Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden und widerbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 3.228,37 EUR (darin enthalten 538,06 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Jahr 2005 traf der Erstkläger und ‑widerbeklagte (in der Folge nur: Erstkläger) auf Mag. P*****, einen Angestellten der in Österreich ansässigen I***** AG (I*****), der erklärte, über ein sicheres und erfolgreiches Anlagekonzept zur Altersvorsorge zu verfügen. Das System sollte so funktionieren, dass das klagende und widerbeklagte Ehepaar (Kläger) der S***** AG ihre Liegenschaft verpfänden. Die Bank sollte eine Bankgarantie über einen bestimmten Betrag ausstellen, welcher einer anderen, die Veranlagung durchführenden Bank als Sicherheit für einen Kredit dienen sollte, mit dem Wertpapiergeschäfte finanziert werden sollten. Der Erstkläger verstand diese Erklärungen im Detail nicht.
Am 19. 9. 2005 schlossen die Kläger und die I***** eine Vereinbarung, die als Wertpapierstrategie der I***** Options‑Termingeschäfte mit Eingehen von Aktienkauf bzw Aktienkaufsvereinbarungen umschrieb. Am 7. 12. 2006 schlossen die Kläger und die I***** eine weitere Vereinbarung über ein Investmentgeschäft. Vertragsgegenstand war Beratung über Wertpapierstrategien und deren Vermittlung. Die Kläger hatten sich für das von ihrem Berater vorgeschlagene „Rendite‑Immobilien‑Modell“ entschieden, zu dessen Verwirklichung die Beklagte und Widerklägerin (in der Folge nur: Beklagte), eine in Deutschland ansässige Bank, ein Konto/Depot für die Kläger eröffnete, ihnen einen Kredit zur Vornahme der Investments einräumte und die Order der Kläger durchführte. Das Depot wurde (nach Abschluss der Vereinbarung der Kläger mit der I*****) im Dezember 2006 eröffnet. Der Kontakt erfolgte ausschließlich im Korrespondenzweg, persönliche Kontakte zwischen den Klägern und der Beklagten gab es nicht. Die den Klägern übermittelten Unterlagen der Beklagten enthielten Formulare mit allgemeinen Erläuterungen und Aufklärungen über die Rahmenbedingungen für Geschäfte in Finanzinstrumenten sowie die Verlustrisiken von (insbesondere kreditfinanzierten) Finanztermingeschäften. Im Korrespondenzweg übermittelte die Beklagte den Klägern auch die Rahmenvereinbarung und den Kreditvertrag. Den Unterlagen waren jeweils die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten angeschlossen. Diese enthielten eine Klausel, in der die Geltung des Rechts der Bundesrepublik Deutschland vereinbart wurde.
Über Antrag der Kläger stellte die S***** AG Bankgarantien über 130.000 EUR (4. 1. 2007) und über 120.000 EUR (13. 2. 2007) aus. Die im gemeinsamen Eigentum der Kläger stehende Liegenschaft wurde mit einer Hypothek belastet, was die Kläger auch „zur Kenntnis nahmen“. Sie machten sich aber keine Sorgen, weil sie ihrem Berater und seiner Zusicherung, dass es sich um eine sichere Angelegenheit handle, vertrauten.
Die I***** verfügte nicht über die nötige Konzession, um das Vermögen der Kläger zu verwalten und ihre Wertpapieraufträge zu bearbeiten und durchzuführen. Sie schloss mit der Beklagten einen Kooperationsvertrag, dessen Zweck die Vermittlung von Kunden des Kooperationspartners I***** an die Beklagte waren, bei der die Kunden ein Konto eröffnen sollten. Der Vertrag wurde von der Beklagten am 19. 3. 2007 und von der I***** am 23. 3. 2007 unterschrieben. Der Berater der Kläger traf sämtliche Entscheidungen über die Aufträge. Die Kläger vertrauten ihm in dieser Hinsicht blind und unterfertigten die jeweiligen Aufträge, ohne sie zu besprechen. Die I***** leitete jeweils die Order der Kläger an die Beklagte weiter. Die Vermögensverwaltung, also sämtliche Entscheidungen über die Veranlagung, oblag im vollen Umfang dem Berater. Die Kläger bevollmächtigten die I*****, bei der Order von Wertpapieren ein Limit zu setzen. Bereits bei einer Luxemburger Bank als Vorgängerkooperationsbank hatte eine derartige Vorgangsweise bestanden, die auch nach dem Bankenwechsel beibehalten wurde.
Die errechnete Einschussverpflichtung („margin“) und die Auslastung der Kreditlinie ihrer Kunden wurden der I***** als Übersichtsliste börsetäglich zur Verfügung gestellt. Den Klägern war es jederzeit möglich, ihre Kontostände per Internet abzufragen. Die Beklagte richtete am 27. 6. 2008 und am 3. 7. 2008 Margin‑Calls an die Kläger und die I*****. Der Erstkläger leistete daraufhin 35.000 EUR. Da nach weiteren Margin‑Calls vom 7. 7. und 8. 7. 2008 keine Zahlungen einlangten und die Überschreitung des Kredits nicht ausgeglichen werden konnte, stellte die Beklagte das Konto „glatt“. Der Berater erklärte dem Erstkläger, dass er nicht mehr für ihn tätig werde und der Kunde sich nunmehr selbst um alles kümmern müsse. Da die Kläger in der Folge den noch offenen Saldo bezüglich der angelaufenen Tageszinsen innerhalb der gesetzten Frist nicht zahlten, kündigte die Beklagte am 30. 7. 2008 den Konto‑ und Kreditvertrag und zog die Bankgarantien. Sie löste das Kooperationsverhältnis zur I***** zum 15. 7. 2008 auf. Über deren Vermögen wurde im Oktober 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Konto der Kläger war nach „Glattstellung“ und dem Ziehen der Bankgarantien zum 5. 2. 2009 mit 115.360,68 EUR belastet.
Die Kläger begehren in dem zu 18 Cg 234/08v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz geführten Verfahren Schadenersatz von 305.000 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige, noch nicht feststellbare Schäden. Sie stützen ihren Anspruch auf eine Verletzung von Aufklärungs‑, Warn‑ und Informationspflichten. Die I***** sei Außenstelle der Beklagten und deren Erfüllungsgehilfin gewesen, weshalb sich die Beklagte das Fehlverhalten ihres Kooperationspartners zurechnen lassen müsse. Diese habe das Investmentgeschäft damit beworben, dass „maximales Verlustrisiko kein Ertrag“ sei und die benötigten Bankgarantien nie gezogen würden. Da die I***** aufgrund ihrer Konzession lediglich zur Vermögensberatung und Vermittlung von Wertpapiergeschäften berechtigt gewesen sei, sei die Beklagte zur technischen Abwicklung des Geschäftsmodells eingeschaltet worden. Sie hätten am 26. 2. 2007 bei der Beklagten einen Kreditvertrag mit einem Limit von zunächst 130.000 EUR, sowie in weiterer Folge von 250.000 EUR geschlossen, und zwar ohne jegliche Aufklärung oder Warnung durch die Kreditgeberin. Verwendungszweck des Kredits sei der Kauf von Wertpapieren und die Abdeckung des „Margin‑Erfordernisses“ gewesen. Sämtliche Geschäfte habe der Berater über die I***** abgewickelt. Persönliche Ansprechpartner für die Kläger habe es bei der Beklagten nicht gegeben. Die einzelnen Veranlagungsaufträge seien den Klägern weder erklärt, noch mit ihnen abgestimmt und akkordiert worden. Die Beklagte habe sie weder persönlich aufgeklärt, noch einen Angemessenheits‑ und Eignungstest durchgeführt, was selbst bei einem beratungsfreien Geschäft zu fordern sei, insbesondere wenn das dahinter stehende Geschäftsmodell mehr als fragwürdig sei. Zwischen 22. 1. 2008 und 26. 3. 2008 hätten sie (die Kläger) zahlreiche Margin‑Calls erreicht. Sie seien jedoch von der I***** verständigt worden, dass eine Abdeckung nicht nötig sei. Erstmals mit dem Margin‑Call vom 3. 7. 2008 habe die Beklagte von ihnen direkt eine Abdeckung von 32.043,92 EUR verlangt. Sie seien dieser Aufforderung auch nachgekommen. Mit Schreiben vom 5. 8. 2008 sei eine erneute Zahlung von 105.512,25 EUR zuzüglich Tageszinsen gefordert worden. Wäre im Zeitraum vom 28. 3. bis 7. 7. 2008 ein rechtzeitiger Margin‑Call gesetzt worden, hätten die Kläger noch disponieren können. Die in den AGB der Beklagten enthaltene Wahl des deutschen Rechts sei ihnen als Verbrauchern gegenüber unwirksam. Die Klausel über die Rechtswahl sei sittenwidrig und mit ihnen weder erörtert noch von ihnen gelesen worden.
