OGH 6Ob608/94

OGH6Ob608/9413.7.1994

Der Oberste Gerichtshof faßt durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Josef G*****, in seiner Eigenschaft als Tiroler Landesgrundverkehrsreferent, Amt der Tiroler Landesregierung, vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester und Dr.Paul Delazer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei V***** Gesellschaft mbH Betriebs KG *****, vertreten durch Dr.Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung nach § 16a TirGVG 1983, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den zum Klagsanmerkungsbeschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 25.Februar 1994, GZ 5 Cg 283/93-8, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 3.Juni 1994, AZ 4 R 125/94 (ON 16), folgenden

Beschluß:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei ist eine seit 29.März 1983 in das damalige Handelsregister eingetragene Kommanditgesellschaft. Sie ist grundbücherlich als Eigentümerin zweier Tiroler Liegenschaften einverleibt. Grundlage der Eigentumseinverleibungen war hinsichtlich des ursprünglichen Gutsbestandes der einen Liegenschaft der am 13. Januar 1983 erfolgte Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren, hinsichtlich eines dieser Liegenschaft zugeschriebenen weiteren Gutsbestandes ein mit 21.Januar 1990 datierter Kaufvertrag, hinsichtlich der zweiten Liegenschaft ein mit 20. Juli 1990 datierter Kaufvertrag.

Am 19.Oktober 1993 überreichte der Tiroler Landesgrundverkehrsreferent gegen die Liegenschaftseigentümerin eine auf § 16a TirGVG 1983 gestützte Klage auf Nichtigerklärung des zwischen den seinerzeitigen Gründungsgesellschaftern der Kommanditgesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäftes (also des Gesellschaftsvertrages oder einer nicht näher bezeichneten Abrede hiezu) mit der Wirkung der Feststellung, daß die als Liegenschaftseigentümer einverleibte Kommanditgesellschaft nie bestanden habe, mit der weiteren Löschung der Klägerin im Firmenbuch sowie der Löschung der Eigentumseinverleibung der Klägerin in den beiden Liegenschaften unter Wiederherstellung des früheren Grundbuchsstandes. Nach den tatsächlichen Gesellschaftsverhältnissen sei die als Liegenschaftseigentümerin einverleibte Kommanditgesellschaft - entgegen dem nach dem Gesellschaftsvertrag aufrecht erhaltenen Anschein - immer nach § 1 Abs 1 Z 1 Buchstabe b zweiter Fall TirGVG 1983 qualifiziert gewesen. Darin erblickt der Kläger eine Nichtigkeit im Sinne des § 16a TirGVG 1983.

Mit seinem am 11.Januar 1994 überreichten Schriftsatz begehrte der Kläger die Anmerkung der Klage gemäß § 16a TirGVG 1983 in der seinerzeit in Zwangsversteigerung gezogenen Liegenschaft.

Das Prozeßgericht erster Instanz bewilligte die beantragte grundbücherliche Klagsanmerkung.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteigt. Weiters sprach es aus, daß eine Revisionsrekurszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 14 Abs.1 AußStrG nicht vorliege.

Die beklagte Liegenschaftseigentümerin ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit außerordentlichem Revisionsrekurs wegen qualifiziert unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Abweisung des Klagsanmerkungsbegehrens zielenden Abänderungsantrag an. Dazu regt die Rechtsmittelwerberin an, wegen der zufolge von Kundmachungsfehlern obwaltenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der TirGVG-Novelle 1991, LGBl Nr.74, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen der die Anwendung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 idF der Novelle LGBl Nr.74/1991 betreffenden grundsätzlichen Fragen zulässig. Das Rechtsmittel ist aber aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen rekursgerichtlichen Beschlusses nicht berechtigt.

Das Feststellungsklagebegehren des Landesgrundverkehrsreferenten und die grundbücherliche Anmerkung der Klage stützen sich auf die mit dem Landesgesetz vom 3.Juli 1991, LGBl Nr.74, neu eingeführten Regelung des § 16a TirGVG 1983. Nach dieser Bestimmung kann der Landesgrundverkehrsreferent bei Gericht Klage auf Feststellung erheben, ob ein Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn Grund zur Annahme besteht, daß ein Schein- oder Umgehungsgeschäft vorliegt. Auf Antrag des Klägers ist die Erhebung einer solchen Feststellungsklage im Grundbuch anzumerken. Stellt das Gericht fest, daß ein solches Rechtsgeschäft nichtig ist, hat das Grundbuchsgericht eine bereits erfolgte Eintragung des Rechtserwerbes im Grundbuch zu löschen und den früheren Grundbuchsstand wieder herzustellen.

