OGH 2Ob8/13k

OGH2Ob8/13k22.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Verlassenschaft nach M***** A*****, 2. J***** A*****, und 3. L***** A*****, sämtliche vertreten durch Dr. Andreas König und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. R***** S*****, und 2. Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, beide vertreten durch MMag. Christian Mertens, Rechtsanwalt in Innsbruck, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Mag. Christoph Hatvagner, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen 1. (erstklagende Partei) 17.542,08 EUR sA, 2. (zweitklagende Partei) 11.904,29 EUR sA, und 3. (drittklagende Partei) 10.190,79 EUR sA, über die Revision der erstklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Oktober 2012, GZ 2 R 157/12y‑39, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 22. Juni 2012, GZ 11 Cg 212/09p‑34, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 3. Juli 2012, GZ 11 Cg 212/09p‑35, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00008.13K.0122.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erstklagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 999,29 EUR (darin 166,55 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 4. 9. 2002 ereignete sich auf der Inntal-Autobahn A 12 ein Verkehrsunfall, an dem der Rechtsanwalt Dr. K***** A***** als Lenker und Halter eines Pkws sowie der Erstbeklagte mit einem von ihm gelenkten und gehaltenen Lkw mit deutschem Zulassungskennzeichen beteiligt waren. Dr. K***** A***** erlitt dabei tödliche Verletzungen.

Der (mittlerweile verstorbenen) Witwe wurde von der Tiroler Rechtsanwaltskammer eine Witwenpension zuerkannt. Ab 1. 5. 2004 wurde ihr von der Pensionsversicherungsanstalt (der Nebenintervenientin) überdies eine „Berufsunfähigkeitspension gemäß § 254 Abs 2 ASVG“ als „Eigenpension“ gewährt. Aus diesem Titel erhielt sie im Jahr 2006 6.208,13 EUR, im Jahr 2007 6.613,96 EUR und im Jahr 2008 6.773,01 EUR ausbezahlt.

In einem Vorprozess hatten die Witwe und zwei erwachsene Kinder des Verstorbenen (die nunmehrigen Zweit‑ und Drittkläger) ihre auf § 1327 ABGB gestützten Ansprüche für den Zeitraum bis 31. 12. 2005 geltend gemacht und auch ein Feststellungsbegehren gestellt. In dem darüber ergangenen Urteil wurde ‑ ausgehend vom gleichteiligen Verschulden der Fahrzeuglenker ‑ ua ausgesprochen, dass die beklagten Parteien den Klägern zur Hälfte für alle ihnen künftig entstehenden kausalen Schäden aus dem Verkehrsunfall zur ungeteilten Hand zu haften hätten, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der Versicherungssumme des Fahrzeugs des Erstbeklagten zum Unfallszeitpunkt beschränkt sei (vgl 2 Ob 205/07x).

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrten die Witwe (nunmehr die Verlassenschaft nach der Witwe) und die beiden Kinder des Verstorbenen mit der am 24. 11. 2009 beim Erstgericht eingebrachten Klage den Ersatz ihres Unterhaltsentgangs für den Zeitraum vom 1. 1. 2006 bis 31. 12. 2008, den sie unter Anrechnung einer Teilzahlung zuletzt mit 17.542,08 EUR (erstklagende Partei), 11.904,29 EUR (Zweitklägerin) und 10.179,29 EUR (Drittkläger) bezifferten.

Im Rechtsmittelverfahren ist nur noch die Frage strittig, in welcher Weise die von der Witwe bezogene „Eigenpension“ bei der Berechnung des Schadenersatzanspruchs zu berücksichtigen ist.

Die klagenden Parteien vertraten dazu den Standpunkt, die spezielle Form der „Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension“ gemäß § 254 Abs 2 und § 271 Abs 2 ASVG gebühre aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und sei zu den Schadenersatzansprüchen der Witwe nicht kongruent. Diese Pensionsleistung sei von der aus dem Versicherungsfall des Todes gebührenden Witwenpension strikt zu unterscheiden und habe als anrechenbares Eigeneinkommen in die Berechnung des Unterhaltsentgangs einzufließen.

