OGH 2Ob1/15h

OGH2Ob1/15h9.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** P*****, vertreten durch Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in Perg, gegen die beklagten Parteien 1. C***** G*****, und 2. D***** AG *****, beide vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen restlich 8.446,78 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. September 2014, GZ 4 R 99/14b‑60, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. März 2014, GZ 2 Cg 191/11b‑51, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00001.15H.0909.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Auch das Urteil des Erstgerichts wird im bekämpften Umfang, also hinsichtlich des Zuspruchs weiterer 8.446,78 EUR sA, aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Gegenstand des Rechtsstreits sind Verdienstentgangsansprüche des 1962 geborenen Klägers.

Dieser erlitt am 14. 5. 1993 bei einem vom Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall schwere Verletzungen, darunter mehrere Brüche des linken Ober‑ und Unterschenkels. Mit Urteil des Landesgerichts Linz wurde die Haftung der beklagten Parteien für künftige Schäden des Klägers aus diesem Unfall festgestellt.

Der Kläger hatte im Jahr 1990 ein Einzelunternehmen gegründet. Unternehmensgegenstand war (und ist) die Montage von Akustikdecken. Die damit verbundene Arbeitsleistung erfolgt häufig in exponierten Lagen, zB auf Gerüsten und Stahlleitern. Sie erfordert Stand‑ und Gangsicherheit, körperliche Gewandtheit sowie die volle Gebrauchsfähigkeit beider Beine. Ein freier Wechsel von Stehen, Sitzen und Gehen ist dabei nicht möglich, regelmäßig sind auch Arbeiten in Zwangshaltung durchzuführen.

Die bei dem Unfall erlittenen Verletzungen ließen sich nicht vollständig und beschwerdefrei auskurieren. Der Kläger leidet nach wie vor unter unfallskausalen Beeinträchtigungen und Beschwerden. Das linke Bein ist gegenüber dem rechten um ca 2 cm verkürzt. Bei Belastungen verspürt der Kläger im Bereich des linken Hüft‑ und Kniegelenks Schmerzen. Auch treten zunehmend Schmerzen im Wirbelsäulenbereich auf. Die Bewegungsfreiheit des linken Kniegelenks ist eingeschränkt.

Trotz der erlittenen schweren Verletzungen nahm der Kläger den Geschäftsbetrieb wieder auf. Allerdings ist es ihm aufgrund der Unfallfolgen, die sich zuletzt weiter verschlechterten, nicht mehr möglich, die für die Deckenmontage erforderliche Arbeitsleistung in vollem Umfang zu erbringen. Er kann nicht mehr den ganzen Tag Decken montieren. Während der Arbeit benötigt er längere Ruhepausen, der Zeitaufwand für die Montage steigt. Der Kläger ist nur mehr in der Lage, körperlich leichte und zeitweilig mittelschwere Arbeiten durchzuführen. Er verfügt über keine vollständige Stand‑ und Gangsicherheit sowie über keine uneingeschränkte Gebrauchsfähigkeit beider Beine mehr. Arbeiten, die körperliche Gewandtheit erfordern, Arbeiten in Zwangshaltung, in Bückstellung, im Knien oder im Hocken, weiters das Heben und Tragen sowie Bewegen von Lasten über 10 kg sind dem Kläger aufgrund der unfallskausalen Beschwerden nicht mehr möglich.

Aufgrund der eingeschränkten Leistungs‑ und Arbeitsfähigkeit beschloss der Kläger, sein Unternehmen ab dem Jahr 2008 gemeinsam mit seinem Bruder fortzuführen, wovon er sich einen Anstieg des Auftrags‑ und Geschäftsvolumens versprach. Die Brüder gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom 28. 1. 2008 die P*****OG, an welcher der Kläger mit 51 % beteiligt ist. Die OG ermittelt ihren Gewinn mittels Einnahmen‑Ausgaben‑Rechnung. Der Bruder des Klägers nahm Mitte Februar 2008 seine Tätigkeit für die Gesellschaft auf.

