OGH 1Ob43/15b

OGH1Ob43/15b21.5.2015

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KR H***** H*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft, Wien, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG, Wien, wegen 1.018.509,70 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2014, GZ 5 R 174/14s‑56, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Juli 2014, GZ 58 Cg 12/12s‑50, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 1.018.509,70 EUR samt 4 % Zinsen seit 2. 8. 2007 zu zahlen, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 64.071,67 EUR (darin 16.556,12 EUR Barauslagen und 7.925,46 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 33.900,36 EUR (darin enthalten 30.173,10 EUR Barauslagen und 621,51 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Fragen im Zusammenhang mit Anteilen der M***** (in der Folge: Zertifikate) waren bereits wiederholt Gegenstand von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (für viele: 4 Ob 155/14v). Die beklagte Bank‑AG übernahm die Platzierung dieser Zertifikate an der Börse sowie deren Market Making (die Verantwortung für ausreichende Liquidität und die Kursentwicklung). Der Vertrieb der Zertifikate erfolgte durch eine zu diesem Zweck gegründete 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten (die M***** AG, in der Folge: Tochtergesellschaft), die die Zertifikate durch Finanzberater verkaufte, durch die Beklagte selbst und auch durch andere Banken.

Der Kläger investierte über Vermittlung der A***** GmbH, deren Geschäftsführer F***** A***** war (in der Folge: Finanz- bzw Anlageberater oder Berater), und die mit der Tochtergesellschaft im Jahr 2002 einen Vertriebspartnervertrag geschlossen hatte, in den Jahren 2006 und 2007 in mehreren Transaktionen Summen in Millionenhöhe in diese Zertifikate. Mitte Juli 2007 besaß er eine große Anzahl solcher Wertpapiere, die er von der Beklagten gekauft hatte und die auf einem Depot bei dieser lagen.

Auf Vorschlag seines Beraters hatte der Kläger ein unausgefülltes Transaktionsformular der Tochtergesellschaft unterschrieben, welches an die Beklagte adressiert war und für Kauf- und Verkaufsorders der Zertifikate verwendet wurde. Als es Ende Juli 2007 zu massiven Kurseinbrüchen bei diesem Wertpapier gekommen war, wies der Kläger seinen Finanzberater an, unter Zuhilfenahme des Blanketts alle seine Anteile zu verkaufen.

Der Finanzberater des Klägers stellte zwei Kopien des Blanketts her, vervollständigte eine davon zu dem vom Kläger gewünschten Verkaufsauftrag und übermittelte diesen am 28. 7. 2007 an die Beklagte. Als er realisierte, dass er wegen des Verkaufs der Wertpapiere bereits bezogene Provision in Höhe von mehreren 10.000 Euro zurückzahlen werde müssen, entschloss er sich, den Saldo des Verrechnungskontos aus dem Verkauf der Zertifikate von 2.675.808,72 EUR zu verwenden, um eigenmächtig und ohne mit dem Kläger Rücksprache zu halten in dessen Namen neuerlich Zertifikate zu kaufen, um die Rückforderung der Provision abzuwenden. Er verwendete dafür die zweite Kopie des vom Kläger unterschriebenen Blanketts und vervollständigte das Formular zu einem vom Kläger nicht gewünschten Kaufauftrag, den er an die Beklagte sandte. Auf dem Depot des Klägers wurden daraufhin 162.072 Stück Zertifikate eingelagert, wofür das Guthaben des Verrechnungskontos abgebucht wurde.

Wenig später kontaktierte der Finanzberater den Kläger und informierte ihn über sein eigenmächtiges Handeln. Der Kläger erteilte den Auftrag zum Verkauf der Wertpapiere und erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Aufgrund des Verkaufsauftrags vom 6. 9. 2007 erlöste der Kläger für die Wertpapiere 1.607.290,65 EUR. Die Differenz zum Guthaben am Verrechnungskonto des Klägers vom 28. 7. 2007 betrug 1.068.518,07 EUR. Der Finanzberater des Klägers zahlte zur Schadensgutmachung 50.000 EUR an den Kläger.

