OGH 2Ob230/12f

OGH2Ob230/12f14.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei H***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen 15.464,50 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Schifffahrtsobergericht vom 10. Juli 2012, GZ 1 R 128/12v-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien als Schifffahrtsgericht vom 12. September 2011, GZ 1 C 764/10z-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 976,68 EUR (darin 162,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei ist Eigentümerin des Schubbootes „Grafenau“. Die beklagte Partei übernahm im Mai 2007 als Finanzierungsleasinggesellschaft das zivilrechtliche Eigentum an dem Schubboot „Ybbs“, das im Binnenschiffsregister des Amtsgerichts Regensburg eingetragen ist, und schloss mit der D***** GmbH einen Mietkaufvertrag. Darin wurde ua festgehalten, dass das Schiff von der „D*****“ betrieben werde und in deren Obhut stehe. Nach dem anwendbaren Recht sei die „D*****“ alleine Halter des Schiffs; sie übernehme alle entsprechenden Verpflichtungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und werde die beklagte Partei insoweit völlig schad- und klaglos halten.

Die klagende Partei begehrte mit der am 5. 11. 2010 beim Erstgericht eingebrachten Klage von der beklagten Partei die Zahlung von 15.464,50 EUR sA bei sonstiger Exekution in das beim Amtsgericht Regensburg registrierte Schubboot „Ybbs“.

Sie brachte vor, am 6. 7. 2009 sei die Besatzung der „Grafenau“ aus dem alleinigen Verschulden des Schiffsführers des Schubverbandes der „Ybbs“ im Bereich der Schiffswerft Linz zu einem Notmanöver gezwungen worden, bei welchem die „Grafenau“ gegen einen Betonpfeiler gestoßen und an der Backbordseite beschädigt worden sei. Gemäß Art 3 iVm Art 1 Z 2 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen treffe die Schadenersatzpflicht „die Ybbs“. Die als Betreiberin der „Ybbs“ zum Schadenersatz aufgeforderte „D*****“ habe die Zahlung mit der Begründung abgelehnt, dass den Kapitän der „Ybbs“ kein Verschulden treffe. Nach dem zitierten Übereinkommen hafte daher „das Schiff“.

Die beklagte Partei wandte neben dem fehlenden Verschulden des Kapitäns der „Ybbs“ ihre mangelnde Passivlegitimation ein. Nicht sie, sondern die „D*****“ sei Schiffseigner iSd §§ 1 und 4 BinnSchG. Auf das zivilrechtliche Eigentum komme es nicht an, maßgeblich für die Schiffseignerschaft sei die faktische Verwendung des Schiffs zur Binnenschifffahrt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beklagte Partei sei nicht Schiffseigner, es fehle ihr daher an der passiven Klagslegitimation.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es vertrat die Ansicht, das Übereinkommen zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen überlasse die Bestimmung der ersatzpflichtigen Personen dem nationalen Recht. Die klagende Partei missverstehe den Regelungsgehalt des Art 3 des Übereinkommens, wonach „das Schiff“ ersatzpflichtig sei. Damit werde nur zum Ausdruck gebracht, dass die Haftpflichtigen eines einzelnen Schiffs allein für den Schaden haften würden, während in Art 4 für den Fall der Beteiligung mehrerer Schiffe die solidarische bzw anteilige Haftung der Haftpflichtigen vorgesehen sei.

Den zivilrechtlichen Eigentümer könne nur dann die Haftung treffen, wenn er auch Schiffseigner sei, das Schiff also selbst verwende (§ 1 BinnSchG). Werde das Schiff von einem „Ausrüster“ verwendet, so gelte dieser während des Ausrüsterverhältnisses als Schiffseigner (§ 2 Abs 1 BinnSchG). Der Leasingnehmer könne „Ausrüster“ werden, wenn ihm der Leasinggeber als Eigentümer sämtliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem unmittelbaren Schiffsbetrieb überträgt. Dies sei im vorliegenden Fall durch die vertragliche Regelung zwischen der beklagten Partei und der „D*****“ geschehen. Die beklagte Partei sei daher im Vorfallszeitpunkt nicht Schiffseigner gewesen. Eine Haftung der beklagten Partei komme weder nach dem BinnSchG, noch nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts in Betracht.

