OGH 5Ob252/07f

OGH5Ob252/07f4.3.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Gabriele M*****, vertreten durch Felfernig & Graschitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin Stadt W***** - W*****, vertreten durch Dr. Michael Ott und Mag. Christoph Klein, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Februar 2007, GZ 40 R 259/06v‑32, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. September 2007, GZ 40 R 259/06v‑35, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 28. Juli 2006, GZ 5 Msch 20/03t‑27, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Sachbeschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts, welcher hinsichtlich seines Punktes 1. als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleibt, in seinen Punkten 2. und 3. aufgehoben und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wird.

Beide Parteien haben ihre Vertretungskosten im Rechtsmittelverfahren jeweils selbst zu tragen.

Begründung

Die Antragstellerin begehrte für eine bestimmte Geschäftsräumlichkeit die Überprüfung der Zulässigkeit des begehrten Hauptmietzinses, die Feststellung des angemessenen Mietzinses mit 10.251,65 S bzw 11.259,65 S, die Feststellung, dass der begehrte Mietzins von 2.071,21 EUR überhöht und unzulässig sei sowie die Herabsetzung des Hauptmietzinses auf einen Gesamtmietzins von 818,27 EUR. Der frühere Bestandnehmer sei in Konkurs verfallen. Die Antragstellerin habe das Bestandobjekt im Juni 2001 übernommen. Ein schriftlicher Mietvertrag liege nicht vor. Zunächst sei vereinbarungsgemäß eine Mietzinsvorschreibung von 10.251,61 S erfolgt. Im Oktober 2001 seien irrtümlich 49.769,33 S vorgeschrieben worden. Zuletzt habe die Antragsgegnerin unzulässigerweise die Miete auf 2.071,21 EUR angehoben.

Die Antragsgegnerin beantragte Antragsabweisung. Die Antragstellerin sei gemäß § 12a Abs 1 MRG in die Mietrechte der früheren Bestandnehmerin eingetreten. Zum Übertragungszeitpunkt sei ein Grundzins von 7,85 EUR pro m² vorgeschrieben gewesen. Durch einen EDV‑Programmfehler habe diese korrekte Miete erst ab Oktober 2001 gespeichert werden können, weshalb es zu einer Nachverrechnung gekommen sei. Ab Februar 2002 habe die Antragsgegnerin wieder 7,85 EUR pro m² vorgeschrieben. Es bestehe inzwischen ein Mietzinsrückstand, weshalb Räumungsklage eingebracht worden sei.

Das Erstgericht sprach mit seinem Sachbeschluss aus,

1. der angemessene Hauptmietzins für das Bestandobjekt betrage zum Stichtag 1. 6. 2001 1.368 EUR netto monatlich;

2. durch die Vorschreibung eines monatlichen Nettohauptmietzinses von 1.381,60 EUR habe die Antragsgegnerin das angemessene Zinsausmaß um 13,60 EUR netto monatlich überschritten und

3. die Parteien hätten ihre Kosten selbst zu tragen.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung folgenden - zusammengefassten - Sachverhalt zu Grunde:

Im Frühjahr 2001 erfuhr der Ehemann der Antragstellerin, das Bestandobjekt werde infolge Konkurses des Vormieters frei. Er setzte sich daraufhin im Auftrag der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin (Vermieterin) in Verbindung, die das Freiwerden bestätigte und den voraussichtlichen Gesamtmietzins mit 14.000 S angab. Ein schriftlicher Mietvertrag wurde nicht abgeschlossen. Direkten Kontakt zum Vormieter gab es nur insofern, als der Ehemann der Antragstellerin Gespräche mit dessen Personal führte und vom Vormieter ein als „Vereinbarung" bezeichnetes Schriftstück erhielt, in dem dieser die „Anerkennung" der Antragstellerin als neue Mieterin forderte. Die Schlüsselübergabe erfolgte mit Zustimmung der Antragsgegnerin durch den Vormieter.

Seit Juni 2001 ist die Antragstellerin Mieterin des Bestandobjekts. Die erste Vorschreibung erhielt sie für Juli 2001 über 10.251,65 S. Bis September 2001 beglich die Antragstellerin die in gleicher Höhe erfolgten Vorschreibungen mit Dauerauftrag. Als im Oktober 2001 eine Vorschreibung von 49.769,33 S erfolgte, intervenierte der Ehemann der Antragstellerin in deren Namen telefonisch bei der Antragsgegnerin. Eine Mitarbeiterin teilte mit, dass ein Irrtum vorliege und der richtige Mietzins 11.259,65 S betrage. Daraufhin änderte die Antragstellerin den Dauerauftrag und bezahlte fortan diesen Betrag. Als im Dezember 2001 abermals eine Vorschreibung von 49.769,33 S erfolgte und erneut seitens der Antragstellerin interveniert wurde, teilte die Antragsgegnerin wieder mit, es handle sich um einen Irrtum.

Ab Februar 2002 erfolgte dann eine Vorschreibung von 2.071,21 EUR (1.381,60 EUR netto). Darauf reagierte die Antragstellerin nicht mehr.

Die Nutzfläche des Bestandobjekts beträgt 217 m². Bestandobjekte vergleichbarer Art und Ausstattung erzielten zum Anmietungszeitpunkt einen durchschnittlichen Nettomietzins von 6,94 EUR pro m².

