OGH 5Ob125/15s

OGH5Ob125/15s21.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in Wörgl, gegen die beklagte Partei Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, wegen (restlich) 218.881,87 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Mai 2015, GZ 1 R 63/15x‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00125.15S.1221.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin errichtete im Jahre 1994/1995 als Bauträgerin und Generalunternehmerin eine aus vier Mehrfamilienhäusern und drei Doppelhäusern bestehende Wohnungseigentumsanlage. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten führte im Auftrag der Klägerin die Zimmererarbeiten für die Dachkonstruktion der Häuser aus.

Mit Klage vom 2. 8. 2013 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung eines Betrags von insgesamt 293.899,57 EUR sA. Aufgrund der mangelhaften Werkleistung der Beklagten seien bei den Dächern der Wohnhausanlage Schäden aufgetreten. In einem von der Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft gegen sie angestrengten Verfahren (in der Folge „Vorverfahren“) sei die Klägerin zur Zahlung der Mängelbehebungskosten und der gegnerischen Prozesskosten verpflichtet worden. Für die am 28. 3. 2012 aus diesem Titel geleistete Zahlung habe die Beklagte der Klägerin ebenso Ersatz zu leisten, wie für deren eigene Prozesskosten in diesem Vorverfahren. Zudem habe die Beklagte durch ihre mangelhafte Leistung auch den mit zwei weiteren Gerichtsverfahren verbundenen Schaden verursacht, die die Klägerin in diesem Zusammenhang gegen einen anderen Subunternehmer und einen Privatgutachter führen habe müssen.

Die Beklagte bestritt. Die Klagsforderung bestehe aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht zu Recht, eine allfällig zu Recht bestehende Klagsforderung sei jedenfalls verjährt. Als Gegenforderung wandte die Beklagte ihre eigenen Prozesskosten aus dem Vorverfahren ein, dem sie als Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin beigetreten war.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche seien verjährt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung ab. Es stellte fest, dass die Klagsforderung mit 218.881,87 EUR zu Recht bestehe, die Gegenforderung hingegen nicht, und erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin den Betrag von 218.881,87 EUR sA zu zahlen. Das Mehrbegehren von 75.017,70 EUR wies es ‑ rechtskräftig ‑ ab. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien als Rückgriffsansprüche iSd § 896 ABGB zu beurteilen, deren Verjährung erst zu laufen beginne, wenn die Ersatzpflicht des Regressberechtigten rechtskräftig feststehe oder er schon früher Zahlung geleistet habe. Dies gelte für den Fall des Regresses gegen den Erfüllungsgehilfen nach § 1313 zweiter Satz ABGB auch dann, wenn ‑ wie hier ‑ keine Solidarverpflichtung bestehe, weil der Gehilfe dem Dritten gegenüber weder aufgrund eines Vertrags noch aus einem Delikt einzustehen habe. Das Urteil des Berufungsgerichts aus dem Vorverfahren stamme vom 29. 12. 2011 und die Zahlung habe die Klägerin am 28. 3. 2012 geleistet. Die diesbezüglichen Ansprüche der Klägerin seien daher nicht verjährt. An der Regressberechtigung der Klägerin bezüglich Hauptsache, Zinsen und Kosten der Gegenseite aus dem Vorverfahren bestehe kein Zweifel, weil die aufgetretenen Schäden auf einen Verlegefehler der Rechtsvorgängerin der Beklagten und einen von dieser zu verantwortenden unsachgemäßen Dachaufbau zurückzuführen gewesen seien. Der Regressanspruch der Klägerin umfasse (als Aufwand aus dem Rechtsgrund des § 1037 ABGB) auch die eigenen Kosten des Regressberechtigten aus dem vorangegangenen Schadenersatzprozess. Bezüglich der Verfahren gegen einen anderen Subunternehmer und den Privatsachverständigen fehle es hingegen an den Voraussetzungen für einen Schadenersatz- oder Regressanspruch.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und zurückzuweisen.

