Rechtssatz
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung fordert besondere Zurückhaltung bei der Beurteilung einer Äußerung als strafbares Disziplinarvergehen (Erkenntnis des VfGH vom 30.11.1993, B 1355/93).
9 Bkd 1/94 | OGH | 09.05.1994 |
Vgl auch; Beisatz: Die Grenzen des unumwundenen Vorbringens sind schon im Hinblick auf das Recht der freien Meinungsäußerung (Art 13 StGG, Art 10 MRK) weit zu ziehen. (T1) |
10 Bkd 5/96 | OGH | 21.04.1997 |
Beisatz: Der Rechtsschutzauftrag an einen Verteidiger im Zusammenhalt mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung schließt auch ein Vorbringen ein, das verletzen, schockieren oder beunruhigen kann. (T2); Beisatz: Hier: Kritik des Disziplinarbeschuldigten am VerbotsG (insbesondere dessen § 3g) welche sich noch einigermaßen in einem von bestimmten Rechtsgelehrten vorgegeben Rahmen hält. (T3) |
1 Bkd 11/99 | OGH | 20.12.1999 |
Auch; Beisatz: Das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung steht dem Rechtsanwalt auch in eigener Sache zu. (T4); Beisatz: Die einfachgesetzlichen Verpflichtungen, die Rechte des Rechtsanwaltes, seine Partei mit "Eifer" zu vertreten, und seine Befugnis zu "unumwundenen" Vorbringen gelten auch in eigener Sache des Rechtsanwaltes. (T5) |
9 Bkd 1/98 | OGH | 25.09.2000 |
Beisatz: Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gilt nicht nur für "Nachrichten" oder "Ideen", die ein positives Echo haben oder die als unschädlich oder gleichgültig angesehen werden. Dieses für ein demokratisches Gemeinwesen unverzichtbare Grundrecht steht jedermann zu; umso mehr muss das Recht sachlicher Kritik den Berufsgenossen selbst eröffnet sein. (T6) |
11 Bkd 9/00 | OGH | 26.02.2001 |
Auch |
Ds 8/01 | OGH | 18.03.2002 |
Beisatz: Im gleichen Sinn VfGH vom 25.9.2001, B47/00, wonach auch eine im Wortüberschwang erfolgende Kritik in einer demokratischen Gesellschaft zu tolerieren und nicht mit einer disziplinären Verurteilung zu sanktionieren ist. (T7) |
15 Bkd 1/02 | OGH | 18.11.2002 |
Auch |
2 Bkd 2/02 | OGH | 13.01.2003 |
Auch |
4 Bkd 3/03 | OGH | 03.11.2003 |
Vgl auch; Beis wie T2 |
6 Bkd 1/06 | OGH | 25.09.2006 |
Vgl auch; Beisatz: Unsachliche und bei einer Gesamtbetrachtung in erkennbar beleidigender Absicht vorgenommene Äußerungen über das berufliche Wirken von Standeskollegen genießen nicht den Schutz der freien Meinungsäußerung, da in einer demokratischen Gesellschaft ein dringendes soziales Bedürfnis besteht, das Ansehen der Rechtsprechung zu wahren. (T8) |
16 Bkd 4/06 | OGH | 16.10.2006 |
Beis wie T4; Beisatz: Bei prozessualen Vorbringen genügt ein äußerst schmales Tatsachensubstrat, um eine an sich beleidigende Äußerung zu rechtfertigen. (T9) |
11 Bkd 2/06 | OGH | 09.10.2006 |
Vgl auch; Beisatz: Die Behauptung in einer schriftlichen Erklärung gegenüber einem amerikanischen Gericht, bestimmte Vorgänge in einem österreichischen Verfahren - wenn diese auch keine Mangelhaftigkeit nach den österreichischen Verfahrensgesetzen begründen - würden wesentliche Grundsätze des Rechts der USA verletzen, sodass es sich beim Verfahren gegen die Mandantin vor dem österreichischen Gericht um keinen fairen Prozess (fair trial) gehandelt habe, bewegt sich im Rahmen erlaubter Kritik. (T10) |
