OGH 2Ob456/60

OGH2Ob456/6028.2.1961

SZ 34/27

Normen

ABGB §44
ABGB §92
ABGB §1327
ABGB §44
ABGB §92
ABGB §1327

 

Spruch:

Der Ehemann hat nach dem durch einen Unfall herbeigeführten Tod seiner Gattin gegenüber dem Schädiger nur dann einen Ersatzanspruch für entgangenen unterhalt, wenn er im Zeitpunkt des Unfalles der Dürftigkeit verfallen war.

Entscheidung vom 28. Februar 1961, 2 Ob 456/60.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Klara S., die Gattin des Erstklägers und Mutter der Zweitklägerin, ist am 25. Juli 1958 als Radfahrerin im Gemeindegebiet von A. tödlich verunglückt. Der Erstbeklagte wurde deswegen vom Strafgericht rechtskräftig nach § 335 StG. verurteilt. Nunmehr machen beide Kläger aus dem Verkehrsunfall der Klara S. Schadenersatzansprüche gegen die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand geltend, und zwar nehmen sie den Erstbeklagten als Kraftwagenlenker wegen Verschuldens und den Zweitbeklagten als Kraftfahrzeughalter nach Art. IV EVzKraftfVerkG. in Anspruch. Nach dem letzten Stand des erstgerichtlichen Verfahrens begehrt der Erstkläger (Witwer) die Zahlung von 4680 S 80 g s. A. und 54.000 S s. A.; in der Tagsatzung vom 26. November 1959 hat der Erstkläger in bezug auf den letzterwähnten Betrag von 54.000 S ein Eventualbegehren auf Zahlung einer Monatsrente von 300 S ab 25. Juli 1958 gestellt. Die Zweitklägerin hat zunächst die Zahlung von 11.394 S s. A. begehrt und dieses Begehren in der Tagsatzung vom 19. Mai 1960 um 30 S auf 11.364 S s. A. eingeschränkt. Des weiteren haben beide Kläger die Feststellung begehrt, daß die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig seien, den Klägern "sämtliche aus dem Unfallstod der Klara S. entstandenen Schäden und Kosten zu ersetzen". In dritter Instanz ist nicht mehr strittig, daß die Radfahrerin Klara S. kein eigenes Verschulden am Verkehrsunfall vom 25. Juli 1958 trifft.

Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren des Erstklägers von 58.680 S 80 g s. A. und jenes der Zweitklägerin von 11.394 S s. A. ab; es wies ferner das oben bezeichnete Feststellungsbegehren beider Kläger ab. Im Spruch erwähnte das Erstgericht das Eventualbegehren des Erstklägers auf Leistung einer Monatsrente von 300 S ab 25. Juli 1958 nicht. Die Klageabweisung begrundete das Erstgericht damit, daß "hinsichtlich der mit dem Tod der Klara S. zusammenhängenden und in der Klage geltend gemachten Kosten und Auslagen" der Mangel der Aktivlegitimation vorliege. Dem Witwer gebühre vorliegendenfalls nicht der Ersatz eines Entgangs nach § 1327 ABGB., denn der Erstkläger habe ein monatliches Nettoeinkommen von 1427 S 10 g; für Quartier, volle Verpflegung, Betreuung und Wartung habe er an seinen Schwiegersohn Rudolf D. (den Gatten der Zweitklägerin) nur 600 S im Monat zu zahlen, so daß ihm 827 S 10 g monatlich verblieben; bei diesen wirtschaftlichen Verhältnissen könne nicht von einer Bedürftigkeit des Erstklägers gesprochen werden, die allein die Beistandspflicht seiner Gattin Klara S. begrundet hätte. Für das Feststellungsbegehren mangle das nach § 228 ZPO. geforderte rechtliche Interesse der Kläger an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung.

Der Berufung der klagenden Parteien gab das Berufungsgericht dahin Folge, daß das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidungen das Erstgericht zurückverwiesen wurde. Der Ehemann gehöre zu den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt die Gattin nach dem Gesetz zu sorgen hatte, da unter "Unterhalt" im Sinne des § 1327 ABGB. auch Leistungen aus der Beistandspflicht nach den §§ 44 und 92 ABGB. zu verstehen seien; dabei sei die Frage, ob der Ehemann im Zeitpunkt des Todes seiner Gattin bedürftig war, kein entscheidendes Kriterium. Demgemäß müsse erörtert werden, was dem Erstkläger durch den Tod seiner Gattin entgangen sei. Brauchbare Feststellungen in dieser Hinsicht habe das Erstgericht nicht getroffen. Hinsichtlich des übrigen Ersatzanspruchs werde das Erstgericht die beiden Kläger und Rudolf D. (den Gatten der Zweitklägerin und Schwiegersohn des Erstklägers) eingehend über alle Vereinbarungen hinsichtlich der Zahlungen durch Rudolf D. und über alle Umstände dieser Zahlungen zu befragen haben. Ein rechtliches Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung sei zu bejahen; das Feststellungsbegehren sei von den Klägern "nicht glücklich" stilisiert worden.

