OGH 10Ob37/16p

OGH10Ob37/16p19.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M*, geboren am * 2001, vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Wels‑Land), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge des Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 20. Jänner 2016, GZ 21 R 336/15h‑36, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 14. August 2015, GZ 2 Pu 84/10w‑29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E115458

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

In einem am 24. 9. 2002 vor dem Bezirksgericht Steyr abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 200 EUR gegenüber dem Kind.

Mit Beschlüssen des Bezirksgerichts Steyr vom 15. 1. 2003 und 1. 10. 2004 wurden dem Kind jeweils Haftvorschüsse bewilligt.

Mit Beschluss vom 19. 5. 2005 bewilligte das Erstgericht dem Kind Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich 200 EUR für den Zeitraum 1. 5. 2005 bis 30. 4. 2008 auf Grundlage des Vergleichs vom 24. 9. 2002.

Infolge eines Antrags vom 16. 5. 2007 bewilligte das Erstgericht dem Kind mit Beschluss vom 22. 5. 2007 Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG in der gemäß § 6 Abs 2 UVG vorgesehenen Höhe für den Zeitraum 1. 5. 2007 bis 30. 4. 2010. Der Unterhaltstitel stamme vom 24. 9. 2002 und sei somit älter als drei Jahre. Der Unterhaltsschuldner halte sich seit Juni 2005 an einem unbekannten Ort auf, es sei derzeit nicht möglich, mit ihm Kontakt aufzunehmen und einen Unterhaltstitel zu schaffen.

Mit Beschluss vom 9. 4. 2010 bewilligte das Erstgericht dem Kind aufgrund des Antrags vom 7. 4. 2010 die Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG für den Zeitraum von 1. 5. 2010 bis 30. 4. 2015.

Am 2. 4. 2015 beantragte das Kind neuerlich die Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG. Das Erstgericht erhob, dass der Unterhaltsschuldner an einer bekannten Adresse in Deutschland lebt. Darüber setzte es das Kind in Kenntnis und regte die Zurückziehung des Antrags auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG an.

Am 13. 5. 2015 zog das Kind, den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG zurück und beantragte die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 1 UVG. Ein Antrag auf Vollstreckung nach der Europäischen Unterhaltsverordnung (EuUVO) werde nachgereicht.

Das Erstgericht bewilligte dem Kind in der Folge Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich 200 EUR für den Zeitraum 1. 5. 2015 bis 28. 2. 2019 auf Grundlage des Vergleichs vom 24. 9. 2002.

Das Rekursgericht gab einem vom Bund gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs nicht Folge. Ein „Zurückwechseln“ von zunächst gewährten Richtsatzvorschüssen auf Titelvorschüsse auf Grundlage des Vergleichs vom 24. 9. 2002 sei im vorliegenden Fall möglich. Der vom Rekurswerber für seinen gegenteiligen Standpunkt ins Treffen geführten Entscheidung 7 Ob 28/00v liege kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Die dem Kind im damaligen Fall gewährten Richtsatzvorschüsse seien nämlich durch Eigeneinkommen auf eine Höhe herabgesetzt worden, die unter der des ursprünglichen Unterhaltstitels lag. Ein „Zurückwechseln“ von den Richtsatzvorschüssen auf die Titelvorschüsse hätte im damaligen Fall daher zur Folge gehabt, dass dem Kind ein höherer Unterhaltsvorschuss zu zahlen gewesen wäre, obwohl der Unterhaltstitel älter als drei Jahre gewesen sei. Demgegenüber sei im nunmehrigen Fall die Adresse des Unterhaltsschuldners bekannt, sodass mit der Schaffung eines neuen, den Lebensverhältnissen des Kindes und der Leistungsfähigkeit des Schuldners angepassten Unterhaltstitels in absehbarer Zeit zu rechnen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt könne dem Kind die Gewährung von Titelvorschüssen nicht verwehrt werden, sollten doch Zeiten ohne laufenden Unterhaltsvorschuss hintangehalten werden. Diese Vorgangsweise liege überdies im Interesse des Bundes, weil die Höhe der Titelvorschüsse hier unter der Höhe der Richtsatzvorschüsse liege.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung nachträglich zu, weil diese der Entscheidung 7 Ob 28/00v widerspreche.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes, mit dem die Abweisung des Unterhaltsvorschussantrags begehrt wird.