Die beklagten Parteien wandten ein, die von der Witwe bezogene Pension nach § 254 Abs 2 ASVG habe ihrer Unterhaltssicherung gedient und sei zu ihren Schadenersatzansprüchen sachlich kongruent. In diesem Umfang seien ihre Ansprüche gemäß § 332 ASVG auf die Nebenintervenientin übergegangen, deren Quotenvorrecht zu berücksichtigen sei. Dennoch habe die Erstklägerin im Vorprozess die im Zeitraum 1. 5. 2004 bis 31. 12. 2005 empfangenen Beträge nicht in Abzug gebracht, woraus nun eine ‑ aufrechnungsweise geltend gemachte ‑ Gegenforderung von 11.143,62 EUR resultiere. Die ab 1. 1. 2006 empfangenen Beträge seien von dem um die Mitverschuldensquote gekürzten Ersatzanspruch abzuziehen.

Das Erstgericht erachtete die Klagsforderungen der erstklagenden Partei und der Zweitklägerin jeweils zur Gänze, jene des Drittklägers im Umfang von 9.895,79 EUR als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete die beklagten Parteien zur Zahlung der entsprechenden Beträge. Das Mehrbegehren des Drittklägers (295 EUR sA) wurde abgewiesen.

Bei der Berechnung des entgangenen Unterhalts berücksichtigte das Erstgericht die Pension nach § 254 Abs 2 ASVG als Eigeneinkommen der Witwe. Zur hier interessierenden Rechtsfrage meinte es, der Charakter dieser Pension sei jener einer „Eigenpension“, neben der auch ein Witwenpensionsanspruch bestehen könne. Die sachliche Kongruenz zu den geltend gemachten Schadenersatzansprüchen sei deshalb zu verneinen.

Diese Entscheidung erwuchs im Umfang der Teilzusprüche von 10.254,45 EUR sA an die Zweitklägerin und von 8.246,41 EUR sA an den Drittkläger sowie in ihrem abweisenden Teil in Rechtskraft.

Das im Übrigen von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es die Klagsforderung der erstklagenden Partei im Umfang von 3.538,50 EUR als zu Recht und die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannte, die beklagten Parteien zur Zahlung des genannten Betrags sA an die erstklagende Partei verpflichtete und die Zusprüche an die Zweitklägerin und den Drittkläger auf 10.254,95 EUR sA bzw 8.246,41 EUR sA verminderte. Das Mehrbegehren der erstklagenden Partei von 14.003,58 EUR sA wurde abgewiesen (die spruchmäßige Abweisung des Mehrbegehrens der Zweitklägerin und des Drittklägers unterblieb). Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision hinsichtlich der erstklagenden Partei nicht zulässig sowie hinsichtlich der Zweitklägerin und des Drittklägers jedenfalls unzulässig sei.

In seiner Entscheidungsbegründung stützte sich das Berufungsgericht auf die Entscheidung 10 ObS 110/10i, wonach die Begünstigung durch die Gewährung einer „fingierten Invaliditätspension“ nach § 254 Abs 2 ASVG bei teleologischer Gesetzesauslegung nur jener Frau zukommen solle, die nach dem Tod des Mannes seiner Fürsorge entbehre. Dies ergebe sich nach dieser Entscheidung auch aus den Ergänzungen der Bestimmung durch die 29. und 30. ASVG‑Novelle. Auch daraus gehe hervor, dass eine ‑ trotz bestehender Arbeitsfähigkeit gewährte ‑ „Invaliditätspension“ gemäß § 254 Abs 2 ASVG der Absicherung jener Mütter von mindestens vier lebend geborenen Kindern gedient habe, denen Unterhaltsansprüche fehlen. Mit dieser Entscheidung sei klargestellt, dass die „fingierte Invaliditätspension“ ausschließlich den Zweck gehabt habe, die Versorgung der Ehegattin in jenen Fällen sicherzustellen, in denen ihr Unterhaltsansprüche fehlen würden. Die Pension habe „Unterhalts-Versorgungscharakter“ und sei deshalb nicht als Eigeneinkommen der Witwe zu qualifizieren, sondern von dem um die Mitverschuldensquote verminderten Ersatzanspruch der erstklagenden Partei in Abzug zu bringen. Der eingewendeten Gegenforderung komme hingegen keine Berechtigung zu, weil ihre Berücksichtigung einen unzulässigen Eingriff in die Rechtskraft der Vorentscheidung bedeuten würde. Die ordentliche Revision sei hinsichtlich der erstklagenden Partei nicht zulässig, weil zur Qualifikation der Pension nach § 254 Abs 2 ASVG eine oberstgerichtliche Entscheidung vorliege und die in Rede stehende gesetzliche Bestimmung mittlerweile aufgehoben worden sei.

