OGH 15Os141/20d

OGH15Os141/20d21.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Paulitsch im Verfahren zur Übernahme der Strafvollstreckung an V***** M*****, AZ 195 Ns 18/20y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00141.20D.0421.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Beim Landesgericht für Strafsachen Wien ist zu AZ 195 Ns 18/20y gegen den slowakischen und österreichischen Staatsangehörigen V***** M***** aufgrund einer nach Artikel 4 des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 ausgestellten Bescheinigung (im Folgenden: Bescheinigung [ON 25]) des Fachstrafgerichts Pezinok ein Verfahren wegen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nach §§ 39 ff EU‑JZG anhängig.

[2] Demnach wurde der Betroffene mit (sogleich rechtskräftigem) Urteil des Obersten Gerichtshofs der Slowakischen Republik vom 20. März 2018, AZ 2 To 1/2017z (ON 11 S 5 ff iVm ON 19 im Ns‑Akt), in Abwesenheit wegen des besonders schweren Verbrechens des versuchten Auftragsmordes nach §§ 14 Abs 1, 21 Abs 1 lit c, 144 Abs 1 des slowakischen Strafgesetzbuches schuldig erkannt und gemäß § 144 Abs 1 iVm § 38 Abs 2 und 4 sowie § 37 lit m jeweils des slowakischen Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 23 Jahren verurteilt.

[3] Danach hat V***** M***** – nach sprachlich geraffter Urteilsübersetzung – im März oder April 2009 nach gemeinsamer Vereinbarung J***** K***** anlässlich eines Treffens mit diesem und M***** P***** auf der Ranch „R*****“ in B***** unter zugesagter Zahlung von 20.000 Euro mit dem Mord an S***** Mi***** beauftragt, den K***** während des Aufenthalts von M***** außerhalb des Gebiets der slowakischen Republik verüben sollte. Anstatt direkter Kontaktaufnahme des K***** mit dem Auftraggeber M***** sollten die Anweisungen vereinbarungsgemäß über P***** erfolgen. Mit der seitens M***** in Höhe von 10.000 Euro geleisteten Anzahlung kaufte K***** um ca 1.660 Euro von M***** D***** fünf Stück Sprengladungen und eine mit drei Empfangsapparaten verbundene Fernsprengeinrichtung. Am 25. August 2009 übergab K***** das Sprengstoffsystem an P***** H***** und schickte diesen in die Verkaufsfiliale der Gesellschaft E***** in T*****. Nachdem sich K***** telefonisch davon versichert hatte, dass sich H***** auch in den genannten Räumlichkeiten aufhielt, zündete er mit dem Vorsatz, S***** Mi***** zu töten, mittels der Fernsprengeinrichtung das Sprengstoffsystem, welches H***** bei sich hatte. Dadurch wurde dieser getötet und erlitten S***** Mi*****, die sich dort aufhielt, wie auch vier weitere unbeteiligte Opfer schwere Verletzungen, insbesondere Verbrennungen und Gehörverluste.

[4] Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. August 2020, GZ 195 Ns 18/20y‑33, wurde die Vollstreckung der mit dem genannten Urteil über V***** M***** verhängten Freiheitsstrafe übernommen (1./), die im Inland zu vollstreckende Freiheitsstrafe mit 20 Jahren festgesetzt (2./) und die Vorhaft in der Slowakei von 30. Juni 2015 bis 15. Juli 2015 sowie die in Österreich vom Zeitpunkt der Festnahme am 2. Juli 2020 bis laufend in Sicherungshaft zugebrachte Zeit auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet (3./).

[5] Nach der Begründung des Erstgerichts habe – der seit 24. Juli 1989 die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende verurteilte – V***** M***** bei seiner Einvernahme am 9. Juli 2020 (§ 41a Abs 1 Z 3 EU‑JZG [ON 22]) angegeben, von dem Verfahren in der Slowakei Kenntnis gehabt zu haben und vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Slowakischen Republik nach Österreich geflüchtet zu sein.