Der zwischen der Tochtergesellschaft der Beklagten und dem Finanzberater des Klägers abgeschlossene Vertriebspartnervertrag lautet auszugsweise:

„I. Allgemeines (Vertragsgegenstand)

[...]

2.5 Sowohl die [Tochtergesellschaft] als auch der Vertriebspartner verpflichten sich zur Einhaltung der Wohlverhaltensregeln gemäß den §§ 11 bis 18 WAG. Dem Vertriebspartner werden mit Unterfertigung dieses Vertrages die einschlägigen Bestimmungen der Wohlverhaltensregeln gemäß den §§ 11 bis 18 WAG ausgehändigt und damit zur Kenntnis gebracht (Beilage ./A).

III. Entgeltanspruch ('Provision')

3.1 Der Entgeltanspruch des Vertriebspartners errechnet sich aus der jeweils gültigen Provisionstabelle. Die derzeit gültige Provisionstabelle (Beilage ./B), die einen integrierenden Bestandteil des gegenständlichen Vertrages bildet, nimmt der Vertriebspartner ausdrücklich und zustimmend zur Kenntnis. […] Der Entgeltanspruch des Vertriebspartners vermindert sich auch anteilig für den Fall der vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses mit einem Kunden oder der Rückabwicklung eines solchen Vertrages sowie der Nichtentrichtung der vertraglich übernommenen Zahlungsverpflichtungen durch den Kunden.

[…]

4.2 […]

Der Vertriebspartner hat im Falle eines Kundenauftrages für das vollständige Ausfüllen und die Unterfertigung des von der [beklagten] Bank zur Verfügung gestellten Kaufauftrages samt Konto- und Depoteröffnungsantrages und Identitätsfeststellung des Kunden gemäß § 40 BWG sowie des Anlegerprofils gemäß § 13 WAG und der Risikobelehrung zu sorgen.

[…].“

Der Konto- und Depoteröffnungsantrag des Klägers an die Beklagte vom 9. 6. 2005 enthält unter Punkt VI. „Erklärungen des Anlegers“. Diese lauten auszugsweise:

„[...]

4. Ich bestätige, dass der Vertriebspartner mir gegenüber offen gelegt hat, ob er als Vertriebspartner mit Vollmacht gemäß § 19 Abs 2a WAG im Namen und auf Rechnung der [Tochtergesellschaft] oder aber auf Basis seiner eigenen Konzession gemäß WAG tätig wird.

5. Ich nehme zur Kenntnis, dass die [beklagte] Bank im Zusammenhang mit der Vermittlung der Wertpapiere keine Finanzdienstleistungen gemäß § 1 Abs 1 Z 19 BWG erbringt, sondern sich auf die antragsgemäße Abwicklung des Auftrages und jene Leistungen beschränkt, die mit der Depotführung in unmittelbarem Konnex stehen. Vertragsbeziehungen im Zusammenhang mit der Vermittlung können daher ausschließlich mit dem jeweiligen Vertriebspartner begründet werden.

6. Ich nehme zur Kenntnis, dass die [beklagte] Bank den Antrag keiner weiteren Überprüfung unterzieht, ob dieser mit dem Anlegerprofil in Einklang steht. Dies steht ausschließlich im Verantwortungsbereich des Vertriebspartners.

7. Ich nehme zur Kenntnis, dass der Vertriebspartner nicht zur Abgabe von rechtsgeschäftlichen Erklärungen für die [beklagte] Bank oder die [Tochtergesellschaft] und auch nicht zur Entgegennahme oder Weiterleitung von Vermögenswerten, insbesondere Bargeld, Schecks etc. vom Anleger zum Erwerb der Wertpapiere berechtigt ist.