Das Kind begehrt in seiner Revisionsrekursbeantwortung erkennbar die Abweisung des Revisionsrekurses des Bundes.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber führt aus, dass sich die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Verhältnisse im Allgemeinen innerhalb einer dreijährigen – bzw nach § 8 UVG idF des FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, fünfjährigen – Frist ab der für die Beurteilung der maßgeblichen Verhältnisse ausschlaggebenden Beschluss-fassung erster Instanz derart änderten, dass eine Neufestsetzung des Unterhalts begründet sei. Nach Verstreichen dieser Frist sei der ursprüngliche Unterhaltstitel daher nicht mehr relevant und als unrichtig anzusehen, bis eine neue Titelfestsetzung gelinge. Darauf, wie die jeweilige Höhe des alten Titels und des Richtsatzvorschusses zueinander stehe und ob in absehbarer Zeit die Schaffung eines neuen Unterhaltstitels gelingen könnte, komme es nicht an. Das „Zurückwechseln“ auf einen als nicht mehr relevant anzusehenden Unterhaltstitel nach Gewährung von Richtsatzvorschüssen sei nach der Entscheidung 7 Ob 28/00v daher nicht möglich.

Dem kommt keine Berechtigung zu, weil diese Entscheidung, worauf das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat, auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht anwendbar ist:

1. Gemäß § 3 UVG sind Unterhaltsvorschüsse zu gewähren, wenn für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht und der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhalt nicht zur Gänze leistet sowie das Kind glaubhaft macht (§ 11 Abs 2 UVG), einen Exekutionsantrag iSd § 3 Z 2 UVG eingebracht zu haben. Dem Argument des Revisionsrekurswerbers, das Kind könne nicht auf den Unterhaltsvergleich vom 24. 9. 2002 zurückgreifen, ist zunächst entgegenzuhalten, dass dieser nach wie vor gültig ist. Daran ändert der bloße Umstand, dass er älter als drei Jahre ist (§ 4 Z 2 zweiter Fall UVG) ebenso wenig wie der Hinweis des Revisionsrekurswerbers, dass die Vorschüsse gemäß § 8 Satz 1 UVG längstens für die Dauer von fünf Jahren zu gewähren sind.

2.1 Auch aus der Entscheidung 7 Ob 28/00v ergibt sich nicht, dass ein Unterhaltstitel, der älter als drei Jahre ist, deshalb ungültig würde. In dieser Entscheidung war zu beurteilen, ob nach Gewährung von Richtsatzvorschüssen (neuerlich) Titelvorschüsse auf Grundlage des ursprünglichen – mittlerweile mehr als drei Jahre alten – Unterhaltstitels gewährt werden dürfen. Dies verneinte der Oberste Gerichtshof aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls:

2.2 § 4 Z 1 UVG unterscheidet sich von den in § 4 Z 2 UVG geregelten Fällen dadurch, dass § 4 Z 1 UVG bei Nichtdurchsetzbarkeit eines Unterhaltstitels anzuwenden ist, während § 4 Z 2 UVG auf die Unmöglichkeit einer Unterhaltsfestsetzung abstellt (Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 4 UVG Rz 24). Die Tatsache, dass das Kind einen Titelvorschuss nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG erhält, bildet daher kein Hindernis für einen Vorschussantrag und auch eine Vorschussgewährung nach § 4 Z 2 zweiter Fall UVG, wenn die Dreijahresfrist seit Schaffung des Titels abgelaufen ist und die Erhöhung des Unterhaltsbeitrags aus Gründen auf Seiten des Unterhaltsschuldners in absehbarer Zeit nicht gelingt (RIS‑Justiz RS0076249; Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 4 Rz 25).

2.3 In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 28/00v ausgeführt, dass der Gesetzgeber in § 4 Z 2 zweiter Fall UVG offensichtlich davon ausgeht, dass sich die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Verhältnisse im Allgemeinen innerhalb einer dreijährigen Frist ab der für die Beurteilung der maßgeblichen Verhältnisse ausschlaggebenden Beschlussfassung erster Instanz derart ändern, dass eine Neufestsetzung des Unterhalts begründet ist. Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Absicht ist davon auszugehen, dass der ursprüngliche Unterhaltstitel als nicht mehr relevant und unrichtig anzusehen ist, bis eine neue Titelfestsetzung gelingt (RIS‑Justiz RS0114410; Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 4 UVG Rz 26). Dies bedeutet aber nicht, dass der ursprüngliche Unterhaltstitel ungültig geworden wäre: Der Umstand, dass er – aus welchen Gründen auch immer – im Einzelfall nicht mehr (ganz oder teilweise) richtig sein mag, hat jedoch zur Folge, dass, wie noch auszuführen sein wird, allenfalls ein Grund zur gänzlichen oder teilweisen Versagung der Unterhaltsvorschüsse iSd § 7 Abs 1 UVG vorliegen kann.

3.1 Das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich der zu 7 Ob 28/00v entschiedene Sachverhalt wesentlich vom nunmehr vorliegenden unterscheidet. Insbesondere waren die dem Kind in 7 Ob 28/00v gewährten Richtsatzvorschüsse infolge eines Eigeneinkommens des Kindes auf einen Betrag herabgesetzt, der niedriger war (1.700 ATS) als die im ursprünglichen Unterhaltstitel festgesetzte Verpflichtung (2.000 ATS). Das Kind strebte daher durch den Rückgriff auf den ursprünglichen Unterhaltstitel einen höheren Unterhaltsvorschuss an, als es im Fall einer (damals möglichen) Weitergewährung der Richtsatzvorschüsse erhalten hätte.