Die Beklagte berief sich im Wesentlichen auf die Durchführung eines beratungsfreien Geschäfts („execution only“) mit erfahrenen und über das Risiko der Investments ausreichend aufgeklärten Anlegern. Sie sei weder Vermögensverwalterin, noch zur Anlageberatung verpflichtet gewesen, was die Kläger gewusst und auf den ihnen zur Verfügung gestellten Dokumenten schriftlich bestätigt hätten. Im Kooperationsvertrag zwischen ihr und der I***** sei geregelt worden, dass die I***** ihre Kunden über sämtliche Risiken im Zusammenhang mit der Vermögensberatung aufklären würde. Nach den von den Klägern unterfertigten Unterlagen habe eine solche Aufklärung stattgefunden. Die Beklagte habe außerdem den Klägern im Rahmen der Grunderöffnung die Rahmenbedingungen für Geschäfte in Finanzinstrumenten sowie die Verlustrisiken von Finanztermingeschäften erläutert und sie darüber aufgeklärt, weshalb sie ihrer auf eine allgemeine Risikoerklärung beschränkten Aufklärungspflicht zur Gänze entsprochen hätte. Die I***** sei nicht ihre Erfüllungsgehilfin gewesen. Die Kläger hätten gewusst, dass sie ihr gesamtes eingesetztes Kapital verlieren könnten und im Fall ungünstiger Marktentwicklung auch zusätzlich Zahlungen leisten müssten. Was die Margin‑Calls betreffe, so sei erstmals im Juni 2008 die Grenze des Nettoliquidationserlöses des Wertpapierdepots überschritten worden, worauf sie am 26. 6. 2008 den Margin‑Call vorgenommen habe. Bis zu diesem Zeitpunkt seien die Kläger ihrer Einschusspflicht immer nachgekommen.
Zu 18 Cg 41/09p des Landegerichts für Zivilrechtssachen Graz erhob die Beklagte eine Widerklage, mit der sie den auf dem Kreditkonto der Kläger nach Ziehung der Bankgarantien noch offenen Saldo von 115.360,68 EUR sA forderte.
Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Führend war das Verfahren 18 Cg 234/08v.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren im führenden Verfahren ab (Spruchpunkt 1 und 2) und gab dem Widerklagebegehren statt (Spruchpunkt 3). Seiner rechtlichen Beurteilung legte es (ohne Begründung) österreichisches Recht zugrunde. Der Berater der Kläger sei von ihnen schlüssig bevollmächtigt worden, sämtliche Entscheidungen über die Veranlagung zu treffen. Die Anlageberatung durch die I***** und die Leistungen der Beklagten als Depotbank seien völlig unterschiedlich und von einander zu trennen. Die I***** habe bei der Verwaltung des Vermögens der Kläger nur eigene Interessen und nicht jene der beklagten Bank verfolgt, weshalb ihre Eigenschaft als Erfüllungsgehilfin auch nicht aus dem bestehenden Kooperationsvertrag abgeleitet werden könne. Die Kläger hätten bewusst eine Anlageberatung in Anspruch genommen, um das für sie am besten geeignete Produkt auszuwählen. Nachdem sie sich aufgrund dieser Beratung durch die I***** für ein bestimmtes Investmentmodell entschieden und diese Anlagestrategie bereits kurzfristig mit einer anderen Kooperationsbank angewendet hätten und weder als unerfahren oder informationsbedürftig einzustufen gewesen seien, sei die Beklagte als Kreditgeberin und ausführende Bank nur in beschränktem Umfang zur Aufklärung und Beratung verpflichtet gewesen. Diesen Pflichten sei sie durch Übermittlung der allgemeinen Informationen über die Risiken derartiger Geschäfte nachgekommen. Sie habe dem Berater und Bevollmächtigten der Kläger die errechnete Einschussverpflichtung und die Auslastung der Kreditlinie der Kunden börsetäglich als Übersichtsliste zur Verfügung gestellt, weshalb der Beklagten allfällig nicht rechtzeitig durchgeführte Margin‑Calls nicht angelastet werden könnten. Zudem hätten die Kläger ihr Depot über das Internet jederzeit einsehen können.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge, bestätigte das angefochtene Urteil mit einer Maßgabe zu dessen Spruchpunkt 3 und ließ die Revision zu.
Es verwies zunächst auf die in den AGB der Beklagten vereinbarte Anwendung deutschen Rechts und die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Rechtswahl auch in Verbraucherverträgen. Die Kläger würden sich auf Art 5 Abs 2 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. 6. 1980 in Rom (EVÜ) berufen. Danach dürfe auch eine zulässige Rechtswahl bei Vorliegen bestimmter (vom Berufungsgericht nicht näher erörterter) Voraussetzungen nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staats, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, gewährte Schutz entzogen werde. Dies gelte nach Art 5 Abs 4 EVÜ aber nicht für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssten, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Beklagte habe den Klägern in Deutschland einen Kredit eingeräumt und dort auch sämtliche Wertpapiergeschäfte durchgeführt. Sie habe Kontoauszüge per Internet zur Verfügung gestellt oder an die Vermögensberaterin der Kläger übermittelt. Diese sei bevollmächtigt gewesen, Limits zu setzen. Margin‑Calls seien im relevanten Zeitraum direkt an die Kläger, aber auch an die bevollmächtigte Vermögensberaterin ergangen. Die Beklagte wäre den Klägern daher nicht in Österreich zur Nachsorge und Beratung verpflichtet gewesen, die Kläger hätten vielmehr schon vor Eingehen des Vertragsverhältnisses auf den bestehenden Beratungsvertrag mit ihrer österreichischen Vermögensberaterin verwiesen.
Nach dem anzuwendenden deutschen Recht sei die Beklagte nicht zur Aufklärung der Kläger über das hohe Risiko und eine (allfällige) Untauglichkeit des von der Vermögensberaterin vorgeschlagenen Veranlagungsmodells verpflichtet gewesen. Die Kläger hätten sich für dieses Modell bereits im Jahr 2005 entschieden und lediglich die Bank gewechselt. Dass die Beklagte die Kläger zur Spekulation auf Kredit verleitet hätte, ließe sich den Feststellungen nicht entnehmen. Eine Verpflichtung der Bank, auf Risiken der mit Kredit finanzierten Wertpapiergeschäfte hinzuweisen, könnte nur dann gelten, wenn die Bank nicht bloß Kreditgeberin sei, sondern selbst einen besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schaffe oder dessen Entstehung begünstige, wenn sie im Vergleich zum Kreditnehmer im Bezug auf die speziellen Risiken des zu finanzierenden Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung habe oder sich in schwerwiegende Interessenskonflikte verwickle. Ein derartiger Wissensvorsprung einer Bank könnte zwar vermutet werden, wenn es zwischen dem Verkäufer der Vermögensanlage oder dem Vermittler und der Bank eine institutionelle Zusammenarbeit gebe. In diesem Fall habe zwar eine ‑ später abgeschlossene ‑ Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der I***** existiert. Diese sei aber nicht Verkäuferin oder Vermittlerin der Wertpapiere gewesen, sondern lediglich Vermögensberaterin der Kläger. Die (vom Berufungsgericht dargelegte) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei daher auf die Zusammenarbeit von Vermögensberatern und kreditgewährenden Banken nicht anzuwenden. Es müsse daher nicht weiter geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Vermutung eines eine Aufklärungspflicht begründenden Wissensvorsprungs im Sinn der Judikatur des Bundesgerichtshofs erfüllt seien und wieweit eine derartige Pflicht konkret reichen würde. Die Kläger hätten einen derartigen Wissensvorsprung auch nicht behauptet. Verkäufer der Anlage, deren Hilfspersonen und selbstständige Vermittler, wie die I*****, seien keine Erfüllungsgehilfen der Bank, wenn sie Angaben zur Rentabilität der Anlage machten. Dies müsse umso mehr für eine Vermögensberaterin wie die I***** gelten. Eine Bank sei auch nur bei offensichtlich irrtümlichen Aufträgen zum Ankauf riskanter Wertpapiere verpflichtet, bei den Auftraggebern nachzufragen. Behauptungen in diese Richtung seien nicht aufgestellt worden. Die Beklagte sei also nur die durchführende Bank gewesen. Eine nicht ordnungsgemäße Durchführung der einzelnen Transaktionen hätten die Kläger nicht behauptet. Die Beklagte treffe aufgrund des bereits bestehenden Beratungsvertrags mit der I***** keine weiteren besonderen Aufklärungspflichten, vielmehr habe sie diese durch die ausdrückliche Warnung vor dem Risiko kreditfinanzierter Wertpapiergeschäfte bei Vertragsabschluss erfüllt. Soweit sich die Kläger auf die verspätete Vornahme eines Margin‑Calls beriefen, hätten sie keine Vereinbarung behauptet, dass die Beklagte bei Nichterfüllung der Margin‑Calls jedenfalls sofort alle Positionen schließen und das Konto glattstellen müsse. Zudem seien Anfang 2008 mehrfach Margin‑Calls gesetzt worden. Dabei sei nicht festgestellt worden, dass die Kläger diesen nachgekommen seien. Die Kläger hätten die Höhe des Saldos aus dem Kreditvertrag nicht substanziiert bestritten, sondern sich darauf berufen, ein Saldo zu ihren Lasten bestünde wegen der verspäteten Margin‑Calls und der (angeblich) falschen Berechnung der Margin‑Höhe nicht zu Recht. Sie hätten aber nicht ausdrücklich dargelegt, wieso die Margins falsch berechnet worden seien, und auch nicht, dass die Beklagte bei Unterbleiben eines Nachschusses die Wertpapierpositionen sofort schließen hätte müssen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien:
Eingangs ist anhand des unstrittigen Parteivorbringens in Verbindung mit ebenfalls unstrittigen Urkunden klarzustellen, welche Verträge die Parteien zu welchem Zeitpunkt geschlossen haben. Dies ist für die Beurteilung erforderlich, welche internationale Übereinkommen und welches nationale Sachrecht (zeitlich) anzuwenden sind.
