OGH 5Ob50/13h

OGH5Ob50/13h6.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Marschall, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei ***** GmbH, *****, vertreten durch Hauser Milchrahm Stadlmann Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 8. Jänner 2013, GZ 40 R 327/12b‑26, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26. September 2012, GZ 61 C 53/11p‑22, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.

Die Kosten des nichtigen Verfahrens erster Instanz sowie die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegenseitig aufgehoben.

Begründung

Die klagende ***** M***** GmbH mietete mit Vertrag von 28. 8./1. 9. 1998 (weitere) Flächen in dem nunmehr der beklagten Partei gehörigen Haus mit der Grundstücksadresse *****, zum Betrieb des Delikatessengeschäfts „M*****“.

Punkt XII des seinem Wortlaut nach nicht strittigen Mietvertrags lautet wörtlich wie folgt:

„Die Mieterin ist berechtigt, den gegenständlichen Mietvertrag unter fortgesetzter Haftung der ursprünglichen Mieterin für die Einhaltung aller Pflichten aus diesem Mietvertrag vollinhaltlich an eine mehrheitlich zur M*****‑Unternehmensgruppe gehörende Gesellschaft ohne Anhebung des Mietzinses gemäß § 12a MRG zu übertragen. Dies gilt auch für Umgründungsmaßnahmen gemäß Umgründungssteuergesetz in der M*****‑Unternehmensgruppe, insbesondere für die Übertragung von Anteilen der ***** M***** GmbH an eine mehrheitlich zur M*****‑Unternehmensgruppe gehörende Gesellschaft.

Darüberhinaus hat die Mieterin das Recht, bis zum 1. 12. 2009 das gegenständliche Bestandrecht einmalig, zu gleichen Rechten und Pflichten (ohne Anhebung nach § 12a MRG bei einer teilweisen oder gänzlichen Übertragung der Gesellschaftsanteile) an ein nicht zur ***** M*****‑Gruppe gehörendes, branchengleiches Handelsunternehmen weiterzugeben. Im Falle der Ausübung des Weitergaberechtes durch die Mieterin kann die Vermieterin den Mietzins betreffend den Altvertrag über das Erdgeschoß um einen Betrag von ATS 300,‑ ‑/pro m 2 und Monat erhöhen, welcher ebenfalls gemäß Punkt V. dieses Vertrages wertgesichert ist.

...“

Mit Antrag vom 22. 11. 2010 stellte die hier beklagte Partei als Antragstellerin bei der zuständigen Schlichtungsstelle den Antrag, es möge festgestellt werden, dass die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin (die hier klagende Partei) infolge eines Wechsels der Gesellschafter in der Mietergesellschaft bzw infolge Machtwechsels zur Anhebung des Hauptmietzinses für das von ihr gemietete Bestandobjekt in *****, auf den nach § 16 Abs 1 MRG angemessenen Betrag berechtigt sei; ferner beantragte sie die Feststellung des nach Anhebung angemessenen, nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung wertgesicherten, monatlichen Hauptmietzinses ab 1. 11. 2001 in näher bezeichneter Höhe. Dabei bezog sie sich auf ebenfalls näher bezeichnete gesellschaftsrechtliche Vorgänge.

Im Schlichtungsstellenverfahren wandte die hier klagende Partei als Antragsgegnerin ein, dass die Antragstellerin aufgrund von Punkt XII Abs 1 des Mietvertrags zur Mietzinsanhebung nicht berechtigt sei, weil die von der Antragstellerin geltend gemachten „Umstrukturierungsmaßnahmen“ aufgrund der vertraglichen Vereinbarung nicht zum Anlass für ein Mietzinsanhebungsbegehren gemacht werden könnten. Jedenfalls aber habe die Mieterin in Punkt XII Abs 2 des Mietvertrags ein „externes“ Weitergaberecht erhalten, das nach der Rechtsprechung die Mietzinsanhebung nach § 12a Abs 3 MRG ausschließe. Im Übrigen hätten sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten iSd § 12a Abs 3 MRG nicht geändert.

Mit Entscheidung vom 17. 5. 2011 unterbrach die Schlichtungsstelle das bei ihr anhängige Verwaltungsverfahren gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG bis zur rechtskräftigen Erledigung des Streitverfahrens, das Gegenstand der nunmehrigen Entscheidung ist.