3.2 Die Höhe eines Unterhaltsvorschusses hängt nach dem österreichischen Unterhaltsvorschusssystem neben dem Bestehen eines gesetzlichen Geldunterhaltsanspruchs des Kindes von einem – nicht realisierbaren – Unterhaltstitel und damit von dessen Höhe ab, wenn auch behaftet mit gewissen Kautelen gegen eine Überwälzung von Unterhaltsleistungen aufgrund überhöhter Titel auf die öffentliche Hand (vgl §§ 6, 7 UVG). In diesem Sinn sieht auch das UVG für die Vorschussgewährung keine grundsätzlich andere Berechnung vor als § 231 (früher: § 140) ABGB (RIS‑Justiz RS0076023 mwN; Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 1 UVG Rz 2).

3.3 Vor diesem Hintergrund fehlte es dem ursprünglichen Unterhaltstitel in 7 Ob 28/00v an der Relevanz bzw Richtigkeit, um Grundlage für eine Vorschussgewährung zu sein: Gemäß § 7 Abs 1 Z 2 UVG (bereits in der damals anzuwendenden Fassung BGBl 1985/451) waren eigene Einkünfte zwar nur in den Fällen des § 4 Z 2 und 3 UVG im Sinn einer (teilweisen) Versagung der Unterhaltsvorschüsse zu berücksichtigen. Allerdings waren nach der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 560/92 eigene Einkünfte des Kindes auch iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG (idF BGBl 1985/451) anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Denn in dieser Entscheidung führte der Oberste Gerichtshof aus, dass der Unterhaltsberechtigte auch dann, wenn ihm aus anderen Quellen, etwa aus Vermögen, aus eigenem Erwerb (Lehrlingsentschädigung etc), einer Waisenpension oder einer Pensionsleistung nach § 89 Abs 5 ASVG, Mittel zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs zur Verfügung stehen, einen aus dem verbliebenen Unterhaltsanspruch resultierenden Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse hat. Dazu heißt es in der Entscheidung: „In solchen Fällen – insbesondere also bei eigenen Einkünften des Minderjährigen – hat das Gericht gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG zu prüfen, ob und bejahendenfalls, in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung unter Bedachtnahme auf die geänderten Verhältnisse noch fortbesteht; nur soweit danach der Unterhaltsanspruch herabzusetzen wäre, sind auch die Vorschüsse teilweise zu versagen bzw gemäß § 19 Abs 1 UVG entsprechend herabzusetzen.“ Eigene Einkünfte des Kindes lösten daher bereits nach der damals bestehenden Rechtslage auch iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG alt „begründete Bedenken“ an der im Exekutionstitel festgesetzten Unterhaltspflicht aus (vgl Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 6 UVG Rz 7; § 7 UVG Rz 13).

4.1 Demgegenüber ist im vorliegenden Fall– anders als in 7 Ob 28/00v – die aus dem ursprünglichen Unterhaltstitel resultierende Verpflichtung der Höhe nach geringer, als es die dem Kind gewährten Richtsatzvorschüsse (jemals) waren. Für die Behauptung des Revisionsrekurswerbers, es könne auch in einem solchen Fall nach Gewährung von Richtsatzvorschüssen nicht auf einen– mehr als drei bzw fünf Jahre alten – Titel zurückgegriffen werden, fehlt es an einer Rechtsgrundlage im UVG.

4.2 Eine Rechtsvorschrift, dass sich ein unterhaltsberechtigtes Kind nach Gewährung von Richtsatzvorschüssen nicht (neuerlich) auf einen auf einem älteren Titel beruhenden Titelvorschuss berufen könnte, enthält das UVG nicht. Dieses regelt lediglich, dass die Vorschüsse auf Antrag oder von Amts wegen gemäß § 20 Abs 1 Z 4 lit a UVG einzustellen sind, wenn eine der Voraussetzungen zu ihrer Gewährung – ausgenommen die des § 3 Z 2 UVG – wegfällt. Werden daher etwa Richtsatzvorschüsse anstelle von Titelvorschüssen gewährt, so sind die Titelvorschüsse einzustellen, und umgekehrt ist die Gewährung von Richtsatzvorschüssen einzustellen, wenn die Titelschaffung gelingt (Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 20 UVG Rz 13, 14 mwH). Auch gemäß § 28 Abs 2 UVG ist ein solches „Erlöschen“ nicht angeordnet; diese Bestimmung will vielmehr lediglich das Vorliegen eines „Doppeltitels“ vermeiden (Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 28 UVG Rz 6).