Aufgrund eines Abänderungsantrags der erstklagenden Partei änderte das Berufungsgericht seinen Zulassungsausspruch nachträglich dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Zweck der „fingierten Invaliditätspension“ liege ‑ trotz der Entscheidung 10 ObS 110/10i ‑ bisher noch nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die von der erstklagenden Partei gegen den abweisenden Teil des Berufungsurteils erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

1. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Revision ist, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 502 Abs 1 ZPO). Das ist hier nicht der Fall, weil die Regelung des § 254 Abs 2 ASVG mit Ablauf des 31. 12. 2010 außer Kraft getreten ist (§ 658 Abs 2 Z 1 ASVG). Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111, wurde die besondere Pensionsleistung für kinderreiche Witwen (§ 254 Abs 2, § 271 Abs 2 und § 279 Abs 2 ASVG) ersatzlos aufgehoben. In den Gesetzesmaterialien wird dies damit begründet, dass diese Regelung aus heutiger Sicht überholt sei, zumal durch das moderne Pensionsversicherungsrecht für Kindererziehungszeiten längst anderweitig (nämlich durch die entsprechende Anrechnung als Versicherungszeiten) vorgesorgt sei (ErläutRV 981 BlgNR XXIV. GP 204).

Gerade der Umstand, dass sich der Oberste Gerichtshof bisher noch nie zu der hier strittigen Rechtsfrage der sachlichen Kongruenz von Pensionsleistungen nach der zitierten Bestimmung zu Schadenersatzansprüchen nach § 1327 ABGB äußern musste, unterstreicht die geringe praktische Bedeutung dieses Problems. Zwar ist nach § 658 Abs 7 ASVG (ua) auf Personen, die einen Anspruch auf Invaliditätspension nach § 254 Abs 2 ASVG haben, weiterhin die am 31. 12. 2010 geltende Rechtslage anzuwenden, wenn der Stichtag vor dem 1. 1. 2011 liegt. Dennoch ist es nicht wahrscheinlich, dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle zu entscheiden sein wird, für die die Auslegung der genannten Bestimmung von Bedeutung ist (vgl 3 Ob 139/00p; 9 ObA 44/12d; RIS-Justiz RS0114669, RS0114721; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 43). An dieser Beurteilung ändert nichts, dass zwischen den Streitteilen bereits ein weiterer, die Schadenersatzansprüche für die Folgejahre (2009 bis 2011) umfassender Rechtsstreit anhängig ist, weil auch dieser nur den vorliegenden Einzelfall betrifft.

2. Entgegen der Auffassung der erstklagenden Partei hat das Berufungsgericht die maßgebliche Rechtsfrage auch keineswegs „untragbar falsch“ gelöst:

2.1 § 254 Abs 2 ASVG idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 lautete:

Anspruch auf Invaliditätspension hat auch, sofern die Wartezeit erfüllt ist, eine versicherte Ehegattin nach dem Tode des Ehegatten, wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet und mindestens vier lebende Kinder geboren hat. Das gleiche gilt für eine versicherte Frau, deren Ehe mit dem verstorbenen früheren Ehegatten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr der verstorbene frühere Ehegatte zur Zeit des Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder eines gerichtlichen Vergleichs oder einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte.

Nach § 223 Abs 1 Z 2 lit b ASVG aF galt dieser Versicherungsfall mit dem Tod des Ehegatten als eingetreten, wenn dieser nach Erreichung des Anfallsalters der Ehegattin lag, sonst mit der Erreichung dieses Alters.