Wie schon die Vorinstanzen feststellten, eröffneten die Kläger Ende 2006 bei der Beklagten ein Wertpapierkonto und ‑depot. Geschlossen wurde auch ein Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte. Die Kläger unterschrieben den Rahmenvertrag einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten am 15. 12. 2006 in Österreich. Der zur Finanzierung der Finanztermingeschäfte geschlossene Lombardkreditvertrag (mit einem Rahmen von 130.000 EUR) wurde von der Beklagten am 30. 1. 2007 und von den Klägern am 26. 2. 2007 unterfertigt. Am 28. 4. 2008 schlossen die Streitteile zur Fortsetzung der bisherigen Geschäftsbeziehung eine neue Rahmenvereinbarung über die Ausführung von Geschäften in Finanzinstrumenten. Einen weiteren Kreditvertrag mit einer Erweiterung des Rahmens auf 250.000 EUR unterzeichneten die Kläger am 19. 2. 2008. Das Kreditkonto wurde letztlich im Juli 2008 „glatt gestellt“. Ab diesem Zeitpunkt fanden keine Transaktionen mehr statt. Der Durchführung der Wertpapieraufträge der Kläger lagen also jeweils ein Vertrag über das Wertpapierkonto und ‑depot, ein Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte und ein Lombardkreditvertrag zugrunde.
Anzuwendendes Recht:
Die Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I‑VO) ist nach ihrem Art 28 auf Verträge anzuwenden, die ab dem 17. 12. 2009 geschlossen werden. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt: Sämtliche Verträge sind vor dem genannten Stichtag geschlossen worden. Damit ist in diesem Fall mit Auslandsberührung (Vertragsbeziehungen zwischen einer deutschen Bank und österreichischen Anlegern, die Schadenersatzansprüche wegen Verletzung von vertraglichen Aufklärungs‑ und Beratungspflichten geltend machen), nicht die zitierte Verordnung, sondern das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. 6. 1980 in Rom (Europäisches Schuldvertrags-übereinkommen; EVÜ), maßgeblich.
Eine Rechtswahl kann nach Art 3 Abs 1 Satz 2 EVÜ ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Eine ausdrückliche Rechtswahl setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus, die auf die Maßgeblichkeit eines bestimmten Rechts gerichtet sind. Es muss sich nicht um eine individuell ausgehandelte Klausel handeln, auch die Vereinbarung einer Rechtswahl in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) reicht aus (Verschraegen in Rummel 3, EVÜ Art 3 Rz 5).
Unstrittig ist, dass die AGB der beklagten Partei festhielten, dass das Recht der Bundesrepublik Deutschland gelte. Die Kläger bestreiten die Wirksamkeit dieser Rechtswahl. Sie hätten diese nicht erkennen können, nicht mit ihr rechnen müssen und demnach nicht wirksam zugestimmt. Dazu verweisen sie auf Bestimmungen des österreichischen Rechts wie § 864a ABGB.
Die Fragen des Zustandekommens und der Wirksamkeit der Rechtswahl sind aber gemäß Art 3 Abs 4 iVm Art 8 Abs 1 EVÜ nach dem gewählten, also dem deutschen Recht zu beurteilen (Verschraegen aaO Rz 10 mwN; vgl Staudinger/Magnus, BGB [2002] Art 27 EGBGB Rn 140 mwN).
Die Rechtswahl findet sich im Text der AGB als letzte Klausel vor der Unterschrift der beiden Kläger unter dem Rahmenvertrag und nicht „versteckt“ inmitten einer Vielzahl von Klauseln. Die Kreditverträge enthielten einen ausdrücklichen Hinweis auf die Geltung der AGB der Beklagten im Vertragstext selbst. Dass die AGB den Klägern übermittelt wurden und sie jeweils Gelegenheit zur Einsichtnahme hatten, bestreiten sie auch nicht. Dass nach deutschem Recht die Wahl deutschen Rechts wirksam (s dazu Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB‑Recht11 220, 223) und bei Vertragsbeziehungen mit einer deutschen Bank für die Kläger nicht überraschend gewesen sei (vgl H. Schmidt aaO 1626), bezweifeln sie ebenfalls nicht. War das Verhalten der Kläger nach dem gewählten deutschen Recht als Zustimmung zur Rechtswahlvereinbarung zu werten, könnten sie sich nach Art 8 Abs 2 EVÜ nur dann auf österreichisches Recht berufen, wenn dieses eine derartige Zustimmung verneinte (vgl Verschraegen aaO Rz 11; vgl Magnus aaO, je mwN). Dies trifft hier aber nicht zu:
Die ‑ bereits dargelegte ‑ Zusendung der AGB in Verbindung mit dem Hinweis auf ihre Geltung im Vertragstext bzw ihre Aufnahme in den Vertragstext selbst reicht im Sinn der ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0014506) für eine wirksame Vereinbarung ihrer Geltung aus. Objektiv ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB sind Klauseln, mit denen der Partner nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte, die also von seinen berechtigten Erwartungen deutlich abweichen (6 Ob 57/08p mwN; Bollenberger in KBB3 § 864a Rz 10 mwN). Die Klausel darf im Text nicht derart „versteckt“ sein, dass sie der Vertragspartner dort nicht vermutet, wo sie sich befindet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RIS‑Justiz RS0014659 [T3]). Ein derartiger Überrumpelungseffekt (RIS‑Justiz RS0014646) war nach dem Erscheinungsbild der Urkunden hier nicht gegeben.
Auch nach österreichischem Recht wäre die Rechtswahlklausel jeweils Vertragsbestandteil geworden. Die Kläger können sich demnach nicht im Sinn des Art 8 Abs 2 EVÜ darauf berufen, dass sie nach österreichischem Recht der Rechtswahl nicht wirksam zugestimmt hätten.
Nach Art 3 Abs 2 Satz 1 EVÜ können die Parteien jederzeit vereinbaren, dass der Vertrag nach einem anderen Recht zu beurteilen ist als dem, das zuvor entweder aufgrund einer früheren Rechtswahl nach diesem Artikel oder aufgrund anderer Vorschriften dieses Übereinkommens für ihn maßgebend war. Die Frage, ob das bloße Prozessverhalten von Parteien, die von der Geltung eines bestimmten Rechts ausgehen, für eine nachträgliche konkludente Rechtswahl ausreicht, stellt sich hier nicht. Während des gesamten Verfahrens berief sich die Beklagte auf die vereinbarte Rechtswahl. Es ist irrelevant, dass sie in einem anderen Verfahren, das zwar ein identes Geschäftsmodell, aber einen anderen Vertragspartner betraf, den Einwand des anzuwendenden materiellen deutschen Rechts zurückgezogen und die Anwendbarkeit österreichischen Sachrechts zugestanden haben soll, wie die Revisionswerber behaupten.
Nicht nachvollziehbar ist die Meinung der Kläger, der Oberste Gerichtshof habe in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung 1 Ob 158/09f die Anwendung österreichischen Sachrechts klargestellt. Die zitierte Entscheidung klärte ausschließlich die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nach Art 15 Nr 1 lit c EuGVVO und nicht die Frage des anzuwendenden materiellen Rechts.
Art 5 EVÜ (Verbraucherverträge) gilt nach seinem Abs 1 für Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen an eine Person, den Verbraucher, zu einem Zweck, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Verbrauchers zugerechnet werden kann, sowie für Verträge zur Finanzierung eines solchen Geschäfts.
Unstrittig ist die Eigenschaft der Kläger als Verbraucher. Die von der beklagten Bank aufgrund der Rahmenvereinbarung und der Order der Kläger durchzuführenden Finanztransaktionen sind vom Begriff der Dienstleistung in Art 5 Abs 1 erfasst (zu Bankgeschäften: Heiss in Czernich/Heiss, EVÜ Art 5 Rz 19; Verschraegen aaO Art 5 Rz 16 [auch zu Vermögensberatung, ‑anlage und ‑verwaltung]). Der den Klägern eingeräumte Kredit diente ausschließlich der Finanzierung der Finanztransaktionen. Leistungen aus diesem Vertrag fallen daher ebenfalls unter Art 5 Abs 1 EVÜ (Verschraegen aaO Rz 18 mwN, Czernich/Heiss aaO).