[6] Aus der übermittelten Bescheinigung (ON 25 S 35) ergebe sich auch, dass M***** zu der Verhandlung, die zur Entscheidung geführt hat, zwar nicht persönlich erschienen sei, jedoch am 7. Februar 2018 persönlich vorgeladen und dabei sowohl vom vorgeschriebenen Termin und Ort der Verhandlung als auch davon, dass die Entscheidung auch dann ergehen kann, wenn er nicht zur Verhandlung erscheint, in Kenntnis gesetzt worden sei (§ 40 Z 9 lit a EU‑JZG). Im Übrigen sei er nach eigenen Angaben während des erstinstanzlichen Verfahrens anwesend und von einem Wahlverteidiger, der ihn auch über das Urteil des Obersten Gerichtshofs der Slowakischen Republik in Kenntnis gesetzt habe, vertreten gewesen (BS 3 f).

[7] Objektive Anhaltspunkte für eine Ablehnung der Übernahme der Vollstreckung (§ 40 Z 12 EU‑JZG) seien seitens des Verurteilten nicht behauptet worden, sondern releviere dieser bloß – seitens des österreichischen Gerichts jedoch nicht überprüfbare – Verfahrensmängel der slowakischen Gerichte (BS 4 f). Auch lägen die gemäß § 41a Abs 1 EU‑JZG erforderlichen Unterlagen vor (BS 5).

[8] Der dagegen erhobenen Beschwerde des Verurteilten gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 8. Oktober 2020, AZ 22 Bs 229/20t (ON 41 im Ns‑Akt), nicht Folge.

[9] Danach liege beiderseitige Strafbarkeit (in Österreich nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 75 StGB) vor und bilde die behauptete Unrichtigkeit des rechtskräftigen slowakischen Urteils keinen in § 40 EU‑JZG taxativ ausgeführten Grund für eine Unzulässigkeit der Vollstreckungsübernahme. Im Übrigen sei gemäß der kontinental‑europäischen Rechtstradition von der Richtigkeit des in der Bescheinigung angeführten slowakischen Urteils auszugehen (formelles Prüfungsprinzip) und bestehe eine (aktuell infolge bloßer Behauptungen nicht indizierte) eigenständige Prüfungspflicht in Betreff des Tatverdachts durch den ersuchten Staat nur bei erheblichen Bedenken, die der Betroffene nicht aufzeige.

[10] Auch sei der Unzulässigkeitstatbestand des § 40 Z 12 EU‑JZG (objektive Anhaltspunkte für ein unter Verletzung von Grundrechten oder wesentlichen Rechtsgrundsätzen iSd Art 6 des Vertrags über die Europäische Union) nicht erkennbar, weil hiezu ebenfalls bloß Behauptungen vorlägen und dem Betroffenen überdies die Anrufung des EGMR oder des EuGH frei stehe.

[11] Auch begründe die in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführte Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof der Slowakischen Republik keine Unzulässigkeit der Vollstreckungsübernahme, weil laut der aktuell vorliegenden Bescheinigung die Voraussetzungen gemäß § 40 Z 9 lit a EU‑JZG erfüllt seien (ON 25 S 35).

[12] Da der Akt auch eine übersetzte (ON 19) Abschrift des zu vollstreckenden Urteils enthalte, seien auch die vom Beschwerdeführer als fehlend reklamierten formellen Mängel gemäß § 41a Abs 1 EU‑JZG nicht gegeben, weil die genannte Norm keine beglaubigte Abschrift verlange. An der Echtheit der übermittelten Dokumente bestehe fallbezogen kein Zweifel. Auch sei das slowakische Urteil nach der (allein) ausschlaggebenden Bescheinigung rechtskräftig und vollstreckbar, dem auch die (behauptete) Einbringung eines außerordentlichen Rechtsmittels nicht entgegenstehe.