2.2 Wie in der Entscheidung 10 ObS 110/10i unter Bezugnahme auf ältere Entscheidungen des Oberlandesgerichts Wien (als seinerzeit letztinstanzliches Gericht in Sozialrechtssachen) näher ausgeführt wurde, beruhte die fingierte, weil ohne Rücksicht auf eine Minderung der Arbeitsfähigkeit zu gewährende Invaliditätspension auf gesetzgeberischen Maßnahmen während des Zweiten Weltkriegs, die eine Leistungsverbesserung für kinderreiche Mütter zu dem Zweck verfolgten, „die schweren Substanzverluste des Krieges durch die Hebung der Geburtenfreudigkeit wenigstens einigermaßen auszugleichen“.

Durch die 29. ASVG-Novelle, BGBl 1973/31, wurde § 254 Abs 2 ASVG um einen zweiten Satz ergänzt, der schließlich durch die 30. ASVG-Novelle, BGBl 1974/23, seine endgültige Fassung erhielt. Aus den Gesetzesmaterialien zur 29. ASVG-Novelle geht hervor, dass damit eine Angleichung an die Regelung des § 258 Abs 4 ASVG für die Witwenpension erreicht werden sollte (AB 578 BlgNR XIII. GP 5).

2.3 Vor diesem Hintergrund hielt der 10. Senat (der mit Sozialrechtssachen befasste Fachsenat) des Obersten Gerichtshofs in der erwähnten Entscheidung fest, dass die Begünstigung durch die Gewährung einer „fingierten Invaliditätspension“ ‑ ohne Rücksicht auf eine Minderung der Arbeitsfähigkeit ‑ bei teleologischer Gesetzesauslegung nur jener Frau zukommen sollte, die nach dem Tode ihres Mannes „seiner Fürsorge entbehrt“. Dies ergebe sich im Übrigen auch aus den in der 29. und 30. ASVG-Novelle vorgenommenen Ergänzungen, womit klargestellt worden sei, dass diese Art der Leistung nur dann gebühre, wenn ein entsprechender Unterhaltsanspruch gegeben gewesen sei. Auch daraus gehe also hervor, dass eine ‑ trotz bestehender Arbeitsfähigkeit gewährte ‑ „Invaliditätspension“ gemäß § 254 Abs 2 ASVG der Absicherung jener Mütter (von mindestens vier lebend geborenen Kindern) diene, denen ‑ mangels neuer Eheschließung ‑ solche Unterhaltsansprüche fehlen würden.

2.4 Anlässlich der Aufhebung der „fingierten Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension“ durch das Budgetbegleitgesetz 2011 ergingen mehrere Entscheidungen des 10. Senats, in denen dieser verfassungsrechtliche Bedenken gegen die ersatzlose Aufhebung verneinte (10 ObS 82/12z; 10 ObS 96/12h; 10 ObS 116/12z; 10 ObS 155/12k; vgl RIS‑Justiz RS0128184). Dieser Standpunkt wurde auch damit begründet, dass die besondere Pensionsleistung „völlig systemfremd“ gewesen sei, weil sie ‑ im Gegensatz zu den sonstigen Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit ‑ nicht auf eine Minderung der Arbeitsfähigkeit abgestellt habe. Den Zweck, aufgrund des Witwenstands allenfalls ausbleibende Unterhaltsleistungen des verstorbenen Ehegatten zu ersetzen, erfülle die Hinterbliebenenpension gemäß § 258 ASVG. Eine besondere Schutzbedürftigkeit der von der sachlich gerechtfertigten Aufhebung der besonderen (dort:) Berufsunfähigkeitspension für kinderreiche Witwen (§ 271 Abs 2 ASVG) betroffenen Personen sei daher nicht zu erkennen.

2.5 Zufolge der in § 332 Abs 1 ASVG normierten Legalzession gehen Schadenersatzansprüche des Geschädigten bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalls auf den Sozialversicherungsträger über, sofern er Leistungen aus dem Sozialversicherungsverhältnis zu erbringen hat. Voraussetzung dieses Rechtsübergangs ist neben der persönlichen und zeitlichen die sachliche Kongruenz (2 Ob 59/07a; 9 ObA 118/10h; Neumayr in Schwimann, ABGB³ VII § 332 ASVG Rz 37). Nach Ansicht der erstklagenden Partei soll hier weder persönliche noch sachliche Kongruenz gegeben sein.