Die klagende Partei begehrt (vgl ON 1 iVm S 14 in ON 3) mit der am 28. 3. 2011 eingebrachten Klage, es möge festgestellt werden, „dass die Beklagte gemäß Punkt XII des Mietvertrags vom 28. 8./1. 9. 1998 nicht berechtigt war und ist, auf Grund der mit 19. 10. 2001 in das Firmenbuch eingetragenen Abtretung des Geschäftsanteiles der klagenden Partei von der ***** M***** A***** I***** GmbH an die S***** N.V. für sich oder kumulativ mit der am 16. 9. 1998 in das Firmenbuch eingetragenen Abtretung des 99,8%igen Geschäftsanteils der ***** M***** A***** I***** GmbH von der ***** M***** Gesellschaft für I***** AG an die S***** B***** GmbH, der mit 29. 9. 1998 in das Firmenbuch eingetragenen Verschmelzung der S***** B***** GmbH auf die C***** GmbH und der mit 16. 12. 1998 in das Firmenbuch eingetragenen Abtretung des Geschäftsanteiles der klagenden Partei von der ***** M***** G***** Gesellschaft m.b.H. an die ***** M***** A***** I***** GmbH gemäß § 12a iVm § 16 MRG eine Anhebung der Hauptmietzinse für die [in der Klage näher bezeichneten] Mietobjekte ... zu begehren“.

Dieses Begehren gründet die klagende Partei zusammengefasst darauf, dass die von der beklagten Hauseigentümerin zur Begründung ihres Anhebungsbegehrens nach § 12a Abs 3 MRG angeführten gesellschaftsrechtlichen Änderungen sowohl des Jahres 1998 als auch des Jahres 2001 Sachverhalte darstellten, die vom Verzicht gemäß Punkt XII Abs 1 des Mietvertrags umfasst seien. Unter näherer Darstellung der gesellschaftsrechtlichen Änderungen behauptet die klagende Partei, dass sowohl die ***** M***** A***** I***** GmbH als auch die S***** I***** N.V. als 100%ige Tochter der ***** M***** AG zur Gänze zur M*****‑Unternehmensgruppe gehörige Gesellschaften seien.

Das Feststellungsbegehren diene der Klärung der Rechtslage. Die klagende Partei habe ein evidentes Interesse an der Feststellung, weil die Beklagte sich eines Anhebungsrechts berühme. Da sich die klagende Partei ausdrücklich darauf stütze, dass das Anhebungsbegehren nach Maßgabe des Mietvertrags unzulässig sei, sei der streitige Rechtsweg zulässig.

Im Übrigen werde eine gesetzliche Mietzinsanhebung auch durch das in Punkt XII Abs 2 des Mietvertrags vereinbarte Weitergaberecht ausgeschlossen. Im Schlichtungsstellenverfahren würden die von der hier klagenden Partei erhobenen Einwendungen aus dem Mietvertrag nur als Vorfrage behandelt. Nur im Streitverfahren könne mit Rechtskraftwirkung über die Vereinbarung abgesprochen werden.

Die beklagte Partei wendet ein, dass die klagende Partei ‑ bewusst ‑ verschleiere, dass die gesellschafts-rechtliche Konstruktion dadurch gekennzeichnet sei, dass die klagende Partei nunmehr auf oberster gesellschaftsrechtlicher Ebene einer anderen Anstalt unterstellt sei als zuvor. Einen Nachweis dafür, dass die Konzernspitze, der die klagende Partei untergeordnet sei, ebenfalls zur „M*****‑Unternehmensgruppe“ gehöre, sei die klagende Partei schuldig geblieben. Sie treffe aber die Behauptungs‑ und Beweislast.

Im Übrigen erstattete auch die beklagte Partei ein umfangreiches Vorbringen dazu, warum der in Punkt XII Abs 1 geregelte Ausschluss für das Zinsanhebungsrecht nicht zum Tragen komme. Ferner verwies die beklagte Partei auf eine ihrer Auffassung nach vorliegende Unschlüssigkeit des Begehrens.

Das Feststellungsbegehren sei im Übrigen unzulässig, weil es nur auf die Feststellung eines „Einzelelements von Rechtsverhältnissen“ abziele.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ausschließlich aufgrund des Parteivorbringens und ohne Feststellungen zu treffen, ab.