1. 

Nach Auffassung der Revisionswerberin sei dem Berufungsgericht eine die Zulässigkeit der Revision begründende Fehlbeurteilung unterlaufen, weil es die Klagsforderung zwar verjährungsrechtlich als Rückgriffsanspruch nach § 896 ABGB qualifiziert, die dafür notwendige Solidarhaftung der Streitteile aber gleichzeitig verneint habe. Im Hinblick auf das Bestehen einer solchen Solidarschuld hafte die Beklagte gemäß § 896 ABGB in Ermangelung eines besonderen Verhältnisses höchstens für die Hälfte der Regressforderung. Mit seiner gegenteiligen Rechtsansicht habe das Berufungsgericht die Streitteile überrascht.

2. Der Generalunternehmer hat gegen seinen Subunternehmer eigene Ansprüche auf mängelfreie Werkerstellung; überdies hat er allenfalls eigene Schadenersatzansprüche gegen den Subunternehmer wegen Verletzung der vertraglichen Pflichten aus dem Subwerkvertrag. Von diesen Ansprüchen ist der Regressanspruch des Generalunternehmers gegen den Subunternehmer zu unterscheiden, der sich darauf gründet, dass der Besteller den Geschäftsherrn (Generalunternehmer) für mangelhafte Leistungen seines Erfüllungsgehilfen (Subunternehmer) in Anspruch genommen hat (3 Ob 186/10i ua). Wer als Haftender für fremdes Handeln Ersatz leistet, kann nämlich gemäß § 1313 zweiter Satz ABGB Rückersatz verlangen. Auch der Generalunternehmer, der nach § 1313a ABGB für seinen Subunternehmer als Erfüllungsgehilfen einstehen muss, kann von diesem Regress fordern (RIS‑Justiz RS0017479 [T2]). Dieser Rückersatzanspruch entsteht, wie in den Fällen der §§ 896, 1302 ABGB, noch nicht mit dem Schaden des Dritten selbst oder mit der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs durch den geschädigten Dritten, sondern erst dann, wenn und soweit der in Anspruch genommene Teil dem Dritten tatsächlich Ersatz geleistet hat (RIS‑Justiz RS0028394). Auch die Verjährung beginnt daher bei all diesen Regressforderungen grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Zahlung (RIS‑Justiz RS0028394 [T4], RS0017519 [T3, T5]) oder der endgültigen Entscheidung des Vorprozesses (RIS‑Justiz RS0017495 [T5, T7]). Dies gilt im Fall des Regresses gegen den Erfüllungsgehilfen nach § 1313 zweiter Satz ABGB ‑ entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ‑ nicht nur in den Fällen einer Solidarhaftung sondern auch dann, wenn keine Solidarverpflichtung von Geschäftsherrn und Gehilfen besteht, weil der Gehilfe dem Dritten gegenüber weder aufgrund eines Vertrags noch aus einem Delikt einzustehen hat. Auch in diesem Fall beginnt die Verjährung erst im Zeitpunkt der Zahlung (RIS‑Justiz

RS0017459 [T2]).

3. Eine Solidarhaftung des Geschäftsherrn (ex contractu § 1313a ABGB) und seines Erfüllungsgehilfen (ex delicto §§ 1295, 1299 ABGB) gegenüber dem geschädigten Dritten rechtfertigt zwar iSd § 1302 ABGB die Anwendung der Vorschriften über die vertragliche Solidarschuld und damit insbesondere die Anwendung des § 896 Satz 1 ABGB (RIS‑Justiz RS0017495 [T1]). Eine Solidarhaftung besteht hier jedoch nicht. Der Erfüllungsgehilfe haftet gegenüber dem Gläubiger des Geschäftsherrn nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses rechtswidrig ist, er also deliktisch handelt (RIS‑Justiz RS0022801, RS0022481). Worin hier die von der Existenz des Schuldverhältnisses unabhängige Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens gelegen sein, also welches Delikt im Pflichtenkreis des Geschäftsherrn (vgl RIS‑Jusitz RS0028691, RS0028626, RS0028499, RS0028517, RS0028483) sie selbst gesetzt haben soll, stellt die Revisionswerberin nicht dar.