[13] Ein Aufschub der Entscheidung über die Vollstreckung gemäß § 41c EU‑JZG komme mit Blick auf die nunmehr rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Beschwerde (§ 41b Abs 5 EU‑JZG) nicht mehr in Betracht (§ 41c Z 1 EU‑JZG).

[14] Die seitens des Erstgerichts in der Dauer von 20 Jahren festgesetzte Freiheitsstrafe begegne keinen Bedenken, weil die im Inland zu übernehmende Strafe grundsätzlich in der Art und der Dauer, wie sie in dem zu vollstreckenden Urteil ausgesprochen wurde, festzusetzen sei (§ 41b Abs 2 EU‑JZG), wobei fallbezogen das Strafmaß auf das nach österreichischem Recht für die abgeurteilte Straftat höchstzulässige Maß einer zeitlichen Freiheitsstrafe herabzusetzen sei (§ 41b Abs 3 EU‑JZG).

[15] Ein seitens der Beschwerde in Ansehung der Straffestsetzung begehrtes „verhältnismäßiges“ Vorgehen sei nicht vorgesehen, zumal die Anpassung der im ausstellenden Staat festgesetzten Strafe nach § 41b Abs 3 und 4 EU‑JZG nur in Ausnahmefällen zulässig sei (Wirth/Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 41b Rz 8 mwN).

[16] Die vom Erstgericht vorgenommene Vorhaftanrechnung sei – auch mangels amtswegiger Ermittlungspflicht hiezu – keiner Änderung zugänglich und eine Bedachtnahme auf die behauptete Vorhaft von 7. Februar 2013 bis 30. Juni 2015 mangels entsprechender Nachweise bzw entsprechender Anführung in der slowakischen Bescheinigung nicht möglich (BS 5 f).

Rechtliche Beurteilung

 

[17] Mit dem vorliegenden Antrag begehrt V***** M***** die Erneuerung (§ 363a StPO; zum Exequaturverfahren vgl 15 Os 140/07p) des gegen ihn geführten Verfahrens wegen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nach §§ 39 ff EU‑JZG (I./) sowie die Gewährung aufschiebender Wirkung gemäß § 41c EU‑JZG „samt Antrag auf Enthaftung“ (II./).

[18] Darin releviert der Erneuerungswerber eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK), des Rechts auf eine wirksame Beschwerde (Art 13 MRK), des „Rechts auf persönliche Freiheit“ und weiters eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art 7 B‑VG, Art 2 StGG).

[19] Ein Erneuerungsantrag, der sich – wie fallbezogen – nicht auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berufen kann, muss allen gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß entsprechen (RIS‑Justiz RS0122737, RS0128394).

[20] Der Antrag hat deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine – vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende – Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei und sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0124359, RS0128393).

[21] Dabei ist insbesondere eine Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen, wenn der Erneuerungswerber substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (RIS‑Justiz RS0124359 [T1]; Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 13 Rz 16); prozessförmiges Aufzeigen von Rechtsfehlern bedarf einer methodengerechten Ableitung der aufgestellten Rechtsbehauptung aus der reklamierten Grundrechtsverheißung (RIS‑Justiz RS0124359 [T2]).

[22] Schließlich fordert die gebotene Rechtswegausschöpfung (Art 35 Abs 1 MRK) über die bloß formale Ergreifung aller zur Bekämpfung der relevierten Grundrechtsverletzung geeigneten und ausreichenden Rechtsbehelfe (vertikale Erschöpfung) hinaus auch eine inhaltliche Darlegung der relevierten Konventionsverletzung in diesen (horizontale Erschöpfung; RIS‑Justiz RS0122737 [T13]; vgl auch RS0127714).

[23] Ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO kann überdies nur wegen Verletzungen der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle – nicht jedoch auch hinsichtlich Garantien nach der GRC oder wegen (gegenständlich auch relevierter) Verletzung nationaler Grundrechte (wie nach dem B‑VG oder dem StGG) – gestellt werden (RIS‑Justiz RS0132365).

