Normen
ABGB §863
ABGB §886
ABGB §1002
ABGB §1007
ABGB §1017
ABGB §1029
ABGB §1438
HGB §346
SchG Art13
ABGB §863
ABGB §886
ABGB §1002
ABGB §1007
ABGB §1017
ABGB §1029
ABGB §1438
HGB §346
SchG Art13
Spruch:
Zweck eines Kredites ist es in der Regel, dem Kreditnehmer Bargeld oder ein entsprechendes Surrogat zu verschaffen, nicht dagegen, ein bei der kreditgewährenden Bank bereits bestehendes Debet abzudecken; ein Aufrechnungsrecht der Bank besteht daher nur, wenn es ausdrücklich vereinbart wurde
Der Besitz eines Blanketts begrundet den Rechtsschein der Ausfüllungsbefugnis; wird diese überschritten, so kann sich der Aussteller grundsätzlich nur an den halten, der die Blankettunterschrift mißbrauchte, nicht aber an einen redlichen Dritten. Eine Bank wird aber nur insoweit geschützt, als sie sich im Rahmen des Üblichen verhielt; im Regelfall stellen Banken aber vor Abschluß eines Kreditvertrages persönliche Kontakte mit einem potentiellen Kreditnehmer her
OGH 6. November 1981, 1 Ob 649/81 (OLG Innsbruck 2 R 88/81; LG Innsbruck 6 Cg 380/80)
Text
Peter W, der Gatte der Beklagten, unterhielt bei der klagenden Partei ein Gehaltskonto. Zur Abdeckung zweier von ihm aufgenommener Kredite nahmen die Beklagte und Peter W bei der klagenden Partei zur ungeteilten Hand einen Kredit von 150 000 S auf. Im April 1979 war dieser Kredit noch mit einem größeren Betrag offen, Peter W hatte zu diesem Zeitpunkt ferner sein Gehaltskonto um rund 90 000 S überzogen. Als er seine Anstellung wechselte, hielt er die Anschaffung eines PKW für erforderlich. Die Beklagte erklärte ihm, daß sie lediglich mit der Anschaffung eines Gebrauchtwagens zum Preis von etwa 20 000 S bereit sei. In dieser Höhe sei sie auch mit der Aufnahme eines (weiteren) Kredites einverstanden. Peter W versprach der Beklagten, sich daran zu halten, und legte ihr ein Kreditantragsformular der klagenden Partei zur Blankounterschrift vor. Die Beklagte vertraute auf die Zusicherung ihres Gatten, daß lediglich ein Kredit von zirka 20 000 S aufgenommen werde, und unterfertigte das Kreditformular. Peter W kam aber mit der klagenden Partei überein, daß zur Abdeckung des früheren Kredites und der Überziehung seines Gehaltskontos sowie für die von ihm weiters benötigten Barmittel ein Gesamtbarzustellungskredit in der Höhe von 275 000 S ihm und der Beklagten eingeräumt werde. In diesem Sinn wurde das von der Beklagten bereits unterfertigte Blankoformular ausgefüllt und 84 Annuitäten in Höhe von monatlich 4456.40 S vereinbart. Peter W erzählte der Beklagten von dieser Vereinbarung nichts. In der Folge hielt er die Zahlungsverpflichtungen nicht ein. Die klagende Partei übersendete mehrere Mahnungen an die Kreditnehmer unter deren Wohnadresse. Davon erfuhr aber die Beklagte nichts, da Peter W ihr die Mahnschreiben nicht zeigte. Mit Schreiben vom 4. Feber und 4. Juni 1980 stellte die klagende Partei den gesamten Kredit zur Zahlung fällig. Per 29. Juli 1980 haftet ein Gesamtbetrag von 291 940.36 S unberichtigt aus.
