Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.018,52 EUR (darin enthalten 336,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Ehemann der Klägerin wurde am 20. 10. 1991 bei einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte haftet, getötet. Die Klägerin begehrt - soweit noch relevant - nach § 1327 ABGB entgangenen Unterhalt für den Zeitraum ab 1. 1. 2004. Thema dieses Rekursverfahrens ist ausschließlich, ob sich die Klägerin ein (allfällig erzielbares) eigenes Einkommen anrechnen lassen muss. Die Klägerin, die 2001 ihr erstes Kind gebar, brachte dazu vor, sie und ihr verstorbener Ehemann hätten stets beabsichtigt, eine Familie zu gründen und noch in den 90er Jahren zwei bis drei Kinder zu zeugen. Die Klägerin hätte nach Geburt des ersten Kindes ihre Berufstätigkeit aufgegeben und sich voll der Kindererziehung und dem Haushalt gewidmet. Der letztlich erst im Jahr 2001 verwirklichte Kinderwunsch habe nach wie vor dem ursprünglichen Lebensplan entsprochen.
Die Beklagte bestreitet diese Auffassung insbesondere mit dem Argument, die Geburt eines Kindes, das von einem anderen Mann stamme, stelle nicht die Konsequenz des ursprünglichen Lebensplans dar. Bei der Berechnung des Unterhaltsentgangs in der Vergangenheit sei jeweils ein Einkommen der Klägerin berücksichtigt worden. Die Klägerin sei auch imstande, ein Einkommen zu erzielen. Das Erstgericht ging bei der Bemessung des entgangenen Unterhalts von einem Jahresnettoeinkommen der Klägerin von null aus, ohne Feststellungen über ein (tatsächlich erzieltes oder erzielbares) eigenes Einkommen der Klägerin und ihre behauptete Lebensplanung zu treffen.
Das Berufungsgericht hielt das Verfahren (auch) aus diesem Grund für ergänzungsbedürftig und hob das Urteil des Erstgerichts unter anderem zur Klärung der Frage des anrechenbaren eigenen Einkommens der Klägerin auf. In der rechtlichen Beurteilung vertrat es die Auffassung, die Geburt eines Kindes fast 10 Jahre nach dem Tod des Ehegatten ändere nichts daran, dass sich die Witwe ein schon vor dem Tod des Mannes erzieltes Einkommen weiter anrechnen lassen müsse; bloß mögliche künftige Entwicklungen (wie hier die behauptete Lebensplanung durch Gründung einer Familie und Aufgabe der Berufstätigkeit nach Geburt des ersten Kindes) seien nicht zu berücksichtigen.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zu einer derartigen Fallkonstellation noch keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Gemäß § 1327 ABGB muss den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hat, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden. Diese Bestimmung enthält eine Sonderregelung zugunsten mittelbar Geschädigter; sie gewährt nach ständiger Judikatur den nach dem Gesetz unterhaltsberechtigten Personen einen auf den Ersatz einer entgangenen tatsächlichen Unterhaltsleistung gerichteten Schadenersatzanspruch, nicht aber einen Unterhaltsanspruch (RIS-Justiz RS0031342; 1 Ob 155/97v = SZ 71/5; 2 Ob 41/08f). Die Hinterbliebenen sind grundsätzlich so zu stellen, wie sie stünden, wenn der zum Unterhalt Verpflichtete nicht getötet worden wäre (2 Ob 157/00b = ZVR 2001/23; 1 Ob 175/04y; RIS-Justiz RS0031291). Bei der Bemessung ihrer Schadenersatzansprüche ist grundsätzlich von den Verhältnissen (bis) zum Todes- bzw Verletzungszeitpunkt auszugehen (1 Ob 155/97v; 2 Ob 157/00b; 1 Ob 175/04y; 2 Ob 99/06g). Eigenes Einkommen des hinterbliebenen Ehegatten ist auf dessen Ansprüche nach § 1327 ABGB anzurechnen, wenn er es schon zu Lebzeiten des Getöteten freiwillig zur Gänze oder teilweise zur Bestreitung des eigenen Unterhalts verwendet hat (RIS-Justiz RS0046992; 2 Ob 22/95 mwN; 2 Ob 99/06g). Künftige Entwicklungen sind, soweit möglich, bei der Bemessung im Rahmen einer Prognose zu berücksichtigen (2 Ob 99/06g mwN).
Bei der Prognose einer zukünftigen Entwicklung der Lebens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten ist nach der höchstgerichtlichen Judikatur die von ihnen beabsichtigte Gestaltungsänderung zu berücksichtigen, wie etwa die ernstliche und konkrete Absicht, dem Ehemann ab einem bestimmten Zeitpunkt die Führung des Haushalts zu übertragen (8 Ob 51/86; 2 Ob 99/06g). In der Entscheidung 2 Ob 22/95 stellte der Oberste Gerichtshof ebenfalls auf die von den Eheleuten beabsichtigte Gestaltungsänderung ab und vertrat die Ansicht, die Witwe, die ohne den Tod ihres Mannes ihren Beruf aufgegeben hätte, müsse sich die Einkünfte aus der nun dennoch fortgesetzten Berufstätigkeit nicht anrechnen lassen.
Den zitierten Entscheidungen ist gemeinsam, dass sie auf konkrete, von den Ehegatten so geplante, zukünftige Ereignisse abstellen, deren Eintritt nach dem üblichen Verlauf der Dinge realitätsnah erscheint; wie insbesondere die Pensionierung des Mannes verbunden mit einer Ausweitung der (bisher halbtägigen) Berufstätigkeit der Ehefrau (2 Ob 99/06g) oder die Aufgabe der Berufstätigkeit der Ehefrau für den Fall, dass ihr Mann eine - konkret angebotene - Arbeitsstelle mit einem Nettoeinkommen in einer bestimmten Größenordnung erhalten hätte (2 Ob 22/95).
Im Gegensatz zu diesen Fällen präsentiert sich die hier behauptete Lebensplanung (Familiengründung) als von Unsicherheitsfaktoren geprägt, die nicht nur durch die Entscheidungen der Ehegatten und anderer Beteiligter (potenzieller Dienstgeber) steuerbar sind. Ob bzw zu welchem Zeitpunkt sich der Wunsch der Ehegatten nach zwei bis drei Kindern verwirklicht hätte, ist keine Tatsache, deren Eintritt sich nach dem „üblichen Verlauf" verlässlich beurteilen lässt. Hält das Berufungsgericht diese bloß abstrakt mögliche zukünftige Entwicklung für nicht ausreichend, um sie bei der Bemessung des entgangenen Unterhalts nach § 1327 ABGB zu berücksichtigen (dazu auch Reischauer in Rummel3 § 1327 Rz 24 mwN), so hält sich diese Auffassung im Rahmen der höchstgerichtlichen Judikatur, die auf konkrete künftige Entwicklungen abstellt. Eine Frage von rechtserheblicher Bedeutung ist damit im konkreten Fall nicht zu beantworten, was zur Zurückweisung des Rekurses führt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; vielmehr findet ein Kostenersatz statt, wenn - wie hier - der Rechtsmittelgegner auf diese Unzulässigkeit hingewiesen hat (2 Ob 210/07g; 5 Ob 110/08z; RIS-Justiz RS0035976 [T2]).
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