OGH 5Ob95/04p

OGH5Ob95/04p29.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchsache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft des Hauses *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Franz Marschall, Rechtsanwalt in Wien, wegen Klagsanmerkung gemäß § 27 WEG (Streitwert EUR 76.632,15 sA), infolge des Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 10. Februar 2004, GZ 16 R 239/03i-9, womit der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1. Oktober 2003, GZ 19 Cg 138/03h-3, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Wohnungseigentümerin von mehreren Objekten der Liegenschaft *****. Sie veranlasste in diesem Haus einen Ausbau des Dachgeschoßes.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Eigentümergemeinschaft Zahlung von EUR 76.632,15, primär gestützt auf Schadenersatz, auch auf Bereicherung und sonst jeden erdenklichen Rechtsgrund. Durch Bauarbeiten der Beklagten im Zuge des Dachgeschoßausbaus seien Schäden an allgemeinen Teilen des Hauses (Hof- und Straßenfassade, Stiegenhäuser, Liftschacht) entstanden. Die Kosten für die Instandsetzung des Liftschachts habe die Klägerin einstweilen für die Beklagte vorgeschossen. Die übrigen Schäden am Haus seien noch nicht behoben worden. Im Zuge des Garageneinbaus durch die Beklagte sei auch der Gehsteig vor dem Haus beschädigt worden. Die MA 28 habe die Behebung dieser Schäden des Gehsteigs aufgetragen. Die Klägerin habe diese Schäden beseitigen lassen und die Kosten dafür vorweg bezahlt. Sie sei damit für die Beklagte in Vorlage getreten. Außerdem sei die Klägerin mit Kosten von EUR 331,17 für die durch den Dachgeschoßausbau erforderliche Erneuerung der topographischen Bezeichnung der einzelnen Objekte im Haus in Vorlage getreten. Mit der Beklagten sei vereinbart worden, dass sie sämtliche Schäden bis Frühling/Sommer 2003 behebe.

In Verbindung mit der Klage begehrte die Klägerin die Anmerkung der Klage gemäß § 27 Abs 2 WEG 2002 an den im Einzelnen aufgezählten Anteilen der Beklagten.

Das Erstgericht bewilligte die Klagsanmerkung.

Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Bei Prüfung der Zulässigkeit der Klagsanmerkung nach § 27 WEG 2002 reiche es aus, wenn auch nur ein Teil der Klageforderung eine besicherte Forderung im Sinn des § 27 Abs 1 WEG 2002 sei. Angemerkt werde nämlich die Klage, nicht aber die eingeklagte Forderung.

Als Vorfrage sei daher zu prüfen, ob mit der Klage eine Forderung der Eigentümergemeinschaft, deren Rechtspersönlichkeit auf die Liegenschaftsverwaltung beschränkt sei, geltend gemacht werde. Als einer reinen Verwaltungsgesellschaft würden der Eigentümergemeinschaft die finanziellen Mittel von den Wohnungseigentümern aufgrund ihrer Beitragspflichten (§ 32 WEG 2002) zur Verfügung gestellt. Gemäß § 20 Abs 6 WEG 2002 sei ein auf die Gemeinschaft lautendes Konto für die Ein- und Auszahlungen zu führen, wobei die Eigentümergemeinschaft Eigentümerin des auf diesem Konto vorhandenen Guthabens sei. Die Beiträge gingen in die Vermögenssphäre der Eigentümergemeinschaft über. Dementsprechend bestehe ein Anspruch der Eigentümergemeinschaft gegen einzelne Wohnungseigentümer auf Leistung der Beiträge. Das gesetzliche Vorzugspfandrecht der Eigentümergemeinschaft bestehe daher nur für solche Forderungen, nicht hingegen für Ansprüche aus einem "außergemeinschaftlichen Schuldverhältnis" wie Schadenersatzforderungen, die aus Eingriffen in das gemeinsame Eigentum resultierten (vgl H. Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht Rz 9 zu § 27 WEG und Rz 93 zu § 18 WEG). Von anderen Autoren werde für die Frage der Besicherung durch ein Vorzugspfandrecht darauf abgestellt, ob die Forderung "aus der Verwaltung" resultiere (vgl Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht21 Rz 5 zu § 27 WEG).