Im Jahr 2008 erwirtschaftete die OG einen Gewinn von 60.019,16 EUR. Davon entfallen 30.609,77 EUR auf den Kläger. Als seinen Gewinnanteil mindernd wirkten sich diverse Sonderbetriebsausgaben sowie nachträgliche, erst im Jahr 2008 schlagend gewordene Betriebsausgaben für das Einzelunternehmen in Höhe von 3.379,60 EUR aus. Nach Abzug des Freibetrags gemäß § 10 EStG und der erwähnten Sonderbetriebs‑ und Betriebsausgaben verblieben im Jahr 2008 Einkünfte des Klägers aus dem Gewerbebetrieb von 7.415,13 EUR. Nach Hinzurechnung der vom Kläger bezogenen Versehrtenrente (1.764,54 EUR) sowie weiterer Positionen betrug sein tatsächliches (Netto-)Einkommen im Jahr 2008 rund 15.700 EUR.

In den Jahren 1990 bis 1992 hatte der Kläger einen durchschnittlichen Jahresgewinn von ‑ vor Abzug der Einkommenssteuer und nach Berücksichtigung bereits abgeführter Sozialversicherungsbeiträge ‑ (umgerechnet) 21.801,85 EUR, das sind aufgewertet zum klagsgegenständlichen Zeitraum rund 30.100 EUR. Ohne den Unfall hätte der Kläger bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge im Jahr 2008 ein Jahreseinkommen in dieser Höhe erzielt. Daraus hätte sich eine Einkommenssteuerbelastung von etwa 7.600 EUR ergeben, sodass ihm rund 22.500 EUR netto verblieben wären.

Der Kläger begehrte mit der am 29. 12. 2011 beim Erstgericht eingebrachten Klage den Ersatz des ihm im Jahr 2008 entstandenen Verdienstentgangs, den er zuletzt mit 15.613,55 EUR bezifferte. Trotz enormer Anstrengungen habe er in diesem Jahr einen ihm zurechenbaren Gewinn von lediglich 7.415,33 EUR erwirtschaften können, was auf seine verminderte Leistungsfähigkeit sowie Anlaufschwierigkeiten bei der Gründung der OG zurückzuführen gewesen sei. Unter Berücksichtigung der seinen Einkünften hinzuzurechnenden Beträge verbleibe im Vergleich zu dem bei unfallfreiem Verlauf erzielbaren Einkommen der geltend gemachte Verdienstentgang. Bei den seinen Gewinn mindernden nachträglichen Betriebsausgaben handle es sich um Zinsen aus Fremdkapital, die erst im Jahr 2008 tatsächlich angefallen seien.

Die beklagten Parteien bestritten den Eintritt jeglichen Verdienstentgangs und auch dessen Kausalität. Die zu Unrecht gewinnmindernd berücksichtigten nachträglichen Betriebsausgaben gründeten auf Betriebsschulden des Einzelunternehmens aus dem Jahr 2007, die zum Verdienstentgang des Jahres 2008 in keinem Zusammenhang stünden. Für die Berechnung des Verdienstentgangs sei ein Nettovergleich zwischen fiktivem und tatsächlichem Verdienst anzustellen und zum Differenzbetrag die sich aus diesem ergebende Einkommensteuer zu addieren.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 14.400 EUR sA statt und wies das auf 1.213,55 EUR sA lautende Mehrbegehren ab.

Es ging im Wesentlichen vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und erörterte rechtlich, bei Gegenüberstellung des tatsächlichen und des fiktiven Einkommens habe der Kläger einen Verdienstentgang von 6.800 EUR erlitten. Zu diesem sei die vom fiktiven Gewinn zu leistende Einkommensteuer von 7.600 EUR hinzuzurechnen, sodass sich ein Schadenersatzanspruch von 14.400 EUR ergebe.

Dieses Urteil erwuchs in seinem abweisenden Teil zur Gänze und in seinem stattgebenden Teil insoweit in Rechtskraft, als dem Klagebegehren mit 5.953,22 EUR sA stattgegeben wurde.

Das von den beklagten Parteien im Übrigen, also hinsichtlich des Zuspruchs weiterer 8.446,78 EUR sA und vom Kläger überdies mit einem Kostenrekurs angerufene Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung in der Hauptsache und gab dem Kostenrekurs teilweise Folge. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht hegte keine Bedenken gegen die gewinnmindernde Berücksichtigung der nachträglichen Betriebsausgaben von 3.379,60 EUR, weil für den Kläger nicht wie für einen Bilanzierer das Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung, sondern als Einnahmen‑Ausgaben‑Rechner das Zufluss‑Abfluss‑Prinzip gelte. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum diese im Jahr 2008 tatsächlich angefallenen Ausgaben bei der Berechnung des Verdienstentgangs nicht berücksichtigt werden sollten.