Aber selbst bei einer Solidarverpflichtung nach § 896 ABGB würde eine Kopfteilhaftung nur dann eintreten, wenn kein „anderes besonderes Verhältnis“ besteht. In dem vorliegenden im Sinn des besonderen Fall eines (Sub-)Werkvertragsverhältnisses und des Regresses gegen den Erfüllungsgehilfen nach § 1313 zweiter Satz ABGB ist ein Schaden, der durch die schuldhaft mangelhafte Leistung des Erfüllungsgehilfen verursacht wurde, grundsätzlich zur Gänze diesem zuzuweisen. Die von der Revisionswerberin geforderte ausnahmsweise Schadensteilung infolge eines Mitverschuldens und/oder der Verletzung der Schadensminderungspflicht kommt nach den Feststellungen des Erstgerichts zu den Schadensursachen, dem Schadensverlauf und dem jeweiligen Verhalten der Streitteile im Zuge der Schadensbehebung ‑ und der maßgeblichen ex‑ante‑Sicht (RIS‑Justiz RS0026909 [T1]) ‑ nicht in Betracht. In ihren Ausführungen dazu setzt sich die Revisionswerberin über diesen Sachverhalt (und über die für die Beklagte als Nebenintervenientin des Vorprozesses bindenden Feststellungen dieses Vorprozesses) hinweg; die von ihr in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel.

4. Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung des Regressanspruchs der Klägerin dieselben Tatsachen, die schon der bisher erörterten Rechtslage zu Grunde lagen, lediglich rechtlich anders gewertet, sodass eine Verletzung des § 182a ZPO keine Rechtsfolgen haben könnte (RIS‑Justiz RS0037300 [T44]). Zudem bildet ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen. Der Rechtsmittelwerber hat daher in einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte (RIS‑Justiz RS0037300 [T48]). Diese Darlegung bleibt die Revision jedoch schuldig.

5. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin steht auch der Zuspruch der Verfahrenskosten des Vorprozesses mit den von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Leitlinien im Einklang.

Es ist zwar richtig, dass die „Geschäftsführung ohne Auftrag“ iSd §   1037 ABGB nach zahlreichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs als Anspruchsgrundlage für den Ersatz der Kosten des Vorprozesses und des dem Geschädigten gezahlten Verzögerungsschadens ausscheidet, wenn der für die Verfolgung fremder Interessen gemachte Aufwand von der eigenen Sphäre des Geschäftsführers nicht abtrennbar ist (vgl RIS‑Justiz RS0109200 [T8, T10]). Hat der Geschäftsherr seinem Auftraggeber (allein) für die Schlechterfüllung durch seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen, dann kann er vom Erfüllungsgehilfen die von ihm aufgewendeten Prozesskosten aber regelmäßig nach den Grundsätzen der Bestimmungen über den Schadenersatz ersetzt begehren (RIS‑Justiz RS0115546, RS0045850 [T3]). Der Rückersatzanspruch des Geschäftsherrn gegen den Gehilfen nach §   1313 zweiter Satz ABGB umfasst also grundsätzlich auch die Verfahrenskosten des verlorenen Prozesses zwischen Drittem und Geschäftsherrn. Der in den Kosten eines Passivprozesses bestehende Schaden ist in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner ‑ insbesondere wenn er davon weiß, dass die Leistung schließlich einem Dritten zugutekommen soll ‑ dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen (RIS‑Justiz RS0045850 [T12]). Nur die Kosten eines erkennbar aussichtslosen Vorprozesses wären vom schlechterfüllenden Vertragspartner nicht zu ersetzen, weil insofern der Rechtswidrigkeitszusammenhang fehlt (RIS‑Justiz RS0045850 [T5, T10, T13]).

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