Die Klägerin mache nun zusammengefasst zwei Gruppen von Ansprüchen geltend, nämlich Schadenersatz für unbehobene Schäden an allgemeinen Teilen des Hauses sowie Bereicherungsansprüche (§ 1042 ABGB), soweit sie für die Beklagte in Vorlage getreten sei (Schadensbehebung Liftschacht; Erneuerung der topographischen Bezeichnungen; (Schaden)Ersatzleistung wegen Beschädigung des Gehsteigs). Bei einem Bereicherungsanspruch wegen des geleisteten Ersatzes für den von der Beklagten im Zuge des Garageneinbaus verursachten Schadens am Gehsteig sei zwar nicht eindeutig, ob eine solche Zahlung noch der Verwaltung zuzurechnen sei. Die Instandsetzung eines Gehsteigs vor dem Haus, der im Zug von Bauarbeiten beschädigt worden sei, sei aber eher der Verwaltung der Liegenschaft zuzurechnen, denn als Verfügungshandlung zu qualifizieren. Daher sei diesbezüglich von einer Forderung der Eigentümergemeinschaft auszugehen. Weil die von der Klägerin bezahlte Rechnung vom 31. 3. 2003 datiere, sei die sechsmonatige Frist des § 27 Abs 2 WEG 2002 für das Vorzugspfandrecht gewahrt (Klagseinbringung 29. 9. 2003). Es könne daher dahingestellt bleiben, ob der Klägerin ein Anspruch auf Schadenersatz für unbehobene Schäden am Haus zuzuerkennen sei, wenn - nach dem Klagsvorbringen - nicht Kosten für die Schadensbehebung (sogenanntes Deckungskapital) begehrt werde. Weiters sei nicht zu prüfen, ob für Bereicherungsansprüche, soweit sie die Schadensbehebung am Liftschacht und die Erneuerung der topographischen Bezeichnungen beträfen, die sechsmonatige Frist des § 27 Abs 2 WEG überhaupt gewahrt wurde.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Bereicherungsanspruch der Eigentümergemeinschaft, die von einem Wohnungseigentümer verschuldete Schäden am Gehsteig des Hauses behoben habe, durch ein Vorzugspfandrecht nach § 27 Abs 1 Z 1 WEG 2002 gesichert werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Abweisung des Begehrens auf Klagsanmerkung.

Die Revisionsrekurswerberin zieht zunächst in Zweifel, ob es sich bei der Reparatur des Gehsteigs vor dem Haus überhaupt um eine Verwaltungshandlung gehandelt habe, weil der Gehsteig gerade nicht allgemeiner Teil der Liegenschaft, sondern öffentliches Gut sei.

Darüber hinaus vertritt der Revisionsrekurs gestützt auf Löcker (aaO) die Ansicht, dass das gesetzliche Vorzugspfandrecht des § 27 Abs 1 WEG 2002 gerade nicht für Forderungen gegen einen Wohnungseigentümer in Frage komme, die aus Eingriffen in das gemeinsame Eigentum resultieren.

Aus der Textierung des § 27 Abs 1 Z 1 WEG lasse sich entnehmen, dass zwischen "Forderungen" der Eigentümergemeinschaft, also deren eigenen Forderungen und "Rückgriffsforderungen" eines anderen Wohnungseigentümers (§ 27 Abs 1 Z 2 lit a bis c WEG 2002) unterschieden werde. Dem Gesetzgeber könne wohl unterstellt werden, den Unterschied zwischen Forderungen und Rückgriffsforderungen dabei bedacht zu haben.