Es vertrat die Auffassung, dass unabhängig davon, ob die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Anhebungsbegehrens der beklagten Partei im Hinblick auf § 37 Abs 1 Z 8 MRG im streitigen Rechtsweg überhaupt geklärt werden dürfe, jedenfalls ein Feststellungsinteresse zu verneinen sei: Das Feststellungsbegehren sei so gefasst, dass es auf die Feststellung der Unzulässigkeit des Anhebungsbegehrens gerichtet sei. Nach dem Wortlaut des Urteilsbegehrens sei die Frage der Auslegung von Punkt XII des Mietvertrags gerade nicht Hauptfrage. Diese Frage sei lediglich als ‑ eine von zahlreichen ‑ Vorfrage zu klären.

Das Berufungsgericht stellte mit seinem in das Berufungsurteil aufgenommenen Beschluss ‑ unangefochten -amtswegig fest, dass die Klage auf dem streitigen Rechtsweg zu erledigen sei. Im Übrigen verwarf es die auf den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO gestützte Nichtigkeitsberufung der klagenden Partei, gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung ab.

Das Berufungsgericht bejahte neben der Zulässigkeit des Rechtswegs auch das Feststellungsinteresse der klagenden Partei und meinte ‑ ausgehend von einer Wortinterpretation von Punkt XII Abs 1 des Mietvertrags ‑, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile an eine 100%ige Tochter der ***** M***** AG als Veräußerung an ein Unternehmen der M*****‑Unternehmensgruppe anzusehen sei. Dieser Vorgang sei vom vertraglichen Ausschluss eines Mietzinsanhebungsrechts umfasst.

Die Revision erklärte das Berufungsgericht bei einem 30.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstand mit der Begründung für nicht zulässig, dass ausschließlich die Vertragsauslegung Gegenstand der Berufungsentscheidung gewesen sei.

Die beklagte Partei strebt mit ihrer außerordentlichen Revision eine Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils an. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In ihrer Revision rügt die beklagte Partei einerseits, dass das Berufungsgericht dem Klagebegehren bloß ausgehend von dem ‑ nach Auffassung der beklagten Partei im Übrigen unrichtig ausgelegten ‑ Wortlaut des Vertrags stattgegeben habe, ohne dass die Parteienabsicht bei Vertragsschluss festgestellt worden sei. Andererseits bestreitet die Revision unter verschiedenen Gesichtspunkten die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens, an dessen Erledigung die klagende Partei auch kein rechtliches Interesse habe, weil sämtliche Rechtsfragen in dem bereits anhängigen Schlichtungsstellenverfahren mit Bindungswirkung geklärt würden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist schon wegen der aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Fragen zulässig.

Der klagenden Partei wurde daher die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt (§ 508a Abs 2 ZPO); in dieser beantragt sie, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Aus Anlass der zulässigen Revision ist von Amts wegen (RIS‑Justiz RS0041942) der den Entscheidungen der Vorinstanzen und dem vorangehenden Verfahren anhaftende Nichtigkeitsgrund der Streitanhängigkeit (RIS‑Justiz RS0039233) wahrzunehmen.

1. Mit seinem in das Berufungsurteil aufgenommenen Beschluss bejahte das Berufungsgericht unangefochten und damit den Obersten Gerichtshof bindend ( Mayr in Rechberger ³ § 40a JN Rz 7; RIS‑Justiz RS0108772) die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs.

2. Ungeachtet dessen, dass die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs nicht mehr aufgegriffen werden kann, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsen ist, ist jedoch zu berücksichtigen, dass das von der klagenden Partei im Streitverfahren gestellte Feststellungsbegehren das begriffliche Gegenteil des von der beklagten Vermieterin gestellten Sachantrags nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 3 MRG ist:

2.1 Sowohl im Schlichtungsstellenverfahren als auch in dem hier zu beurteilenden Streitverfahren zielt das Begehren auf die Feststellung der Berechtigung (bzw Nichtberechtigung) des Mietzinsanhebungsrechts.

2.2 Die rechtserzeugenden Tatsachen, die nach Auffassung der beklagten Partei ihr Anhebungsrecht nach § 12a Abs 3 MRG begründen, sind genau jene gesellschaftsrechtlichen Vorgänge, von denen auch die klagende Partei ausgeht. Die klagende Partei steht allerdings auf dem ‑ der beklagten Partei entgegengesetzten - Standpunkt, dass diese gesellschaftsrechtlichen Änderungen kein Mietzinsanhebungsrecht begründen, weil ein vertraglicher Verzicht auf dieses Anhebungsrecht erklärt worden sei.

