European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0200DS00011.20B.0309.000
Spruch:
Der Berufung des Beschuldigten wird nicht, jener des Kammeranwalts mit der Maßgabe Folge gegeben, dass eine Geldbuße von 3.300 Euro als Zusatzstrafe sowohl zu der mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 13. Oktober 2017, AZ D 131/14, DV 12/15, verhängten Geldbuße von 1.000 Euro als auch zu der mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 23. September 2019, AZ D 37/18, 12 DV 12/19, verhängten Zusatzgeldbuße von 2.500 Euro, bestimmt wird.
Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auch – prozessual verfehlte (Lendl, WK‑StPO § 259 Rz 1; Ratz, WK‑StPO § 281 Rn 521 ff, 563, RIS‑Justiz RS0120532) – Teilfreisprüche von ähnlichen Vorwürfen hinsichtlich anderer Teile des selben Schriftsatzes (vom 4. Februar 2015) und der selben Schreiben (von 18. und 23. September 2015) enthaltenden Erkenntnis wurde der Beschuldigte der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hierfür unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 13. Oktober 2017, AZ D 131/14, DV 12/15, zu einer Zusatzgeldbuße von 2.500 Euro verurteilt.
[2] Danach hat er
1.1. sich im Verfahren AZ 48 Cg 443/14z des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien als Vertreter der kündigenden Partei in Bezug auf die gekündigte Partei im Schriftsatz vom 4. Februar 2015 durch sein Vorbringen
a. „Obwohl die GP (= gekündigte Partei) verpflichtet ist, dies der KP (= kündigenden Partei) mittels eingeschriebenen Briefes anzuzeigen, hat sich RA Dr. ***** S***** auch über dieses Gebot rechtswidrigerweise hinweggesetzt, was ja auch seinem Vorsatz, die KP über die Identität der wahren Bestandnehmerin zu täuschen, entsprach.“
b. „Um für sich (Dr. S*****) einen Vermögensvorteil zu schaffen und diesen zu maximieren, ist er bereit, gegen Gesetze und/oder von ihm übernommene vertragliche Verpflichtungen zu verstoßen.“
c. „RA Dr. ***** S***** scheint den Hals nicht vollzukriegen.“
d. „Sein (Dr. S*****s) Vorgehen ist unmoralisch, unethisch und rechtswidrig. Er schadet damit nicht nur sich selbst, sondern auch dem Ansehen des Anwaltsstandes.“
unsachlicher, Dr. ***** S***** verhöhnender und beleidigender Äußerungen bedient und
1.2 Dr. ***** N*****, Rechtsanwalt in *****, als Vertreter von Dr. ***** S*****, durch die Vorwürfe
a. Im Schreiben vom 18. September 2015:
‑ „Dies verwundert auch nicht, weisen Sie sich selber zwar auf Ihrer Homepage als Lawfather (??), was höchstens zum Schmunzeln verleitet, nicht aber als im Strafrecht versierter Rechtsanwalt aus. Das Strafrecht gehört offensichtlich nicht zum Repertoire des Dirigenten.“
‑ „Mit diesem Vorgehen, das in seiner Gesamtbetrachtung als unzulässige Druckausübung zu qualifizieren ist, gießen Sie nur Öl ins Feuer!“
b. Im Schreiben vom 23. September 2015:
„Der Versuch, Ihre haltlosen, gegen meine Mandantin direkt gerichteten Vorwürfe und meine Zurückweisung dieser als Ergebnis unterschiedlicher Rechtsansichten darzustellen, zeigt, dass Sie jede Einsicht in das strafrechtlich Verpönte solchen Vorgehens (Diskretionsfähigkeit) vermissen lassen“,
unnötig in Streit gezogen.
[3] Bei der Strafzumessung ging der Disziplinarrat von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen aus, wertete als mildernd die lange Verfahrensdauer und als erschwerend eine Vorstrafe sowie das Vorliegen mehrerer strafbarer Handlungen. Unter Bedachtnahme auf das Vorerkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 13. Oktober 2017, mit dem eine Geldbuße von 1.000 Euro verhängt wurde, lägen drei strafbare Handlungen vor, weshalb die Zusatzgeldbuße mit 2.500 Euro auszumessen war.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen das verurteilende Erkenntnis richten sich die Berufungen des Beschuldigten wegen Nichtigkeit und Strafe sowie des Kammeranwalts wegen Strafe. Beschuldigter und Kammeranwalt haben jeweils eine Gegenausführung erstattet mit dem Antrag, der Berufung des Gegners nicht Folge zu geben. Zur Stellungnahme der Generalprokuratur hat der Beschuldigte eine Äußerung eingebracht.