Der Oberste Gerichtshof gab denn Rekurs der beklagten Parteien Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Streitsache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

A. Zum Begehren des Erstklägers (Witwers) auf Ersatz des Entganges nach § 1327 ABGB.:

Das Erstgericht hat das Kapitalleistungsbegehren in Spruch abgewiesen und das Rentenbegehren in seinem Spruch nicht erwähnt; nach den Entscheidungsgründen der ersten Instanz besteht aber kein Zweifel, daß das Erstgericht auch das bezeichnete Eventualrentenbegehren als unbegrundet angesehen hat. Das Berufungsgericht hat die abweisliche Entscheidung der ersten Instanz in diesem Punkte aus rechtlichen Erwägungen nicht gebilligt und ist aus den oben mitgeteilten Gründen mit Aufhebung und Rückverweisung vorgegangen, ohne zwischen Kapital- und Rentenbegehren zu unterscheiden. Diesbezüglich ist nun zunächst festzuhalten, daß sich die Beklagten schon in der Klagebeantwortung gegen das Begehren auf Leistung eines Kapitalbetrages für den Ersatz des Entgangenen im Sinne des § 1327 ABGB. ausgesprochen haben, ohne daß der Erstkläger in der Folge irgendwie begrundet hätte, warum er eine Kapitalszahlung verlange bzw. das Zahlungsbegehren von 54.000 S s. A. als primäres Begehren aufrechterhalte. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung (vgl. Wolff in Klang 2. Aufl. VI 150 sowie die dort bezogene Judikatur) geschieht der Ersatz des den Hinterbliebenen Entgangenen regelmäßig durch eine Rente, weil ja auch der Getötete den Hinterbliebenen eine solche und nicht ein Kapital geleistet hätte. Auch der Ersatz für Verdienstentgang nach § 1325 ABGB. wird regelmäßig in der Form einer Rente geleistet; nur aus besonderen Gründen kann das Gericht dem Verletzten ein Kapital zusprechen, nicht aber schon deswegen, weil es der Kläger fordert, ohne daß der Beklagte zustimmt (vgl. Wolff a. a. O. 132). In diesem Zusammenhang ist auf die ausdrückliche gesetzliche Regelung in § 13 Abs. 1 und Abs. 3 KraftfVerkG. sowie in § 14 Abs. 1 und Abs. 3 EKHG. zu verweisen, welche Bestimmungen auch über den Anwendungsbereich der bezogenen Gesetze hinaus Bedeutung haben, weil sie grundsätzlicher Art sind. Nun hat der Erstkläger hinsichtlich der geforderten Art des Ersatzes nichts vorgebracht, so daß das Begehren auf Leistung von 54.000 S s. A. schon deswegen unbegrundet ist, weil in dieser Richtung ohne nähere Begründung des Abfindungsbegehrens nur ein Rentenbegehren in Betracht kommen kann. Bereits aus dieser Erwägung hätte das Berufungsgericht die vom Erstgericht vorgenommene Klageabweisung punkto 54.000 S s. A. (Erstkläger) bestätigen müssen.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist aber die Sache auch im Sinne der Bestätigung der Abweisung des Eventualrentenbegehrens des Erstklägers durch die erste Instanz (diese Abweisung ergibt sich aus den Gründen des Ersturteils; das Erstgericht wird seinen Spruch dahin zu berichtigen haben, daß auch die Abweisung des bezeichneten Rentenbegehrens im Spruch aufscheint; § 419 Abs. 3 ZPO.) spruchreif. Denn dieses Rentenbegehren des Erstklägers ist schon nach den in diesem Punkt unbekämpft gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen der ersten Instanz nicht gerechtfertigt. Zutreffend weisen nämlich die Rekurswerber darauf hin, daß der Ehemann nach dem unfallsbedingten Tod seiner Gattin Ersatzanspruch für entgangenen Unterhalt nur dann habe, wenn er im Zeitpunkte des Unfalls der Dürftigkeit verfallen war. Der Oberste Gerichtshof hat bereits im SpR. 16 neu dargelegt und hält daran fest, daß im Fall der Dürftigkeit auch der Ehemann gegen die Gattin Anspruch auf den mangelnden anständigen Unterhalt habe. Demgegenüber hat die Ehegattin gemäß § 91 ABGB. gegenüber ihrem Gatten einen unbedingten Anspruch, daß er ihr nach seinem Vermögen den anständigen Unterhalt verschaffe. Diese Unterscheidung ist festzuhalten, weil § 92 ABGB. keinesfalls eine Unterhaltsverbindlichkeit der Ehegattin gegenüber ihrem Mann normiert (vgl. die zusammenfassende Darstellung der neuesten Rechtsprechung bei Fenzl, der Anspruch des Ehemannes aus einem Unfall der Ehefrau auf Schadenersatz wegen Entganges der Mithilfe, ÖJZ. 1961 S. 7 ff.). Dem Witwer müssen allerdings vom Schädiger die notwendigen Kosten ersetzt werden, wenn er infolge des Unfallstodes seiner Gattin gezwungen ist, eine Ersatzkraft im Haushalt einzustellen (vgl. z. B. SZ. XXIII 311, ZVR. 1960 Nr. 203; Fenzl a. a. O.). Unter diesen Gesichtspunkten ist aber das Rentenbegehren des Erstklägers schon nach seinem eigenen Vorbringen und den von der ersten Instanz in diesem Punkt unbekämpft getroffenen Feststellungen nicht berechtigt. Der Erstkläger ist doch als Hilfsarbeiter schon zur Zeit des Unfalls seiner Gattin im Genuß von Dienstbezügen gestanden, die die Bestreitung der Bedürfnisse beider Ehegatten ermöglicht haben, so daß von einer Dürftigkeit des Erstklägers im Sinne der obigen Ausführungen nicht die Rede sein konnte. Ist aber ein Unterhaltsanspruch des Mannes gegenüber seiner Gattin zu verneinen, dann kommt auch der Ersatz eines Entganges in dieser Hinsicht nach § 1327 ABGB. nicht in Betracht. Wenn der Erstkläger auf eigenen Verdienst seiner Gattin aus Taglöhnerarbeiten hingewiesen hat, woraus sie für den gemeinsamen Haushalt 250 S monatlich beigesteuert habe, dann ist festzuhalten, daß ihm ein Unterhaltsanspruch gegen Klara S. mangels eigener Dürftigkeit nicht zustand. Das Begehren auf Leistung von 300 S monatlich leitet er daraus ab, daß seinerzeit aus dem gemeinsamen Verdienst beider Gatten 500 S monatlich erübrigt werden konnten, während ihm derzeit aus dem eigenen Einkommen nur 200 S monatlich nach Bestreitung des Lebensbedarfes verblieben. Bei richtiger Beurteilung ergibt sich aber daraus kein Ersatzanspruch, weil Klara S. rechtlich nicht verpflichtet war, zum Unterhalt ihres erwerbsfähigen und über ein ausreichendes Diensteinkommen verfügenden Gatten beizutragen. Diesbezüglich muß dem Prozeßstandpunkt der Rekurswerber beigepflichtet werden.

