Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei, ihr die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zuzusprechen, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Im ersten Rechtsgang hatte das Erstgericht die Ehe der Streitteile geschieden und ausgesprochen, dass das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger treffe. Das Berufungsgericht hatte der Berufung des Klägers, in der nur der Ausspruch über das Verschulden bekämpft wurde, teilweise Folge gegeben und auf Verschulden beider Parteien
entschieden. Mit Beschluss vom 26. 2. 1997, 3 Ob 2292/96x (= SZ 70/35
= JBl 1998, 245 mit Anm von Holzner) hatte der erkennende Senat die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
In seiner rechtlichen Beurteilung bejahte der erkennende Senat die Anwendbarkeit des österreichischen Scheidungsrechts. Die konkrete Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft (Teilung des Lebensschwerpunkts der Frau zwischen einer österreichischen und einer ausländischen Stadt) belaste keine der Parteien mit einem Zerrüttungsverschulden. Dagegen lastete er dem Kläger eine schwere Eheverfehlung im Hinblick darauf an, dass er die - wenngleich nur lose bestehende - häusliche Gemeinschaft aufgelöst und mit eine anderen Frau eine geschlechtliche Beziehungen umfassende häusliche Gemeinschaft aufgenommen habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die bis dahin bestehende Form des Zusammenlebens nicht zur Zerrüttung beigetragen habe und diese erst unheilbar geworden sei, als der Kläger die eheliche Gemeinschaft aufgehoben habe. Es fehlten aber ausreichend deutliche Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes zur Behauptung des Klägers, die Beklagte habe sich dem von ihm oftmals und mit Nachdruck geäußerten Kinderwunsch widersetzt und somit beharrlich geweigert, Nachkommenschaft zu empfangen. Sollte dies zutreffen, rechtfertige dies nicht mehr den Ausspruch des alleinigen oder überwiegenden Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung. Dem Berufungsgericht trug der Oberste Gerichtshof im Sinne des § 496 Abs 3 ZPO auf, die Beweisrüge des Klägers über die Verweigerung der Empfängnis von Nachkommenschaft zu erledigen.
Mit Beschluss vom 29. 4. 1997 (ON 109) hob das Berufungsgericht den Verschuldensausspruch des im Scheidungsausspruch unberührt gebliebenen Urteils des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Auf Grund des Umstandes, dass jener vom Obersten Gerichtshof ausschließlich für noch maßgebend gehaltene Tatsachenkomplex vom Erstgericht noch nicht mit ausreichender Deutlichkeit festgestellt worden sei, müsse man von einem Feststellungsmangel ausgehen. Da dieser Themenbereich im Verfahren erster Instanz noch keine ausschlaggebende Rolle gespielt habe, sei den Parteien Gelegenheit zu geben, ihr weiteres Vorbringen und ihre weiteren Beweisanträge nach dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes zu gestalten, um sie nicht durch die darin geäußerte Rechtsansicht zu überraschen. Dies erfordere die (teilweise) Aufhebung des Ersturteils.
Mit Urteil vom 2. 9. 1999 (ON 141) sprach das Erstgericht erneut aus, dass das Verschulden an der Zerrüttung der (rechtskräftig geschiedenen) Ehe der Streitteile den Kläger treffe.
Im Tatsachenbereich verwies das Erstgericht zunächst auf die Feststellungen auf den Seiten 4 bis 7 seines Urteils im ersten Rechtsgang. Zusätzlich stellte es noch fest:
Beide Parteien sind kinderlieb und hatten zu Beginn ihrer Ehe die Absicht, gemeinsam Kinder zu bekommen. Da sie jedoch, bedingt durch ihre Berufstätigkeit, häufig getrennt waren, ergab sich für beide nicht die Situation, in der sie eine Familie gründen wollten. Die Beklagte verwendete keine Mittel zur Verhütung der Empfängnis, sie verweigerte auch nicht den Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehemann. Ein solcher fand schlicht aufgrund der räumlichen Trennung der Parteien selten statt. Zu Beginn ihrer Ehe praktizierte der Kläger als Verhütungsmethode coitus interrruptus, weil er es aufgrund der zeitweisen räumlichen Trennung von seiner Ehefrau verantwortungslos gefunden hätte, in dieser Situation Kinder zu bekommen; er wollte nur Kinder, wenn er mit der Beklagten zusammenleben konnte. Diese war 1969 schwanger, verlor dieses Kind jedoch in Folge von akuten Blutungen im dritten Schwangerschaftsmonat.