[24] Den oben dargestellten Erfordernissen wird der Erneuerungsantrag nicht gerecht:

[25] Soweit der Erneuerungswerber eine unterbliebene eigenständige Prüfung des Tatverdachts seitens der österreichischen Gerichte releviert, verkennt er, dass die Übernahme der Strafvollstreckung kein Verfahren zur Prüfung der Stichhaltigkeit einer Anklage iSd Art 6 MRK darstellt. Etwaige Ablehnungsgründe für eine Übernahme sind im Wesentlichen anhand der Angaben in der Bescheinigung (§ 41a Abs 1 Z 2 EU‑JZG) in Verbindung mit dem zu vollstreckenden Urteil (Z 1 leg cit) und der Stellungnahme des Verurteilten (Z 3 leg cit) zu prüfen (Wirth/Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 40 Rz 1 mwN; § 41a Rz 5), wobei indes der Tathergang, die Bezeichnung der strafbaren Handlung und die angewendeten Rechtsvorschriften des Ausstellungsstaats als Grundlage für die Exequaturentscheidung ungeprüft vom österreichischen Gericht zu übernehmen sind. § 41b Abs 1 EU‑JZG verdeutlicht, dass der im Ausstellungsstaat festgestellte Sachverhalt und die rechtliche Beurteilung der Tatumstände nicht mehr Gegenstand der inländischen Exequaturentscheidung sind. Entsprechende inhaltliche Mindestanforderungen an die Entscheidung des Vollstreckungsstaats oder etwaige Folgen deren Verletzung enthält auch der Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 („RB FS‑Vollstreckung“) nicht (Wirth/Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 41b Rz 6).

[26] Indem der Erneuerungswerber eine Verletzung von „Grundrechten oder wesentlichen Rechtsgrundsätzen iSd Art 6 EUV“ (§ 40 Z 12 EU‑JZG) und somit erkennbar von Art 6 MRK geltend macht, scheitert er schon daran, dass dieser Ablehnungsgrund nur in Betracht kommt, wenn der Verurteilte keine Möglichkeit hatte, eine etwaige Grundrechtsverletzung vor dem EGMR oder dem EuGH geltend zu machen (Wirth/Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 40 Rz 35). Dass eine Geltendmachung nicht möglich gewesen wäre, wird im Antrag aber nicht einmal behauptet (vgl RIS‑Justiz RS0125393; RS0122737).

[27] Im Übrigen werden mit (hauptsächlich unter Bezugnahme auf eigenes Vorbringen bzw hiezu erstattete Schriftsätze und eine Stellungnahme der Tochter des Einschreiters vom 21. Dezember 2020 erfolgtem) Verweis auf im slowakischen Verfahren (vermeintlich) unsubstantiiert nicht zugelassene Beweisanträge, eine Verletzung des Mündlichkeitsgrundsatzes, die unzulässige Verwertung von Belastungsbeweisen und den vom Beschwerdeführer als unglaubwürdig qualifizierten Belastungszeugen P***** sowie auf die als unzulässig bewertete, auf die identen Belastungszeugen K***** bzw P***** gründende Führung mehrerer Parallelverfahren objektive Anhaltspunkte für eine Verletzung von Art 6 MRK nicht deutlich und bestimmt aufgezeigt. Denn „objektiv“ bedeutet, dass bloße Behauptungen des Betroffenen ohne Vorlage entsprechender Beweismittel nicht ausreichend sind (Wirth/Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 40 Rz 32).

