OGH 2Ob68/95

OGH2Ob68/9519.3.1998

1Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Vogel in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang J*****, vertreten durch Dr.Rudolf Wieser ua Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Hubert K*****, und 2. V*****, beide vertreten durch Dr.Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 1,368.969,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 30.Mai 1995, GZ 1 R 135/95-17, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.Februar 1995, GZ 8 Cg 183/94a-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang des noch streitverfangenen Anspruches von S 1,365.000,-- samt 4 % Zinsen seit 22.6.1994 aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Urteilsfällung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 12.11.1982 bei einem Verkehrsunfall auf der Inntalautobahn schwer verletzt. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8.3.1983, 8 Cg 103/83, wurde festgestellt, daß der Erstbeklagte als beteiligter Motorradfahrer und die Zweitbeklagte als dessen Haftpflichtversicherer dem Kläger für alle künftigen Schäden aus diesem Unfall zur ungeteilten Hand haften, die Zweitbeklagte beschränkt auf die Versicherungssumme. Mit der zu 8 Cg 453/85 des Landesgerichtes Innsbruck eingetragenen Klage vom 6.11.1985 machte der Kläger unter anderem seinen Verdienstentgang infolge des Unfalles für den Zeitraum November 1982 bis Juli 1988 (69 Monate) als Pauschalbetrag mit dem Vorbringen geltend, er sei zuletzt als geschäftsführender Gesellschafter zweier privater Wohnbaugesellschaften vorwiegend im Außendienst tätig gewesen, habe aber infolge einer beim Unfall erlittenen Beinivalidität auf den Beruf eines Schnitzers umsatteln müssen und sei seit 1.1.1989 wieder selbständig als Geschäftsführer einer im Baubereich tätigen Gesellschaft beschäftigt. In der mündlichen Streitverhandlung vom 17.12.1991 schränkte der Kläger den ursprünglich brutto berechneten Verdienstentgang auf einen Nettoverdienstentgang (unter Berücksichtigung der anrechenbaren Sozialversicherungsleistungen und der anteiligen Pensionsversicherungsbeiträge) von S 1,981.082,22 mit dem Vorbringen ein, derzeit sei nicht feststellbar, wie hoch die Einkommensteuerbelastung des Nettoverdienstentganges sein werde; er behielt sich jedoch ausdrücklich vor, die Einkommensteuerbelastung aus dem eingeklagten Verdienstentgang "nach Vorliegen" zusätzlich geltend zu machen (AS 681 des Voraktes). Der vom Erstgericht mit Urteil vom 20.1.1992 zugesprochene Nettoverdienstentgang betrug S 1,749.084,72 s.A. und wurde vom Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht auf S 1,319.785,50 s.A. herabgesetzt; außerordentliche Revisionen beider Streitteile gegen dieses Urteil blieben erfolglos. In Erfüllung dieser Judikatschuld bezahlte die Zweitbeklagte 1992 dem Kläger S 1,478.840.-; für diesen Geldzufluß hatte der Kläger aufgrund eines Bescheides des Finanzamtes Innsbruck vom 3.8.1994 S 707.968,-- Einkommensteuer zu entrichten; für im Jahr 1992 darüber hinaus erzieltes Einkommen in Höhe von S 307.100,-- hatte der Kläger weitere S 22.056,-- an Einkommensteuer zu bezahlen.

Mit der nunmehr zu beurteilenden Klage vom 30.8.1994 begehrt der Kläger S 1,367.969,-- s.A. als Ersatz jenes Vermögensschadens, der ihm aufgrund der Einkommenssteuerbelastung nach Zufluß der Verdienstentgangsentschädigung bereits entstanden sei (S 707.985,--) bzw. in den kommenden Jahren sukzessive nach Zufluß der von den Beklagten künftig zu leistenden Einkommenssteuervergütungen jeweils wieder entstehen werde (S 659.984,--). Er bringt dazu vor, im Vorprozeß nur seinen Nettoverdienstentgang geltend gemacht zu haben, weil er ab 1990 wieder selbständig erwerbstätig sei und seine Einkommenslage im Zeitpunkt des Zuflusses des erstrittenen Entschädigungsbetrages für Verdienstentgang zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im Vorprozeß nicht einmal annähernd exakt faßbar gewesen wäre. Eine Berechnung der zu erwartenden Steuerbelastung durch einen Sachverständigen wäre zwangsläufig ungenau gewesen und hätte das Verfahren verlängert und verteuert; die vom Kläger gewählte Vorgangsweise sei daher prozeßökonomisch.

