OGH 2Ob213/13g

OGH2Ob213/13g28.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers F***** L*****, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen den Beklagten S***** L*****, vertreten durch MMag. Christoph Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen 18.329,87 EUR sA, über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. August 2013, GZ 3 R 133/13v‑34, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 14. Juni 2013, GZ 5 Cg 36/12m‑29, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00213.13G.0328.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.119,24 EUR (darin enthalten 186,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage zu, ob § 12 TierärzteG als Schutznorm im Sinn des § 1311 ABGB anzusehen sei. Das beim Beklagten eingestellte Pferd des Klägers erlitt eine massive Infektion des linken Luftsacks mit Pilzen und musste euthanasiert werden. Der Beklagte hatte ihm ‑ entgegen § 12 TierärzteG - Cortisoninjektionen verabreicht, wodurch sich das Risiko wesentlich erhöhte, dass sich der Pilzbefall verstärkte und auswirkte.

Der Beklagte macht in seiner Revision geltend, § 12 TierärzteG beabsichtige ‑ vor dem Hintergrund des Schutzes menschlicher Gesundheit ‑, die unbegrenzte Selbstbehandlung des Tierhalters zu beschränken. Die Bestimmung bezwecke aber nicht den Schutz der Tiere bzw des fremden Eigentums; sie sei daher kein Schutzgesetz im hier gegebenen Zusammenhang, sodass den Kläger die volle Beweislast hinsichtlich der Kausalität treffe und der Beweis des ersten Anscheins hier nicht zulässig sei. Mangels Kausalität der Injektionen für den Tod des Pferdes fehle auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang. Jedenfalls könne kein Tatbestand mit typischem formelhaftem Geschehensablauf angenommen werden. Das Pferd habe sich wegen der Kastration und Umstallung in einer Stresslage befunden. Dem Handeln des Beklagten fehle im Übrigen die Adäquanz, weil sich der Pilzbefall auch allein durch den gezielten Einsatz von Antibiotika derart massiv vermehren habe können. Sollte eine Haftung des Beklagten dennoch bejaht werden, wäre eine Schadensteilung vorzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird weder in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts noch in der Revision des Beklagten eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

1. Schutzgesetze sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines bestimmten Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RIS‑Justiz RS0027710). Erst in Kombination mit § 1311 ABGB führt ein schuldhafter Verstoß gegen eine solche Anordnung, durch die ein Schaden bei einer vom Handelnden verschiedenen Person hervorgerufen wird, zur Ersatzpflicht (7 Ob 110/13x mwN).

2. Bei Verletzung eines Schutzgesetzes fordert die ständige Rechtsprechung keinen strengen Beweis des Kausalzusammenhangs (RIS‑Justiz RS0027640, RS0027462). Dies darf aber nicht dahin verstanden werden, dass im Fall einer Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB die Vermutung bestehe, die Verletzung des Schutzgesetzes sei für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen; es kommt zu keiner Umkehrung der Beweislast (RIS‑Justiz RS0027517, RS0027640 [T3], RS0022599 [T1]). Vielmehr spricht in diesen Fällen der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der von der Norm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht wurde (6 Ob 303/05k; RIS‑Justiz RS0027517). Es obliegt dann dem Beklagten, die Kausalität der Pflichtwidrigkeit - durch Außerkraftsetzung des ihn belastenden Anscheinsbeweises - ernsthaft zweifelhaft zu machen (RIS‑Justiz RS0022599, RS0022474 [T1, T5]; 7 Ob 106/13h).

3. Der Anscheinsbeweis ist nur zulässig, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht; er darf nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen (RIS‑Justiz RS0040287).

4. Soll das Zuwiderhandeln gegen ein Gesetz einen Schadenersatzanspruch auslösen, muss es jene Interessen verletzen, deren Schutz die Rechtsnorm bezweckt (RIS‑Justiz RS0031143). Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern sollte („Rechtswidrigkeitszusammenhang“; RIS‑Justiz RS0022933). Entscheidend ist der Normzweck, der durch teleologische Auslegung zu ermitteln ist und für den personalen, gegenständlichen und modalen Schutzbereich bedeutsam ist, wonach sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung vom Schutzzweck erfasst sein müssen (RIS‑Justiz RS0027553 [T7 und T18]).

5. Wie weit der Normzweck reicht, ist Ergebnis der Auslegung im Einzelfall (1 Ob 200/04z = RIS‑Justiz RS0050038 [T14]). Ob eine Norm Schutzzweckcharakter aufweist, kann nur aufgrund des Inhalts dieser Norm im Einzelfall beurteilt werden (2 Ob 187/02t = RIS‑Justiz RS0027415 [T10]).

6. Gemäß § 12 Abs 1 Z 4 TierärzteG darf die Impfung, Injektion, Transfusion, Infusion, Instillation und Blutabnahme bei Tieren nur von Tierärzten ausgeübt werden. Das Berufungsgericht qualifizierte diese Bestimmung ‑ im Zusammenhang mit § 285a ABGB, wonach Tiere keine Sachen sind und durch besondere Gesetze geschützt werden ‑ als Schutznorm gemäß § 1311 ABGB, weil sie den Schutz der Tiere und den Schutz des (fremden) Eigentums bezwecke. Diese Beurteilung ist jedenfalls vertretbar, zumal der Schutz der Gesundheit von Tieren jenen des Vermögens ihrer Eigentümer mit einschließt ‑ auf Tiere sind trotz der programmatischen Bestimmung des § 285a ABGB die sachenrechtlichen Vorschriften anzuwenden (Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 285a Rz 2).

7. Die Annahme der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises im Zusammenhang mit der Verursachung des Schadens durch die vom Beklagten vorgenommenen Cortisoninjektionen ist nicht zu beanstanden, liegt doch aufgrund der Feststellungen der Tatsacheninstanzen, wonach die Wirkung des Cortisons nach mehrmaliger (alleiniger) Verabreichung zu einer Vermehrungstendenz von Bakterien und Pilzen führt und als Wegbereiter einer Pilzinfektion im Luftsack gehandelt werden kann, eine „typische formelhafte Verknüpfung“ zwischen der unzulässigen Verabreichung von Cortison durch den Beklagten (der kein Tierarzt ist) und der Krankheitsfolge vor.

8. Nach der oben zitierten Rechtsprechung wäre es nun dem Beklagten oblegen, die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ‑ durch Außerkraftsetzung des ihn belastenden Anscheinsbeweises - ernsthaft zweifelhaft zu machen. Dass dies dem Beklagten gelungen wäre, hat das Berufungsgericht verneint, zumal die Feststellungen keine ausreichenden Hinweise dafür bieten, dass das durch die vorangegangene Kastration und Umstallung (vor‑)geschwächte Immunsystem des Pferdes ohne die verbotenen Injektionen des Beklagten den gleichen tödlichen Gesundheitsschaden bewirkt hätte. Vertretbar hat das Berufungsgericht daher von einer Schadensteilung Abstand genommen, sondern den Tod des Pferdes dem Beklagten voll zugerechnet.

9. Da somit keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen sind, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit hingewiesen, weshalb der Beklagte die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat (§§ 50, 41 ZPO).

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