Das Erstgericht habe auch zutreffend die sich bei einem fiktiven Bruttoeinkommen von 30.100 EUR ergebende Einkommensteuerbelastung von 7.600 EUR zum ermittelten Nettoschaden hinzugerechnet. Auszugehen sei nämlich davon, dass der Kläger im Jahr 2008 von seinem tatsächlich erzielten Einkommen keine Einkommensteuer zu entrichten habe. Sei der Kläger aber bei Berechnung seines Verdienstentgangs so zu stellen, dass ihm jenes Nettoeinkommen verbleibe, das er ohne das schädigende Ereignis erzielen hätte können, „im konkreten Fall daher 30.100 EUR“, so sei die sich bei diesem Betrag ergebende Einkommensteuerbelastung dem Nettoverdienstentgang des Klägers hinzuzurechnen.

Über Antrag der beklagten Parteien erklärte das Berufungsgericht die ordentliche Revision doch für zulässig. Die beklagten Parteien würden dem Berufungsgericht derart schwerwiegende Fehlbeurteilungen vorwerfen, dass die nachträgliche Zulassung der Revision geboten erscheine.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Kläger lediglich ein Betrag von 5.953,22 EUR, in eventu ein solcher von 11.904,72 EUR jeweils sA zugesprochen und das darüber hinausgehende Mehrbegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung (sinngemäß), die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Berechnung des Verdienstentgangs abgewichen ist. Das Rechtsmittel ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die beklagten Parteien machen geltend, das Berufungsgericht habe nicht die auf den Nettoverdienstentgang des Klägers entfallende Einkommensteuer hinzugerechnet, die laut Ergänzungs‑ gutachten des Sachverständigen 5.144,44 EUR betrage. Stattdessen habe es dem Kläger die vom fiktiven Bruttoeinkommen berechnete Einkommensteuer zuerkannt. Diese Vorgangsweise widerspreche der höchstgerichtlichen Judikatur. Außerdem hätten die nachträglichen Betriebsausgaben zur Tilgung einer Verbindlichkeit aus dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden dürfen. Andernfalls wäre es einem Einnahmen‑Ausgaben‑Rechner möglich, sein Einkommen willkürlich durch Hinausschieben der Zahlung fälliger Verbindlichkeiten zu beeinflussen. Es fehle auch „jeglicher Konnex“ zwischen dem fiktiv hochgerechneten Einkommen vor dem Unfall und diesen Betriebsausgaben. Ohne deren Berücksichtigung belaufe sich der Nettoverdienstentgang des Klägers auf 3.380,58 EUR, worauf eine Einkommensteuer von 2.572,64 EUR entfalle. Daraus resultiere ein Schadenersatzanspruch von 5.953,22 EUR. Sei hingegen von einem Nettoverdienstentgang von 6.760,18 EUR auszugehen, so betrage die darauf entfallende Einkommensteuer 5.144,54 EUR, sodass dem Kläger 11.904,72 EUR zustehen würden. Insoweit lägen Feststellungsmängel vor.

Hiezu wurde erwogen:

1. Vorbemerkungen:

Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass der Entschluss des Klägers, sein Einzelunternehmen gemeinsam mit seinem Bruder in der Rechtsform einer OG fortzuführen, durch die nachteilige Entwicklung der Unfallfolgen ausgelöst worden ist. Darin unterscheidet sich der gegenständliche Sachverhalt maßgeblich von jenem, welcher der Entscheidung 2 Ob 114/11w (= ZVR 2013/129, 258 [ Huber ]) zugrunde lag (Beteiligung des Geschädigten an einer atypischen stillen Gesellschaft). Die beklagten Parteien bringen gegen die grundsätzliche Ersatzfähigkeit der mit der Gesellschaftsgründung verbundenen Vermögensnachteile des Klägers auch keine Einwände mehr vor. Aspekte der Schadenminderungspflicht werden von ihnen ebenfalls nicht (mehr) releviert.