Nach Art 5 Abs 2 EVÜ darf bei einem Verbrauchervertrag die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staats, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird, wenn (unter anderem) dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat. Nach überwiegender Meinung erfasst ein „ausdrückliches Angebot“ im Sinne der zitierten Bestimmung auch die Einladung an den Verbraucher, ein Angebot zu stellen ‑ „invitatio ad offerendum“ ‑ (Verschraegen aaO Art 5 Rz 28 mwN; Heiss aaO Art 5 Rz 30 mwN; MünchKomm/Martiny [2006] Art 29 EGBGB Rn 34 mwN; Kluth, Die Grenzen des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes [2009] 143 mwN), während Gegenstimmen diese Aufforderung dem Begriff „Werbung“ zuordnen (Nachweise bei Heiss aaO FN 136 und Martiny aaO FN 145). Diese Divergenz ist im konkreten Fall jedoch nicht relevant, weil die Beklagte den klagenden Verbrauchern sämtliche Unterlagen, die sich auf die Eröffnung des Wertpapierkontos/‑depots, den Abschluss der Rahmenvereinbarung(en) für die in Aussicht genommenen Finanztermingeschäfte und die Kreditverträge bezogen, „im Korrespondenzweg“ übermittelte.
Nicht in Frage steht, dass die Kläger ihre Angebots‑ bzw Annahmeerklärungen schriftlich in Österreich abgaben und die unterzeichneten Schriftstücke an die Beklagte übersendet wurden. Damit ist auch die in Art 5 Abs 2 erster Spiegelstrich EVÜ genannte Voraussetzung erfüllt, dass der Verbraucher im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen haben muss (vgl Kluth aaO 161 mwN).
Nach seinem Abs 4 lit b gilt Art 5 EVÜ trotz Vorliegens der situativen (Heiss aaO Art 5 Rz 28 ff; Verschraegen aaO Art 5 Rz 26 ff) Voraussetzungen des Abs 2 nicht für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Beispiele sind Leistungen aus ärztlichen Behandlungsverträgen (4 Ob 65/09a = RdM 2009, 183) oder Verträgen über Hotelunterkunft im Ausland (Verschraegen aaO Art 5 Rz 21 mwN). Auch örtliche Bank‑ und Brokerdienstleistungen zählen dazu (6 Ob 110/07f = ZFR 2008/32, 64 [Knobl/Janovsky, ZFR 2008, 68] = ÖBA 2008/1486, 505 [Koch, ÖBA 2008, 475] mwN; vgl zu in vollem Umfang am ausländischen Geschäftssitz eines Kreditinstituts erbrachte Bankdienstleistungen Kluth aaO 131 mwN).
Die (bereits vom Berufungsgericht zitierte) Entscheidung 6 Ob 110/07f betraf einen „Vermögensverwaltungsauftrag“ zwischen einem österreichischen Verbraucher und einer Vermögensverwaltungsgesellschaft mit Sitz in der Schweiz (Gesellschaft). Der Oberste Gerichtshof erachtete Art 5 Abs 4 lit b EVÜ in diesem Fall deshalb nicht als einschlägig, weil die Gesellschaft ihre Leistungen nicht ausschließlich in einem anderen als dem Verbraucherstaat erbracht hätte. Sie sei im Sinn echter Nachberatungs‑ und Zusatzinformationspflichten während der Vertragslaufzeit verpflichtet gewesen, dem Kunden nach § 13 Z 4 (österreichisches) Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) 1996 alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich gewesen sei. Dass derartige Verpflichtungen nicht auch nach dem (gewählten) Recht der Schweiz bestanden hätten, behaupte die Gesellschaft nicht. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen habe sie sich der Bank des Kunden mit Sitz in Österreich bedient, die den Kunden über die Performance der Vermögensverwaltung informiert habe und die Depotauszüge „Position für Position“ durchgegangen sei.
Auch in dem hier zu beurteilenden Fall bestanden die Leistungen der beklagten Bank nicht ausschließlich aus in Deutschland zu erbringenden bzw tatsächlich erbrachten Bank‑ und Brokerdienstleistungen. Zunächst schlossen die Parteien zur Finanzierung der Börsentermingeschäfte einen Kreditvertrag. Finanzierungsverträge sind nach dem Wortlaut des Art 5 Abs 4 lit b EVÜ, der nur Dienstleistungsverträge nennt, nicht erfasst. Die Beklagte war verpflichtet, Margin‑Calls zu setzen, was sie selbst auch nicht bestreitet. Dieser Begriff (Aufruf zur Sicherheitsleistung) bezeichnet im Devisenhandel den Warnhinweis eines Brokers an einen Händler/Investor im Fall der drohenden Gefahr, dass mit einer offenen Handelsposition die Margin (die Sicherheitsleistung für Börsentermingeschäfte durch Hinterlegung eines gewissen Pfands) unterschritten wird. Diese Warnhinweise mit der Aufforderung, Geld „nachzuschießen“, um weiter an der Börse spekulieren zu können, waren nach Österreich zu richten, unabhängig davon, ob sie nach den vertraglichen Regelungen nur den Klägern oder nur der I***** als österreichischem Finanzdienstleister und allenfalls auch zur Empfangnahme der Margin‑Calls Bevollmächtigter der Bankkunden oder allen Beteiligten zu übermitteln gewesen wären. Die Beklagte stellte ihren Kunden zudem Kontoauszüge via Internet zur Verfügung. Auch das ist ein Anhaltspunkt für die Erbringung eines Teils ihrer Dienstleistungen in Österreich, dass die Kläger auf die ihnen übermittelten Daten über ihren Internetanschluss in ihrem Aufenthaltsstaat zugreifen konnten (vgl Kluth aaO 132 mwN; vgl MünchKomm/Martiny [2010] Art 6 Rom I‑VO Rn 18 mN zu Art 29 EGBGB in FN 65; Verschraegen aaO Art 5 Rz 33 mwN).
Die Rom I‑VO ist zwar hier nicht anzuwenden. Aufschlussreich ist aber doch, dass Finanzdienstleistungen nach Art 6 Abs 4 lit d nicht von der Geltung des (Verbraucherverträge betreffenden) Art 6 Abs 1‑3 ausgenommen werden (vgl dazu Mankowski, Finanzverträge und das neue Internationale Verbrauchervertragsrecht des Art 6 Rom I‑VO, RIW 2009, 98 [103]). Nach Mankowski (aaO 116) erfasst Art 6 Abs 1‑3 Rom I‑VO eben auch Verträge mit Intermediären über den Erwerb von Finanzinstrumenten und Depotverträge samt Depotführung und Verwaltung.
Art 5 Abs 4 lit b EVÜ gilt demnach im vorliegenden Fall nicht. Die klagenden Verbraucher können sich nach Art 5 Abs 2 des zitierten Übereinkommens darauf berufen, dass der ihnen nach den zwingenden Bestimmungen des österreichischen Rechts gewährte Schutz durch die Wahl deutschen Rechts entzogen würde. Es ist daher zu überprüfen, ob das österreichische Recht im konkreten Fall die klagenden Verbraucher besser schützt, also günstiger für sie ist (zum Günstigkeitsvergleich vgl Kluth aaO 185 ff; vgl weiters Musger in KBB3, Art 6 Rom I‑VO Rz 5).
Erkundigungs‑, Beratungs‑ und Informationspflichten der Beklagten bei „Vorschaltung“ des österreichischen Finanzdienstleisters nach österreichischem Recht:
§ 13 Z 3 und 4 WAG 1997 schrieben die schon bisher von der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0026135; RS0027769) und Lehre zu Effektengeschäften insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und dem Beratungsvertrag abgeleiteten Aufklärungs‑ und Beratungspflichten fest (RIS‑Justiz RS0119752 [T1]). Mit § 15 WAG wurde eine ausdrückliche Haftungsnorm geschaffen, die auch im Gesetz einen zivilrechtlichen Charakter der Verhaltenspflichten eindeutig klarstellte. Sie bezweckte die grundsätzliche Sicherstellung der Haftung des Rechtsträgers bei Verletzung der Bestimmungen der §§ 13 und 14 WAG auch bei bereits leichter Fahrlässigkeit (RIS‑Justiz RS0119753 [T1]).
Am 1. 11. 2007 trat das WAG 2007, BGBl I 2007/60, in Kraft (§ 108 leg cit), das in seinen §§ 38 ff Wohlverhaltenspflichten enthält. Die in § 103 leg cit enthaltenen Übergangsbestimmungen sind hier nicht relevant. Insbesondere wurde im Zusammenhang mit § 103 Z 4 WAG 2007 nicht behauptet oder festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Einstufung der Kläger als professionelle Kunden (§ 59 Abs 2 leg cit) erfüllt gewesen und sie deshalb als solche eingestuft worden wären.
Fehlt eine Rückwirkungsanordnung, sind nach der ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0008715) nur nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichte Sachverhalte nach der neuen Rechtslage zu beurteilen. Die Parteien standen in einer dauernden, noch vor Inkrafttreten des WAG 2007 begründeten Geschäftsbeziehung, die durch mehrere, teils noch vor dem 1. 11. 2007 geschlossene Verträge geregelt wurde. Die Kläger machen Schadenersatzansprüche wegen Verletzung von Aufklärungs‑, Beratungs‑ und Informationspflichten geltend. Für die Beurteilung dieser Ansprüche ist auf den Zeitpunkt der Handlung oder Unterlassung, aus der sie eine Verletzung der Wohlverhaltensregeln der Beklagten ableiten, abzustellen (6 Ob 221/10h [Beratungstätigkeit]; 10 Ob 69/11m [Kauf von Wertpapieren]; jeweils zum WAG 1997). Soweit die Kläger der beklagten Bank Pflichtverletzungen auch nach dem Inkrafttreten des WAG 2007 vorwerfen, ist die durch dieses Gesetz geschaffene Rechtslage maßgeblich.