Ausgehend von diesen Feststellungen verneinte das Erstgericht das Vorliegen des ersten Tatbestandes des § 48 EheG, der beharrlichen Fortpflanzungsverweigerung ohne triftigen Grund. Diesen Scheidungsgrund habe die Beklagte auch nicht dadurch verwirklicht, dass sie sich geweigert habe, eine bessere Stellung im Ausland aufzugeben und nach Österreich zu ziehen. Diesfalls hätte bereits der Oberste Gerichtshof davon ausgehen können, dass die teilweise getrennte Lebensführung der Streitteile einer Verweigerung der Fortpflanzung durch die Beklagte gleichkomme, eines zweiten Rechtsganges hätte es dann nicht bedurft. Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgeführt habe, könne die Gestaltung des Ehelebens keinem Teil als Zerrüttungsverschulden zugerechnet werden.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers im zweiten Rechtsgang nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Mit Ausnahme des Unterbleibens der (von ihm nachgeholten) Einvernahme eine Zeugin verneinte das Berufungsgericht die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel. Dazu führte es aus, der Oberste Gerichtshof habe in seinem Aufhebungsbeschluss den Themenkomplex der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Verschuldensfrage abschließend beurteilt. Soweit § 48 EheG betroffen ist, sah das Berufungsgericht weder unrichtige noch fehlende Tatsachenfeststellungen. In rechtlicher Hinsicht verneinte es das Vorliegen von Tatsachen, die eine Subsumtion des Verhaltens der Beklagten unter § 48 EheG zuließen. Soweit nur noch aus einer konkludenten "Weigerung" der Beklagten, Nachkommenschaft zu erzeugen, dieser Tatbestand abgeleitet werde, habe der Oberste Gerichtshof bereits die betreffenden Umstände als nicht verschuldensbegründend beurteilt. Im übrigen habe das Verfahren nur Anhaltspunkte dahingehend geboten, dass diese Konkludenz von beiden Teilen ausgegangen und toleriert worden sei. Betreffend den Themenkomplex "Künstlerehe" lägen mangels substantiierten Vorbringens und entsprechender Beweismittel keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beurteilung des Obersten Gerichtshofes im zweiten Rechtsgang diesbezüglich unzutreffend geworden sei.
Die vom Erstgericht vorgenommene Verweisung auf sein Urteil im ersten Rechtsgang sei zulässig, weil eine zuverlässige Überprüfung der Entscheidung möglich sei.
Den Ausspruch der Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass zu den Voraussetzungen des § 48 EheG eine gefestigte jüngere Rechtsprechung fehle und keine Entscheidung über die auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu stellende Frage vorliege, ob die Verweisungen im Ersturteil zulässig seien.
Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem EheRÄG 1999 (BGBl I 1999/125) wurde unter anderem § 48 EheG mit Wirkung vom 1. Jänner 2000 aufgehoben (Art II Z 1). Nur in zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig abgeschlossene, auf § 48 EheG gestützte Scheidungsklagen (wie die vorliegende) ist diese Bestimmung noch anzuwenden. Wenn auch - wie das Berufungsgericht durchaus richtig gesehen hat - tatsächlich seit Jahrzehnten keine höchstgerichtlichen Entscheidungen zu diesem Scheidungsgrund ergangen
sind, begründet dies bei einer bereits aufgehobenen und nur noch auf
bereits anhängige Verfahren anzuwendenden Bestimmung keine erhebliche
Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Gerade das Fehlen solcher Entscheidungen (ganz im Gegensatz zu sonstigen Scheidungsgründen) lässt das fast völlige Fehlen der praktischen Bedeutung dieses Scheidungsgrundes in der jüngeren Zeit erkennen. Die geringe Wahrscheinlichkeit, dass zum 1. 1. 2000 noch die eine oder andere hierauf gestützte Klage anhängig sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes könnte noch die erforderliche erhebliche Bedeutung zukommen, die ja über die Lösung des konkreten Einzelfalles hinausgehen muss (vgl dazu Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 3 zu § 502 mN).
Aber auch die (vom Kläger in seiner Revision als Nichtigkeitsgrund relevierte) Frage, ob die Verweisungen des Erstgerichts auf sein Urteil im ersten Rechtsgang zulässig war, kann schon deshalb keine derartige Frage darstellen, weil von der zweiten Instanz verneinte Nichtigkeiten des Verfahrens erster Instanz nach einheitlicher Rechtsprechung nicht mehr vor dem Obersten Gerichtshof geltend gemacht werden können (Nachweise bei Kodek, aaO Rz 2 zu § 503). Dasselbe würde im Übrigen gelten, wenn man in deren angeführten Umstand eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz erblickte (vgl Kodek, aaO Rz 3 zu § 503). Dies trifft auch auf die in der Revision neuerlich vorgetragene Rüge, dass zu Unrecht die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen unterblieben sei, zu.
Auch im Übrigen zeigt der Kläger in seiner Revision keine Rechtsfragen der nach § 502 ZPO erforderlichen Qualität auf. Die Rechtsansicht, dass die Beklagte den Scheidungsgrund des § 48 EheG nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen nicht verwirklicht hat, ist in keinem Fall unvertretbar. Dies gilt auch für die Verneinung einer "konkludenten Weigerung" der Beklagten. Nicht einmal in der Revision wird ja behauptet, die der Beklagten vorgeworfene Weigerung, zum Kläger zu ziehen, wäre in der Absicht erfolgt, die Empfängnis von Nachkommen zu verhindern. Wie der Oberste Gerichtshof - auch für die hier zu treffende Entscheidung bindend (s Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 511) - in seinem Aufhebungsbeschluss erkannt hat, würde die begehrte Entscheidung auf gleichteiliges Verschulden die Verwirklichung des Scheidungsgrundes nach § 48 EheG voraussetzen. Der Lösung dieser Frage kommt aber, wie bereits ausgeführt wurde, keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Der Beklagten waren keine Kosten für ihre Revisionsbeantwortung zuzuerkennen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 5 zu § 507 mN).
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