[…]

14. Ich (wir) bestätige(n), dass ich (wir) die umseitigen Bedingungen zur Faxvereinbarung gelesen habe(n) und vollinhaltlich damit einverstanden bin (sind).“

Der Konto- und Depoteröffnungsantrag enthielt auch die Allgemeinen Bedingungen für den Ankauf von Wertpapieren und die Depoteröffnung der Beklagten. Deren Punkt VI. Faxvereinbarung lautet auszugsweise:

Ich ermächtige die [= Beklagte] sowie die [Tochtergesellschaft] folgende per Telefax erteilte Aufträge zu meinem Konto/Depot durchzuführen: […] Wertpapierkauf und ‑verkaufsaufträge.

Zunächst begehrte der Kläger mit seiner am 8. 6. 2009 beim Erstgericht eingelangten Klage die Zahlung von 1.592.339 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe von 871.021 [richtig wohl 87.102] Stück Zertifikate. Dabei stützte er sich im Wesentlichen auf einen Irrtum über die Sicherheit der von ihm erworbenen Wertpapiere. Nach einer Klageeinschränkung auf 1.068.509,70 EUR änderte er mit Schriftsatz vom 6. 9. 2012 die Klage auf Zahlung von 1.018.518,70 EUR sA und zog alle Beweisanträge zum geltend gemachten Irrtum zurück, weil keine rechtsgeschäftliche Erklärung, die angefochten werden könnte, vorgelegen sei. Der Finanzberater habe ein von ihm unterschriebenes Transaktionsformular abredewidrig kopiert und per Fax einen ‑ in Wahrheit nicht bestehenden ‑ Kaufauftrag an die Beklagte übermittelt. Die Beklagte hätte den Kaufpreis für den Erwerb der von ihm nie gekauften Zertifikate nicht von seinem Verrechnungskonto abbuchen dürfen. Sie habe keine Maßnahmen zur Überprüfung der Kundenunterschriften gesetzt und müsse sich daher das Verhalten des Finanzberaters zurechnen lassen.

Die Beklagte bestritt das Begehren des Klägers. Der Kläger habe durch die Ausgabe einer Blankokauforder die Voraussetzungen für ein abredewidriges Vorgehen seines Beraters selbst geschaffen, er könne sich gegenüber der Beklagten, die gutgläubig gewesen sei, auf die Unwirksamkeit seiner Willenserklärung nicht berufen. Der Berater sei ihr nicht als Erfüllungsgehilfe zuzurechnen.

Mit seinem im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil verpflichte das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von 679.006,47 EUR sA und wies das Mehrbegehren ab. Es erachtete sich an die vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang geäußerte Rechtsansicht gebunden. Zwischen dem Finanzberater und der Beklagten habe ein wirtschaftliches Naheverhältnis bestanden, weswegen ihr dieser als Gehilfe gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen sei. Die Beklagte hafte daher für das Verschulden des Beraters. Dem stehe ein Mitverschulden des Klägers gegenüber, dem wegen der Überlassung des Blanketts eine gravierende Erklärungsfahrlässigkeit anzulasten sei. Eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 2:1 zugunsten des Klägers sei angemessen.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten nicht, jenem des Klägers hingegen Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung des gesamten Klagebetrags verurteilte. Auch das Berufungsgericht erachtete sich an die von ihm im ersten Rechtsgang geäußerte Rechtsansicht gebunden. Die Beklagte habe für das Verhalten des Finanzberaters, der das vom Kläger unterschriebene Formular vereinbarungswidrig ausgefüllt habe, gemäß § 1313a ABGB einzustehen, weil zwischen ihr und dem Beratungsunternehmen ein wirtschaftliches Naheverhältnis bestanden habe. Der Besitz eines Blanketts begründe den Rechtsschein der Befugnis, dieses auszufüllen. Der Kläger müsse sich den Erklärungsinhalt kraft der von ihm erteilten Befugnis zur Ausfüllung des Blanketts zurechnen lassen. Durch die Einschaltung von Hilfspersonen iSd § 1313a ABGB dürfe der Vertragspartner aber nicht schlechter gestellt werden, weswegen der Beklagten das Wissen ihres Gehilfen zuzurechnen sei. Bei der Verschuldensteilung trete das fahrlässige Verhalten des Klägers gegenüber dem auftragswidrigen Vorgehen des Finanzberaters derart in den Hintergrund, dass es gerechtfertigt sei, dem Finanzberater und damit der Beklagten das alleinige Verschulden am Schaden des Klägers anzulasten.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht wegen Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zu, ob eine Bank bei einem wirtschaftlichen Naheverhältnis zum Finanzberater auch für dessen pflichtwidrige Verhaltensweise bei der Durchführung eines Effektengeschäfts gemäß § 1313a ABGB hafte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Die vom Berufungsgericht seinem nicht bekämpften Aufhebungsbeschluss zugrunde gelegte Rechtsauffassung, an die es sich im angefochtenen Urteil gebunden erachtete, kann im zweiten Rechtsgang vor dem Obersten Gerichtshof bekämpft werden (RIS-Justiz RS0042168 [T1, T3 und T4], vgl 9 Ob 50/08f = RS0042173 [T6]).