Ungeachtet des Wortlautes der erwähnten Novellenbestimmung, daß ein gerichtlicher Ausspruch darüber zu treffen sei, ob ein bestimmtes Rechtsgeschäft wegen seiner Schein- oder Umgehungsgeschäfteigenschaft nichtig sei, sieht die Regelung nach der angeordneten Verfahrenseinleitung mittels Klage und dem daher gebotenen urteilsmäßigen Ausspruch des angerufenen Gerichtes einen auf unmittelbare Rechtsfolgen auslösenden gerichtlichen Spruch vor, sodaß nicht ein bloß rechtsgutächtlicher Ausspruch des Gerichtes, sondern ein urteilsmäßiger Abspruch über das zu erhebende Begehren angeordnet ist, daß die im Begehren zu bezeichnenden rechtsgeschäftlichen Erklärungen wegen ihrer Eigenschaft als Scheinerklärung oder wegen des mit der Rechtsgeschäftserklärung beabsichtigten Umgehungszweckes nichtig seien.

Kläger ist die von der Landesregierung gemäß § 14 Abs 1 TirGVG 1983 bestellte Person kraft Amtes. Fraglich mag sein, ob als notwendige Streitpartei alle an dem als nichtig bezeichneten Rechtsgeschäft beteiligten Personen zu klagen sind oder ob die Feststellung gegenüber demjenigen genügt, dessen Rechtserwerb kraft gesetzlicher Anordnung im Falle eines stattgebenden Urteiles zu löschen wäre. Allein diese Frage betrifft die Schlüssigkeit und damit die Begründetheit des klageweise zu erhebenden Begehrens und ist für die im anhängigen Rechtsmittelverfahren allein zu beurteilende grundbücherliche Klagsanmerkung unerheblich.

Die in der Novellenbestimmung angeordnete Klagsanmerkung ist eine (landesgesetzliche) grundbuchsrechtliche Sonderbestimmung, die ausschließlich an die Tatsache der verfahrensrechtlich wirksamen Klagserhebung und an den Antrag des Klägers, sonst aber an keine Voraussetzung anknüpft. Wenn auch die Rechtsfolgen dieser besonderen Klagsanmerkung nicht ausdrücklich geregelt sind, besteht doch kein Zweifel, daß der Buchberechtigte, auf dessen grundbücherliche Eintragung sich die angemerkte Klage bezieht, durch die Anmerkung in seiner Rechtsstellung berührt wird, weil allein die Tatsache der Anmerkung seine Rechtsstellung in den Augen potentieller Rechtsnachfolger als zweifelhaft erscheinen lassen muß. Dem Buchberechtigten, dessen Erwerbsgeschäft Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 16a TirGVG 1983 ist, kann die Rekursberechtigung gegen die Bewilligung der Klagsanmerkung keinesfalls abgesprochen werden.

Die Rechtsmittelausführungen vermögen allerdings keine Bedenken gegen die gehörige Kundmachung des Tiroler Landesgesetzes vom 3.Juli 1991, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 abgeändert wird, LGBl Nr.74, zu erwecken:

Das vom Landtag beschlossene Gesetz sah in seinem Art.I 45 Änderungen des Grundverkehrsgesetzes 1983 vor, davon in Z 37 die Ergänzung des Gesetzes durch einen neu eingeführten § 14a über eine die Finanzbehörden treffende Auskunftspflicht gegenüber den Grundverkehrsbehörden und dem Landesgrundverkehrsreferenten. Die gemäß Art 97 Abs 2 B-VG wegen der landesgesetzlich vorgesehenen Mitwirkung von Bundesorganen an der Gesetzesvollziehung erforderliche Zustimmung der Bundesregierung wurde verweigert. Daraufhin hat der Landeshauptmann im Landesgesetzblatt die Novelle ohne die beschlossene Regelung nach Art I Z 37 mit der an dieser Stelle in Klammer gesetzten Erläuterung kundgemacht, daß die Bestimmung nicht kundgemacht werden dürfe, weil der Bund die Zustimmung hiezu verweigert habe.

Die Rechtsmittelwerberin erblickt in dieser Gesetzeskundmachung einen Verstoß gegen Art 38 Abs 7 TirL-VG. Diese Verfassungsbestimmung lautet: "Bedarf ein Gesetzesbeschluß der Zustimmung der Bundesregierung, so darf er nur kundgemacht werden, wenn die Zustimmung erteilt wurde oder als erteilt gilt".

Das Rekursgericht hat dieser Bestimmung den Sinngehalt unterstellt, als hieße es: "Soweit ein Gesetzesbeschluß der Zustimmung der Bundesregierung bedarf, ...".

Die Rechtsmittelwerberin verficht dagegen weiterhin die Ansicht, daß ein vom Landtag gefaßter Gesetzesbeschluß nur vollständig oder gar nicht kundgemacht werden dürfe.