2.5.1 Persönliche Kongruenz bedeutet die Identität des Schadenersatzgläubigers mit dem Anspruchsberechtigten nach Sozialversicherungsrecht. Auf den Sozialversicherungsträger gehen daher nur diejenigen Schadenersatzansprüche über, die dem Versicherten (Anspruchsberechtigten aus der Sozialversicherung) aus eigenem Recht gegen den Haftpflichtigen zustehen (2 Ob 163/08x; 2 Ob 170/08a; RIS-Justiz RS0124199; Neumayr aaO § 332 ASVG Rz 40).

Die erstklagende Partei macht Ansprüche nach § 1327 ABGB geltend. Diese Bestimmung enthält eine Sonderregelung zugunsten mittelbar Geschädigter und gewährt nach ständiger Rechtsprechung den nach dem Gesetz unterhaltsberechtigten Personen Ansprüche auf Ersatz einer entgangenen tatsächlichen Unterhaltsleistung (vgl 2 Ob 99/06g mwN; 2 Ob 150/08k; 2 Ob 175/08m; uva). Schadenersatzgläubigerin ist demnach die erstklagende Partei. Ihre Anspruchsberechtigung auf die Pension nach § 254 Abs 2 ASVG ist in diesem Verfahren nicht zweifelhaft. Das Erfordernis der persönlichen Kongruenz ist unter diesen Voraussetzungen erfüllt. Das in der Revision dagegen vorgetragene Argument, § 254 Abs 2 ASVG begründe einen eigenen Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger aufgrund eigener Versicherung und eigener Beitragsleistung, beruht offenbar auf einem Missverständnis der erörterten Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

2.5.2 Sachliche Kongruenz liegt vor, wenn der Ausgleichszweck des Sozialversicherungsanspruchs mit jenem des Schadenersatzanspruchs ident ist und beide Ansprüche darauf abzielen, denselben Schaden zu decken (RIS-Justiz RS0084987, RS0085343; Neumayr aaO § 332 ASVG Rz 41).

Es ist unbestritten, dass nach ständiger Rechtsprechung zwischen der Witwenpension und den Schadenersatzansprüchen auf Ersatz des entgangenen Unterhalts bzw Beistands nach § 1327 ABGB sachliche Kongruenz besteht (2 Ob 105/05p; 2 Ob 152/08d; 2 Ob 9/09a; RIS-Justiz RS0031633; Neumayr aaO § 332 ASVG Rz 57). Das schließt aber die sachliche Kongruenz zwischen solchen Schadenersatzansprüchen und einer „fingierten Invaliditätspension“ nach § 254 Abs 2 ASVG ebenso wenig von vornherein aus, wie der Umstand, dass diese Pension als nicht aus den Ansprüchen des Verstorbenen abgeleitete „Eigenpension“ der Witwe (vgl 10 ObS 110/10i) zusätzlich zu einer Witwenpension gewährt werden konnte. Es muss vielmehr auch in diesem Fall geprüft werden, welchem Zweck die Sozialversicherungsleistung diente (vgl 2 Ob 183/04g).

Eine gravierende, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht dabei nicht unterlaufen. Der historische Hintergrund der Bestimmung (2.2) und ihre Interpretation in der sozialrechtlichen Judikatur (2.3 und 2.4) lassen durchaus die Deutung zu, dass der Zweck der „systemfremden“ Sonderform einer „fingierten Invaliditätspension“ für kinderreiche Mütter, die ‑ anders als die „echte“ Invaliditätspension ‑ keine Minderung der Arbeitsfähigkeit voraussetzte und an den Tod des (früheren) Ehegatten anknüpfte, auf einen „verbesserten“ (arg „Leistungsverbesserung“), weil zusätzlichen Ausgleich für die entfallenen Unterhalts- und Beistandsleistungen des Verstorbenen gerichtet war.

Die Bejahung der sachlichen Kongruenz zwischen den Schadenersatzansprüchen der erstklagenden Partei und der Pension nach § 254 Abs 2 ASVG beruht somit auf einer vertretbaren Auslegung der genannten Bestimmung durch das Berufungsgericht. Das bedeutet aber, dass der Ersatzanspruch im strittigen Umfang im Wege der Legalzession auf den Sozialversicherungsträger übergegangen ist und es der erstklagenden Partei insoweit an der aktiven Klagslegitimation fehlt.

3. Da Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen sind, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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