[28] Weiters wird schon grundlegend nicht deutlich und bestimmt dargetan, welche der behaupteten Verletzungen und behaupteten Unzulänglichkeiten im Ermittlungsverfahren bzw in anderen gesondert geführten Verfahren gerade das Urteil des Obersten Gerichtshofs der Slowakischen Republik vom 20. März 2018, AZ 2 To 1/2017z, auf dem allein die bekämpfte Übernahme der Strafvollstreckung gründet, betreffen und somit eine mögliche Verletzung eines Konventionsrechts darstellen könnten.

[29] Auch soweit andere Verfahren betreffende Angaben des K***** – den der Einschreiter als „Universalzeugen“ der Strafverfolgungsbehörden bezeichnet – als unglaubwürdig beurteilt werden, zumal er seine Aussage zwecks erhoffter Wiederaufnahme seines eigenen Verfahrens wiederholt geändert habe und er wegen Falschaussage rechtskräftig verurteilt worden sei, wird eine konkrete Verletzung von Rechten nach der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle im Zusammenhang mit dem gegenständlich relevanten Urteil des Obersten Gerichtshofs der Slowakischen Republik nicht deutlich und bestimmt aufgezeigt.

[30] Dem Einschreiter zuwider, der insbesondere die in der Übersetzung des zu vollstreckenden Urteils enthaltene Wortfolge „und nach anderen“ betreffend die angewandten „Strafrechtsnormen“ und den „bezughabenden Tatbestand“ als unklar sowie die im Urteil getroffenen Negativfeststellungen zum Tatzeitpunkt und Tatmotiv und den in der Bescheinigung (ON 25) über mehrere Seiten reichenden, „kein Ende und keinen Anfang“ aufweisenden „Schachtelsatz“ als unverständlich und grammatikalisch falsch releviert und damit – mangels eigenständiger Prüfung der erhobenen Vorwürfe durch die österreichischen Gerichte – sein „Recht auf wirksame Beschwerde (Art 13 MRK)“ als verletzt erachtet, ist dem Vorbringen eine Relevanz für das reklamierte Grundrecht nicht zu entnehmen.

[31] Im Übrigen liegen auch die behaupteten formellen Mängel iSd § 41a Abs 4 Z 1 EU‑JZG nicht vor. Sowohl der Gegenstand des Schuldspruchs als auch die angewandten Strafrechtsnormen sind dem Urteil des Obersten Gerichtshofs der Slowakischen Republik hinreichend klar zu entnehmen. Damit war aber auch eine weitere Auseinandersetzung mit den vom Erneuerungswerber angebotenen Beweisen durch die österreichischen Gerichte nicht geboten.

[32] Soweit der Antragsteller eine Grundrechtsverletzung wegen Vorliegens formeller Mängel iSd § 41 Abs 1 Z 1 EU‑JZG releviert, wird nicht klar worin konkret die postulierte Verletzung im „Grundrecht auf Beschwerdemöglichkeit“ und im „Grundrecht auf persönliche Freiheit“ (vgl aber RIS‑Justiz RS0122737 [T26]) liegen soll.

[33] Im Übrigen setzt gemäß § 41a Abs 1 Z 1 EU‑JZG die Vollstreckung zwar zwingend voraus, dass dem Gericht das zu vollstreckende Urteil vorliegt, wobei gemäß Art 5 Abs 1 erster Satz RB FS‑Vollstreckung „das Urteil“ oder eine beglaubigte Abschrift des Urteils zusammen mit der Bescheinigung von der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats unmittelbar an die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats in einer Form zu übermitteln ist, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die dem Vollstreckungsstaat die Feststellung der Echtheit gestatten. Gemäß Satz 2 leg cit wird dabei „das Original des Urteils oder eine beglaubigte Abschrift davon“ dem Ausstellungsstaat jedoch nur „auf Verlangen“ undsomit – sofern Zweifel an der Echtheit nicht bestehen – nicht als zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vollstreckung von Amts wegen übermittelt (vgl hiezu auch Wirth/Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 41a Rz 39 f).