Die klagende Partei begehrt den Zuspruch dieses Betrages samt Anhang. Die Beklagte wendete ein, sie habe über Ersuchen ihres Gatten ein Kreditantragsformular der klagenden Partei blanko unterschrieben. Peter W sei aber nur ermächtigt gewesen, ein Darlehen in der Höhe von 20 000 S aufzunehmen. Peter W habe die Unterschrift in betrügerischer Absicht erschlichen; sie sei daher ungültig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der von der Beklagten gestellte Kreditantrag sei von der klagenden Partei angenommen worden. Welche Vereinbarungen die Beklagte mit ihrem Gatten getroffen habe, könne die klagende Partei nicht belasten. Durch die Blankounterschrift auf dem Kreditformular habe sie ihren Gatten zum Abschluß des Kreditvertrages bevollmächtigt. Eine Beschränkung dieser Vollmacht sei der klagenden Partei gegenüber nicht kundgemacht worden. Die klagende Partei durfte daher im Vertrauen auf den äußeren Tatbestand annehmen, daß Peter W im vollen Umfang bevollmächtigt gewesen sei, die Kreditvereinbarung auch für die Beklagte zu treffen. Da der klagenden Partei die Beklagte schon aus einem früheren Kreditvertrag, der erfüllt worden sei, bekannt gewesen sei, hätten keine Umstände vorgelegen, die bei der klagenden Partei Bedenken gegen den Umfang der Vollmacht hätten aufkommen lassen müssen. Nicht kundgegebene Beschränkungen des gewöhnlichen Vollmachtsumfanges seien aber gemäß § 1029 ABGB gegenüber dem Dritten unwirksam. Auch wenn Peter W die Beklagte im Innenverhältnis über die Höhe des aufzunehmenden Kredites in Irrtum geführt oder gar arglistig getäuscht haben sollte, vermöge dies an der Zahlungspflicht der Beklagten nichts zu ändern.
Der Berufung der beklagten Partei gab das Berufungsgericht nicht Folge. Damit man von einem Vertrauen auf den äußeren Tatbestand sprechen könne, müßten Umstände vorhanden sein, die geeignet seien, im Dritten den begrundeten Glauben zu erwecken, daß der Vertreter zum Abschluß des Geschäftes befähigt sei. Das Vertrauen müsse ferner seine Grundlage im Verhalten des Geschäftsherrn haben. Er müsse den äußeren Tatbestand und die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht begrunden. Die Beklagte habe durch ihre Blankounterschrift auf dem Kreditantragsformular der klagenden Partei jenes Verhalten gesetzt, aus dem die klagende Partei nach den Regeln des redlichen Verkehrs auf eine Bevollmächtigung ihres Ehegatten zur Vereinbarung der Darlehenshöhe habe schließen können. Der Beklagten wäre es ein Leichtes gewesen, die im Innenverhältnis bestehende Beschränkung des Verpflichtungswillens durch einen Zusatz oder Hinweis kundzutun. Dazu wäre sie umso mehr verpflichtet gewesen, als sie gewußt habe, daß ihr Ehegatte mit dem von ihr unterfertigten Antragsformular bei der klagenden Partei um Gewährung eines Kredites ansuchen werde. Das von der Beklagten blanko unterschriebene Antragsformular habe bei der klagenden Partei den begrundeten Glauben erweckt, daß Peter W zur Vereinbarung der Kreditsumme bevollmachtigt gewesen sei. Es könne auch nicht gesagt werden, daß die klagende Partei eine derartige Bevollmächtigung wegen der Höhe der Kreditsumme nicht hätte annehmen dürfen. Dabei werde nämlich übersehen, daß die Beklagte bereits gemeinsam mit ihrem Ehegatten früher ein Darlehen in der Höhe von 150 000 S aufgenommen hatte und sich das neu aufgenommene Darlehen aus dem noch offenen Rest des ersten Darlehens, einer Gehaltskontoüberziehung, den Zinsen und dem neuen Darlehen zusammensetzte. Ziehe man den letztgenannten Umstand in Betracht, so sei es nicht weiter auffällig gewesen, daß die Beklagte eine Blankounterschrift leistete, da der Kreditantrag nicht eine fixe Summe betraf, sondern die Summe erst aus den vorgenannten Teilpositionen errechnet worden sei.