[5] Entgegen dem Vorbringen des Beschuldigten sind die Vorwürfe gemäß Schuldspruch 1.2 nicht durch § 9 Abs 1 RAO gedeckt. Vielmehr verlangte der zur Tatzeit gültige § 20 RL‑BA 1977 (nunmehr § 21 RL‑BA 2015 – vgl Engelhart in Engelhart et al, RAO10, § 21 RL‑BA 2015 Rz 1) im Umgang mit anderen Rechtsanwälten die Einhaltung des Prinzips der Kollegialität und verbat insbesondere, andere Rechtsanwälte unnötig in den Streit zu ziehen und persönlich anzugreifen.
[6] Herabsetzend wertende, primär beleidigende Kritik am beruflichen Verhalten kann nicht mit den Grundfreiheiten nach Art 10 EMRK oder Art 13 StGG gerechtfertigt und mit der Vertretungspflicht nach § 9 RAO begründet werden (26 Os 14/15a; Engelhart in Engelhart et al, RAO10, § 21 RL‑BA 2015, Rz 5).
[7] Der Beschuldigte erachtet sich in seiner Formulierungsfreiheit beschränkt, unterlässt es jedoch, in seiner auf Z 9 lit a gestützten Rechtsrüge darzustellen, warum es fallbezogen aus sachlichen Gründen erforderlich gewesen sein sollte, die in Punkt 1.2 des Spruchs des angefochtenen Erkenntnisses wiedergegebenen Formulierungen zu verwenden.
[8] Art 10 Abs 2 EMRK sieht im Hinblick darauf, dass die Ausübung der Meinungsfreiheit auch Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Einschränkungen und von Strafdrohungen vor, wenn sie im Sinne einer demokratischen Gesellschaft unter anderem zum Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind. Standesrechtlich vorgesehene Disziplinarmaßnahmen sind daher bei bestimmten Meinungsäußerungen zulässig (VfGH B 1359/12, Slg 18.001; im Zusammenhang mit § 21 RL‑BA 1977: 29 Os 1/14k). Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind in diesem Zusammenhang dann überschritten, wenn die Äußerung unter dem Gesichtspunkt des Sachlichkeitsgebots schon per se nicht geeignet ist, ihrem Zweck zu dienen. Deshalb sind eine pauschalierende Polemik sowie beleidigende und unsachliche Äußerungen ungeeignet, dem (berechtigten) Anliegen der Rechtsverfolgung zum Durchbruch zu verhelfen. Auch unsachliche Äußerungen, die darauf abzielen, den Adressaten herabzusetzen oder lächerlich zu machen, verfehlen das berechtigte Ziel der Rechtsverfolgung. Das gleiche gilt für Äußerungen, die von persönlicher Animosität geprägt sind und regelmäßig inhaltlich nichts für den vertretenen Standpunkt beitragen (Lehner in Engelhart et al, RAO10 § 9, Rz 16; RIS‑Justiz RS0046059; RS0071963; RS0072230; 20 Ds 4/20y).
[9] Demgemäß ist die rechtliche Beurteilung durch den Disziplinarrat, wonach die beiden Schreiben vom 18. und 23. September 2015 einen persönlichen Angriff auf Rechtsanwalt Dr. N***** im Sinne einer unsachlichen Beleidigung darstellen, nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0056168 [T8, T17]). Bleibt anzumerken, dass dem Disziplinarbeschuldigten keine situationsbedingten Unmutsäußerungen („mit einem möglichen Wortüberschwang“ – vgl VfSlg 19.117), sondern Formulierungen in zwei Schreiben zur Last liegen, die sich keiner sachlichen Ausdrucksweise bedienten, vielmehr beleidigende Bemerkungen enthalten, welche den Rahmen zulässiger Kritik an einem Berufskollegen überschreiten (RIS‑Justiz RS0055208 [T16]).