Die Beklagte sieht sich als reine Depotbank, die keine den Wohlverhaltenspflichten des WAG (1997 und 2007) unterliegenden Dienstleistungen erbracht hätte. Nach den Feststellungen beschränkte sich ihre Tätigkeit für die Kläger jedoch nicht auf die Verwaltung und Verwahrung von Wertpapieren. Sie führte aufgrund eines bestehenden Kreditverhältnisses und einer Rahmenvereinbarung zur Durchführung von Finanztermingeschäften die jeweilige Order ihrer Kunden durch. Derartige Dienstleistungen unterliegen den Wohlverhaltensregeln des WAG 1997 (4 Ob 50/11y = ÖBA 2001/1760, 898 mwN).
§ 38 WAG 2007 verpflichtet einen Rechtsträger allgemein, bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Nebendienstleistungen ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln und den §§ 36 bis 51 zu entsprechen. Zu den Wertpapierdienstleistungen zählen nach § 1 Z 2 lit a leg cit die Annahme und Übermittlung von Aufträgen, sofern diese Tätigkeiten ein oder mehrere Finanzinstrumente zum Gegenstand haben. Als Wertpapiernebendienstleistungen definiert § 1 Z 3 WAG 2007 unter anderem die Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten für Rechnung von Kunden, einschließlich der Depotverwahrung und verbundener Dienstleistungen wie Cash‑Management oder Sicherheitenverwaltung (lit a). Dass die Beklagte aufgrund ihres bereits umschriebenen Tätigkeitsbereichs nach österreichischem Recht auch den in den §§ 38 ff WAG 2007 geregelten Wohlverhaltensregeln unterläge (sofern dieses bereits zeitlich anzuwenden ist), bedarf wohl keiner weiteren Erörterung.
Die Beklagte beruft sich weiters auf die Durchführung beratungsfreier „Execution‑only‑Geschäfte“. Die Kläger bestreiten das Vorliegen eines solchen Geschäfts (unter anderem) mit dem Argument, die Dienstleistungen der Beklagten hätten nicht nur „nicht komplexe Finanzinstrumente im Sinn des § 1 Z 7 WAG“ betroffen. Es ist daher klarzustellen, welcher Typ eines Execution‑only‑Geschäfts gemeint ist.
In Umsetzung des Art 19 Abs 4 bis 5 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (MiFID, ABl L 145/1 vom 30. 4. 2004), unterscheidet das WAG 2007 zwischen drei Arten der Wertpapierdienstleistung: dem a) Anlageberatungs‑ und Portfolioverwaltungsgeschäft (§ 44 leg cit), bei dem der Kunde einen sogenannten „Eignungstest“ (Suitability‑Test) zu absolvieren hat, im Sinne einer anleger‑ und anlagegerechten Kundeninformation bzw ‑beratung; b) „beratungsfreien Geschäft“ (im Sinn des § 45 leg cit), bei dem die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in einem sogenannten „Angemessenheitstest“ (Appropriateness‑Test) erhoben werden müssen, um sich zu versichern, dass der Kunde weiß, worauf er sich einlässt, und c) dem auch als Execution‑only‑Business neuer Prägung bezeichneten „reinen Ausführungsgeschäft“ im Sinn des § 46 leg cit, bei dem der Rechtsträger nicht verpflichtet ist, sich über Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden zu versichern und von der Durchführung eines Eignungs‑ und Angemessenheitstests befreit ist (vgl Oppitz, Das „Execution‑only‑Geschäft neu“, Zur Befugnis für die Geschäftstätigkeit nach § 46 WAG 2007, ÖBA 2007, 953 f; vgl Baum, Pflichten und Haftung im arbeitsteiligen Vertrieb von Finanzprodukten. Zur Verantwortlichkeit im Verhältnis zwischen selbstständigem Vertriebspartner und depotführendem Kreditinstitut, ÖBA 2010, 278 [283]).
Das zuletzt genannte Modell kommt nur bei Dienstleistungen in Betracht, die sich auf nicht komplexe Finanzinstrumente nach § 1 Z 7 WAG 2007 beziehen (§ 46 Z 1 leg cit). Dass dies bei der Durchführung der Finanztermingeschäfte der Kläger nicht um solche ging, stand nicht in Frage. Soweit die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des WAG 2007 maßgeblich ist, sind die Ausführungen der Parteien zum Execution‑only‑Geschäft so zu verstehen, dass damit das in § 45 leg cit geregelte „beratungsfreie Geschäft“ gemeint ist. Vorrangig befassen sich die Kläger in ihrer Revision allerdings mit dem vor Inkrafttreten des WAG 2007 liegenden Zeitraum der Geschäftsbeziehung.
Das Execution‑only‑Geschäft war vor Umsetzung der MiFID durch das WAG 2007 nicht geregelt gewesen. Unter derartigen Geschäften (auch bezeichnet als Execution‑only‑Geschäft „alter Prägung“: Knobl/Grafenhofer, Haftung einer Bank für allfälliges Fehlverhalten von externen Anlageberatern oder Vermittlern, GesRZ 2010, 27 [37]), wurde die bloße Entgegennahme und Ausführung exakt spezifizierter Einzelaufträge durch einen Rechtsträger nach § 11 Abs 2 WAG ohne eine persönliche Verhältnisse des Kunden berücksichtigende Information, Anlageberatung oder Anlegeempfehlung verstanden (vgl Knobl in Frölichsthal/Hausmaninger/Knobl/Oppitz/Zeipelt, Wertpapier-aufsichtsgesetz [1998] § 13 WAG Rz 64 mwN; vgl Baum aaO 286; Knobl/Grafenhofer aaO 37 f).
Knobl/Grafenhofer bejahen wie Baum (je aaO) die Zulässigkeit derartiger Geschäfte, sie fordern aber eine klare und verständliche Aufklärung des Kunden, dass er keine umfassende Aufklärung oder Beratung, die auf seine persönlichen Verhältnisse Rücksicht nehme, erhalte. Ob diese Voraussetzung im konkreten Fall erfüllt wurde, ist den Festellungen der Vorinstanzen nicht zu entnehmen, aber nicht entscheidungswesentlich. Dasselbe gilt für die Frage, ob bei den hier gegebenen kreditfinanzierten Wertpapiergeschäften ein „beratungsfreies“ Geschäft mit auf produktbezogene Umstände beschränkten Aufklärungspflicht der Bank (vgl Knobl/Grafenhofer aaO 37) grundsätzlich unzulässig gewesen wäre (vgl Knobl aaO Rz 67; vgl 2 Ob 236/04a = ÖBA 2005/1295, 635 [Oppitz, ÖBA 2005, 634]: Unwirksamkeit eines Ausschlusses jeglicher Beratung bei kreditfinanzierten Anlagegeschäften ohne Vorschaltung eines beratenden Wertpapierdienstleisters).
Wie aus der (unstrittigen) Urkunde „Kontoeröffnungsunterlagen“ zu ersehen ist, wurden vor Eröffnung des Depots und dem Abschluss der Rahmenvereinbarung über die Durchführung von Finanztermingeschäften Informationen über bisheriges Anlegeverhalten, Erfahrungen in Effektengeschäft, Anlageziele und Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse der Kläger eingeholt. In diesem teils durch Ankreuzen vorgegebener Optionen ausgefüllten Formular der Beklagten wurde auch das bisherige Anlageverhalten dargestellt. Danach hätten die Kläger seit mehr als fünf Jahren im In‑ und Ausland in Aktien, Investmentfonds und Finanztermingeschäften investiert, und zwar mit einem Volumen von bis zu 25.000 EUR pro Transaktion bei über zehn Wertpapierkäufen im Jahr. Bei der Spalte „Anlageziele“ wurde die Variante „risikobewusst“ angekreuzt, der Zweck der Anlage mit „Vermögensaufbau“ angegeben. Die Frage, ob die Angaben der Kunden den Schluss zuließe, dass denkbare Verluste aus der angestrebten Wertpapieranlage gedeckt werden könnten, wurde bejaht. Die Nettoeinkünfte wurden mit 4.500 EUR, die Ausgaben mit 1.700 EUR, je monatlich beziffert. Die Höhe des Vermögens wurde mit 350.000 EUR angegeben. Angekreuzt wurde auch, dass über die Veranlagung in Wertpapieren und die Verlustrisiken bei Finanztermingeschäften informiert bzw beraten wurde. Dieses Formular trägt Firmenstempel und Unterschrift der I*****, nicht aber die Unterschrift der Kläger.