2. Zur Zurechnung des Verhaltens des Anlageberaters:

2.1 Nach § 1313a ABGB haftet derjenige, der einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist, für das Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung dieser Leistung bedient, wie für sein eigenes.

Erfüllungsgehilfe ist daher, wer mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (RIS-Justiz RS0028729).

2.2 In der vom Berufungsgericht seinem Aufhebungsbeschluss zugrunde gelegten Entscheidung 4 Ob 129/12t (= SZ 2012/139 = EvBl 2013/45 [S. Foglar‑Deinhardstein] = ÖBA 2013/1921, 431 [Rabl] = ZFR 2013/45, 85 [Steinmair]) hat der Oberste Gerichtshof zur Frage der Zurechnung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens (WPDLU) zur ausführenden Bank wie folgt Stellung genommen:

„Wird ein Vermögensberater von einem anderen Wertpapierdienstleister ständig mit der Vermittlung von bestimmten Anlageprodukten betraut, so entsteht dadurch ein wirtschaftliches Naheverhältnis, das es ‑ ungeachtet einer eigenen vertraglichen Verpflichtung des Beraters gegenüber dem Kunden ‑ rechtfertigt, ein Verschulden des Beraters nach § 1313a ABGB der Bank zuzurechnen. Denn diese ständige Betrauung begründet zusammen mit der regelmäßig produkt- und umsatzabhängigen Provision die Gefahr, dass der Vermittler nicht mehr ausschließlich oder doch überwiegend im Interesse des Kunden tätig wird, sondern auch andere Erwägungen - insbesondere die Maximierung des eigenen Gewinns - in seine Tätigkeit einfließen lässt. Dies erfolgt im Interesse der Bank, die den Vertrieb ihrer Produkte vertraglich auslagert und so die Vorteile der Arbeitsteilung für sich in Anspruch nimmt. Anders gesagt: Zwar kann eine Bank im Allgemeinen darauf vertrauen, dass ein vom Kunden beigezogener Berater den Kunden ausreichend berät, sodass sie insofern keine eigenen Pflichten treffen und ihr (daher) auch ein allfälliges Verschulden des Beraters nicht zuzurechnen ist. Das gilt aber nur dann, wenn sie auf eine objektive Beratung vertrauen darf. Letzteres trifft nicht zu, wenn der Berater mit der Bank in einer ständigen Geschäftsbeziehung steht ('Vertriebspartner'), sein wirtschaftlicher Erfolg somit (auch) vom Ausmaß der Vermittlung ihrer Produkte abhängt und daher sein Interesse an der Vermittlung der Verträge grundsätzlich mit jenem der Bank an deren Abschluss parallel läuft. Ist ein Berater derart in die Interessenverfolgung der Bank eingebunden, bleiben deren Beratungspflichten mangels legitimen Vertrauens auf eine objektive Beratung durch einen Dritten aufrecht. Damit ist der Berater der Bank aber nicht nur irrtumsrechtlich zuzurechnen ..., sondern die Bank haftet auch für Schäden aufgrund von dessen Verhalten bei der Vermittlung der Anlage.“

