OGH 2Ob32/20z

OGH2Ob32/20z24.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1. Ö***** GmbH, *****, 2. Verein *****, und 3. J***** R*****, alle vertreten durch Müller Schubert & Partner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 207.500,30 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Schifffahrtsobergericht vom 20. Dezember 2019, GZ 129 R 128/19w‑16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00032.20Z.0424.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Am 18. 6. 2016 kam es auf der Donau bei Dürnstein zu einer Kollision zwischen der DFS S***** und der MS A*****, wodurch an beiden Schiffen erheblicher Sachschaden entstand. Die Klägerin ist Eigentümerin der MS A*****. Die Erstbeklagte ist die Konzessionsinhaberin und der Zweitbeklagte ist der Eigentümer der DFS S*****. Der Drittbeklagte war im Zeitpunkt der Kollision Schiffsführer der DFS S*****.

Die Klägerin schloss sich dem ua gegen den Drittbeklagten aufgrund des Unfalls wegen §§ 88 Abs 1 und 4, 177 Abs 1 StGB geführten Ermittlungsverfahren als Privatbeteiligte an. Dieses Ermittlungsverfahren gegen den Drittbeklagten wurde am 20. 4. 2018 nach § 190 Z 2 StPO eingestellt, wovon die Klägerin am 2. 5. 2018 verständigt wurde.

Die Klägerin brachte wegen der unfallkausalen Schäden die auf Zahlung von 207.500,30 EUR sA gerichtete Klage am 16. 4. 2019 beim Erstgericht ein.

Das Berufungsgericht wies in teilweiser Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung das Klagebegehren gegen alle Beklagten ab, weil nach Art 7 Z 1 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen (BGBl 204/1966; im Folgenden „Übereinkommen“) die Schadenersatzansprüche mit Ablauf von zwei Jahren seit dem Ereignis verjährten. Zur Anspruchsverfolgung gegenüber dem Drittbeklagten liege keine gehörige Fortsetzung iSd § 1497 ABGB vor. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Die in einer (angeblich) unzutreffenden Begründung erblickte Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor. Schon die diesbezüglichen Revisionsbehauptungen lassen sich unter keinen der in dieser Bestimmung geregelten Tatbestände subsumieren.

2. Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit wurden geprüft; auch sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

3. Das Übereinkommen gilt gemäß dessen Art 1 Z 1 für den Ersatz des Schadens, der durch den Zusammenstoß von Binnenschiffen in den Gewässern einer der Vertragsparteien den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen zugefügt wird. Gemäß Art 7 Z 1 verjähren die (von diesem Übereinkommen erfassten) Schadenersatzansprüche mit Ablauf von zwei Jahren seit dem Ereignis.

Das Übereinkommen gilt somit für den Ersatz von Schäden, die durch ein Binnenschiff einem anderen Binnenschiff zugefügt wurden. Die Nationalität der beteiligten Schiffe und Personen ist für die Anwendbarkeit des Übereinkommens ohne Belang (8 Ob 125/82 mwN = RS0053003). Das Übereinkommen berührt die Frage, welche Personen für ihr eigenes Verschulden oder das Verschulden anderer zur Haftung herangezogen werden können, überhaupt nicht und überlässt ihre Lösung weiterhin dem nationalen Recht (2 Ob 230/12f mwN; 8 Ob 125/82; RS0053010).

Die im vorliegenden Fall geltend gemachten Schadenersatzansprüche der Klägerin unterliegen den Bestimmungen des Übereinkommens. Für sie gilt daher die in Art 7 Z 1 des Übereinkommens normierte zweijährige (objektive) Verjährungsfrist (8 Ob 125/82).

Daran vermag entgegen der Meinung der Klägerin der Umstand nichts zu ändern, dass Art 7 Z 3 des Übereinkommens für die Unterbrechung und Hemmung der Verjährung auf die lex fori, hier also auf österreichisches Verjährungsrecht verweist. Sie übersieht dabei, dass die österreichische Rechtsordnung zahlreiche objektive Verjährungsfristen kennt (vgl etwa RS0128185; RS0132882). Selbst § 1489 ABGB, den die Klägerin angewendet wissen will, normiert neben der subjektiven dreijährigen eine objektive 30‑jährige Verjährungsfrist, die bereits vor Kenntnis von Schaden und Schädiger ablaufen kann (RS0034502). Die mangelnde rechtzeitige Kenntnis von Schaden und Schädiger, die hier ohnehin nicht behauptet wird, wäre daher nicht geeignet, die unmittelbare Anwendbarkeit des Übereinkommens anzuzweifeln.

