European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E127610
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Beklagte beauftragte die Klägerinnen im Rahmen eines Werkvertrags mit der Herstellung der Gewerke Heizung, Kälte, Lüftung, Sanitär und MSR-Technik. Die Auftragssumme betrug 88.500.000 ATS netto.
Die Klägerinnen machen den restlichen Werklohn geltend. Für das Revisionsverfahren sind – neben Gegenforderungen der Beklagten – im Wesentlichen noch die geltend gemachten Mehrkosten aus Forcierung und Bauzeitverlängerung bzw Ablaufstörungen relevant, die den Klägerinnen gemäß § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB zugesprochen wurden.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten spricht keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung an:
1. Von der Revisionswerberin wird nicht bestritten, dass den Klägerinnen für den ihnen (wegen der von der Beklagten zu verantwortenden Behinderungen und Störungen) entstandenen Mehraufwand grundsätzlich ein nach § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB erhöhtes Entgelt zusteht.
1.2 Die Beklagte vertritt, dass den Klägerinnen Mehransprüche aus Ablaufstörung und Forcierung zugesprochen worden seien, obwohl weder konkrete Behinderungen noch der darauf entfallende Aufwand nachgewiesen worden sei. Damit entfernt sich das Rechtsmittel von den getroffenen Feststellungen. Es steht fest, dass es auf der Baustelle zu Behinderungen bzw Ablaufstörungen kam, die auf die Sphäre der Beklagten zurückzuführen sind und dazu führten, dass die Arbeiten der Klägerinnen nicht durchgeführt werden konnten, unterbrochen wurden oder angepasst werden mussten. Das Erstgericht traf aufgrund des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens Feststellungen zum Ausmaß der Mehrkosten aus Bauzeitverlängerungen, Ablaufstörungen und Forcierungen. Besteht für die Wertermittlung durch einen Sachverständigen keine gesetzlich vorgeschriebene Methode, so unterliegt das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis eines Gutachtens keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, weil es um eine Tatfrage geht (RS0118604). Eine Ausnahme bestünde nur dann, wenn eine grundsätzlich inadäquate Methode angewendet wurde (RS0118604 [T5]), die von der Beklagten aber nicht aufgezeigt wird.
1.3 Im Zusammenhang mit den Forcierungskosten vermisst die Beklagte Feststellungen, dass von ihr keine Forcierung angeordnet worden sei.
1.3.1 Aus der bisherigen Rechtsprechung ist nicht abzuleiten, dass ein auf § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB gestützter Ersatz von Forcierungskosten bereits dann ausscheidet, wenn die Forcierung vom Besteller nicht angeordnet wurde. Dem Unternehmer gebührt nach der Rechtsprechung vielmehr bereits dann (und trotz einer Pauschalvereinbarung) eine angemessene Entschädigung, wenn er durch Umstände auf Seite des Bestellers zu erhöhtem Arbeitseinsatz und zu erhöhten Aufwendungen gezwungen ist, wobei auf eine Beauftragung der Forcierung durch den Auftraggeber nicht abgestellt wird (zB 1 Ob 42/86; 5 Ob 558/93; 6 Ob 233/97a; 8 Ob 63/98t).
1.3.2 Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der (zurückweisenden) Entscheidung 1 Ob 200/08f ableiten, die nicht § 1168 ABGB, sondern die Auslegung von Punkt 5.34.2 der ÖNORM B2110 betraf (vgl auch 2 Ob 248/05t), auf die sich die Revision nicht beruft. Nach dieser Entscheidung sind vom Auftraggeber nicht angeordnete Forcierungsmaßnahmen mit dem Aufwand beschränkt, den er bei Verlängerung der Leistungsfrist hätte. Auch aus dieser Entscheidung geht hervor, dass auch nicht angeordnete Forcierungsmaßnahmen zu entlohnen sind (der Höhe nach mit der erwähnten Beschränkung).
1.3.3 Es kann dahinstehen, ob sich diese Beschränkung der Werklohnerhöhung bereits aus § 1168 ABGB ableiten lässt, weil die Beklagte gar nicht behauptet hat, dass der Aufwand der Klägerinnen bei einer Verlängerung der Leistungsfrist geringer wäre. Damit ist die angefochtene Entscheidung wegen der von der Revision vermissten Feststellungen zu einem Auftrag bezüglich Forcierungsarbeiten nicht korrekturbedürftig. Ebensowenig stellt sich daher die Frage, ob ein solcher Auftrag schriftlich zu erfolgen hat, sodass auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt.
