European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0260OS00004.16G.1221.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, wie aus der Ausfertigung erkennbar hervorgeht, des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt.
Demnach hat er in einem Ablehnungsantrag vom 25. Februar 2013 zu FN ***** des Landesgerichts ***** zur Begründung unter anderem vorgebracht, dass die abgelehnte Richterin ***** bei der Entscheidung über einen Antrag des Beschuldigten „eine krasse, ja regelrecht skandalöse Fehlbeurteilung“ getroffen habe (S 2 und 5 des angefochtenen Erkenntnisses).
Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten (vgl RIS‑Justiz RS0128656). Sie verfehlt ihr Ziel.
Rechtliche Beurteilung
1. Indem der Beschuldigte statt der Gründe des Erkenntnisses (S 2, 5) dessen Spruch (nämlich das Referat iSv § 260 Abs 1 Z 1 StPO) in den Blick nimmt, verfehlt er den Bezugspunkt der geltend gemachten Aktenwidrigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO). Diese betrifft die Relation zwischen einem Beweisergebnis (Inhalt einer in der Verhandlung vorgekommenen Urkunde oder Aussage) und dessen Wiedergabe in den Entscheidungsgründen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 426; vgl RIS-Justiz RS0099431).
2. Die insoweit nicht ausgeführte Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld iSd § 464 Z 2 erster Fall StPO weckt keine Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den in der angefochtenen Entscheidung vom Disziplinarrat festgestellten Sachverhalt.
3. Soweit sich die Berufung gegen die rechtliche Beurteilung jenes Sachverhalts wendet (Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO), ist ihr zu erwidern:
Der Beschuldigte reklamiert, dass es sich um zulässige Kritik gehandelt habe. Er zeigt jedoch keine rechtliche Fehlbeurteilung des festgestellten Sachverhalts auf. Zwar ist der Rechtsanwalt nach § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO befugt, „alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten“.
Nach ständiger Rechtsprechung werden aber die Grenzen des § 9 Abs 1 RAO und des Art 10 MRK überschritten, wenn sich der Rechtsanwalt unsachlicher und/oder erkennbar beleidigender Äußerungen bedient (zB VfSlg 15.586). Dies war den Feststellungen zufolge hier der Fall. Weshalb die rechtliche Beurteilung durch den Disziplinarrat, dass die inkriminierte Passage des Ablehnungsantrags über den zur Darlegung des Ablehnungsgrundes notwendigen Inhalt hinausgegangen und als unsachlich und beleidigend zu qualifizieren ist (vgl RIS‑Justiz RS0056168 [T7]), unzutreffend sein sollte, ist nicht zu ersehen. Angemerkt sei auch, dass der Beschuldigte keine Äußerung im Wortüberschwang getätigt hat (VfSlg 19.117), sondern das Schreiben nach Überlegung in seiner Kanzlei verfasst und abgeschickt hat. Bei der konstatierten Wortwahl handelte es sich um keine sachliche Ausdrucksweise, sondern um eine beleidigende Äußerung, welche die zulässige Kritik am Vorgehen des Gerichts übersteigt (RIS‑Justiz RS0055208).
Entgegen der Rechtsansicht des Beschuldigten ist die Ausdrucksweise in seinem Antrag dem angefochtenen Erkenntnis zufolge einem größeren Personenkreis bekannt geworden, wenn man die involvierten Organe der Rechtsprechung sowie die gerichtlich Bediensteten (Kanzlei, Schreibabteilung) berücksichtigt.
Die weitere Rechtsrüge (nominell Z 9 lit b) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb zum Zeitpunkt der festgestellten Einbringung des Ablehnungsantrags rechtlich eine Notstandssituation vorgelegen sein sollte (RIS-Justiz RS0116565).
4. Über den Beschuldigten hat der Disziplinarrat die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt, somit die geringste mögliche Strafe (§ 16 DSt). Für eine Reduktion (vgl § 49 DSt aE) blieb daher kein Raum.
5. Der Berufung war demnach ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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