagebegehren umfasst gewesen und die Vorinstanzen hätten gegen den Grundsatz der materiellen Rechtskraft des in diesem Verfahren zuvor ergangenen, die Klageanmerkung abweisenden Beschlusses des Erstgerichts verstoßen. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG sprechen sie damit aber nicht an.

[7] 2.1. Grundsätzlich hat das Gericht den Antrag auf Anmerkung der Klage gemäß § 27 Abs 2 WEG 2002 nur auf seine Schlüssigkeit zu prüfen (RIS‑Justiz RS0115386 [T2]). Ob und in welchem Umfang und aus welchem Rechtstitel der klagenden Eigentümergemeinschaft der Klagebetrag letztlich zusteht, ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Klageanmerkung nach § 27 WEG 2002 hingegen nicht maßgeblich. Den Klagebehauptungen muss sich nur entnehmen lassen, dass der Klageanspruch eine besicherte Forderung iSd § 27 WEG ist (RS0114276 [T1] = 5 Ob 132/03b). Dabei reicht es aus, dass nur ein Teil der behaupteten Klageforderung zur Anmerkung geeignet ist (5 Ob 141/07g).

[8] 2.2. Die Frage der Schlüssigkeit eines (Klage‑)Vorbringens ist – auch im hier zu beurteilenden Zusammenhang – keine verfahrensrechtliche, sondern eine materiell‑rechtliche Frage (vgl 6 Ob 168/17z). Ergänzt ein Kläger sein mangelhaftes Vorbringen aus eigenem und ohne Anleitung des Richters durch die Behauptung der seinen Anspruch nunmehr schlüssig begründenden Tatsachen, liegt keine Klageänderung iSd § 235 ZPO vor (RS0036727 [T2]). Diese wäre nur dann gegeben, wenn rechtserzeugende Tatsachen neu vorgebracht werden, die zur Unterstellung unter eine andere Rechtsnorm führen oder das bisherige rechtserhebliche Tatsachenvorbringen durch anderes Sachvorbringen ersetzt wird, das zur Unterstellung unter andere Rechtsnormen führen muss (RS0036727).

[9] 2.3. Auch Grundbuchsbeschlüsse erwachsen in formelle und materielle Rechtskraft (RS0041483 [T1]). Die materielle Rechtskraftwirkung von Abweisungsbeschlüssen im Grundbuchsverfahren ist nicht auf rechtskräftig abgewiesene Einverleibungsgesuche beschränkt – auch bei rechtskräftiger Abweisung eines Gesuchs um Anmerkung nach § 20 lit b GBG (damit auch um Klageanmerkung nach § 27 WEG) kommt eine neuerliche Entscheidung nur bei geänderter Sachlage in Betracht (RS0041511 [T2]). Bei nachträglichen Tatbestandsveränderungen entsteht ein neuer Rechtsschutzanspruch, der dann von der materiellen Rechtskraft der Entscheidung über den ersten Antrag nicht berührt ist (5 Ob 43/01m).

[10] 3.1. Hier wies das Erstgericht den bereits mit der Klage verbundenen Antrag auf Klageanmerkung ab. Dieser Abweisungsbeschluss erwuchs in Rechtskraft. Das Erstgericht begründete dies damit, die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen Schäden am allgemeinen Teil des Hauses stehe den einzelnen Wohnungseigentümern und nicht der Eigentümergemeinschaft zu. Aus der hilfsweise behaupteten Abtretung der Ansprüche sei nichts gewonnen, weil das Vorzugspfandrecht nach § 27 WEG nicht für abgeleitete Ansprüche gelte. Von Ansprüchen nach § 1042 ABGB sei nicht auszugehen, weil die Klägerin keinen Aufwand getätigt habe und sie die gesetzliche Erhaltungspflicht für allgemeine Teile selbst treffe.

[11] 3.2. Ausgehend von den ursprünglichen Angaben wäre ein Anspruch nach § 1042 ABGB materiell‑rechtlich tatsächlich nicht schlüssig behauptet gewesen, zumal Voraussetzung einer erfolgreichen Klage nach § 1042 ABGB die Erfüllung eines Anspruchs eines bestimmten Dritten ist, der gegen den Beklagten besteht (RS0019908 [T4]). Dieser Anspruch setzt daher voraus, dass der Rückgriffsberechtigte bereits Zahlung geleistet hat (RS0019889). Eine derartige Behauptung fehlte damals, obwohl die Klägerin – von Beginn an – (unter anderem) den Ersatz der Sanierungskosten der Deckenkonstruktion über Top 30 begehrte, dieser Anspruch daher von Anfang an Gegenstand des Verfahrens war.

[12] 4. Erstmals in ihrem Antrag vom 8. März 2023 behauptete die Klägerin die Zahlung von konkreten Kosten für die Deckensanierung über Top 30 und ergänzte dadurch ihr – ursprünglich unvollständiges – Vorbringen zu den Grundlagen der Klageanmerkung. Davon, dass ihr diesbezüglicher Anspruch (wenn auch ziffernmäßig nicht im Sinn der nunmehrigen Rechnung konkretisiert) gar nicht Gegenstand der Klage gewesen wäre, kann keine Rede sein. Aufgrund der nun ins Treffen geführten nachträglichen Sachverhaltsänderung (In‑Vorlage‑Treten für die Beklagte durch Zahlung konkreter Sanierungskosten durch die Klägerin) ist die Auffassung der Vorinstanzen, die materielle Rechtskraft der ursprünglich die Klageanmerkung abweisenden Entscheidung stehe der nunmehrigen Bewilligung nicht entgegen, nicht zu beanstanden (vgl RS0041582 [T10, T14]), zumal die Frage nach der Identität der wesentlichen Tatsachenbehauptungen immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist (RS0041229 [T6]).

[13] 5. Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor. Das Rekursgericht ging (zutreffend) nicht von einer Klageänderung, sondern einer Ergänzung des Vorbringens im Antrag auf Klageanmerkung aufgrund geänderter Sachlage aus.

[14] 6. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 126 Abs 2 GBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

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