Die Beklagten wenden dagegen ein, daß im Hinblick auf die vom Kläger im Vorprozeß vorgenommene Klagseinschränkung von Bruttobeträgen auf Nettobeträge eine Klagsrücknahme unter Anspruchsverzicht liege; darüber hinaus sei der Anspruch verjährt, weil die Steuern einen Teil des als wiederkehrende Leistungen zu beurteilenden Verdienstentganges darstellten und damit unter eine dreijährige Verjährungsfrist fielen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von S 1,365.000,-- s.A. statt und wies das Mehrbegehren unbekämpft ab. Es verneinte das Vorliegen eines Anspruchverzichtes; der geltend gemachte Ersatzanspruch sei aber auch noch nicht verjährt, komme es doch in steuerlicher Hinsicht auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Mittel an. Bei der Berechnung des künftig durch Steuerbelastung dem Kläger entstehenden Schadens stützte sich das Erstgericht auf § 273

ZPO.

Über Berufung der Beklagten wies das Berufungsgericht das Klagebegehren zur Gänze mit der Begründung ab, der Kläger habe zwar nicht auf den eingeklagten Anspruch verzichtet, weil aufgrund der eindeutigen Erklärung des Klägers nur eine Klagseinschränkung vorliege; der Anspruch sei aber verjährt. Ersatz für Verdienstentgang sei grundsätzlich als wiederkehrende Leistung zu leisten, dies habe auch für jene Teile desselben zu gelten, die Einkommenssteuer darstellten, handle es sich dabei doch um unselbständige Teile der Gesamtentschädigung. Dem Kläger wäre eine Berechnung der ihm künftig erwachsenden steuerlichen Belastungen innerhalb der dreijährigen Frist des § 1480 ABGB nicht unmöglich gewesen, er hätte sie auch durchführen müssen. Auf die Frage der abgabenrechtlichen Fälligkeit komme es hingegen nicht an. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision mangels einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Verjährung der "Steuerquote" aus einer Verdienstentgangsrente zulässig sei.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag dahin, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen bzw. ihr allenfalls keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht aufgezeigten Gründen zulässig. Sie ist auch im Sinne eines jedem Abänderungsantrag innewohnenden Aufhebungsantrages (EFSlg 52.209 ua) berechtigt.

Beim Verdienstentgang nach § 1325 ABGB handelt es sich um positiven Schaden, der entweder in Form einer Rente oder durch einen einmaligen Kapitalbetrag zugesprochen werden kann (Koziol, Haftpflichtrecht II**2 132). Letzteres kommt nach der einhelligen Rechtsprechung nur ausnahmsweise in Betracht, wenn nämlich der Verletzte hiefür einen wichtigen Grund vortragen kann (SZ 34/27 = ZVR 1961/220; ZVR 1975/198; ZVR 1990/121; SZ 67/135). Der Kläger hat in diese Richtung nichts vorgebracht, weshalb das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, daß Gegenstand des Vorprozesses ein Anspruch auf wiederkehrende Leistungen iS des § 1480 ABGB war, die nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr über einen längeren Zeitraum hinweg zu erbringen sind. An dieser Betrachtungsweise ändert auch nichts, daß der Kläger den jährlich berechneten Verdienstentgang zusammengerechnet hat, steht doch der Umstand, daß die Höhe des Verdienstentganges schwanken und etwa auch für einzelne Perioden gänzlich entfallen kann, der Annahme eines Anspruchs auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen nicht entgegen (ZVR 1990/121; ZVR 1994/40; BGH NJW-RR 1989, 215).

Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Verdienstentganges der Höhe nach ist der Nettoschaden zuzüglich der vom Verletzten zu leistenden Steuern und Abgaben (Apathy, KommzEKHG § 13 Rz 11 mwN; Harrer in Schwimann ABGB**2 § 1325 Rz 59). Die Schadenersatzleistung ist demnach so zu bemessen, daß sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstandenen Abgänge an Steuern und sonstigen etwaigen gesetzlichen Abzugsposten dem Nettoschaden entspricht. Die Steuern und sonstigen Abgaben für die entgangenen Bruttoeinkünfte und die (Brutto-)Schadenersatzleistung sind dabei in zeitlicher Hinsicht vom gleichen Stichtag zu errechnen. Hinsichtlich allenfalls künftig fällig werdenden Rentenbeträge sind die darauf entfallenden Abzugsposten nach der Sach- und Gesetzeslage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu berechnen (2 Ob 141/72).

Dieselbe Berechnungsmethode gilt auch für die Ausmittlung des Unterhaltsentganges nach § 1327 ABGB (EFSlg 33.804; EFSlg 33.817; ZVR 1985/11); in derartigen Fällen hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß die vom Anspruchsberechtigten zu zahlenden Steuern einen erstattungspflichtigen Teil des zu leistenden Schadenersatzes darstellen, wobei die Fälligkeit dieser Steuern jedoch nicht Voraussetzung ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung des Schadenersatzanspruches ist (ZVR 1987/66; SZ 60/67 = RZ 1987/66 = ZVR 1988/109).