Weil die Regelung des § 27 WEG 2002 wie jedes andere Vorzugspfandrecht den Vertrauensschutz in das öffentliche Grundbuch durchbreche, müsse dieses mit Vorsicht angewandt und im Zweifel restriktiv ausgelegt werden. Es liege daher nahe, den Zweck der Regelung des § 27 WEG 2002 dahin zu beschränken, den Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft den Schutz des gesetzlichen Vorzugspfandrechts für den Regelfall und in der Regel auch von seiner finanziellen Dimension her überblickbaren Normalfall der nicht geleisteten Beitragszahlungen der Wohnungseigentümer zukommen zu lassen, nicht aber für in ihrer finanziellen Dimension potentiell uferlose Rückgriffsansprüche der Eigentümergemeinschaft zur Verfügung zu stellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Durch Art III Z 3 der WRN 1999 wurde § 13c WEG 1975 mit Abs 3 bis 5 die Neuregelung über ein gesetzliches Vorzugspfandrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw der einzelnen Wohnungseigentümer hinzugefügt.

Dem entsprechenden Ausschussbericht zur WRN (abgedruckt in Würth/Zingher Wohnrecht 99, 277) ist zu entnehmen, dass bei Einführung dieses Rechtsinstituts zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft im Vordergrund die Säumigkeit eines Miteigentümers mit der Leistung seiner Aufwendungen für die Liegenschaft stand. Diesfalls könnten dadurch entstehende Fehlbeträge die Fähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten gravierend beeinträchtigen. Was das gesetzliche Vorzugspfandrecht des § 13c Abs 3 Z 2 lit a bis c WEG 1975 betraf, hatte der Gesetzgeber Forderungen der einzelnen Wohnungseigentümer aus der Inanspruchnahme ihrer subsidiären Ausfallshaftung im Auge, aber auch einfach vermehrte Eigenleistungen anderer Wohnungseigentümer bei Illiquidität eines ihrer Rechtsgenossen, ohne dass es bis zur Geltendmachung von Ausfallshaftungen käme. Auch der Fall, dass aus einer Solidarhaftung nur ein Miteigentümer in Anspruch genommen wurde und von diesem eine Schuld zur Gänze beglichen werden musste, sollte damit gelöst werden. Als gesetzliche Grundlage für die Rückgriffsansprüche der Wohnungseigentümer kamen also die Inanspruchnahme der subsidiären Ausfallshaftung nach § 13c Abs 2, die Bestimmung des § 1358 ABGB, bei freiwilliger Zahlung § 1042 ABGB und im Fall der Inanspruchnahme aus einer Solidarhaftung die Bestimmung des § 896 ABGB in Betracht.

An die Geltendmachung von Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüchen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Rechtspersönlichkeit ja nach § 13c Abs 1 WEG 1975 final mit der Verwaltung begrenzt war, scheint der Gesetzgeber nicht gedacht zu haben. Die entsprechenden Bestimmungen, die im Übrigen inhaltlich gleich in die §§ 18 und 27 WEG 2002 übernommen wurden, schränken aber das Vorzugspfandrecht für Forderungen der Eigentümergemeinschaft gegen den Eigentümer eines Anteils in keiner Weise ein. Durch die Definition der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft in § 13c Abs 1 WEG 1975 schien die Problematik, was unter "Forderungen der Eigentümergemeinschaft" zu verstehen sei, ausreichend geklärt (vgl dazu Call, Anmerkungen zum gesetzlichen Vorzugspfandrecht gemäß § 13c Abs 3 bis 5 WEG im Rahmen der Wohnrechtsnovelle 1999, WoBl 1999, 358; Stabentheiner, Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 1999, WoBl 1999, 285 f FN 152).

Die Rechtsprechung hat dazu hervorgehoben, dass es für die Frage der Zulässigkeit der Klagsanmerkung nicht darauf ankomme, ob und in welchem Umfang und aus welchem Rechtstitel letztlich der klagenden Eigentümergemeinschaft der Klagsbetrag zustehe. Es reiche aus, wenn sich den Klagsbehauptungen entnehmen lasse, dass der Klagsanspruch eine besicherte Forderung im Sinn des § 27 WEG sei (vgl zuletzt 5 Ob 132/03b).