4. Die Klägerin verkennt, dass die Ausnahmevorschrift des § 468 Abs 2 ZPO keine Neuerungen zur Stützung oder Widerlegung des Sachantrags ermöglicht, sondern nur solches Vorbringen gestattet, das den konkreten Rechtsmittelgrund selbst betrifft (RS0041812 [T7, T15]) und sich überdies nur auf die Rechtsmittelgründe der Nichtigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens bezieht (RS0041812 [T2]). Im Rahmen der Rechtsrüge ist neues Sachvorbringen jedenfalls ausgeschlossen (vgl 8 Ob 78/06p).

Selbst wenn man aber das vom Berufungsgericht als unzulässige Neuerung qualifizierte Vorbringen berücksichtigte, brächte dies für den Rechtsstandpunkt der Klägerin nichts: Denn der Verweis auf den ihr erst nach Klagseinbringung übermittelten vorläufigen Untersuchungsbericht kann nicht dartun, inwiefern die Klägerin dadurch an einer früheren Klagseinbringung gehindert gewesen sein sollte.

5. Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch die Erhebung der Klage nur unter der weiteren Voraussetzung unterbrochen, dass die Klage gehörig fortgesetzt wird. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht gehörige Fortsetzung iSd § 1497 ABGB anzunehmen, wenn die Untätigkeit des Klägers ungewöhnlich ist und er damit zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nichts mehr gelegen ist (RS0034765). Dabei ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf die Gründe Bedacht zu nehmen, die im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein müssen (RS0034849).

Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung hat der Anschluss als Privatbeteiligter im Strafverfahren dieselben rechtlichen Wirkungen iSd § 1497 ABGB wie eine Klage (RS0034631). Da ein zivilrechtlicher Anspruch auch im Strafverfahren im Wege der Privatbeteiligung geltend gemacht werden kann, kommt dieser Erklärung grundsätzlich verjährungsunterbrechende Wirkung zu (1 Ob 36/18b mwN). Zur Unterbrechung der Verjährung kommt es aber letztlich nur dann, wenn der Privatbeteiligte seinen Anspruch nach Beendigung des Strafverfahrens innerhalb angemessener Frist im Streitverfahren geltend macht (5 Ob 25/12f; RS0034631 [T2]; RS0034528 [T3]). Ob insoweit eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (5 Ob 25/12f; RS0034765 [T1]) und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klagseinbringung rund zwei Jahre und zehn Monate nach dem Unfall („Ereignis“) und elfeinhalb Monate nach der Verständigung von der Einstellung des Strafverfahrens gegen den Drittbeklagten sei keine „gehörige Fortsetzung“ der bereits mit dem Privatbeteiligtenanschluss bezweckten Anspruchsverfolgung iSd § 1497 ABGB, ist unter den hier vorliegenden Umständen nicht korrekturbedürftig:

Aus dem von der Klägerin zitierten Rechtssatz RS0034528 lässt sich entgegen ihrer Ansicht nicht der Umkehrschluss ziehen, bei Einbringung einer Klage innerhalb eines Jahres nach Einstellung des Strafverfahrens liege jedenfalls eine gehörige Fortsetzung vor. Vielmehr kommt es, worauf schon das Berufungsgericht im Einklang mit der erörterten Rechtsprechung hingewiesen hat, auf die Gründe für die verzögerte Klagseinbringung an, sodass bereits auch eine wesentlich kürzere Verzögerung von bloß einigen Monaten zur Verjährung führen kann (vgl RS0034584).

Dabei gelingt es der Klägerin auch in der Revision nicht, nachvollziehbare Gründe aufzuzeigen, die sie nach Einstellung des Strafverfahrens an einer raschen Klagsführung gegen den Drittbeklagten gehindert haben könnten (zu ihrer Behauptungs- und Beweislast vgl RS0034710, RS0034805). Die bloß allgemein gehaltene Behauptung, es seien Schwierigkeiten vorgelegen, überhaupt den anspruchsbegründenden Sachverhalt zu eruieren, reicht dazu nicht aus. Welche konkreten Informationen ihr zur Klagserhebung gegen den Drittbeklagten noch gefehlt haben sollen, die sie erst durch ihr später zur Verfügung gestandene Beweismittel erlangt habe, geht aus dem Rechtsmittel nicht hervor.

6. Die außerordentliche Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

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