2. Nachträgliche Betriebsausgaben:

2.1 Wer ein unter Lebenden erworbenes Unternehmen fortführt, übernimmt, sofern nichts anderes vereinbart ist, zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs die unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse des Veräußerers mit den bis dahin entstandenen Rechten und Verbindlichkeiten (§ 38 Abs 1 erster Satz UGB). Diese Bestimmung gilt auch für den Fall der „Vergesellschaftung“ eines Einzelunternehmers mit einer weiteren Person zu einer Personengesellschaft ( Dehn in Torggler , UGB [2013] § 38 Rz 17; Fuchs/Schuhmacher in Straube , UGB 4 [2011] § 38 Rz 10).

Ob nun die den „nachträglichen Betriebsausgaben“ zugrundeliegende, vom Kläger noch vor der Gesellschaftsgründung eingegangene Verbindlichkeit iSd § 38 Abs 1 UGB auf die OG übergegangen ist, oder ob dies infolge einer Vereinbarung mit der Gesellschaft oder eines Widerspruchs des Dritten (§ 38 Abs 2 UGB) nicht zutrifft, steht nicht fest. Dem muss aber nicht weiter nachgegangen werden, weil die beklagten Parteien die Zuordnung der Verbindlichkeit ausschließlich zum Kläger (persönlich) auch für die Zeit nach der Gründung der OG nie in Frage gestellt haben.

2.2 Gemäß § 2 Abs 3 Z 3 EStG 1988 unterliegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen nach § 23 Z 2 EStG 1988 ua die Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (wie insbesondere offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften). Die Gesellschafter einer OG sind demnach in der Regel „Mitunternehmer“ und unterliegen der Einkommensteuer, wenn sie betriebliche Einkünfte erzielen ( Baldauf in Jakom , EStG 8 [2015] § 23 Rz 15 ff; vgl auch Kraus in Torggler , UGB [2013] § 105 Rz 18). Das trifft ab Gründung der OG im Jahr 2008 auf den Kläger zu.

Nach den Feststellungen erfolgt die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (§ 4 Abs 3 EStG 1988). Dabei handelt es sich um eine vereinfachte Form der Gewinnermittlung, die nicht durch den Vergleich des Betriebsvermögens am Schluss des Wirtschaftsjahrs mit dem Betriebsvermögen am Schluss des vergangenen Wirtschaftsjahrs (vgl § 4 Abs 1 EStG 1988), sondern durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben (iSe Geldflussrechnung) erfolgt ( Marschner in Jakom , EStG 8 § 4 Rz 236). Gegenüber der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG ergeben sich unterschiedliche Periodenergebnisse, der Totalgewinn muss aber grundsätzlich ident sein ( Marschner aaO). Es gilt das Zufluss‑Abfluss‑Prinzip. Das bedeutet, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nicht im Zeitpunkt des Entstehens, sondern im Zeitpunkt ihrer Vereinnahmung bzw Verausgabung erfasst werden. Soweit der Geldfluss eine bereits früher entstandene Forderung oder Verbindlichkeit betrifft, kommt es zur Erfassung erst im Zeitpunkt des Geldflusses ( Marschner aaO § 4 Rz 237). In einem gewissen Rahmen besteht bei dieser (vereinfachten) Form der Gewinnermittlung die Möglichkeit des bewussten Steuerns des Zahlungszeitpunkts; willkürliche Zahlungen sind aber nicht zu berücksichtigen ( Marschner aaO § 4 Rz 238).

2.3 Die hier strittigen Betriebsausgaben wurden im Einklang mit diesen steuerrechtlichen Grundsätzen erst im Jahr 2008 berücksichtigt. Anhaltspunkte für eine willkürliche Steuerung des Zahlungszeitpunkts durch den Kläger liegen nicht vor. Daraus ist aber für die Lösung des Problems noch nichts gewonnen, weil diese nur nach zivilrechtlichen, genauer schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat:

Der Kläger und die Vorinstanzen haben die „nachträglichen Betriebsausgaben“ vom Gewinnanteil des Klägers abgezogen, wodurch sich der Verdienstentgang für das Jahr 2008 erhöht. Die beklagten Parteien haben schon in erster Instanz generell die Kausalität des Verdienstentgangs bestritten und einen „Konnex“ der „nachträglichen Betriebsausgaben“ zu den unfallbedingt geringeren Einkünften des Klägers im Jahr 2008 vermisst. An letzterem Einwand halten sie auch in ihrem Rechtsmittel fest. Im Ergebnis äußern sie damit Zweifel am Kausalzusammenhang zwischen Unfall und den besagten Betriebsausgaben als Teil des geltend gemachten Verdienstentgangs.