[10] Die auf Z 9 lit b gestützte Rechtsrüge geht ebenso fehl. Zwar gilt auch im Anwaltsdisziplinarverfahren (§ 77 Abs 3 DSt) der Grundsatz der Bindungswirkung von Entscheidungen („ne bis in idem“; RIS‑Justiz RS0101270). Bei den vom Teileinstellungsbeschluss vom 18. April 2018, TZ 47, umfassten Äußerungen des Beschuldigten aus dem Schriftsatz vom 4. Februar 2015 und aus den Schreiben von 18. und 23. September 2015 (TZ 47, Spruchpunkte 2., 5. und 6.) besteht keine inhaltliche Übereinstimmung mit den inkriminierten Äußerungen bzw liegt der Kern des Vorwurfs in Spruchpunkt 1.2 a) des angefochtenen Erkenntnisses in der Verspottung, das Strafrecht gehöre „offensichtlich nicht zum Repertoire des Dirigenten“. Zu all dem sei angemerkt, dass die Mehrzahl der Äußerungen im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit als Gesamtkomplex zu sehen ist, ohne dass jede einzelne isoliert auf Tatbestandsmäßigkeit zu prüfen wäre (vgl RIS‑Justiz RS0092588 [insbes T33, T35, T39]; 11 Os 115/19z; jüngst 20 Ds 4/20y; hier etwa hinsichtlich I.1.a. und b.). Die Teileinstellung TZ 47 – mag sie auch prozessual verfehlt gewesen sein (RIS‑Justiz RS0120532 [T3]) – entfaltet daher mit Blick auf den (zufolge Fassung des am gleichen Tag ergangenen Einleitungsbeschlusses hinsichtlich anderer Formulierungen [TZ 48]) unzweifelhaft erkennbaren Gegenstand des (fortgesetzten) Disziplinarverfahrens entgegen der Ansicht des Beschuldigten keine Sperrwirkung gegen die nunmehrige Verurteilung.
[11] Der in Bezug auf Schuldspruch 1./1./ erhobene Einwand (Z 9 lit a) vermag nicht zu überzeugen, dass durch die im Schriftsatz vom 4. Februar 2015 enthaltenen Äußerungen (in ihrer Gesamtheit), insbesondere durch die Passagen „Rechtsanwalt Dr. ***** S***** scheint den Hals nicht vollzukriegen.“ und „Sein [Dr. S*****s] Vorgehen ist unmoralisch, unethisch [...]“, – ungeachtet dessen, dass der (auch erhobene) Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens durch Mandanteninformationen gedeckt oder sich im Kern als wahr herausgestellt hat – die Grenzen des § 9 Abs 1 RAO und des Art 10 MRK nicht überschritten worden sein sollen.
[12] Zwar ist der Rechtsanwalt gemäß § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO befugt, „alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten“. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0056168 [insbes T11]; vgl auch VfSlg 15.586) genießen aber – hier getätigte – unsachliche und bei einer Gesamtbetrachtung in erkennbar beleidigender Absicht vorgenommene Äußerungen nicht den Schutz der freien Meinungsäußerung.
[13] Das neue Vorbringen im Rahmen der Berufung, ausweislich des Protokolls vom 9. November 2018 des Verfahrens AZ 48 C 443/14z des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien habe Dr. S***** das Vorbringen im Schriftsatz vom 4. Februar 2015 zugestanden, scheitert bereits daran, dass nicht dargelegt wird, warum fallbezogen die Voraussetzungen der bloß eingeschränkten Neuerungserlaubnis im Berufungsverfahren (§ 49 DSt; vgl RIS‑Justiz RS0129770) vorliegen sollten, zumal eine auf Basis des Einleitungsbeschlusses vorzunehmende Vorbereitung zur Disziplinarverhandlung erster Instanz dem Rechtsmittelwerber zumutbar gewesen wäre und schon deren Unterlassung ein Indiz für ein Versehen nicht bloß minderen Grades darstellt (vgl Engelhart et al, RAO9 § 49 DSt Rz 10). Außerdem übersieht der Beschuldigte, dass seine Äußerungen im Gegenstand per se unzulässig sind. Der Rechtsanwalt als qualifizierter Jurist hat sich nämlich stets in Wort und Schrift einer sachlichen Ausdrucksweise zu bedienen und jede unsachliche oder beleidigende Äußerung zu unterlassen (RIS‑Justiz RS0055208). Unsachliche und (durch Herabsetzung des Adressierten) auch beleidigende Äußerungen gehen über die Befugnis des § 9 RAO zu unumwundenem Vorbringen jedenfalls hinaus, wenn sie mit einer energischen und zielbewussten Vertretung des Mandanten kaum in Zusammenhang zu bringen und lediglich Ausdruck einer mit persönlicher Animosität geführten Kontroverse sind (RIS‑Justiz RS0117215, vgl auch RS0072230).
[14] Da die zu 1./1./ inkriminierten Äußerungen in einem Verfahrensschriftsatz enthalten waren, gelangten sie naturgemäß einer Mehrzahl weiterer Personen (Richterin, Kanzleibedienstete bei Gericht, etc) zur Kenntnis (vgl RIS‑Justiz RS0055086, RS0054876), sodass diesbezüglich auch eine Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) vorliegt. Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die beiden Schreiben an Rechtsanwalt Dr. N***** (1./2./) zur „persönlichen Eröffnung“ übersendet wurden (vgl Beilagen ./4 und ./5), sodass in diesem Zusammenhang das Publizitätserfordernis jeweils nicht erfüllt ist, der Disziplinarrat aber (erkennbar) ohnehin (zutreffend) nur in Bezug auf Schuldspruch 1./1./ von einer Verwirklichung des Tatbestands (auch) des § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt ausging (ES 2).