Über Revision der Beklagten hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Gericht erster Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Von einer Blankettunterschrift (Blankettunterzeichnung) spricht man, wenn jemand eine noch ganz oder teilweise unausgefüllte Urkunde unterzeichnet und den anderen Teil zur Ausfüllung ermächtigt; überschreitet der andere seine Ermächtigung, so kann sich der Austeller grundsätzlich nur an den halten, der die Blankettunterschrift mißbrauchte, nicht aber an einen redlichen Dritten (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 268); er kann sich diesem gegenüber insbesondere nicht darauf berufen, keine entsprechende Willenserklärung abgegeben zu haben (Koziol - Welser, Grundriß[5] I 144; vgl. Welser, JBl. 1979, 9 f.). Der Besitz des Blanketts begrundet den Rechtsschein der Ausfüllungsbefugnis (6 Ob 501/81; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht 57; Thiele im Münchener Kommentar RZ 22 zu § 172 BGB; Flume, Das Rechtsgeschäft[3] 253; Steffen in BGB-RGRK[12] RZ 3 zu § 172; vgl. BGHZ 40, 65, 68; BGHZ 40, 297, 304). Das Blankett wird nämlich dem Blankettnehmer gerade deshalb gegeben, damit er es, unter Umständen in Gegenwart des Dritten, ausfüllt und sich durch seinen Besitz legitimiert, ohne daß der Dritte beim Aussteller rückfragen müßte; dieses Vertrauen hat der Aussteller bewußt hervorgerufen, als er das Blankett in den Verkehr brachte (Canaris a.a.O., 58).
Die Schutzwürdigkeit des Dritten muß aber ihre Grenzen haben. Das hat zunächst zur Folge, daß der Blankettnehmer eine Verpflichtung des Blankettzeichners nur insoweit annehmen kann, als sie sich aus dem Wortlaut der Urkunde ergibt. Sinn und Zweck eines Kredites ist es nun aber, dem Kreditnehmer Bargeld bzw. ein entsprechendes Surrogat zu verschaffen, nicht dagegen, ein bei der Bank bereits bestehendes Debet abzudecken; so scheidet insbesondere ein Aufrechnungsrecht der Bank aus, es sei denn, es wird vertraglich vereinbart, was als Ausnahme aber nur dann zu gelten hat, wenn hierüber eine eindeutige Vereinbarung (BGHZ 71, 19, 21), eine besonders klare Abrede (Canaris, Bankvertragsrecht, GroßkommHGB[3] III/3, 629 RZ 1220), besteht. Grundsätzlich muß hingegen der Darlehensgegenstand aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Darlehensnehmers in der vereinbarten Form zugeführt werden, was auch durch Erteilung einer Gutschrift auf dem laufenden Konto des Kreditnehmers geschehen kann (Canaris, Bankvertragsrecht a.a.O., 680 RZ 1319). Nur zu einer solchen Gutschrift und damit Erhöhung des Kontostandes um den Betrag des gewährten Kredits war die klagende Partei nach dem Wortlaut der von der Beklagten gefertigten Urkunde ermächtigt, nicht aber zu einer Vereinbarung mit ihrem Ehegatten über die Aufrechnung von Forderungen aus anderen Verträgen, insbesondere nicht aus der Überziehung des Gehaltskontos des Ehegatten, das allein auf dessen Namen geführt wurde, aber auch nicht aus dem Kreditvertrag, der schon zuvor auch mit der Beklagten geschlossen worden war. In einem fortgesetzten Verfahren wird daher zunächst zu prüfen sein, welchen (neuen, zusätzlichen) Kredit die klagende Partei auf Grund des Antrages vom 5. April 1979 überhaupt einräumte, um welchen Betrag sie also den Kontostand durch Gutschrift tatsächlich erhöhte. Nur insoweit kommt eine Haftung der Beklagten aus ihrer Blankettunterzeichnung überhaupt in Betracht.