Es liegt nach allgemeinen Beweislastregeln am Kläger, die Kausalität der schädigenden Handlung für den behaupteten Schaden zu beweisen (RIS‑Justiz RS0022686). Zwar fordert die ständige Rechtsprechung bei der ‑ auch hier zu unterstellenden (die näheren Umstände des Unfallgeschehens sind nicht aktenkundig) ‑ Verletzung eines Schutzgesetzes keinen strengen Beweis des Kausalzusammenhangs. In diesen Fällen spricht in der Regel nämlich schon der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der von der Norm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht wurde. Es obliegt dann dem Beklagten, die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ‑ durch Außerkraftsetzen des Anscheinsbeweises ‑ ernsthaft zweifelhaft zu machen (vgl 2 Ob 213/13g mwN; RIS‑Justiz RS0022474, RS0027515 uva). Der Anscheinsbeweis ist aber nur zulässig, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht; er darf nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen (2 Ob 213/13g; 4 Ob 18/15y; RIS‑Justiz RS0040287).

2.4 Der Anscheinsbeweis muss hier derzeit schon deshalb versagen, weil noch nicht einmal feststeht, welche Art von Verbindlichkeit den nachträglich berücksichtigten Betriebsausgaben zugrunde liegt und zu welchem Zweck diese Verbindlichkeit begründet wurde. Lag diese etwa in betrieblichen Aufwendungen, die auch ohne die unfallbedingte gesundheitliche Beeinträchtigung und die damit verbundene Vergesellschaftung des Einzelunternehmens angefallen wären, läge keine typische formelhafte Verknüpfung zwischen Unfall und gewinnminderndem Aufwand vor, sodass der Kläger den Kausalitätsbeweis zu führen hätte. Erst nach Kenntnis der genauen Tatumstände kann somit beurteilt werden, ob und in welchem Umfang die den „nachträglichen Betriebsausgaben“ zugrunde liegende Verbindlichkeit mit der unfallbedingten körperlichen Beeinträchtigung des Klägers in einem ursächlichen Zusammenhang steht.

2.5 Schon wegen der zu diesem Thema vorhandenen Feststellungsmängel ist die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen unvermeidlich. Im fortgesetzten Verfahren werden nach Ergänzung des Beweisverfahrens die fehlenden Feststellungen nachzuholen sein. Sollte danach aber der Kausalzusammenhang zwischen der unfallbedingten Beeinträchtigung des Klägers und den „nachträglichen Betriebsausgaben“ zu bejahen sein, stünde ihrer den Gewinnanteil des Klägers im Jahr 2008 mindernden Berücksichtigung nicht entgegen, dass die Verbindlichkeiten noch aus der Periode vor der Gründung der OG stammen. Entspricht es doch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine Aufspaltung des Verdienstentgangs nach Zeiträumen nicht zulässig ist (vgl jüngst 2 Ob 235/14v; RIS‑Justiz RS0030638).

3. Berechnung des Verdienstentgangs:

3.1 Bei der Berechnung des Schadenersatzes für Verdienstentgang ist der Geschädigte so zu stellen, wie er stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, bei welcher der hypothetische Vermögensstand ohne schädigendes Ereignis mit dem tatsächlich nach dem schädigenden Ereignis gegebenen verglichen wird (2 Ob 235/14v mwN). Dabei ist vom Nettoschaden auszugehen, weil dem Geschädigten vor dem Unfall auch nur die Nettoeinkünfte verblieben, also die um Steuer und sonstige Abgaben verminderten Bruttoeinkünfte. Vom hypothetischen Nettoverdienst, den der Geschädigte ohne den Unfall nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge erzielt hätte, ist der tatsächliche Nettoverdienst zuzüglich einer allenfalls zur Auszahlung gebrachten Sozialversicherungsrente abzuziehen (vgl 2 Ob 79/97z; 2 Ob 227/07g). Damit dem Geschädigten der sich ergebende Differenzbetrag ungeschmälert verbleibt, müssen ihm auch die Steuern und Abgaben ersetzt werden, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstehen. Diese ist daher so zu bemessen, dass sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstehenden Abzüge dem Nettoschaden entspricht (stRsp; vgl 2 Ob 133/60 SZ 33/50; 2 Ob 68/95; 2 Ob 38/02f; 2 Ob 228/08f; RIS‑Justiz RS0028339, RS0031017; Danzl in KBB 4 § 1325 Rz 20). Dabei sind die aus den hypothetischen Bruttoeinkünften zu entrichtenden Steuern und sonstigen Abgaben und die aufgrund der Schadenersatzleistung zu entrichtenden Steuern und sonstigen Abgaben in zeitlicher Hinsicht vom gleichen Stichtag zu errechnen (2 Ob 68/95; 2 Ob 228/08f).