Aus § 2 Abs 2 BinnSchG sei für die klagende Partei nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung gebe den Schiffsgläubigern des § 102 BinnSchG, die gemäß § 103 leg cit am Schiff ein gesetzliches Pfandrecht hätten, keinen eigenständigen Anspruch gegen den bloß zivilrechtlichen Eigentümer, sondern bringe nur zum Ausdruck, dass der Eigentümer den Schiffsgläubiger an der Zwangsvollstreckung dessen Anspruchs gegen den „Ausrüster“ nicht hindern könne. Der Eigentümer müsse also die Zwangsvollstreckung des Schiffsgläubigers in sein Schiff dulden. Dem Eigentümer werde daher bloß die Möglichkeit abgeschnitten, ein vom Schiffsgläubiger gegen den „Ausrüster“ erwirktes Urteil durch eine Exszindierungsklage abzuwehren. Der gegen den „Ausrüster“ erwirkte Titel sei gegen jedermann, auch gegen den zivilrechtlichen Eigentümer, in das Schiff vollstreckbar.

Die Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen vorliege, unter welchen Voraussetzungen eine „Verwendung“ des Schiffs zu Schifffahrtszwecken durch den zivilrechtlichen Schiffseigentümer vorliege, und ob einem Schiffsgläubiger aufgrund seines gesetzlichen Pfandrechts am Schiff ein eigenständiger Klagsanspruch - und damit ein eigener Titel - gegen den bloß zivilrechtlichen Eigentümer des Schiffs zustehe.

Rechtliche Beurteilung

Die von der klagenden Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Die klagende Partei lässt die vorinstanzlichen Ausführungen unwidersprochen, wonach die beklagte Partei nicht als Schiffseigner hafte, stützt sich auch nicht auf das gesetzliche Pfandrecht nach § 103 BinnSchG und geht somit in ihrem Rechtsmittel auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen nicht ein. Selbst wenn daher das Berufungsgericht die Zulässigkeit der ordentlichen Revision zu Recht ausgesprochen haben sollte, wäre diese nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann gegeben, wenn die klagende Partei zumindest eine (andere) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht hätte (RIS-Justiz RS0102059). Diese Voraussetzung trifft jedoch nicht zu:

1. Das in Österreich am 13. 9. 1966 in Kraft getretene Übereinkommen zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen, BGBl 1966/204, gilt gemäß Art 1 Z 1 für den Ersatz des Schadens, der durch den Zusammenstoß von Binnenschiffen in den Gewässern der Vertragsparteien den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen zugefügt wird (Z 1) und auch für den Ersatz jedes Schadens, den ein Binnenschiff in den Gewässern einer der Vertragsparteien, ohne dass ein Zusammenstoß stattgefunden hat, durch Ausführung oder Unterlassung eines Manövers oder durch Nichtbeachtung von Vorschriften anderen Binnenschiffen oder den an Bord solcher Schiffe befindlichen Personen oder Sachen zufügt (Z 2). Gemäß Art 2 Z 1 besteht eine Schadenersatzpflicht nur, wenn der Schaden durch Verschulden herbeigeführt worden ist. Ist der Schaden „durch das Verschulden nur eines Schiffes“ verursacht, so trifft die Schadenersatzpflicht „dieses Schiff“ (Art 3). Haben hingegen zwei oder mehrere Schiffe „durch ihr Verschulden“ bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt, so haften sie nach Art 4 Z 1 als Gesamtschuldner oder anteilsmäßig. Gemäß Art 8 Z 1 bleiben Beschränkungen allgemeiner Art hinsichtlich der Haftung des Eigentümers oder Ausrüsters oder des Frachtführers eines Schiffs aufgrund internationaler Übereinkommen oder des nationalen Rechts unberührt.

2. Die klagende Partei steht auf dem Standpunkt, sie habe keine schadenersatzrechtliche Haftung der beklagten Partei geltend gemacht, sondern ihre Klage ausdrücklich auf die „Haftung des Schiffs“ iSd Übereinkommens gestützt. Die Passivlegitimation hänge davon ab, gegen wen eine die „Haftung des Schiffs“ geltend machende Klage zu richten ist. Das Übereinkommen treffe diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung. Art 8 spreche jedoch grundsätzlich dafür, dass es von einer Haftung des Eigentümers und Ausrüsters ausgehe.