2.3 Diese Entscheidung wurde in der Lehre zum Teil kritisch aufgenommen: Rabl (Anm zu ÖBA 2013/1921, 431 [433 ff]) sieht (ausgehend von einem typischen Geschehensablauf) in der Zurechnung des Verhaltens des selbstständigen Anlageberaters zur Bank ua eine „gefährliche Erodierung des § 1313a ABGB“. Steinmair (Zur Haftung der ausführenden Bank für beigezogene WPDLU, Anm zu ZFR 2013/45 [88]) vermeint einen unauflösbaren Widerspruch zu 1 Ob 48/12h zu erkennen. S. Foglar-Deinhardstein (Anm zu EvBl 2013/45 [319]) verlangt als weiteres Tatbestandselement, dass die depotführende Bank das problematische Naheverhältnis zum selbstständigen Anlageberater „positiv kennt und missbräuchlich ausnützt“, um die gesetzlichen Haftungsregeln zu unterlaufen. Auf weitere kritische Stellungnahmen verweist Schacherreiter (in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1313a Rz 62/1). Der Oberste Gerichtshof hat die in 4 Ob 129/12t vertretene Rechtsansicht in der Folge in einer Reihe von Entscheidungen (vgl RIS-Justiz RS0128476), unter anderem auch in ebenfalls die Beklagte betreffenden Fällen (9 Ob 46/13z = ÖBA 2014/2001, 200 [P. Bydlinski] und 10 Ob 34/13t = ecolex 2014/82, 225 [Wilhelm]), bestätigt.

2.4 Der Entscheidung 4 Ob 129/12t und den ihr nachfolgenden Entscheidungen ist die Frage gemeinsam, ob der selbstständige Finanzberater bei seinen Beratungsaktivitäten im Auftrag und Interesse als Vertreter der (auch Effektengeschäfte ausführenden) Depotbank aufgetreten ist. Sie stimmen im Ergebnis darin überein, dass sich die Depotbank, blieb sie unter den in der Entscheidung 4 Ob 129/12t genannten Bedingungen dem Anleger zur Erfüllung von Beratungsleistungen verpflichtet, die Beratungsfehler des selbstständigen Finanzberaters zurechnen zu lassen hat. Treffen sie jedoch keine eigenen Pflichten zur Beratung, kann ihr auch ein allfälliges Verschulden des Beraters nicht nach § 1313a ABGB zugerechnet werden (vgl 1 Ob 48/12h = SZ 2012/135 = ÖBA 2013/1927, 506 [ Thiede ]). Voraussetzung für die Zurechnung des selbstständigen Beraters nach dieser Rechtsprechungskette ist somit eine selbstständige Beratungspflicht der Bank gegenüber dem Anleger. Das ist die vom Geschäftsherrn geschuldete Leistung nach § 1313a ABGB, der dann eingreift, wenn der Berater derart in die Interessenverfolgung der Bank eingebunden ist, dass es an einem legitimen Vertrauen auf eine objektive Beratung durch einen Dritten fehlt.

2.5 Eine Verletzung von Beratungspflichten der Beklagten ihm gegenüber, macht der Kläger im Zusammenhang mit dem Ankauf von Zertifikaten am 31. 7. 2007 nicht geltend. Hier geht es darum, dass der vom Kläger ausgewählte Finanzberater das von ihm blanko unterfertigte Transaktionsformular abredewidrig zum Ankauf von Zertifikaten verwendete, um der drohenden Rückzahlung von Provisionen zu entgehen.