Nach den maßgeblichen erstinstanzlichen Feststellungen, die im wesentlichen auf die Angaben des Erstklägers und seiner Angehörigen gegrundet sind, kommt aber dem Rentenbegehren des Erstklägers auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Ersatzes der Kosten einer Ersatzkraft im Haushalt Berechtigung zu. Denn der Erstkläger hat seinen Haushalt aufgelöst und wohnt im Familienverband seiner Tochter bzw. des Schwiegersohns und bezieht seinen vollen Lebensunterhalt zu Bedingungen, die keineswegs für ihn ungünstiger sind als jene zu Lebzeiten seiner Gattin. Wird noch berücksichtigt, daß im Fall der Einstellung einer Ersatzkraft der Aufwand des Ehemanns für den Unterhalt seiner Gattin als Abzugspost zu behandeln wäre (vgl. die bereits in einem anderen Zusammenhange zitierte Entscheidung ZVR. 1960 Nr. 203), dann ergibt sich, daß das Rentenbegehren des Erstklägers unter jedem Gesichtspunkt unberechtigt ist. Der vom Berufungsgericht angeordneten Verfahrensergänzung bedarf es also auch in diesem Punkt nicht, vielmehr ist auch dieses Begehren schon nach der derzeitigen Aktenlage unbegrundet.

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