European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00002.21D.0315.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Ein rechtliches Interesse an einer Feststellungsklage ist zu bejahen, wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für alle Mal Klarheit zu schaffen und einen künftigen Leistungsanspruch abzuschneiden (RIS‑Justiz RS0038908). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechts liegt auch dann vor, wenn infolge Verhaltens der Beklagten eine erhebliche objektive Ungewissheit über den Bestand des Rechts entstanden ist und diese Ungewissheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden kann (RS0039202). Eine solche Ungewissheit besteht insbesondere, wenn der Beklagte das Recht des Klägers beharrlich bestreitet (RS0039202 [T7]; RS0039007). Auch der Streit über die Auslegung der Befugnisse einer Partei aus einem Vertrag kann ein Feststellungsinteresse begründen (RS0102433).
[2] Das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung iSd § 228 ZPO richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, denen – vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (
RS0039177 [T1]).
[3] 1.2. Mit einem Weitergaberecht räumt der Bestandgeber dem Mieter das Recht ein, durch bloße Erklärung alle Rechte und Pflichten aus dem Bestandverhältnis auf einen Dritten mit der Wirkung zu übertragen, dass dieser, ohne dass es einer weiteren Erklärung des Bestandnehmers bedarf, an seiner Stelle Bestandnehmer und voller Vertragspartner des Vermieters wird, und somit eine Vertragsübernahme vorliegt (vgl RS0105786; RS0032700; RS0032747).
[4] 1.3. Ein Vergleich ist nach den §§ 914 f ABGB im Sinne der Vertrauenstheorie zu verstehen und so auszulegen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (vgl RS0017943, RS0014696). Demnach ist bei der Auslegung von Vereinbarungen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern ausgehend vom Wortlaut die Absicht der Parteien zu erforschen (vgl RS0017797). Darunter ist allerdings nicht irgendein unkontrollierbarer Parteiwille, sondern nichts anderes als der Geschäftszweck zu verstehen (RS0017756). Ist ein (übereinstimmender) konkreter Parteiwille nicht zu ermitteln, kommt der objektiven Auslegung unter Berücksichtigung des üblichen Verständnisses bestimmter Formulierungen und der redlichen Verkehrsübung entscheidende Bedeutung zu (vgl 1 Ob 221/10x). Die Vereinbarung ist daher unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs (RS0017817 [T3], RS0017902) aufgrund der Erklärungen in dem Sinn, den sie nach der Sachlage notwendigerweise für den Partner haben musste (RS0017781), und damit so auszulegen, wie sie bei objektiver Beurteilung der Sachlage für einen redlichen und verständigen Empfänger zu verstehen war (RS0113932; 4 Ob 173/18x).
[5] Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss, entziehen sie sich zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist (RS0044298 [insb T39, T46], RS0112106 [insb T3], RS0042936 [insb T17]; vgl RS0044358, RS0042776, RS0042555, uva).
[6] Dasselbe gilt für die Auslegung eines Vergleichs (RS0113785).
[7] 2.1. Die Klägerin als Mieterin eines Grundstücks (und Eigentümerin eines darauf errichteten Superädifikats) und der Beklagte als Grundstückseigentümer vereinbarten in einem gerichtlichen Vergleich, dass „der Bestandnehmerin das Recht eingeräumt wird, ihre Rechte und Pflichten aus dem Bestandvertrag zu denselben Bedingungen weiterzugeben“ , und dass „das Weitergaberecht […] durch zweimalige Ausübung [erlischt] “ .
[8] 2.2. Die Vorinstanzen gaben dem Feststellungsbegehren der Klägerin statt, wonach dieses Recht den Inhalt hat, dass das zweite Weitergaberecht dem aufgrund der ersten Weitergabe eintretenden Bestandnehmer zusteht, weil „Rechte und Pflichten aus dem Bestandvertrag zu denselben Bedingungen“ voraussetze, dass die Klägerin als weitergebende Bestandnehmerin alle ihre Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis aufgebe und dem Eintretenden übertrage.
[9] 3. Der Beklagte zeigt mit seiner dagegen erhobenen außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[10] 3.1. Dass die Vorinstanzen ein rechtliches Interesse der Klägerin bejahten, weil hier ein Streit über die Auslegung der Befugnisse der Klägerin vorliegt, ob ihr Recht, ihre Rechte und Pflichten aus dem Bestandvertrag zu denselben Bedingungen weiterzugeben, auch das Recht beinhaltet, ihrem Nachbestandnehmer das (zweite) Weitergaberecht zu übertragen, hält sich im Rahmen der wiedergegebenen Rechtsprechungsgrundsätze und ist nicht korrekturbedürftig.
[11] 3.2. Auch das von den Vorinstanzen in Anwendung der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze erzielte Auslegungsergebnis ist vertretbar. Nach dem klaren Wortlaut des Vergleichs haben die Parteien vereinbart, dass nach Ausübung des Weitergaberechts durch die Klägerin der neue Mieter den Vertrag übernimmt und – mit der Maßgabe, dass das Weitergaberecht nur noch ein weiteres Mal ausgeübt werden kann – voller Vertragspartner des Beklagten wird. Aus der Verwendung des Adjektivs „revolvierend“ für das Weitergaberecht im Spruch ist für den Beklagten nichts zu gewinnen, da der konkrete Inhalt des der Klägerin eingeräumten Rechts, ihrem Nachmieter das (zweite und letzte) Weitergaberecht zu übertragen, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird. Dass die Klägerin im Falle einer Weitergabe die Ausfallshaftung für allfällige beim eintretenden Bestandnehmer gerichtlich nicht einbringlich zu machende Mietausfälle für 18 Monate nach Eintritt des neuen Bestandnehmers in den Bestandvertrag übernahm, spricht nicht gegen das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen.
[12] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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