2.3 Das im Streitverfahren gestellte Urteilsbegehren der klagenden Partei ist gerade nicht auf die Feststellung gerichtet, wie die konkrete Vertragsklausel auszulegen ist. Vielmehr zielt das Begehren ausschließlich auf die Feststellung ab, dass ein Mietzinsanhebungsrecht der beklagten Partei dem Grunde nach nicht besteht, wofür die klagende Partei die Vertragsklausel Punkt XII ins Treffen führt. Die Frage, wie Punkt XII des Vertrags auszulegen ist, ist daher ‑ wie das Erstgericht zutreffend erkannte ‑ nur im Weg einer Vorfragenbeurteilung zu beantworten.

2.4 Die ganz überwiegende neuere Rechtsprechung (5 Ob 12/99x wobl 2000/26 [zust Oberhammer ]; RIS-Justiz RS0039843 [T19]) lehnt im Einklang mit der herrschenden Lehre ( Rechberger in Rechberger ³ § 411 ZPO Rz 10; Fasching/Klicka in Fasching/Konecny ² III § 411 Rz 68 je mit zahlreichen weiteren Nachweisen) eine Bindungswirkung von Vorfragenbeurteilungen ab.

2.5 Mit Bindungswirkung könnte daher nach der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie (RIS‑Justiz RS0039255; Mayr in Fasching/Konecny ² III § 233 ZPO Rz 8) im hier vorliegenden Feststellungsstreit ausschließlich über die Hauptfrage ‑ Berechtigung des Mietzinsanhebungsbegehrens der beklagten Partei aufgrund bestimmter gesellschaftsrechtlicher Vorgänge ‑ entschieden werden, wobei diese Entscheidung von der Beurteilung der Vorfrage abhängt, wie der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag auszulegen ist. Bei einer Stattgebung des Feststellungsbegehrens stünde daher gerade nicht bindend fest, was unter dem zwischen den Parteien strittigen Begriff „M*****‑Unternehmensgruppe“ zu verstehen ist.

2.6 Auch im Verfahren über den außerstreitigen Sachantrag der beklagten Partei ist Hauptfrage ihres ersten Feststellungsbegehrens die grundsätzliche Berechtigung ihres auf § 12a Abs 3 MRG gegründeten Mietzinsanhebungs-begehrens, das ua von der Lösung der Vorfrage abhängt, wie Punkt XII des Vertrags auszulegen ist. Dieses Begehren ist zulässig:

a) Im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG kann einerseits ‑ worauf der zweite Teil des von der beklagten Partei vor der Schlichtungsstelle gestellten Sachantrags abzielt ‑ die Feststellung der Zulässigkeit bzw Unzulässigkeit konkreter Mietzinsvorschreibungen für bestimmte Zinsperioden begehrt werden. Andere, vom Antrag nicht umfasste Zinsperioden sind dann allerdings von der Bindungswirkung der Entscheidung (mangels Identität des Begehrens) nicht umfasst (5 Ob 12/99x).

b) Jede Mietvertragspartei kann aber auch die ‑ abstrakte ‑ Feststellung der Zulässigkeit der Vorschreibung eines bestimmten Hauptmietzinses zu einem bestimmten Stichtag bzw pro futuro begehren (5 Ob 12/99x; 5 Ob 142/02p wobl 2003/156).

c) Schließlich ist durch das im § 37 Abs 1 Z 8 MRG enthaltene Zitat des § 12a MRG klargestellt, dass sowohl der Vermieter (RIS‑Justiz RS0070148) als auch der Mieter (1 Ob 2277/96a MietSlg 48.396; 5 Ob 236/09f wobl 2011/24 [ Schauer ]) im Außerstreitverfahren den Feststellungsantrag stellen können, ob ein Mietzinsanhebungsrecht nach § 12a Abs 3 MRG besteht oder nicht besteht. In diesem Fall wird im Außerstreitverfahren - allenfalls unter Lösung von Vorfragen, die der Außerstreitrichter auch dann selbständig beurteilen muss, wenn sie als Hauptfrage im Streitverfahren zu behandeln wären (5 Ob 252/07f immolex 2008/130) ‑ mit Bindungswirkung entschieden, ob ein Mietzinsanhebungsrecht besteht (4 Ob 187/97x).

2.7 Damit ist aber die später erhobene Klage als das begriffliche Gegenteil des früher gestellten Sachantrags nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 3 MRG zu qualifizieren. Die Bindungswirkung der Entscheidung im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 3 MRG würde sich auch auf die begehrte Feststellung des unvereinbaren Gegenteils erstrecken (vgl Fasching/Klicka in Fasching/Konecny ² III § 411 Rz 54; RIS‑Justiz RS0039157).