Dass die Angaben der Kläger über ihre Einkommenssituation unrichtig waren, behaupten sie selbst nicht. Allerdings steht die Darstellung ihrer bisherigen Erfahrungen zu (auch risikoreichen) Investments im In‑ und Ausland in Widerspruch zu der getroffenen Feststellung, dass der Erstkläger die Erklärungen seines Beraters über das vorgeschlagene Konzept nicht im Detail verstanden hatte. Ob die Zweitklägerin überhaupt in Beratungsgespräche eingebunden worden war, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Nach den Feststellungen hatte der Mitarbeiter der I***** zudem die Kläger vor Erteilung der jeweiligen Order gar nicht informiert und beraten.
Die I***** war das vorgeschaltete Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das von den Klägern mit der Beratung und/oder Vermittlung in Bezug auf die Erstellung und Erarbeitung komplexer Wertpapierstrategien als Entscheidungsgrundlage für die Veranlagung beauftragt worden war (Vereinbarung vom 7. 12. 2006) und seinen Kunden bereits ein konkretes Anlagemodell empfohlen hatte. Entscheidend für die geltend gemachte schadenersatzrechtliche Haftung der Bank ist demnach, ob sie vor Durchführung der jeweiligen Order auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen über die Kunden vertrauen durfte, zu einer Aufklärung oder Beratung der Kläger verpflichtet gewesen wäre und sich eine falsche oder unvollständige Beratung durch die I***** zurechnen lassen müsste.
Im WAG 1997 war die Verteilung der Pflichten bei einem gestaffelten Einsatz von zwei oder mehreren Finanzdienstleistern nicht geregelt gewesen. Art 11 Abs 3 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. 5. 1993 über Wertpapierdienstleistungen (ABl L 141/27 vom 11. 6. 1993; ISD), ordnete an, dass sich das Kriterium der Professionalität des Anlegers auch nach dem Anleger bestimme, wenn eine Wertpapierfirma einen Auftrag nicht direkt vom Anleger, sondern indirekt über eine von diesem eingeschaltete Wertpapierfirma erhielt (Graf, Zur Aufklärungspflicht der Bank bei Einschaltung eines weiteren Finanzdienstleisters, ÖBA 2012, 229 [232]). Auf diese Regelung bezog sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 231/04h = ÖBA 2005/1303, 719. Die Notwendigkeit der Aufklärung eines Anlegers, der über Empfehlung eines „konzessionslos“ tätigen Versicherungsberaters bei einer Order‑ausführenden Depotbank Aktien erworben hatte, richte sich bei einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 11 und 13 WAG ausschließlich nach dem von der Professionalität des Anlegers gewonnenen Eindruck, wenn der Versicherungsberater als Vermittler im Sinn des Art 11 Abs 3 der zitierten Richtlinie anzusehen sei. In der Entscheidung 5 Ob 106/05g = ÖBA 2006/1343, 376, welche dieselbe Bank und denselben Versicherungsberater betraf, kam er zum selben Ergebnis: Die Notwendigkeit der Aufklärung sei ausschließlich nach der Professionalität des Anlegers und nicht des professionellen Stellvertreters oder Boten zu prüfen.
In den jüngeren Entscheidungen 4 Ob 50/11y und 10 Ob 69/11m nahm der Oberste Gerichtshof ebenfalls zum Verhältnis der Aufklärungs‑ und Informationspflichten bei gestaffeltem Einsatz einer depotführenden Bank und einem anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen Stellung. In beiden Fällen war noch das WAG 1997 maßgeblich. Nur das kundennähere Unternehmen sei verpflichtet, anleger‑ und objektgerecht zu beraten, außer es lägen konkrete Anhaltspunkte oder sogar positives Wissen auf Seiten der (Depot‑)Bank vor, dass dieses Unternehmen seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Dass in diesen Fällen die ausführende Bank zur Aufklärung verpflichtet war, ist in der Literatur auch nicht umstritten (s etwa Graf aaO 233; Knobl/Grafenhofer aaO 39; Baum aaO 284).
Graf (aaO) sieht die beiden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs allerdings insoweit als problematisch an, als sie hinsichtlich der vor dem WAG 2007 gegebenen Rechtslage die Pflichtenlage der Bank zu eng gefasst hätten. Zudem wirft er dem Obersten Gerichtshof vor, den Eindruck zu erwecken, als würde die Ansicht Knobl/Grafenhofers der herrschenden Ansicht und der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entsprechen. Diese Autoren legten Art 11 Abs 3 ISD so aus, dass die Bestimmung nur die bloße Annahme und Übermittlung von Aufträgen erfasse, nicht aber Fälle, in denen ein Wertpapierdienstleister zur Erbringung einer Anlageberatung verpflichtet sei. Dann könnte sich die Bank nicht nur auf die ihr übermittelten Angaben des Wertpapierdienstleisters, sondern auch auf die vor dem Weiterleiten erfolgten Empfehlungen und Aufklärungen verlassen.
Die Kritik Grafs überzeugt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht. Die Judikatur des Obersten Gerichtshofs stellt zu Beratungspflichten der Bank grundsätzlich auf die Informationsbedürftigkeit des konkreten Kunden, insbesondere seine Erfahrenheit ab (RIS‑Justiz RS0026135 [T12, T14, T23]). Es ist nicht erkennbar, dass sich dieser Grundsatz nicht mit der Regelung des Art 11 Abs 3 ISD in Einklang bringen ließe. Wurde der Anleger vor Einschaltung der ausführenden Depotbank von einem konzessionierten Anlageberater informiert und entschloss er sich aufgrund dieser Empfehlungen und Beratungen zu einem bestimmten Investment, ist die Wiederholung der bereits erteilten Informationen durch die Bank eine überflüssige Verdoppelung von Informations- und Aufklärungspflichten. Grafs Argumente berücksichtigen nicht das (bei volatilen Finanzmärkten verständliche) Interesse eines Kunden an der raschen Umsetzung einer bereits gefassten Anlageentscheidung. Die zitierten Entscheidungen 1 Ob 231/04h und 5 Ob 106/05g sind nicht einschlägig. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die I***** ein zur Anlegerberatung konzessioniertes Wertpapierdienstleitungs-unternehmen und aufgrund seiner vertraglichen Beziehung zu den Klägern auch zur Beratung verpflichtet war (unstrittige Vereinbarung vom 7. 12. 2006). In den Fällen der genannten Entscheidungen war hingegen ein „konzessionsloser“ Versicherungsberater eingeschritten.
Die in den Entscheidungen 4 Ob 50/11y und 10 Ob 69/11m dargelegten Voraussetzungen für eine Verpflichtung der „kundenferneren“ beklagten Bank, vor Durchführung jeder Order die Kläger anleger‑ und objektgerecht zu beraten, sind hier nicht erfüllt. In ihrem Anlegerprofil wurden die Kläger als Anleger mit mehrjähriger Erfahrung (auch) in Finanztermingeschäften im In‑ und Ausland präsentiert. Sie begründen eine Aufklärungspflicht der Beklagten auch vorrangig mit Zusicherungen des Beraters über die sichere Anlage und mit Werbung der I***** („maximaler Verlust ist kein Ertrag“), die sie als Erfüllungsgehilfin der Bank bezeichneten.
Diese Werbung bzw Zusicherung bezieht sich aber auf das von der I***** vorgeschlagene Investitionsmodell an sich, zu dem sich die Kläger noch vor Kontaktaufnahme zur Beklagten entschlossen hatten. Das Geschäftsmodell war bereits zuvor mit einer Luxemburger Bank umgesetzt worden. Die Kläger haben auch in erster Instanz nicht behauptet, dass die Beklagte vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung von den „marktschreierischen“ Slogans der I***** und den konkreten Zusicherungen ihres Beraters wusste.
Das WAG 2007 regelt den Fall des Zusammenwirkens zweier konzessionierter Rechtsträger bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen in § 27, der Art 20 MiFID umsetzt (M. Harrer in Gruber/N. Raschauer, WAG I [2009] § 27 Rz 1). Nach Abs 1 darf sich ein Rechtsträger, der von einem anderen Rechtsträger den Auftrag erhält, Wertpapierdienstleistungen oder ‑nebendienstleistungen im Namen eines Kunden zu erbringen, auf Kundeninformationen stützen, die von dem anderen Rechtsträger weitergeleitet wurden. Die Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der weitergeleiteten Kundeninformation trägt der Rechtsträger, der den Auftrag erteilt hat. Der Rechtsträger, der einen Auftrag nach Abs 1 erhält, darf sich nach Abs 2 leg cit auch auf Empfehlungen in Bezug auf die Dienstleistungen oder das Geschäft verlassen, die dem Kunden von dem anderen Rechtsträger gegeben wurden. Die Verantwortung für die Eignung der Empfehlungen oder der Beratung für den Kunden trägt der Rechtsträger, der den Auftrag erteilt.
Die Kläger verweisen darauf, dass die Vollmacht der I***** auf die Einsichtnahme bei Kreditinstituten bzw die Setzung von Limits beschränkt gewesen sei. Die I***** sei also gar nicht bevollmächtigt gewesen, Geschäfte der Kläger zu besorgen. Damit sprechen sie erkennbar das Problem an, ob § 27 WAG 2007 nur dann anzuwenden ist, wenn der „kundennähere“ Wertpapierdienstleister gegenüber dem „kundenferneren“ als Stellvertreter des Kunden auftritt.