Es bedarf aber auch noch einer Ergänzung des Verfahrens dahin, ob der klagenden Partei überhaupt ein Anspruch gegen die Beklagte zusteht. Im Zweifel ist nämlich, wie die Revision mit Recht dartut, anzunehmen, daß der Blankettinhaber nur zur Ausfüllung im Rahmen des Üblichen berechtigt ist; was üblich ist, läßt sich nur nach den Umständen des jeweiligen Falles beurteilen; insbesondere kommt es maßgeblich darauf an, welcher Teil der Erklärung noch ergänzungsbedürftig ist; fehlt die Summe, ist stets größte Vorsicht geboten; für gänzlich aus dem Rahmen fallende Verträge wird das Vertrauen des Dritten nicht mehr zu schützen sein (Canaris, Vertrauenshaftung, 59). Nichts grundsätzlich anderes hat bei einer sogenannten verdeckten Blankettausfüllung zu gelten, wenn also der Inhaber des Blanketts dieses nicht in Gegenwart des Dritten, sondern schon vorher ausfüllt und der Dritte nur die vervollständigte Erklärung des Ausstellers zu Gesicht bekommt; hier kommt es zwar nicht darauf an, ob ein Vertragsabschluß durch Blankett im Rahmen des Üblichen liegt, aber darauf, ob ein Vertragsabschluß durch eine von einem Boten überbrachte Erklärung üblich ist (Canaris, Vertrauenshaftung, 66). Dieses Ergebnis entspricht dem allgemeinen Grundsatz, daß der Dritte, der auf eine Vollmachtsurkunde vertraut, dann nicht zu schützen ist, wenn er entweder wußte oder wissen mußte, daß die kundgebende Vollmacht nicht wirksam erteilt worden ist; entscheidend ist, ob sich der Dritte auf die schlüssig kundgemachte Bevollmächtigung auch bei gehöriger Aufmerksamkeit verlassen durfte (SZ 50/28; EvBl. 1976/272; EvBl. 1974/158; SZ 45/71 u. v.a.).
Nach der österreichischen Bankpraxis ist das Ansuchen eines präsumtiven Kreditnehmers um Einräumung eines Kredites üblicherweise noch kein Angebot auf Abschluß eines Kreditvertrages; es ist vielmehr nur eine Einladung an die Bank, dem Kunden ein Anbot auf Abschluß eines Kreditvertrages zugehen zu lassen, das dann alle wesentlichen Einzelheiten des Vertragsabschlusses enthält. Ein solches Anbot erfolgt aber üblicherweise nur nach Prüfung der Kreditwürdigkeit des präsumtiven Kreditnehmers, in deren Zusammenhang auch die Rechts- und Geschäftsfähigkeit sowie die Identität des zukünftigen Kreditnehmers geprüft wird. Erst nach positivem Verlauf dieser Prüfung wird der Kreditvertrag in der Regel in Form eines Korrespondenzvertrages in Form eines Angebotes der Kreditgewährung durch die Bank und dessen Annahme durch den Kreditnehmer abgeschlossen; der Abschluß eines Kreditvertrages durch konkludentes Verhalten ist nicht üblich (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] II, 15 f.; vgl. Canaris, Bankvertragsrecht a.a.O., 625 RZ 1208). Grundlage des Kreditvertrages ist das gegenseitige persönliche Vertrauen zwischen Bank und Kunden (Schinnerer - Avancini a.a.O., 17 f.).
Diese österreichische Bankpraxis, die letztlich auch in Wahrung der eigenen Interessen der Bank geschieht, ist wohl dahin zu verstehen, daß im Regelfall vor Abschluß eines Kreditvertrages persönliche Kontakte mit dem Kreditwerber hergestellt werden, zumindest aber dafür Sorge getragen wird, daß der Kreditwerber Gelegenheit hat, vor Eingehung einer Verbindlichkeit der Bank gegenüber das Anbot persönlich zu prüfen. Nur ein solches Verhalten entspricht in aller Regel der aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden abzuleitenden Aufklärungspflicht der Bank (vgl. dazu JBl. 1981, 425). Zur abschließenden rechtlichen Beurteilung, ob die klagende Partei als gutgläubig anzusehen war, bedarf es der Anhörung eines Banksachverständigen darüber, inwieweit sich die klagende Partei bzw. ihre Erfüllungsgehilfen im vorliegenden Fall im Rahmen des Banküblichen verhielten. Nicht kann der Beklagten nur darin gefolgt werden, daß damals ihr Ehegatte, weil er nebenberuflicher Mitarbeiter der klagenden Partei war, bei Aufnahme des Kredites für sich und die Beklagte selbst Erfüllungsgehilfe der klagenden Partei war. Die klagende Partei hatte sich aber durch ihre (wahren) Erfüllungsgehilfen der Beklagten gegenüber banküblich zu verhalten. Da es zur Ergänzung des Beweisverfahrens offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, sind gemäß § 510 Abs. 1 ZPO die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen.
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