2.6 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Geschäftsherr auch für ein deliktisches Verhalten seines Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, wenn das Delikt nicht außerhalb des von ihm übernommenen Pflichtenkreises liegt und eine typisch nachteilige Folge darstellt, mit der bei Einsatz eines Gehilfen im Allgemeinen gerechnet werden muss (RIS Justiz RS0028517; RS0028483; RS0028691).

Der Schuldner (Geschäftsherr) hat daher auch für vorsätzlich rechtswidrige Handlungen seines Erfüllungsgehilfen einzustehen, wenn ein innerer Sachzusammenhang der schädigenden Handlung und der Vertragserfüllung besteht (RIS Justiz RS0028626).

Mit dieser Haftungsbegrenzung auf vorhersehbare Gefahren soll eine uferlose, unbegrenzte Haftung des Geschäftsherrn für Delikte seiner Gehilfen vermieden werden (3 Ob 283/06y = ÖBA 2007/1435, 744 [Koziol]; 9 Ob 53/12b). Diese Grundsätze kommen auch bei der Verletzung von vorvertraglichen Pflichten durch Vertragsgehilfen und Vermittler zur Anwendung (RIS-Justiz RS0028857 [T3]).

2.7 Geht man mit den Vorinstanzen davon aus, dass zwischen der Beklagten und dem vom Kläger konsultierten Anlageberater ein wirtschaftliches Naheverhältnis entsprechend den Grundsätzen der Entscheidung 4 Ob 129/12t bestand, war die Beklagte dem Kläger nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Erbringung von Beratungsleistungen verpflichtet. Danach ist der ihr als Geschäftsherrin zukommende Pflichtenkreis zu messen, soll ihr das Verhalten des Anlageberaters als Erfüllungsgehilfen iSd § 1313a zugerechnet werden. Die Beratung zählt typischerweise zu den vorvertraglichen Verpflichtungen und hat im Allgemeinen die mit dem Erwerb eines Wertpapiers verbundenen Risiken zum Gegenstand. Die abredewidrige Verwendung des vom Kläger dem Anlageberater überlassenen blanko unterfertigten Transaktionsformulars steht damit bloß in einem äußeren Zusammenhang und stellt daher keine typisch nachteilige Folge dar, für die der Geschäftsherr, bediente er sich dabei eines Gehilfen, einzustehen hätte. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen hat die Beklagte für das vorsätzlich unerlaubte Handeln des Finanzberaters mangels Sachzusammenhangs mit den von der ihr nach den Grundsätzen der Entscheidung 4 Ob 129/12t geschuldeten Beratungspflichten daher nicht nach § 1313a einzustehen. Sein Verhalten gehörte nicht mehr zum allgemeinen Aufgabenkreis, den er im Rahmen der Interessenverfolgung für die Beklagte in diesem Zusammenhang wahrzunehmen hatte (vgl RIS-Justiz RS0028499). Schon aus allgemeinen Überlegungen folgt daher, dass das Verhalten des Anlageberaters im vorliegenden Fall der Beklagten nicht gemäß § 1313a ABGB zugerechnet werden kann.

3.1 Der Kläger hat sich im Verfahren erster Instanz auch darauf berufen, er habe keinen Auftrag zum Ankauf von Wertpapieren erteilt, weswegen die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, das Guthaben vom Verrechnungskonto abzubuchen; diese habe auch keine Maßnahmen ergriffen, seine Unterschrift zu prüfen.

3.2 Hier steht fest, dass der Kläger ein unausgefülltes Transaktionsformular unterschrieben hat, welches an die Beklagte adressiert war und für Kauf- und Verkaufsorder für Zertifikate verwendet wurde. Damit war von vornherein gewollt, dass der vom Kläger unterschriebene Text erst später vervollständigt wird, wie gerade auch der Verkaufsauftrag vom 28. 7. 2007 zeigt, den der Kläger im Wissen erteilte, dass er nur unter Inanspruchnahme des Blanketts durchgeführt werden kann. Dem Anlageberater des Klägers kam die Vervollständigungsbefugnis zu, bei der Parallelen zur Bevollmächtigung bzw Ermächtigung bestehen (vgl Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 871 Rz 11).