Die englische Fassung der MiFID spricht in diesem Zusammenhang von der Tätigkeit „on behalf of a client“, die französische von „au nom d'un client“. § 31e WpHG, der in Deutschland Art 20 MiFID umsetzte, enthält dagegen die Formulierung „für einen Kunden“. Nach den Materialien zielte diese Regelung auf jede Art der Erbringung von Wertpapier‑(neben‑)dienstleistungen. Nur dann, wenn der Rechtsträger im eigenen Namen jedoch für Rechnung des Kunden zum entgegennehmenden Rechtsträger Kontakt aufnehme (verdeckte Stellvertretung), solle § 31e WpHG nicht zum Tragen kommen (Nachweise zu den Materialien und deutscher Literatur bei M. Harrer aaO Rz 11).
In diesem Sinn interpretiert die österreichische Lehre auch § 27 WAG (Harrer aaO Rz 12; Knobl/Grafenhofer aaO 32; Graf aaO 230). Dieser Auffassung ist zu folgen. Es kommt demnach nicht darauf an, in welcher Funktion (Bote, Stellvertreter oder Makler) der erste Rechtsträger tätig wurde.
Nach dem festgestellten Sachverhalt leitete die I***** als „kundennäherer“ Wertpapierdienstleister die jeweilige Order, die die Kläger unterfertigt hatten, an die Beklagte weiter. Dass sie aus der Sicht der Beklagten nicht als deren Vertreter oder in eigenem Namen auftrat, ergibt sich aus dem festgestellten Zweck des zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Kooperationsvertrags vom 19./21. 3. 2007, dessen Punkt 9 auch ausdrücklich festlegte, dass die I***** als Kooperationspartner kein Agent, Repräsentant oder Angestellter der Bank sei und nicht im Namen der Bank beim Kunden auftrete. Für die Anwendbarkeit des § 27 WAG ist es daher nicht entscheidend, ob die I***** tatsächlich nicht bevollmächtigt gewesen wäre, im Namen der Kläger eine Order zu erteilen.
Zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche im Sinn des § 27 WAG 2007 nimmt die Lehre in Österreich weitgehend eine restriktive Haltung ein, soweit es die Pflichten des „kundenferneren“ Rechtsträgers nach den §§ 40 ff leg cit betrifft. So führen Knobl/Grafenhofer (aaO 32) aus, dass sich die Informationspflichten vor der eigentlichen Ausführung der Wertpapierdienstleistung auf jene Pflichten reduzierten, die nicht bereits die kundennähere erste Wertpapierfirma getroffen hätten und die für die Ausführungsleistung eine Rolle spielten. Der Order‑ausführende Wertpapierleister müsse auch keine Kundenangaben nach § 44 Abs 1 oder § 45 Abs 1 WAG 2007 einholen und könne sich darauf verlassen, dass der kundennähere Wertpapierdienstleister nach Durchführung einer Angemessenheitsprüfung Informationen und Warnhinweise erteile oder, falls geschuldet, nach Durchführung einer Eignungsprüfung Empfehlungen abgebe. Baum (aaO 284) weist die exklusive Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der weitergeleiteten Kundeninformation sowie für die Eignung der Empfehlung bzw die Angemessenheit des Geschäfts dem kundennäheren Wertpapierdienstleister zu. Auch M. Harrer (aaO Rz 14; sowie derselbe, Mögliche Gestaltung der Vertriebsstruktur ‑ ausgewählte Fragen der Wohlverhaltens-regeln in Dullinger/Kaindl, Jahrbuch Bank‑ und Kapitalmarktrechte 2008 [2009], 15 [25]) bestätigt dem ausführenden Rechtsträger, sich darauf verlassen zu dürfen, dass der kundennähere Wertpapierdienstleister Empfehlungen und Beratungsleistungen im Einklang mit dem WAG erbracht, die Kundeninformationen im Einklang mit dem WAG erhoben und korrekt und vollständig weitergeleitet habe. Eine ähnliche Formulierung findet sich bei Kreisl (in Brandl/Saria, WAG2 § 27 Rz 2).
Nach Graf (aaO 231) wird der Order‑ausführende Wertpapierdienstleister nur von der Verpflichtung enthoben, selbst die Kundeninformationen (Kenntnisse und Erfahrungen) zu erheben. Ausgenommen der kundennähere Wertpapierdienstleister erbringe Anlageberatungs‑ oder Portfolioverwaltungsdienstleistungen sei der ausführende Wertpapierdienstleister auf Grundlage der übermittelten Informationen aber dazu verpflichtet, eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen. Komme er zum Schluss, dass das nachgefragte Produkt unangemessen sei, müsste er im äußersten Fall sogar die Durchführung der Order verweigern. Von dieser Angemessenheitsprüfung sei er nur befreit, wenn ein „Execution‑only‑Geschäft“ im Sinn des § 46 WAG vorliege.
Dieser Ansicht widersprechen Knobl/Gasser (Aufklärungspflichten und irrtumsrechtliche Gehilfenzurechnung bei Einschaltung einer kundennäheren Wertpapierfirma, ÖBA 2012, 352 [355 f]). Sie führen aus, dass die MiFID auf dem sogenannten „Reliance‑on‑Others‑Regime“ basiere. Die Bereitstellung von Informationen sei nicht geboten, wenn der Kunde bereits über die angemessenen Informationen verfüge. Ihrer Ansicht nach befreie § 27 WAG den Order ausführenden Wertpapierdienstleister in allen Fällen einer schon erfolgten Angemessenheitsprüfung von der eigenständigen Angemessenheitsprüfung und nicht nur dann, wenn der kundennähere Wertpapierdienstleister Anlageberatungs‑ oder Portfolioverwaltungsdienstleistungen erbringe.
Da im konkreten Fall das kundennähere Wertpapierdienstleistungsunternehmen unstrittig den Klägern vertraglich zur Anlageberatung verpflichtet war, kommt diesem Meinungsstreit keine Bedeutung zu.
Der erkennende Senat schließt sich den zitierten Literaturmeinungen an, die die Pflichten des Order‑ausführenden Rechtsträgers nach dem WAG 2007 beschränken. Eine „Verdoppelung“ der Information des Anlegers ist nicht sinnvoll und nicht praktikabel, weil sie nur zu Verzögerungen führt, die nicht im Interesse eines durch den kundennäheren Rechtsträger bereits informierten Anlegers sind. Nach weitgehend einhelliger Meinung im Schrifttum ist aber der Order‑ausführende Rechtsträger dem Kunden dann zur Aufklärung verpflichtet, wenn er konkrete Anhaltspunkte dafür hat oder sogar weiß, dass der kundennähere Wertpapierdienstleister seinen Pflichten nicht nachgekommen ist (M. Harrer aaO Rz 15 f; Kreisl aaO; Knobl/Grafenhofer aaO; Graf aaO 238).
Wie bereits dargelegt, verweisen die Kläger zu diesem Punkt auf die Werbung der I*****. Inwieweit sich diese Fehlinformation auf die nach dem 1. 11. 2007 durchgeführten Aufträge ausgewirkt haben soll, bleibt offen. Der Abschluss der zweiten Rahmenvereinbarung zu einem Zeitpunkt, als das WAG 2007 bereits in Kraft war, diente lediglich der Fortsetzung der bereits Ende 2006 begründeten Geschäftsbeziehung. Dass die I***** neuerlich mit diesen Aussagen geworben hätte und dies der Beklagten als Kooperationspartner bekannt gewesen wäre oder bekannt hätte sein müssen, wurde in erster Instanz nicht behauptet.
War die Beklagte als kundenfernerer Rechtsträger weder nach dem WAG (1997 und 2007) noch nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (bei Wissen oder Wisssenmüsssen von einer falschen Beratung) zur Aufklärung oder Beratung der Anleger verpflichtet, scheidet eine Haftung für ein Fehlverhalten des kundennäheren Wertpapierdienstleisters nach § 1313a ABGB aus. Sie bediente sich ja nicht der I*****, um vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Anlegern zu erfüllen, wenn sie diese Pflichten als kundenfernerer Wertpapierdienstleister nicht trafen.
Diesem Ergebnis steht der zu RIS‑Justiz RS0123219 dokumentierte Rechtssatz nicht entgegen, wonach ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 1313a ABGB für das Verhalten von Personen hafte, derer es sich bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistung bediene, und ein Anlageberater grundsätzlich als Erfüllungsgehilfe seinem Geschäftsherrn zuzurechnen sei. Die beiden Entscheidungen 6 Ob 249/07x und 2 Ob 66/11m sind für die Beurteilung des (nach der geltenden Rechtslage in § 27 WAG 2007 geregelten) Verantwortungsbereichs im Fall eines gestaffelten Einsatzes von zwei selbständigen konzessionierten Wertpapierdienstleistern, bei dem das kundenähere Unternehmen einen Auftrag für die Anleger weiterleitet, nicht einschlägig. In der ersten Entscheidung hatte der Berater mit dem späteren Vertragspartner der Anleger eine Vereinbarung abgeschlossen, in der er als Vertriebspartner und Erfüllungsgehilfe nach § 1313a ABGB im Namen und auf Rechnung des Unternehmens tätig wurde. Auch die zweite Entscheidung betraf kein konzessioniertes Anlageberatungsunternehmen.
