OGH 20Ds5/18t

OGH20Ds5/18t16.10.2018

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 16. Oktober 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshof Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 25. September 2017, AZ D 60/16 (DV 18/17), TZ 24, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Mag. Stani und des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Dr. Hackl zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0200DS00005.18T.1016.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche von ähnlich gelagerten Vorwürfen enthaltenden Erkenntnis wurde der Beschuldigte der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 (Abs 1 erster und zweiter Fall) DSt schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldbuße von 5.000 Euro verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er als Verteidiger eines in Richtung § 3h VG Angeklagten in der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht im Schlussplädoyer unterstellt, „die Staatsanwältin schwimmt noch auf der alten Welle eines untergehenden Systems. Dieses System der Bespitzelung, der Vernaderung und der Verfolgung wollen wir in diesem Land nicht mehr haben“, und dadurch die Grenzen der zulässigen sachlichen Verteidigung überschritten.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschuldigte bekämpft dieses Erkenntnis mit einer Berufung wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen [der Sache nach in concreto § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO] in deren Rahmen siehe RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe (§ 467 Abs 3 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt).

Der Schuldberufung gelingt es nicht, Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken. Dieser hat den in einem Angriff nach Art einer politischen Rede und einer Herabwürdigung staatlicher Behörden und Organe, denen „Bespitzelung, Vernaderung und Verfolgung“ unterstellt wird, gelegenen Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerung (vgl RIS‑Justiz RS0092588) aus dem im Hauptverhandlungsprotokoll festgehaltenen (und vom Disziplinarbeschuldigten nicht bestrittenen – TZ 23) Wortlaut sowie logisch-empirisch unbedenklich aus dem fehlenden sachlichen Kontext zu sonstigen Ausführungen im Rahmen der Verteidigung abgeleitet. Weder mit dem Vorbringen, die Formulierung hätte lediglich bezweckt, den Geschworenen klar zu machen, eine Anklageerhebung bedeute nicht, dass der Angeklagte tatsächlich schuldig ist, noch mit der Behauptung, die „Kernaussage“ wäre gewesen, die Geschworenen sollten „nicht prima vista davon ausgehen, dass nur weil ein Staatsanwalt irgendetwas verfolgt, da auch etwas dran sein muss“, werden Umstände aufgezeigt, die geeignet wären, Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken.

Der Erledigung des der Sache nach als Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu wertenden weiteren Berufungsvorbringens ist vorauszuschicken, dass ein Rechtsanwalt gemäß § 9 Abs 1 RAO zwar befugt ist, alles was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für tunlich erachtet, unumwunden vorzubringen. Unsachliche oder beleidigende Äußerungen sind aber weder unter dem Gesichtspunkt gewissenhafter Vertretung (RIS‑Justiz RS0055897 [T9]), noch unter jenem der Meinungsfreiheit (RIS‑Justiz RS0056168 [T11]) zulässig; der Anspruchsdurchsetzung nicht dienliche beleidigende, polemische oder sonst unsachliche Äußerungen und Ausfälle widerstreiten den Gesetzen (RIS‑Justiz RS0072230; vgl auch RS0055208; zur Reichweite des § 9 Abs 1 RAO ausführlich 20 Ds 11/17y).

Der Rechtsmittelstandpunkt, wonach dennoch im vorliegenden Fall „ziemlich jedes Verteidigungsmittel erlaubt sein muss“, erschöpft sich in einer bloßen Rechtsbehauptung ohne methodisch vertretbare Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116569; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 588 ff).

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – nicht Folge zu geben.

Der in der Berufungsschrift völlig begründungslos gebliebenen Strafberufung entgegen ist die vom Disziplinarrat ausgemessene Geldbuße nicht zu beanstanden. Richtig wurde eine Vorverurteilung als erschwerend qualifiziert und auch das Nichtvorliegen von Milderungsgründen erkannt.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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