3.2 Die einschlägige steuerrechtliche Regelung findet sich in § 32 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988. Danach gehören zu den Einkünften iSd § 2 Abs 3 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene und entgehende Einnahmen gewährt werden. Darunter sind auch Entschädigungen aus dem Titel des Verdienstentgangs zu verstehen (VwGH 27. 6. 2000, 99/14/0330; Kanduth‑Kristen in Jakom , EStG 8 § 32 Rz 15). § 32 EStG 1988 ist eine die §§ 21 bis 31 EStG ergänzende Zurechnungsvorschrift und schafft keine eigene Einkunftsart. Die von dieser Bestimmung erfassten Einkünfte sind vielmehr der Einkunftsart zuzurechnen, zu der sie wirtschaftlich gehören ( Kanduth‑Kristen aaO § 32 Rz 1), hier also zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb iSd § 23 EStG 1988. Im Veranlagungsjahr 2008 lag die tarifliche Nullzone bei einem Einkommen von 10.000 EUR, die mit der Steuerreform 2009 auf 11.000 EUR erweitert worden ist (§ 33 Abs 1 EStG 1988; vgl Kanduth‑Kristen aaO § 33 Rz 9a). Bemessungsgrundlage ist der Gesamtbetrag der Einkünfte iSd § 2 Abs 2 EStG ( Kanduth‑Kristen aaO § 33 Rz 3).

3.3 Die Vorinstanzen sind von den in 3.1 wiedergegebenen Berechnungskriterien insofern abgewichen, als sie dem von ihnen mit 6.800 EUR ermittelten (nach obigen Ausführungen möglicherweise aber noch korrekturbedürftigen) Verdienstentgang nicht die durch die Schadenersatzleistung entstehende Einkommensteuer hinzugerechnet haben, sondern jene, die sich aus den hypothetischen Bruttoeinkünften des Klägers ergibt. Soweit ihre Berechnung von der Überlegung getragen sein sollte, dass die Einkommensteuer gleich hoch wie beim hypothetischen Einkommen sein müsse, weil die festgestellten tatsächlichen Nettoeinkünfte zuzüglich der Schadenersatzleistung in Summe den hypothetischen Nettoeinkünften entsprechen, vernachlässigen sie, dass von den tatsächlichen Einkünften lediglich ein Anteil von 7.415,13 EUR als einkommensteuerpflichtig zu berücksichtigen wäre, weshalb im aktenkundigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 die Einkommensteuer ‑ insoweit für die Gerichte bindend (vgl 4 Ob 94/06m; 2 Ob 210/07g; RIS‑Justiz RS0036981) ‑ gemäß § 33 Abs 1 EStG mit 0 EUR festgesetzt worden ist (AS 79). Das Berufungsgericht hat zwar auf den Einkommensteuerbescheid Bezug genommen, daraus jedoch unzutreffende Schlüsse gezogen.

3.4 Die beklagten Parteien machen zu Recht geltend, dass Feststellungen zu der Steuerbelastung des Klägers, die sich aus der Schadenersatzleistung selbst ergibt, bisher nicht getroffen wurden. Auch das wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

4. Ergebnis:

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass es der Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen im noch streitverfangenen Umfang bedarf. Das Erstgericht wird das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen und danach erneut über den Anspruch des Klägers zu entscheiden haben, wobei es die Ermittlung des Verdienstentgangs nach den erörterten Kriterien vorzunehmen haben wird.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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