Soweit das WAG 2007 maßgeblich ist, ist zu der wiederholt behaupteten Eigenschaft der I***** als Erfüllungsgehilfin der Beklagten auf dessen § 28 Abs 2 hinzuweisen. Danach haftet ein Rechtsträger, der einen vertraglich gebundenen Vermittler heranzieht, nach § 1313a ABGB für jede Handlung und Unterlassung des vertraglich gebundenen Vermittlers, wenn dieser im Namen des Rechtsträgers tätig ist. Die I***** ist aber weder bei der Aufnahme des Kontakts zur Beklagten noch bei der Übermittlung der Aufträge im Namen der Bank aufgetreten. Eine derartige Vertretung wurde ja im Kooperationsvertrag zwischen ihr und der Beklagten ausdrücklich ausgeschlossen. Vertraglich gebundene Vermittler im Sinne dieser Bestimmung sind außerdem nur natürliche oder juristische Personen, die als Erfüllungsgehilfen oder sonst unter vollständiger oder sonst unbedingter Haftung einer einzigen Wertpapierfirma oder eines einzigen Kreditinstituts Wertpapierdienst‑(neben‑)leistungen erbringen, Aufträge von Kunden über Wertpapierdienstleistungen oder Finanzinstrumente annehmen, übermitteln ua (M. Harrer in Gruber/N. Raschauer aaO § 28 Rz 2). Es bestehen keine Anhaltspunkt für die Annahme, dass die I***** in diesem Sinn exklusiv für die Beklagte tätig wurde.
Nicht überzeugend ist auch die Argumentation der Revisionswerber zu Aufklärungspflichten aus dem Kreditvertrag. Zunächst verweisen sie auf Aufklärungspflichten einer Bank gegenüber Konsumenten nach dem Verbraucherkreditgesetz (VKrG), BGBl I 2010/28, das (wie sie selbst erkennen) aber erst im Jahr 2010 in Kraft getreten ist und daher im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielt. Danach gehen sie wieder auf die „Doppelrolle“ der Beklagten als Kreditgeberin und Wertpapierdienstleisterin ein und beziehen sich auf Pflichten der Bank nach dem WAG 1997 bzw der MiFID. Es geht ihnen demnach nicht um eine isolierte Betrachtung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht der Bank aus dem Kreditvertrag (der ja nur Vehikel zur Durchführung der Spekulation war) nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, sondern um eine allfällige Verstärkung der Aufklärungspflichten des kundenferneren Wertpapierdienstleisters bei kreditfinanzierten Wertpapierdienstleistungen.
Dazu kann aber auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden. Die Beklagte hatte keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Kläger nach der Beratung durch die I***** nicht wussten, worauf sie sich einließen. Sie erhielten Formulare, auf denen deutlich auf die Risiken kreditfinanzierter Finanztermingeschäfte hingewiesen wurde. Dazu hat schon das Berufungsgericht Stellung genommen und auszugsweise das Informationsblatt zitiert. Hervorzuheben ist die deutliche Warnung, die Anleger sollten nie darauf setzen, den Kredit aus den Gewinnen des Finanztermingeschäfts verzinsen und zurückzahlen zu können, sondern ihre wirtschaftlichen Verhältnisse daraufhin prüfen, ob sie zur Verzinsung und gegebenfalls kurzfristigen Tilgung des Kredits auch dann in der Lage seien, wenn statt der erwarteten Gewinne Verluste einträten.
Nach österreichischem Recht ist demnach als Ergebnis festzuhalten: Ein Fehlverhalten der I***** (deren Mitarbeiters), die den Klägern einen falschen Eindruck über die Sicherheit des Investitionsmodells vermittelte und deren jeweilige Order ohne jede vorangegangene Information oder Beratung der Anleger weiterleitete, ist der Beklagten nicht zuzurechnen. Diese war vor Durchführung der Order nicht zu einer Beratung oder Aufklärung der Anleger verpflichtet. Da der Schadenersatzanspruch der Kläger nach österreichischem Recht nicht berechtigt wäre, dieses Recht für sie also in concreto nicht günstiger wäre, ist im Sinn des Art 5 Abs 2 EVÜ nach dem gewählten deutschen Recht zu beurteilen.
Pflichten der Beklagten nach deutschem Recht:
Die Rechtslage in Deutschland ist mit der österreichischen vergleichbar.
Zur Rechtslage vor Umsetzung der MiFID durch das Finanzmarkt‑Richtlinien‑Umsetzungsgesetz (FRUG) 2007, das (großteils) am 1. 11. 2007 in Kraft trat (Fuchs in Fuchs, Wertpapierhandelsgesetz, Einleitung Rn 56) sprach der Bundesgerichtshof aus, dass bei einer gestaffelten Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen grundsätzlich nur das kundennähere Unternehmen zur Befragung des Anlegers verpflichtet sei (IX ZR 192/2000 = NJW 2002, 62 mwN). Der Order‑ausführende Wertpapierdienstleister durfte sich darauf verlassen, dass der Kunde bereits informiert war, wenn dieser von einem anderen Wertpapierdienstleister betreut worden war und eine konkrete Order erteilte (Möllers in KK‑WpHG § 31 Rn 187 mwN).
§ 31e WpHG, der Art 20 MiFID umsetzt (Koller in Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz § 31e Rn 1; Fuchs aaO § 31e Rn 1) regelt die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienst-leistungen über ein anderes Wertpapierdienstleistungs-unternehmen vergleichbar § 27 WAG 2007, mit dem bereits erwähnten Unterschied, dass sich im deutschen Gesetz die Formulierung „für einen Kunden“ findet. Zu den Grundsätzen der Pflichtenaufteilung bei gestaffeltem Tätigwerden mehrerer Wertpapierdienstleister stimmen die in Deutschland vertretenen Lehrmeinungen mit den bereits dargestellten österreichischen überein. Der den Auftrag ausführende Wertpapierdienstleister muss weder selbst Erkundigungen einholen, noch ihm übermittelte Kundenangaben und ‑weisungen auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen und darf sich darauf verlassen, dass die vom kundennäheren Wertpapierdienstleister abgegebenen Empfehlungen in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen erfolgt sind (Fuchs aaO Rn 10 f; Koller aaO Rn 3).
Mit der Pflichtenverteilung bei Einsatz mehrerer Wertpapierdienstleister nach deutschem Recht befassen sich die Revisionswerber ohnehin nicht. Vorrangig argumentieren sie mit Aufklärungspflichten der Beklagten aus dem ersten Kreditvertrag. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (XI ZR 22/96 = NJW 1997, 1361 mwN) ist die kreditgewährende Bank aber grundsätzlich nicht verpflichtet, über die Risiken der geplanten Verwendung eines Kredits aufzuklären, was auch gilt, wenn der Kunde den Kredit zu Wertpapierspekulationen nutzen will. Ausnahmsweise bejaht der Bundesgerichtshof eine Aufklärungspflicht der Bank unter anderem dann, wenn sie gegenüber dem Darlehensnehmer einen besonderen Wissensvorsprung hat (XI ZR 236/89 = NJW‑RR 1990, 876; XI ZR 88/90 = NJW 1991, 1956 ua).
Diesen besonderen Wissensvorsprung begründen die Kläger mit der Behauptung, der Beklagten sei das Investitionsmodell (noch vor der Kontoeröffnung und Einräumung des Kredits) „bestens bekannt“ gewesen. Abgesehen davon, dass ein konkretes erstinstanzliches Vorbringen zu Erfahrungen der Bank mit der von den Klägern gewählten Veranlagung fehlte, geht es auch in diesem Punkt um die Fehlberatung durch das vorgeschaltete Anlageberatungsunternehmen, das dieses Investitionsmodell als risikolos (insbesondere durch den Slogan: „Maximaler Verlust ist kein Ertrag“) dargestellt hatte. Solche subjektive Einschätzungen und marktschreierische Anpreisungen wertet der Bundesgerichtshof aber nicht als arglistige Täuschung eines Anlegers, die in bestimmten (hier nicht näher zu erörternden) Fällen einer institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen einer kreditgewährenden Bank und (auch) einem Vermittler einen Wissensvorsprung der Bank begründen und ihre Aufklärungspflicht auslösen kann (XI ZR 204/04 = NJW 2007, 357 mwN).
Auch nach deutschem Recht können sich daher die Kläger nicht auf die Verletzung von Aufklärungspflichten der Beklagten berufen.
Auf dem Kreditkonto aushaftender Saldo:
Zu diesem Thema enthält die Revision nur Vermutungen, wenn der Beklagten vorgeworfen wird, sie habe den vertraglich vereinbarten „Puffer“ von 30 % (gemeint ist damit offenbar der im Anhang zur Kooperationsvereinbarung erwähnte Risikoaufschlag für Spekulationen an Börsen in Deutschland und den USA) nicht berücksichtigt und marginpflichtige Positionen trotz unzureichender Sicherheit eröffnet. Ein derartiges Fehlverhalten haben die Kläger in erster Instanz auch nicht konkret dargestellt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagten steht nach § 23 Abs 3 und 5 RATG für die Revisionsbeantwortung nur ein Einheitssatz von 50 % zu.
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