4.3 Das UVG sah lediglich in § 7 Abs 2 UVG in der Fassung vor dem FamRÄG 2009 das Erlöschen von Titelvorschüssen im Fall der Anordnung von Haftvorschüssen gemäß § 4 Z 3 UVG nach Haftende vor (dazu näher 7 Ob 546/91; RIS‑Justiz RS0076424). Diese Rechtsfolge beseitigte der Gesetzgeber jedoch mit der Schaffung des § 7 Abs 2 Satz 2 UVG idF des FamRÄG 2009. Durch diese Bestimmung soll eine Versorgung unterhaltsberechtigter Kinder nach der Haftentlassung sichergestellt und damit die vom FamRÄG 2009 generell beabsichtigte Auszahlungskontinuität verstärkt werden (IA 673/A 24. GP  41; Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 7 UVG Rz 48; ders, Unterhaltsvorschuss neu – Änderungen des UVG mit dem FamRÄG 2009, ÖJZ 2010/20, 164 [165]).

4.4 Das UVG verfolgt nicht nur den Zweck der Auszahlungskontinuität, sondern – gerade auch im Bewilligungsverfahren – auch den Zweck, unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern möglichst rasch zu ihrem Unterhalt zu verhelfen (10 Ob 86/10k; RIS‑Justiz RS0076062 [T6]; RS0088914 [T1]). Auch aufgrund dieses Gesetzeszwecks ist nicht ersichtlich, wieso ein Wechsel auf einen Titelvorschuss nach Gewährung von Richtsatzvorschüssen nicht grundsätzlich zulässig sein sollte. Ein solches „Zurückwechseln“ ordnet etwa § 7 Abs 2 Satz 2 UVG idF des FamRÄG 2009 für die Wiedergewährung von Titelvorschüssen nach Beendigung der Haft ausdrücklich an, wobei die Gewährung der früheren Titelvorschüsse in diesem Fall „ohne Prüfung der Voraussetzungen der Gewährung“ erfolgen soll.

4.5 Schließlich ergibt sich auch aus § 4 Z 2 letzter Halbsatz UVG, dass ein „Zurückwechseln“ auf einen Unterhaltstitel nach den Wertungen des Gesetzgebers nicht schon deshalb ausgeschlossen sein muss, weil dieser älter als drei Jahre ist: Ist nämlich erweislich oder evident, dass sich die materielle Unterhaltsschuld gegenüber den im – mehr als drei Jahre alten – Titel festgesetzten Beträgen nicht erhöht hat, kommt ein (in der Regel höherer) Unterhaltsvorschuss gemäß § 4 Z 2 UVG nicht in Betracht (vgl RIS‑Justiz RS0118524).

5.1 Ausgehend davon liegen die Voraussetzungen der §§ 3, 4 Z 1 UVG nach den Angaben des Kindes im Antrag auf Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen vor. Der Umstand, dass das Erstgericht vom Gelingen der Glaubhaftmachung dieser Angaben iSd § 11 Abs 2 UVG im konkreten Fall ausgegangen ist, wird vom Revisionsrekurswerber nicht in Zweifel gezogen.

5.2 Seit dem FamRÄG 2009 besteht die Möglichkeit der Versagung der Vorschüsse nicht mehr auf der Grundlage von „begründeten Bedenken“ (§ 7 Abs 1 Z 1 UVG alt). Vielmehr ordnet § 7 Abs 1 Z 1 UVG idF des FamRÄG 2009 an, dass sich die materielle Unrichtigkeit des bestehenden Unterhaltstitels ohne weitere klärende Erhebungen aus der Aktenlage ergeben muss. Damit soll verdeutlicht werden, dass im Rahmen der Prüfung nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG neu kein hypothetisches Unterhaltsfestsetzungsverfahren durchzuführen ist (Neumayr, ÖJZ 2010/20, 166; IA 673/A BlgNR 24. GP  41). Titelvorschüsse sollen danach nur versagt werden, wenn das Gericht bereits aufgrund der Aktenlage (also ohne weitere Erhebungen) mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen der Versagungsgründe des § 7 Abs 1 Z 1 UVG überzeugt ist (RIS‑Justiz RS0076391; RS0108443).

5.3 Hinweise aus der Aktenlage, die mit der gebotenen hohen Wahrscheinlichkeit einen Grund ergäben, den vom Kind auf Basis des Unterhaltsvergleichs vom 24. 9. 2002 geforderten Unterhaltsvorschuss zu versagen, sind nicht ersichtlich. Da eine non liquet‑Situation in Bezug auf die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Z 1 UVG zu Lasten des vorschussgewährenden Bundes geht (RIS‑Justiz RS0108443 [T2]) haben die Vorinstanzen im konkreten Fall zu Recht die beantragten Vorschüsse bewilligt.

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

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