3. Es bedarf daher einer Auseinandersetzung damit, ob der späteren Klage das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit in Bezug auf das bei der Schlichtungsstelle von der beklagten Partei anhängig gemachte Verfahren entgegensteht:

3.1 Die Streitanhängigkeit ist die Vorläuferin der Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft und deckt sich in ihren Auswirkungen mit dieser vollständig. Es ist daher widersinnig, die Führung zweier Rechtsstreite nebeneinander zuzulassen, bei denen das Begehren der zweiten Klage bei völlig identischem Sachverhalt das begriffliche Gegenteil des ersten Begehrens ist (1 Ob 60/97y SZ 70/261; RIS‑Justiz RS0109015). Die Einschränkung, dass der an einer positiven Feststellungsklage gehinderten Partei gegen eine allenfalls später erhobene Verjährungseinrede die Replik der Arglist zuzubilligen ist ( Mayr in Fasching/Konecny ² § 233 ZPO Rz 10 mwN), ist hier ohne Bedeutung.

3.2 Während im Zivilprozess die Verletzung der Streitanhängigkeit Nichtigkeit begründet und zur Zurückweisung der zweiten Klage führt (8 Ob 18/08t SZ 2008/88; RIS‑Justiz RS0039233), gilt im Außerstreitverfahren § 12 Abs 2 AußStrG.

§ 12 Abs 2 AußStrG bestimmt, dass die Sache, wenn derselbe Verfahrensgegenstand bei mehreren Gerichten anhängig ist, an jenes an sich zuständige Gericht zu überweisen ist, bei dem sie zuerst anhängig geworden ist. Hintergrund dieser Regelung war (ErlRV 224 BlgNR 22. GP 31), dass im formfreieren Verfahren außer Streitsachen mit einer Vereinigung aller über dieselbe Sache anhängig gemachten Verfahren bei einem Gericht vorgegangen werden kann, während im Zivilprozess das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit vorliegen würde. Die Bestimmung dient dazu, parallele Verfahren und damit widersprechende Entscheidungen zu verhindern. Dabei wird der Begriff „derselbe Verfahrensgegenstand“ iSd § 12 Abs 2 AußStrG zwar im Gesetz selbst nicht definiert; die Rechtsprechung geht aber bei Beurteilung des Prozesshindernisses der materiellen Rechtskraft im Außerstreitverfahren ebenso wie im Zivilprozess davon aus, dass Identität des Entscheidungsgegenstands dann vorliegt, wenn der mit dem neuen Antrag geltend gemachte Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts, also des Anspruchsgrundes, ident mit jenem des anderen Verfahrens ist (5 Ob 213/11a JBl 2012, 386 mwN).

3.3 Wäre daher von der klagenden Partei anstelle einer Klage ein entsprechender Sachantrag nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG eingebracht worden, der auf die Feststellung des begrifflichen Gegenteils des von der beklagten Partei als Antragstellerin bei der Schlichtungsstelle gestellten Feststellungsantrags abzielen würde, wären die Verfahren zu verbinden. Allerdings ermöglicht § 12 Abs 2 AußStrG keine rechtsweg‑ oder grenzüberschreitende Verbindung von Verfahren (4 Ob 17/11w; RIS‑Justiz RS0126868).

3.4 Bei gleichzeitiger Erhebung desselben Anspruchs im streitigen und außerstreitigen Verfahren verneinte die Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem AußStrG 2003 das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit (RIS‑Justiz RS0039240).

3.5 An dieser Rechtsauffassung hat der Oberste Gerichtshof im Anwendungsbereich des § 12 Abs 2 AußStrG nicht festgehalten: Unter Berufung darauf, dass § 12 Abs 2 AußStrG das Ziel verfolge, parallele Verfahren und damit einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern, und unter Berufung auf den Grundsatz der Prozessökonomie wird nun das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit auch im Verhältnis Klage/außerstreitiger Sachantrag bejaht (4 Ob 17/11w; 10 Ob 100/11w NZ 2012/122 [ Mayr ]).

