OGH 7Ob28/00v

OGH7Ob28/00v8.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Rita E*****, geb. am 16. Juni 1982, vertreten durch den besonderen Sachwalter Magistrat Linz, Amt für Jugend und Familie, über den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 15. Dezember 1999, GZ 14 R 618/99x-29, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 5. November 1999, GZ 4 P 8/96z-25, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

Der Antrag des Kindes, ihm für den Zeitraum vom 1. November 1999 bis 30. Juni 2001 Unterhaltsvorschüsse in monatlicher Höhe von S 2.000,-- zu gewähren, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Minderjährigen wurde erstmals mit Beschluss des Erstgerichtes vom 10. 1. 1994 gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG ein monatlicher Unterhaltsvorschuss für den Zeitraum 1. 12. 1993 bis 30. 11. 1996 gewährt. Als Unterhaltstitel lag eine Unterhaltsvereinbarung vom 2. 4. 1993 zugrunde.

Am 18. 11. 1996 beantragte der besondere Sachwalter die Gewährung eines (Richtsatz)Vorschusses gemäß § 4 Z 2 UVG mit der Begründung, der Vater sei derzeit unbekannten Aufenthaltes, weshalb eine Unterhaltserhöhung aus Gründen des Unterhaltsschuldners nicht möglich sei.

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 11. 12. 1996 wurde der Minderjährigen für die Zeit vom 1. 12. 1996 bis 30. 11. 1999 ein Richtsatzvorschuss gewährt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich der Unterhaltsschuldner an einem unbekannten Ort aufhalte und es derzeit nicht möglich sei, den Unterhalt zu erhöhen.

Mit Beschluss vom 18. 12. 1998 setzte das Erstgericht den monatlichen Richtsatzvorschuss auf S 2.900,-- ab 1. 12. 1998 herab, weil die Minderjährige ein Eigeneinkommen vom monatlich S 2.230,-- erziele. Am 8. 10. 1999 beschloss das Erstgericht die Herabsetzung des monatlichen Richtsatzvorschusses auf S 1.700,-- ab 1. 8. 1999. Es stellte fest, dass die Minderjährige seit dem 1. 8. 1999 eine Lehre absolviert und monatlich S 4.600,-- verdient. Der Unterhaltsvorschuss gemäß § 4 Z 2 UVG sei daher auf S 1.700,-- herabzusetzen.

Am 4. 11. 1999 beantragte der besondere Sachwalter wieder die Gewährung von Titelvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG von monatlich S 2.000,--. Der Unterhaltsschuldner sei unbekannten Aufenthalts. Die Führung der Exekution sei aussichtslos, weil kein Drittschuldner und kein pfändbares Vermögen bekannt sei. Die Minderjährige erziele ein monatliches Einkommen von S 4.600,--.

Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag und gewährte der Minderjährigen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG einen monatlichen Titelvorschuss von S 2.000,-- für den Zeitraum 1. 11. 1999 bis 30. 6. 2001. Zugleich stellte es die Gewährung von Richtsatzvorschüssen rückwirkend mit 31. 10. 1999 ein.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ebenso wie es möglich sei, dass während der Laufzeit eines Titelvorschusses ein Richtsatzvorschuss beantragt und bewilligt werden könne, müsse es auch möglich sein, dass während der Laufzeit eines gewährten Richtsatzvorschusses ein Titelvorschuss - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - bewilligt werde. Dies ergebe sich schon daraus, dass beide Vorschussgründe nach § 4 Z 1 und nach § 4 Z 1 UVG auf differenten Voraussetzungen beruhten. Es sei kein Grund erkennbar, warum ein Wechseln des Vorschussgrundes nach § 4 Z 2 UVG auf jenen des § 4 Z 1 UVG (Titelvorschuss) nicht möglich sein solle, wenn die konkreten Voraussetzungen für einen Titelvorschuss gegeben seien. Wenn dieser Wechsel von einem Vorschussgrund zu einem anderen Vorschussgrund dazu führe, dass dem Kind nunmehr ein höherer Unterhaltsvorschuss zugesprochen werde, könne dieser Umstand kein Grund sein, den Titelvorschuss nicht zu gewähren. Es bedürfe keinen besonderen "Änderungen der Sachlage" um anstelle eines Richtsatzvorschusses einen Titelvorschuss gewähren zu können. Die Minderjährige habe im Jahr 1996 die Gewährung von Richtsatzvorschüssen deshalb begehrt, weil der Vater unbekannten Aufenthaltes gewesen sei und eine Erhöhung des titulierten Unterhaltsbetrages nicht möglich gewesen sei. Aus diesem Grund habe das Erstgericht tatsächlich Richtsatzvorschüsse gewährt. Wenn der besondere Sachwalter nunmehr wieder Titelvorschüsse begehre, also auf die Grundlage des Unterhaltstitels zurückkehre und eine Erhöhung des titulierten Unterhalts nicht mehr anstrebe, sei dies unbedenklich. Tatsächlich stehe fest, dass der unterhaltspflichtige Vater seit Jahren unbekannten Aufenthaltes sei und offensichtlich keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehe. Aus der Aktenlage ergebe sich kein Hinweis, dass er sich um die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes bemühe. Der Umstand, dass der Unterhaltspflichtige unbekannten Aufenthaltes sei, lasse weitere Erhebungen nicht zu. Auch gegen die Höhe des zugesprochenen Vorschusses bestünden keine Bedenken. Bei der Unterhaltsbemessung bilde die Mindestpensionshöhe nach § 293 Abs 1 lit a/bb ASVG eine Orientierungshilfe für die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit. Die Mindestpensionshöhe betrage für das Jahr 1999 14 mal jährlich S 8.112,--, im Monatsdurchschnitt daher S 9.464,--. Ziehe man von diesem Betrag die Lehrlingsentschädigung von S 4.600,-- ab, ergebe sich bei gleichteiliger Anrechnung auf beide Elternteile ein Unterhaltsbetrag von S 2.400,--.

Das Rekursgericht sprach nach einem Abänderungsantrag gemäß § 14a AußStrG aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber macht geltend, dass zwar während der Laufzeit von Titelvorschüssen Richtsatzvorschüsse bewilligt werden könnten; solange aber eine neue Titelfestsetzung nicht gelinge, könne sich das Kind während gewährter Richtsatzvorschüsse nicht mehr auf den "alten" Titel berufen. Ein "Zurückwechseln" zu Titelvorschüssen sei damit ausgeschlossen.

Dieser Argumentation ist zu folgen.

Nach § 4 Z 2 UVG sind Vorschüsse zu gewähren, wenn die Festsetzung des Unterhaltsbetrages überhaupt oder, falls der Exekutionstitel im Sinn des § 3 Z 1 UVG, gerechnet vom Zeitpunkt der Erlassung, älter als drei Jahre ist, die Erhöhung des Unterhaltsbeitrages aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners nicht gelingt, außer dieser ist nach seinen Kräften offenbar zu einer Unterhaltsleistung beziehungsweise einer höheren Unterhaltsleistung nicht imstande.

Diese Bestimmung sieht zwei Alternativen einer Vorschussgewährung vor; der erste Fall setzt keinen Titel voraus; im zweiten Fall hindert der bestehende, aber alte Titel eine (höhere) Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG nicht (Neumayr in Schwimann ABGB**2 Rz 23 zu § 4 UVG mwN). Nach dem zweiten Fall dieser Bestimmung soll daher ein Richtsatzvorschuss dann gewährt werden, wenn der Unterhaltstitel älter als drei Jahre ist, weil das Gesetz offensichtlich davon ausgeht, dass sich die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Verhältnisse im allgemeinen innerhalb einer dreijährigen Frist ab der für die Beurteilung der maßgeblichen Verhältnisse ausschlaggebenden Beschlussfassung erster Instanz derart ändern, dass eine Neufestsetzung des Unterhalts begründet ist (vgl Neumayr aaO Rz 24). Danach ist davon auszugehen, dass der ursprüngliche Unterhaltstitel als nicht mehr relevant und unrichtig anzusehen ist, bis eine neue Titelfestsetzung gelingt. Zutreffend verweist daher der Revisionsrekurswerber, dass wohl während der Laufzeit von Titelvorschüssen auch Richtsatzvorschüsse gewährt werden können (EF 69.422), dass aber ein Zurückwechseln auf einen nicht mehr als relevant anzusehenden Unterhaltstitel nach Gewährung von Richtsatzvorschüssen nicht möglich ist.

Stichworte