Von diesen Grundsätzen einer einheitlichen, von der Lehre gebilligten höchstgerichtlichen Rechtsprechung abzugehen bietet auch der vorliegende Sachverhalt keinen Anlaß. Die dem Kläger im Vorprozeß zugesprochene Entschädigung für Verdienstentgang stellt eine Geldrente für den Zeitraum November 1982 bis Juli 1988 dar. Sie wäre daher nach den dargestellten Grundsätzen der Höhe nach so zu bemessen gewesen, daß durch sie der dem Kläger entstandene Nettoschaden zuzüglich jener Steuer- und Abgabenbelastung abgegolten gewesen wäre, die ihm nach den im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse infolge des Zuflusses des zugesprochenen Entschädigungsbetrages nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge erwachsen wäre. Daß eine solche Berechnung zukünftig zu erwartender Steuerbelastung unter den dargestellten Prämissen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht zu erkennen. Hat aber der Kläger in der mündlichen Streitverhandlung vom 17.12.1991 den ursprünglich brutto eingeklagten Entschädigungsbetrag auf einen Nettoverdienstentgang eingeschränkt und den ihm nach Zufluß des erstrittenen Betrages 1992 erwachsenen "Steuerschaden" mit Klage vom 30.8.1994 gesondert geltend gemacht, so ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß der erhobene Einwand der Verjährung beachtlich ist.

Die vom Kläger vorgenommene Unterscheidung zwischen einem "Nettoschaden" und dem aus der Steuerbelastung resultierenden "weiteren" Schaden widerspricht dem im gesamten Schadenersatzrecht vertretenen Grundsatz, daß ein Entschädigungsbetrag global auszumessen ist. Eine "Zerlegung" der Verdienstentgangsrente in einen Nettoteil und eine "Steuerquote" findet weder im Gesetz noch in der dargestellten Bemessungsmethode eine Stütze. Daraus folgt, daß der Anspruch auf Ersatz jener Steuerbelastung, die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz für den Kläger zu erwarten war, drei Jahre nach Ablauf jenes Monats verjährt war, in dem die einzelnen Verdienstentgangsrenten fällig geworden waren. Ein Feststellungsurteil schaltet die Verjährungseinrede nämlich nur für solche Leistungen auf dreißig Jahre aus, die keine wiederkehrenden Leistungen darstellen (SZ 45/8 uva); eine regelmäßig als Rente zuzusprechende Verdienstentgangsentschädigung fällt hingegen unter die dreijährige Verjährungsfrist des § 1480 ABGB.

Dennoch ist die Rechtsache nicht spruchreif im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung. Der Kläger hat nämlich sinngemäß vorgebracht, deshalb im Vorprozeß nur seinen Nettoverdienstentgang geltend gemacht zu haben, weil er ab 1990 wieder selbständig erwerbstätig gewesen sei und seine Einkommenslage im Zeitpunkt des Zuflusses des erstrittenen Entschädigungsbetrages für Verdienstentgang bei Schluß der Verhandlung erster Instanz im Vorprozeß nicht einmal annähernd exakt faßbar gewesen wäre. Diese Argumentation des Klägers ist insoweit zutreffend, als bei der Bemessung der Verdienstentgangsentschädigung im Vorprozeß die zu erwartende Steuer- und Abgabenlast eben nur insoweit zu berücksichtigen war, als eine solche nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge erwachsen wäre. Hat der Kläger hingegen einen zusätzlichen Vermögensschaden dadurch erlitten, daß sich die im Vorprozeß anzustellende steuerliche Zukunftsprognose aus besonderen, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht zu erwartenden Umständen als unzutreffend herausgestellt hat, liegt insoweit ein weiterer Schaden vor, von dem der Geschädigte erstmals mit Vorschreibung des entsprechenden (Mehr-)Betrages durch das Finanzamt Kenntnis erlangt hat, weshalb erst ab diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist für diesen Teil der Abgabenschuld zu laufen beginnen kann. Solche besonderen Umstände können etwa darin liegen, daß der Geschädigte in jenem Zeitraum, in den der Zufluß der Ersatzleistung fällt, unvorhergesehen noch weiteres steuerpflichtiges Einkommen erworben hat, weshalb er mit einem Teil seines Einkommens in eine höhere Progressionsstufe gerät, als dies bei Fehlen dieses Einkommens der Fall gewesen wäre. Nicht vorhersehbare steuerliche Nachteile können aber etwa auch daraus resultieren, daß sich die Steuergesetze zwischen Schluß der Verhandlung und Auszahlung der Entschädigung ändern.

Das Erstgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren zu klären haben, ob und allenfalls in welchem Ausmaß die Belastung des Klägers durch Steuern und Abgaben infolge unvorhersehbarer Umstände größer war, als eine solche Belastung im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten war. Im Umfang einer sich danach möglicherweise ergebenden Mehrbelastung wird das Klagebegehren als nicht verjährt zuzusprechen sein, da eine Klagsrücknahme unter Anspruchsverzicht im Vorprozeß aus den vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführten Gründen (§ 510 Abs 3 ZPO) nicht vorliegt.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren ist im § 52 Abs 1 ZPO begründet.

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