Dazu ist zunächst zu prüfen, ob sich eine Aktivlegitimation der klagenden Eigentümergemeinschaft für den geltend gemachten Anspruch in Anbetracht ihrer durch § 18 Abs 1 WEG 2002 beschränkten Rechtsfähigkeit bejahen lässt. Ist das schon nach den Klagsangaben nicht der Fall, kommt eine Klagsanmerkung nach § 27 Abs 2 WEG nicht in Betracht (vgl zur Schlüssigkeitsprüfung als Voraussetzung einer Streitanmerkung: 8 Ob 522/95; aA: 6 Ob 608/94).

In Anbetracht der vom erkennenden Senat kürzlich bejahten Abtretungsmöglichkeit von Ansprüchen einzelner Wohnungseigentümer an die Eigentümergemeinschaft, wenn die gemeinsame Rechtsdurchsetzung Gemeinschaftsinteressen entspricht (5 Ob 181/03h), ergibt sich über den hier zu beurteilenden Anlassfall hinaus die Notwendigkeit, zu klären, ob eine einschränkende Interpretation der "Forderungen der Eigentümergemeinschaft" erforderlich ist. Dafür spricht sich etwa H. Löcker (aaO) aus. Seiner Ansicht nach ist ein Anspruch der Eigentümergemeinschaft gegen ihre Mitglieder aus einem außergemeinschaftlichen Schuldverhältnis nicht vom Sinn der Vorschrift des § 27 Abs 1 Z 1 WEG 2002 umfasst. In einem solchen Fall stehe der schuldende Wohnungseigentümer der Gemeinschaft wie jeder andere Dritte gegenüber. Es liege auf der Hand, dass sich die Eigentümergemeinschaft für solche Forderungen nicht auf das andere Gläubiger des Wohnungseigentümers belastende Vorzugspfandrecht berufen könne. H. Löcker bezieht sich dabei konkret auf den Verwendungsanspruch etwa wegen Tätigung eines den Wohnungseigentümer treffenden Aufwands durch die Eigentümergemeinschaft.

Diesen Erwägungen vermag sich der erkennende Senat nur teilweise anzuschließen. Wohl trifft es zu, dass bei einem Anspruch einer Eigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer, der aus einem Werkvertrag des Wohnungseigentümers mit der Eigentümergemeinschaft resultiert, eine einschränkende Auslegung des § 27 Abs 1 Z 1 WEG 2002 schon zur Vermeidung Gleichheits- und damit verfassungswidriger Ergebnisse geboten ist. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der Anspruch der Eigentümergemeinschaft aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis resultiert, etwa einen Bereicherungs- oder Verwendungsanspruch zum Gegenstand hat, der wiederum seine Wurzel in der Verwaltung der Liegenschaft und damit in dem durch § 18 Abs 1 WEG 2002 definierten Rechtsbereich hat.

Wendet man diese Erwägungen auf den vorliegenden Fall an, ergibt sich, wie schon das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, dass die über behördlichen Auftrag (wenn auch an sämtliche Wohnungseigentümer des Hauses gerichtet) durchgeführten Sanierungsarbeiten am Gehsteig Verwaltungshandlungen für die Gemeinschaft der Miteigentümer waren, weil damit Geschäfte der Gemeinschaft besorgt wurden. Verwaltungshandlungen zielen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen wahrzunehmen (EvBl 2004/26 = WoBl 2004/4; MietSlg 51.525; vgl zuletzt 1 Ob 47/04z).

Die Klägerin hat also im Rahmen der Verwaltung Arbeiten vornehmen lassen, deren Ersatz sie nach den Klagsbehauptungen von der Beklagten begehren kann. Dabei macht es keinen Unterschied, dass es sich bei den Sanierungsmaßnahmen nicht um solche an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, sondern um solche am öffentlichen Gut Gehsteig handelte, weil die Wiederherstellungspflicht (nach den Klagsangaben) sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer traf.

Zu Recht haben die Vorinstanzen daher die Anmerkung der gegenständlichen Klage nach § 27 Abs 2 WEG 2002 bewilligt.

Dem Revisionsrekurs war der Erfolg zu versagen.

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