[34] Da überdies das inländische Gericht bei der Überprüfung der Zulässigkeitserfordernisse bzw der Ablehnungsgründe hinsichtlich des begehrten Strafvollzugs im Inland – die Richtigkeit der Angaben voraussetzend – grundsätzlich auch auf die Angaben in der Bescheinigung vertrauen darf (Wirth/Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 41a Rz 8) und nach dem mängelfrei begründeten Kalkül des Beschwerdegerichts Zweifel an der Echtheit des zu vollstreckenden Urteils nicht bestehen (BS 4), war das inländische Gericht auch nicht gehalten, vor seiner Entscheidung die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats zu konsultieren. Im Übrigen haben die slowakischen Behörden ersichtlich bloß aufgrund des Umstands, dass die österreichischen Behörden die Übersetzung des zu vollstreckenden Urteils bereits veranlasst haben, von der Übermittlung einer solchen Übersetzung abgesehen (vgl die unjournalisierten E‑Mails vom 6. und 7. Juli 2020 im Ns‑Akt nach ON 22).

[35] Soweit der Erneuerungswerber eine „Verletzung des Gleichheitssatzes“ („Art 7 B‑VG und Art 2 StGG“; der Sache nach Art 14 MRK, vgl auch Art 1 12. ZPMRK – RIS‑Justiz RS0122228 [T7]) im Zusammenhang mit der Festsetzung der Strafhöhe releviert, zumal trotz bloß im Versuchsstadium verbliebener Deliktsbegehung die für zeitliche Freiheitsstrafen vorgesehene Höchststrafe von 20 Jahren festgesetzt wurde (ON 33 S 1 und 5 f), verkennt er, dass eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes schon mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht zu erblicken ist.

[36] Im Übrigen ist bei Übernahme der Strafvollstreckung die im Inland zu vollstreckende Freiheitsstrafe in der Art und Dauer festzusetzen, die im zu vollstreckenden Urteil ausgesprochen ist (§ 41b Abs 2 EU‑JZG). Im Fall des Übersteigens des nach österreichischem Recht für eine entsprechende Straftat oder für vergleichbare Straftaten vorgesehenen Höchstmaßes ist die zu vollstreckende Strafe auf das nach österreichischem Recht für derartige Straftaten vorgesehene Höchstmaß herabzusetzen (Abs 3 leg cit; Wirth/Hinterhofer in WK 2 EU‑JZG § 41b Rz 11); somit vorliegend auf eine zeitliche Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Jahren (§ 75 StGB). Für eine neuerliche, eigenständig durch die österreichischen Gerichte vorzunehmende Strafbemessung bietet das Gesetz im aktuellen Fall somit ebenso keine Grundlage wie für eine „verhältnismäßige“ Straffestsetzung in Ansehung des aktuell bloß zu „60 %“ ausgenützten (slowakischen) Strafrahmens.

[37] Dem Einwand einer in unterbliebener Anrechnung einer Vorhaft im Zeitraum von 7. Februar 2013 bis 30. Juni 2015 gelegenen Verletzung des „Grundrechts auf faires Verfahren“ steht schon das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung entgegen, weil die Anrechnung dieser Vorhaftzeit im Verfahren nicht deutlich und bestimmt (vgl 15 Os 45/17g) reklamiert wurde (ON 22, 32, 36) und der Verurteilte auch keinen Antrag nach § 400 Abs 2 StPO gestellt hat.

[38] Der Erneuerungsantrag war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

[39] Der mit einem Enthaftungsantrag verbundenen Anregung des Erneuerungswerbers, „die Entscheidung über die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 41c EU‑JZG aufzuschieben“ (ersichtlich gemeint: den Strafvollzug zu hemmen), war demgemäß nicht zu folgen.

[40] Das in der nachträglichen Mitteilung des Erneuerungswerbers vom 4. Februar 2021 enthaltene Vorbringen ist als Neuerung unbeachtlich (vgl RIS‑Justiz RS0127726; 12 Os 51/20x).

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