Ob sämtliche in einem Landesgesetz zusammengefaßte Regelungen nach dem Willen des Landtages nur als untrennbare Einheit oder bei einem teilweise bestehenden Kundmachungshindernis auch bloß teilweise, so vollständig wie möglich, in Geltung gesetzt werden sollten, ist eine Frage des erkennbaren Sachzusammenhanges und nicht allgemein im Sinn eines Ganz- oder Teilkundmachungshindernisses zu beantworten. Die ständige Praxis des Verfassungsgerichtshofes im Falle von erfolgreichen Gesetzesprüfungsverfahren, nur die der Prüfung unterzogenen Gesetzesstellen (und die mit ihr in einem untrennbaren Sachzusammenhang stehenden Bestimmungen), nicht aber grundsätzlich das ganze Gesetz aufzuheben, läßt erkennen, daß nicht grundsätzlich der - auch vom Verfassungsgerichtshof zu beachtende - Wille des Gesetzgebungsorganes zu unterstellen sei, daß nur alle in einem Gesetz zusammengefaßten Regelungen als untrennbare Einheit in Geltung stehen sollen und eine Teilaufhebung daher keine Verfälschung des Gesetzgeberwillens darstellte.

Wird eine zur erleichterten Handhabung der Gesetzesvollziehung beschlossene Regelung über eine Auskunftspflicht aus einem bestimmten Grund für nicht kundmachungsfähig erkannt, ist nach dem Inhalt der Regelung nicht zu unterstellen, daß die primäre Gesetzesanordnung, die durch die Hilfsregelung nur erleichtert werden soll, nicht selbständig für sich allein Geltung haben sollte.

Das Rekursgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend auf die in den VfGH-Erkenntnissen VfSlg 2598 und 8155 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht sowie darauf hingewiesen, daß der VfGH aus Anlaß des zu B 517/93 durchgeführten Beschwerdeverfahrens die von der Rechtsmittelwerberin erhobenen Bedenken gegen die "Teil-Kundmachung" in seine Erwägungen nicht einbezogen hat.

Art 97 Abs 2 B-VG deutet nach seinem Gesetzeswort "insoweit" auf die Teilbedürftigkeit der Zustimmung und in Übereinstimmung damit ist auch Art 38 Abs 7 TirL-VG zu lesen.

§ 16a TirGVG 1983 ist eine landesgesetzliche Regelung, gegen die auch der erkennende Senat keine Bedenken wegen Überschreitung der landesgesetzlichen Kompetenz nach Art 15 Abs 9 B-VG oder wegen Verstoßes gegen die Kundmachungsvorschriften des Art 38 Abs 7 TirL-VG hegt.

Der erkennende Senat hegt auch keine Bedenken, daß die in Rede stehende Regelung einen Verstoß gegen Art 94 B-VG darstellen könnte,- wie die Rechtsmittelwerberin auch in ihrem Revisionsrekurs gar nicht mehr geltend macht -, wenn das Gericht zur Entscheidung über die - zivilrechtliche - Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes berufen wird, das den Rechtstitel für einen der verwaltungsbehördlichen Genehmigung unterworfenen Rechtserwerb darstellt. Dies selbst dann nicht, wenn im Einzelfall die Verwaltungsbehörde über die als Hauptfrage vom Gericht zu entscheidende Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes bei der Entscheidung über die Genehmigung des Rechtserwerbes als Vorfrage bereits entschieden haben sollte.

Gegen § 16a TirGVG 1983, die Übergangsregelungen nach Art II der TirGVG-Nov. 1991 und die Kundmachung dieser Novelle hegt der erkennende Senat daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Ob der Klage nach § 16a TirGVG 1983 im Umgehungsfall (etwa Einschaltung eines Strohmannes) wegen Rechtsähnlichkeit nicht nur ein Rechtsgeschäft, sondern auch ein an dessen Stelle tretender Hoheitsakt wie der Zuschlag im gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren (in Auslegung des § 1089 ABGB oder in Anwendung der Analogie) unterworfen werden kann, ist eine Frage der bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Klagsanmerkung nicht erheblichen Begründetheit der Klage.

Was die Fassung des Klagebegehrens anlangt, ist für die angefochtene Klagsanmerkung lediglich entscheidend, daß ein Begehren erhoben worden ist, dessen Stattgebung aus dem Grund des § 16a TirGVG 1983 zur Löschung des Eigentumrechtes und zur Wiederherstellung des früheren Grundbuchsstandes führen soll. Dieses Ziel strebt die eingebrachte Klage aus dem zitierten Rechtsgrund ohne Zweifel an.

Aus diesen Erwägungen war unter neuerlichem Hinweis auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Rekursentscheidung dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Über den Antrag auf Klagsanmerkung ist ungeachtet der Zuständigkeit eines Prozeßgerichtes in einem Verfahren nach dem Grundbuchsgesetz zu entscheiden, das keinen Verfahrenskostenersatz vorsieht. Die Rechtsmittelwerberin hat deshalb - völlig abgesehen vom Mangel eines Rechtsmittelerfolges - die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

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