3.6 Die an dieser Rechtsprechung, die zum Verhältnis Oppositionsklage/Unterhaltsherabsetzungsantrag erging, von einem Teil des Schrifttums geübte Kritik wendet sich nicht gegen die grundsätzliche Aussage, dass die Erhebung desselben Anspruchs im streitigen und im außerstreitigen Verfahren zur Zurückweisung des später gestellten Begehrens wegen Streitanhängigkeit führt:

Kritisiert wird einerseits die Annahme, dass Oppositionsklage und Herabsetzungsantrag dasselbe Rechtsschutzziel verfolgen ( Deixler‑Hübner , Probleme im Zusammenhang mit der Feststellungsklage bei der Unterhaltsenthebung bzw Unterhaltsherabsetzung, ÖJZ 2012/101, 896; K. Binder zu 4 Ob 17/11w JBl 2012, 388). Andererseits wurde darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber Unterhaltsansprüche zwischen in gerader Linie Verwandten prozesskostenfrei im Außerstreitverfahren behandelt wissen wolle ( Neuhauser , Unterhaltsenthebungsanträge oder Oppositionsklage ‑ oder doch beides? Zak 2011/430, 233) bzw dem Unterhaltspflichtigen vor Einleitung eines Oppositionsprozesses ein Wahlrecht zwischen Oppositionsklage und Herabsetzungsantrag zuzubilligen sei ( Gitschthaler zu 4 Ob 17/11w in EF‑Z 2011/121).

Fucik/Kloiber (Überlegungen zum Verhältnis von Feststellungsantrag und Oppositionsklage in außerstreitigen Unterhaltsangelegenheiten de lege lata et ferenda, iFamZ 2012, 11) zeigen verschiedene Lösungsansätze auf, gehen aber ‑ wie die in ihrem Beitrag besprochene Entscheidung 4 Ob 17/11w ‑ davon aus, dass der Gesetzgeber erkennbar nicht wünscht, dass derselbe Verfahrensgegenstand in zwei Verfahren parallel abgehandelt wird.

3.7 Die von den Kritikern der Entscheidung 4 Ob 17/11w angeführten Argumente treffen auf die hier zu beurteilende Konstellation nicht zu: Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über die Hauptfrage, ob wegen Verwirklichung der Tatbestände des § 12a Abs 1 oder 3 MRG ein Mietzinsanhebungsrecht des Vermieters besteht, ausdrücklich in das Außerstreitverfahren verwiesen. Die gesetzlich vorgesehene Verbindung eines weiteren gleichlautenden Antrags bzw ‑ wie hier ‑ eines auf die Feststellung des begrifflichen Gegenteils gerichteten Antrags scheitert nur daran, dass die klagende Partei mit ihrer später erhobenen Klage die falsche Verfahrensart wählte und der Oberste Gerichtshof an die die Zulässigkeit des Rechtswegs bejahende Entscheidung des Berufungsgerichts gebunden ist.

Unter diesen Umständen ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb das der später eingebrachten Klage anhaftende Prozesshindernis der Streitanhängigkeit nicht wahrzunehmen ist.

3.8 Dass das Verfahren über den von der beklagten Partei gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 3 MRG gestellten Sachantrag bis zur rechtskräftigen Beendigung des Streitverfahrens unterbrochen ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen, weil das amtswegig wahrzunehmende Prozesshinderniss der Streitanhängigkeit absolut und ohne Rücksicht darauf wirkt, ob im konkreten Fall die Gefahr divergierender Entscheidungen verwirklicht ist.

3.9 Die Zurückweisung wird auch nicht dadurch gehindert, dass das von der beklagten Partei eingeleitete Verfahren noch bei der Schlichtungsstelle anhängig ist: Die Anrufung der Schlichtungsstelle ist eine zwingende Prozessvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren. Der Grundsatz, dass zwischen einem vor einem ordentlichen Gericht und einem vor der Verwaltungsbehörde anhängigen Verfahren das Hindernis der Streitanhängigkeit nicht besteht, gilt daher hier nicht ( Mayr in Fasching/Konecny ² III § 233 ZPO Rz 24; 5 Ob 122/02f wobl 2003/130).

4. Da somit einer inhaltlichen Entscheidung das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit entgegensteht, sind aus Anlass der Revision der beklagten Partei die Urteile der Vorinstanzen als nichtig aufzuheben, die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens auszusprechen und die Klage zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 51 Abs 2 ZPO.

Die beklagte Partei hat sich ohne Hinweis auf den vorliegenden Nichtigkeitsgrund in das Verfahren eingelassen. Die Voraussetzungen für die Belastung nur der klagenden Partei mit den gesamten Verfahrenskosten liegen daher nicht vor. Die Barauslagen sind von der Aufhebung umfasst (7 Ob 110/08i; Obermaier , Kostenhandbuch² [2010], Rz 173).

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