1.4 Auch die Ausführungen im Rechtsmittel zu den (verneinten) Gegenforderungen wegen der Benützung des Gerüstes und des Bauaufzuges zeigen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
1.4.1 Das Berufungsgericht hat unter Auslegung der zwischen den Streitteilen vereinbarten Allgemeinen Vorbemerkungen für Bauhauptarbeiten, technische Gebäudeausrüstung mit Sonderanlagen, Ausbau (AVB) hier einen vertraglichen Anspruch der Beklagten verneint. Bei Fragen zur Vertragsauslegung liegt in aller Regel keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RS0042776). Das Berufungsgericht legte Punkt 4.3 der AVB, wonach ua die Beistellung von Gerüsten und alle Transportleistungen samt Hebezeug in die Einheitspreise und Montagekosten (der Auftragnehmerin) einzukalkulieren seien, dahin aus, dass darin keine vertragliche Basis für die Verrechnung von Kosten für das Gerüst oder den Bauaufzug durch die beklagte Auftraggeberin gegenüber den klagenden Auftragnehmerinnen normiert worden sei. Diese Auslegung ist jedenfalls vertretbar, zumal auch in Punkt 19 der AVB, der jene Kosten betrifft, an denen sich die Klägerinnen als Auftragnehmerinnen zu beteiligen haben, Gerüst oder Bauaufzug nicht erwähnt werden.
1.4.2 Auch die Verneinung des hilfsweise geltend gemachten Verwendungsanspruchs bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
Ein Benützungsentgelt kann nur für jenen Zeitraum zugesprochen werden, in dem die fremde Sache tatsächlich genutzt wurde (vgl 4 Ob 286/04v). Auf eine rein theoretische Nutzungsmöglichkeit kann sich der Eigentümer nicht berufen (vgl 8 Ob 126/15k; 8 Ob 59/16h). Beim Gerüst konnten die Vorinstanzen nicht feststellen, in welchem Ausmaß die Klägerinnen das Gerüst tatsächlich genutzt haben. Damit hat die für die Voraussetzungen des von ihr aufrechnungsweise geltend gemachten Verwendungsanspruchs beweisbelastete Beklagte (RS0033564 [T2]) die Anspruchshöhe nicht nachgewiesen, sodass es im Ergebnis auf die im Rechtsmittel aufgeworfene Problematik, ob das Gerüst überhaupt benützt wurde, nicht ankommt. Ob diesbezüglich nach § 273 ZPO vorzugehen gewesen wäre, war mangels diesbezüglicher Mängelrüge nicht zu prüfen (RS0040282).
Die Ablehnung eines Verwendungsanspruchs bezüglich des Bauaufzugs bedarf schon deshalb keiner Korrektur, weil sich aus den Feststellungen ableiten lässt, dass Berechtigter am Aufzug der Hersteller der Roharbeiten – nicht aber die Beklagte – („Eigentümer“ nach § 1041 ABGB) war, dem deshalb die Nutzung vorbehalten ist (RS0019971 [T6]).
2. Die gerügte Mangelhaftigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.1 Grundsätzlich können angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt wurden, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (RS0042963). Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Mängelrüge nicht befasst (RS0043144) oder sie mit einer aktenwidrigen Begründung verworfen hat (RS0042963 [T12, T28, T56]), wäre sein Verfahren selbst mangelhaft geblieben. Eine solche aktenwidrige Begründung liegt nur dann vor, wenn der Inhalt einer Parteienbehauptung oder eines Beweismittels unrichtig wiedergegeben wurde (RS0007258). Erwägungen, eine bloße Schlussfolgerung oder Wertung der Gerichte sind keine Aktenwidrigkeit (RS0043347), insbesondere bei Schlussfolgerungen aus Sachverständigengutachten (RS0043298 [T3, T7, T11]). Die Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens und die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO fallen in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RS0113643). Dies gilt ebenso für die Fragen, ob ein von den Tatsacheninstanzen verwertetes Sachverständigengutachten die getroffenen Feststellungen stützt und ob das Gutachten erschöpfend ist. Auch die Grundlagen eines Sachverständigengutachtens können nicht mit Revision bekämpft werden (4 Ob 98/19v mwN). Schließlich kann eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft (RS0043371). Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RS0117019).
2.2 Das Berufungsgericht hat die Mängelrüge der Beklagten nicht mit aktenwidriger Begründung erledigt. Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge nachvollziehbar begründet. Unter Anwendung der in 2.1 aufgezeigten Grundsätze vermögen die in der Revision erhobenen Vorwürfe keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens aufzuzeigen.
2.3 Insoweit vom Erstgericht eine Reihe von Anträgen beschlussmäßig nach § 179 ZPO zurückgewiesen wurde, kann die bestätigende Entscheidung des Berufungsgerichts mit Blick auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO – auch aus dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens – nicht angefochten werden (RS0036878).
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