3.3 Der Besitz eines solchen Blanketts begründet den Rechtsschein der Ausfüllungsbefugnis. Wird diese überschritten, so kann sich der Aussteller nicht darauf berufen, keine entsprechende Willenserklärung abgegeben zu haben, und sich grundsätzlich nur an den halten, der die Blankettunterschrift missbrauchte, nicht aber an einen redlichen Dritten. Bei offener Blankettausfüllung wird der Dritte jedoch nur insoweit geschützt, als sich die Ausfüllung des Blanketts im Rahmen des Üblichen hielt (RIS-Justiz RS0019820). Bei der sogenannten verdeckten Blankettausfüllung, wenn also der Inhaber des Blanketts dieses nicht in Gegenwart des Dritten, sondern schon vorher ausfüllt und der Dritte nur die vervollständigte Erklärung des Ausstellers zu Gesicht bekommt, gilt grundsätzlich nichts anderes. Hier kommt es zwar nicht darauf an, ob ein Vertragsabschluss durch Blankett im Rahmen des Üblichen liegt, wohl aber darauf, ob ein Vertragsabschluss durch eine von einem Boten überbrachte Erklärung üblich ist (1 Ob 649/81 = SZ 54/161). Muss er sich danach die Erklärung zurechnen lassen, kann der Aussteller bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen diese wegen Erklärungsirrtums anfechten (Pletzer aaO Rz 12).

4.1 Der Finanzberater hat das ihm vom Kläger überlassene Blanko-Transaktionsformular verdeckt, also ohne Einbindung der Beklagten ausgefüllt, und dieser die vervollständigte Ankaufsorder per Telefax übermittelt. Dabei handelte es sich um eine Vorgangsweise, die nach den Feststellungen in der Vergangenheit („üblicherweise“) vom Kläger gebilligt war und wohl ganz allgemein dem üblichen Ablauf von Transaktionen entsprach. Ein anderer Zweck kann dem vom Kläger unterfertigten Blankoformular auch kaum zugemessen werden, wie letztlich auch die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung des Klägers deutlich machen, wenn er unter Berufung auf das Sachverständigengutachen geltend macht, dass die Hingabe von „blanko Transaktionsunterschriften“ mit dem Auftrag, bei Problemen und Kursstürzen Transaktionen (Notverkäufe) durchzuführen, nicht unüblich sei. Entgegen dessen weiteren Ausführungen geht es hier aber nicht um die Frage, ob das Ausstellen solcher blanko unterfertigten Formulare üblich oder unüblich ist, sondern darum, ob er die abredewidrige Erklärung gegen sich gelten lassen muss.

4.2 Nach dem vom Obersten Gerichtshof zum unstrittigen Inhalt der dem Konto- und Depoteröffnungsantrag zugrunde liegenden und mit diesem vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergänzten (vgl dazu RIS-Justiz RS0121557) ‑ kursiv hervorgehobenen ‑ Sachver-halt, war die Beklagte auch berechtigt mittels Telefax erteilte Wertpapierkaufsaufträge durchzuführen. Der Kläger erklärte ausdrücklich sein Einverständnis zur „Faxvereinbarung“, sodass die Übermittlung der Ankaufsorder vom 31. 7. 2007 im Wege der Fernkopie der vom Kläger akzeptierten Vorgangsweise entsprach und im Verhältnis zur Beklagten bei der Durchführung von Ankaufs- oder Verkaufsaufträgen als üblich angesehen werden muss. Gegenteiliges, dass also die Übermittlung von solchen Orders per Telefax unüblich gewesen wäre, hat der Kläger auch nicht geltend gemacht.