Diese Argumentation ist schon deshalb verfehlt, weil der Regelungsbereich des Übereinkommens, wie dessen Art 1 unmissverständlich klarstellt, ausschließlich Schadenersatzansprüche umfasst. Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits mehrfach mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (vgl ErläutRV 725 BlgNR IX. GP 12 zur Terminologie „Verschulden eines Schiffs“) ausgesprochen, dass die Frage, welche Person für ihr eigenes oder das Verschulden anderer zur Haftung herangezogen werden kann, von der Vereinheitlichung durch das Übereinkommen ausgenommen und weiterhin dem nationalen Recht überlassen wird (2 Ob 81/76; 8 Ob 125/82 = RIS-Justiz RS0053010; auch 8 Ob 30/86; vgl ferner Csoklich in Riedel, Das österreichische Binnenschifffahrtsrecht [2007], Deliktische Haftung bei Havarien, 47 [49 und 58]). Die Entscheidung des Berufungsgerichts stimmt mit dieser Rechtsprechung überein. Die klagende Partei zeigt in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

3. Da sich der Vorfall unter Beteiligung eines in Deutschland registrierten Schubbootes im Juli 2009 ereignet hat, ist die maßgebliche nationale Rechtsordnung nach der Rom II-VO zu ermitteln (allgemein Neumayr in KBB³ Art 32 Rom II-VO Rz 1; speziell zu besagtem Übereinkommen Junker in MünchKomm BGB5 [2010] VO [EG] 864/2007 Art 4 Rn 137). Danach ergibt sich im Hinblick auf den inländischen Sitz der beteiligten Gesellschaften die Anwendbarkeit österreichischen Haftungsrechts jedenfalls aus Art 4 Abs 2 Rom II-VO (vgl Neumayr in KBB³ Art 4 Rom II-VO Rz 6). Gegenteiliges wird von der klagenden Partei auch gar nicht behauptet. Demzufolge ist aber nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Haftung anhand der Regelungen des Gesetzes betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt (BinnSchG), dRGBl S 868/1898, prüfte, das mit 1. 1. 1940 im Gebiet Österreichs in Kraft gesetzt wurde (9 Ob 133/04f).

Die in der Revision vertretene Ansicht, in (richtig) § 2 Abs 1 BinnSchG sei angeordnet, der Verwender eines ihm nicht gehörigen Schiffs werde Dritten gegenüber als Schiffseigner „im Sinne dieses Gesetzes“ angesehen, „sodass diese Fiktion für die Schiffshaftung im Sinne des nicht im BinnSchG enthaltenen Übereinkommens gerade nicht gilt“, geht abermals von der unzutreffenden Prämisse aus, dass die „Schiffshaftung“ laut besagtem Übereinkommen eine über dem nationalen Recht stehende vereinheitlichte Regelung erfährt. Dass diese Ansicht keine erhebliche Rechtsfrage begründet, folgt bereits aus den Ausführungen zu Punkt 2.

4. Die klagende Partei hält den Ausführungen des Berufungsgerichts ferner entgegen, dass - weil § 2 Abs 1 BinnSchG „für die Schiffshaftung im Rahmen des Übereinkommens“ nicht gelte - nur auf die allgemeine Regelung zurückgegriffen werden könne, wonach die Haftung einer Sache mittels einer gegen den Eigentümer gerichteten Klage bei sonstiger Exekution in die haftende Sache geltend zu machen sei. Es müsse einem Geschädigten freistehen, ob er die Haftung des „Ausrüsters“ oder „die Haftung des Schiffs“, also die Sachhaftung geltend macht.

Auch diese Überlegungen machen deutlich, dass die klagende Partei die Terminologie des erwähnten Übereinkommens missversteht, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat. Die klagende Partei enthält sich auch jeder näheren Darlegung, auf welche „allgemeine Regelung“ sie sich im gegebenen Zusammenhang konkret beruft. Um eine allenfalls korrekturbedürftige Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht aufzeigen zu können, hätte es zumindest einer Auseinandersetzung mit den von diesem zur Stütze seiner Rechtsansicht zitierten Lehrmeinungen (v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrts-recht5 [2007] § 2 BinSchG Rn 20; vgl auch §§ 103-105 BinSchG Rn 24 ff; Korioth, Binnenschifffahrtsrecht [2008] 14) bedurft, was hier jedoch unterblieben ist. Auch insoweit vermögen die Revisionsausführungen daher keine erhebliche Rechtsfrage darzutun.

5. Da es aus den angeführten Gründen der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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