11 Bkd 1/07 | OGH | 29.10.2007 |
Auch; Beis wie T1; Beis wie T8 nur: Unsachliche und bei einer Gesamtbetrachtung in erkennbar beleidigender Absicht vorgenommene Äußerungen genießen nicht den Schutz der freien Meinungsäußerung, da in einer demokratischen Gesellschaft ein dringendes soziales Bedürfnis besteht, das Ansehen der Rechtsprechung zu wahren. (T11)<br/>Beisatz: Die Grenze der freien Meinungsäußerung ist darin zu sehen, ob eine Äußerung oder ein Verhalten in einer demokratischen Gesellschaft noch hinzunehmen ist, ohne dass die öffentliche Ordnung oder das Ansehen oder die Unparteilichkeit der Rechtsprechung dadurch Schaden erleiden. Die Beurteilung hängt sohin davon ab, wie weit Äußerung und/oder Verhalten - trotz eines gewissen Wort- oder Verhaltensüberschwanges - noch als energische und zielbewusste Vertretung des Mandanten angesehen werden können. (T12) |
10 Bkd 5/05 | OGH | 02.06.2008 |
Auch; Beis wie T7; Beisatz: Hier: Äußerung des Beklagtenvertreters, es bestehe der dringende Verdacht, dass sich der Kläger widerrechtlich in den Besitz eines Einzelgesprächsnachweises gesetzt habe, da er als Richter entsprechende Möglichkeiten habe. (T13)<br/>Bem: Die von der OBDK zunächst bestätigte Verurteilung wurde nach einer erfolgreichen VfGH-Beschwerde (B 579/07) in einen Freispruch abgeändert. (T14) |
11 Bkd 1/08 | OGH | 09.06.2008 |
Beis wie T11; Beis wie T12 |
10 Bkd 10/09 | OGH | 08.03.2010 |
Auch; Beisatz: Soll unter dem Gesichtspunkt der Standes- und Berufungspflichtenverletzung eine Meinungsäußerung disziplinär geahndet werden, so handelt es sich dabei zwar um einen vom Gesetz vorgesehenen Eingriff im Sinne des Art 10 Abs 2 EMRK, er muss allerdings einen oder mehrere der in Art 10 Abs 2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und zur Erreichung dieser Zwecke in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein. Die Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung ist eine taugliche Einschränkung des Rechtes der freien Meinungsäußerung des Rechtsanwalts. (T15) |
6 Bkd 7/09 | OGH | 26.07.2010 |
Auch; Beis wie T4 |
12 Bkd 4/10 | OGH | 29.11.2010 |
Vgl auch; Beis wie T11 |
13 Bkd 2/10 | OGH | 18.10.2010 |
Auch |
24 Os 6/15k | OGH | 09.09.2015 |
Beisatz: Es verletzt Ehre und Ansehen des Standes, Justizangehörigen ohne sachliche Grundlage und ohne Not im Rahmen von Rechtsschutzeingaben – über die (zulässige) Behauptung von Gesetzesverletzungen hinaus – doloses Vorgehen aus unlauteren Motiven zu unterstellen. (T16) |
26 Os 4/16g | OGH | 21.12.2016 |
Vgl auch; Beisatz: Nach ständiger Rechtsprechung werden aber die Grenzen des § 9 Abs 1 RAO und des Art 10 MRK überschritten, wenn sich der Rechtsanwalt unsachlicher und/oder erkennbar beleidigender Äußerungen bedient. (T17)<br/>Beisatz: Hier: Keine Äußerung im Wortüberschwang, sondern nach Überlegung verfasstes und abgeschicktes Schreiben. (T18) |
26 Ds 9/18z | OGH | 10.12.2018 |
Beis wie T16; Beis wie T17, Beis wie T18 |
20 Ds 11/20b | OGH | 09.03.2021 |
Vgl; Beis wie T8; Beis wie T11; Beis wie T17 |
Dokumentnummer
JJR_19940530_OGH0002_012BKD00001_9400000_002
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