[15] Das Vorbringen in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur, der Teilfreispruch im Rahmen der tatbestandlichen Handlungseinheit stehe dem Schuldspruch 1./1./ entgegen, verkennt die prozessualen Gegebenheiten gründlich: wird ein Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) klar zum Ausdruck gebracht, vermag dies von (lediglich prozessual) verfehlten Teilfreisprüchen im Rahmen der insgesamt als schuldspruchrelevant erachteten tatbestandlichen Handlungseinheit nicht tangiert zu werden (vgl etwa Ratz in WK2 StGB § 28 Rz 83 ff mwN).
[16] Auch die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) versagt. Bei Bemessung einer Zusatzstrafe ist zu prüfen, welche Strafe innerhalb der Grenzen von § 31 StGB bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen wäre (§ 40 StGB), weshalb bei der Strafzumessung die Heranziehung von Sachverhaltselementen der früheren Verurteilung entgegen der Auffassung des Beschuldigten nicht nur nicht unzulässig, sondern – wenn dies nicht zur Begründung der Strafbarkeit oder einer Qualifikation geschieht (RIS‑Justiz RS0120469) – vielmehr sogar geboten ist.
[17] Im bisher behandelten Umfang war der Berufung des Beschuldigten – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – nicht Folge zu geben.
[18] Die Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen die Höhe der verhängten Zusatzgeldbuße ist nicht im Recht. Unzutreffend erweist sich der Einwand, schon bei der Geldbuße der früheren Verurteilung durch den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien vom 31. Oktober 2017, auf welche die Bedachtnahme erfolgte, hätte es sich um eine „zusätzliche Verurteilung“ gehandelt. Eine Prüfung dieses Erkenntnisses vom 31. Oktober 2017, AZ D 131/14, DV 12/15, und der dazu ergangenen Rechtsmittelentscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28. November 2018, GZ 26 Ds 8/18b‑9, ergibt keinen Hinweis auf ein Vorerkenntnis, auf welches Bedacht genommen wurde oder hätte werden müssen (§§ 31, 40 StGB).
[19] Die Berufung des Kammeranwalts ist im Ergebnis berechtigt:
[20] Das Erkenntnis vom 23. September 2019 zu AZ D 37/18, 12 Ns 12/19 des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer begründet allerdings keine Vorstrafe. Es erwuchs erst durch Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 14. Juli 2020, 20 Ds 4/20y, in Rechtskraft, sodass darauf im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht Bedacht genommen werden konnte. Die Berufungsinstanz hat jedoch auf ein nach dem angefochtenen Urteil gefälltes (inzwischen auch rechtskräftig gewordenes) Urteil betreffend eine vor dem nunmehr bekämpften Urteil verübte Tat Bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0090926), wenn die Tatzeit der mit diesem abgesprochenen Straftat zur Gänze vor dem angefochtenen Erkenntnis liegt, weil in einem solchen Fall die gemeinsame Aburteilung schon in dem früheren Verfahren an sich möglich gewesen wäre. Es ist – wenn die Voraussetzungen erst im Zeitpunkt der Strafbemessung durch das Rechtsmittelgericht vorliegen – § 31 StGB (originär) von diesem anzuwenden (RIS‑Justiz RS0090926, RS0090964, Ratz in WK² StGB § 31 Rz 2 f).
[21] Das Zusammentreffen mehrerer Disziplinarvergehen mit einem Schwergewicht auf unsachlichen und beleidigenden Ausführungen in einer Mehrzahl von Schriftsätzen über längere Zeit (siehe bereits 20 Ds 4/20y) ist bei der Strafbemessung als erschwerend zu werten. Als mildernd kommen dem Beschuldigten sein bisher ordentlicher Wandel, das längere Zurückliegen der Taten und die lange Verfahrensdauer zu Gute – letztere wird mit 200 Euro bewertet und von der tatschuldangemessenen Zusatzstrafe von 3.500 Euro abgezogen, sodass sich die aus dem Spruch ersichtliche Geldbuße errechnet (wobei die insgesamt aufgeheizte Atmosphäre in dem Kündigungsverfahren angemessen Berücksichtigung fand).
[22] Sowohl spezial- als auch generalpräventiv soll durch die Unrechtsfolge klar gemacht werden, dass Rechtsanwälte, die naturgemäß „mit Worten trefflich streiten“, deren Würde zu bewahren haben.
[23] Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.
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