5. Die Übermittlung von Urkunden im Wege der Fernkopie bringt es mit sich, dass die darauf befindliche Unterschrift nicht im Original beim Empfänger einlangt. Ohne Bedeutung ist daher aus Sicht des Empfängers, ob Gegenstand der Übermittlung das Original oder eine allenfalls zuvor angefertigte Kopie war. Er erhält in jedem Fall nur eine Fotokopie, die ihm regelmäßig keine Rückschlüsse erlaubt, ob von der Urkunde eine oder auch mehrere Duplikate angefertigt wurden. Welche Maßnahmen die Beklagte daher zur Überprüfung der Unterschrift treffen hätte sollen, bleibt damit unklar. Auch ein Vergleich mit der Originalunterschrift hätte bei dieser Sachlage keine Rückschlüsse darauf geben können, dass die Ankaufsorder nicht vom Willen des Klägers getragen war.

Damit kann der Beklagten entgegen der Meinung des Klägers auch nicht angelastet werden, sie hätte schuldhaft eine Prüfung der Unterschrift auf der Ankaufsorder unterlassen.

6. Gegenteiliges lässt sich auch aus der vom Kläger in seiner Revisionsbeantwortung herangezogenen Entscheidung 1 Ob 46/11p nicht ableiten. In dieser Entscheidung wurde die Zurechnung des Auftrags an den Kunden mangels Anfechtung durch die Bank gar nicht erörtert. Auch aus dem in dieser Entscheidung enthaltenen Hinweis auf die Rechtsprechung, die einem Bankkunden bei einer rechtswidrigen Abbuchung von einem kontokorrentmäßig geführten Konto einen vertraglichen Erfüllungsanspruch auf Barauszahlung des tatsächlichen Guthabens zubilligt, das so zu berechnen ist, als hätte die rechtswidrige Abbuchung nicht stattgefunden (ua 1 Ob 76/04i; 9 Ob 55/06p je mwN), lässt sich für den Standpunkt des Klägers nichts gewinnen. Der Oberste Gerichtshof befasste sich in diesem Zusammenhang ausschließlich mit der bejahten Einheit des zu beurteilenden Überweisungs‑ mit dem Verkaufsauftrag(s) und billigte mit keinem Wort die Anwendung der von ihm zitierten Entscheidungen auf jenen Sachverhalt. Im vorliegen Fall war weder die Unterschrift des Bankkunden gefälscht, noch geschah die Übermittlung des vom Finanzberater abredewidrig verfassten Auftrags auf eine unübliche Weise, sodass nicht von einer rechtswidrigen Abbuchung des Guthabens von seinem Verrechnungskonto ausgegangen werden kann.

7. Zusammengefasst ergibt sich daher, dass die der Beklagten durch den Finanzberater im Wege der Fernkopie übermittelte Ankaufsorder der Übung und den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Depot- und Kontoeröffnungsantrags des Klägers entsprachen, sodass sich der Kläger das von seinem Finanzberater vorgenommene abredewidrige Ausfüllen des von ihm blanko unterfertigten Transaktionsformulars zurechnen lassen muss. Demgegenüber fehlt es nach den Feststellungen und schon nach dem Vorbringen des Klägers an Anhaltspunkten dafür, dass der Beklagten das abredewidrige Vorgehen des Finanzberaters auffallen hätte müssen und diese daher in ihrem Vertrauen auf die Gültigkeit der Order nicht mehr geschützt wäre. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird.

8. Die Kostenentscheidung beruht im Verfahren erster und zweiter Instanz sowie im Revisionsverfahren auf § 41, in den beiden letztgenannten auch auf § 50 ZPO.

Die von der Beklagten über das Verfahren erster Instanz gelegten Kostenverzeichnisse wurden vom Kläger nicht beanstandet und sind daher der Kostenentscheidung zugrunde zu legen (§ 54 Abs 1a ZPO). Für das Berufungsverfahren im ersten Rechtsgang war zu berücksichtigen, dass die Bemessungsgrundlage für die Berufung der Beklagten 679.006,47 EUR anstelle von 1.018.509,70 EUR betrug, sodass sich die Verdienstsumme und die Pauschalgebühren entsprechend reduzierten.

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