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, § 16 Abs 1 Z 1 MRG lasse Vereinbarungen über die Höhe des Haupmietzinses bis zu dem für den Mietgegenstand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zu, wenn der Mietgegenstand - wie hier - nicht zu Wohnzwecken diene. Spätestens mit Zahlung der ersten Vorschreibung sei schlüssig eine Mietzinsvereinbarung zustande gekommen. Ein Eintritt der Antragstellerin nach § 12a MRG sei mangels einer Unternehmensübertragung nicht erfolgt. Es komme daher nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG der angemessene Hauptmietzins zur Anwendung, welcher 6,94 EUR netto pro m² und insgesamt 1.368 EUR betrage. Unter Zugrundelegung der Vorschreibung von 1.381,60 EUR netto monatlich betrage die Überschreitung 13,60 EUR netto monatlich.

Punkt 1. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses blieb inhaltlich unbekämpft. Das Rekursgericht ändert über den inhaltlich gegen Punkt 2. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses gerichteten Rekurs der Antragstellerin den Sachbeschluss in seinen Punkten 2. und 3. wie folgt ab:

2. Die Antragsgegnerin habe durch Vorschreibung eines monatlichen Nettohauptmietzinses für die Monate Februar und März 2002 von 1.381,60 EUR das zulässige Zinsausmaß um monatlich 563,33 EUR netto überschritten und

3. die Antragsgegnerin sei schuldig, der Antragstellerin deren mit 1.200 EUR (Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Rechtlich war das Rekursgericht der Ansicht, die Antragstellerin habe sich bereits vor der Schlichtungsstelle auf den Standpunkt gestellt, es sei lediglich der auch im Rekurs behauptete Betrag (818,27 EUR) als Hauptmietzins vereinbart worden und die von der Antragsgegnerin vorgenommene „Anhebung" sei unzulässig. Die begehrte „Herabsetzung auf diesen Betrag" könne daher nur als Überprüfungsantrag des vorgeschriebenen erhöhten Mietzinses (für die Monate bis zur Antragstellung) gewertet werden. Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin könne bei einer derartigen Überprüfung auch eine Überschreitung durch einseitige Anhebung gegenüber einem ursprünglich vereinbarten Mietzins ausgesprochen werden, da dies der Maßstab für die Überschreitung eben durch die Anhebung sei (5 Ob 157/92 ua = RIS‑Justiz RS0069523). Da vorliegend ursprünglich keine konkrete Mietzinsvereinbarung getroffen, sondern nur ein voraussichtlicher Gesamtmietzins genannt worden sei, der dem Bestimmtheitserfordernis einer Vereinbarung nicht genügt habe, müsse für die Beurteilung der nachträglichen Mietzinsvereinbarung auf das Verhalten der Parteien und ihre dabei abgegebenen Erklärungen abgestellt werden. Es könne dahin gestellt bleiben, ob durch die erstmalige Vorschreibung und die monatelange widerspruchslose Zahlung von 745,02 EUR bereits eine derartige Vereinbarung zustande gekommen sei. Spätestens durch die ausdrückliche Erklärung einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin, dass der richtige Mietzins 11.259,65 S (818,27 EUR) betrage, und die Akzeptierung durch die Antragstellerin in Form der Abänderung des Dauerauftrags sowie der unbeanstandeten Zahlung sei jedenfalls eine (neuerliche) Vereinbarung in dieser Höhe zustande gekommen. Der erstinstanzliche Sachbeschluss sei daher in Richtung der Feststellung einer Überschreitung dieses Betrags abzuändern gewesen, was auch zur Änderung der Kostenentscheidung betreffend die Barauslagen führe.

Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil für die Entscheidung lediglich die Umstände des Einzelfalls betreffend die Wirksamkeit einer nachträglichen Mietzinsvereinbarung maßgebend gewesen seien.

Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist fasste das Rekursgericht - über Antrag der Antragstellerin - einen Beschluss, mit dem es seinen Sachbeschluss betreffend Punkt 2. wie folgt „berichtigte":

„2. Die Antragsgegnerin hat durch Vorschreibung eines monatlichen Gesamtbruttomietzinses (inklusive USt und Betriebskosten) für die Monate Februar und März 2002 von jeweils 2.071,21 EUR das zulässige Zinsausmaß um monatlich 1.989,94 EUR überschritten."

Das Rekursgericht führte dazu aus, wie sich aus der Begründung des rekursgerichtlichen Sachbeschlusses ergebe, sei als Maßstab für die Mietzinsüberschreitung die Mietzinshöhe gemäß konkludentem Abschluss einer Mietzinsvereinbarung durch Zahlung herangezogen worden. Dies stelle definitionsgemäß den Gesamtbruttomietzins dar, den die Antragstellerin zu zahlen habe. Für die Frage der Berechnung der Überschreitung sei daher als Differenzgröße ebenfalls der monatliche Gesamtbruttomietzins heranzuziehen und nicht wie irrtümlich der Nettohauptmietzins. Dieses offenbare Versehen sei gemäß §§ 419, 430 ZPO iVm § 41 AußStrG auf Anregung der Antragstellerin zu berichtigen gewesen.

Gegen den Sachbeschluss des Rekursgerichts in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem - erschließbaren - Antrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise stellt die Antragsgegnerin auch einen Aufhebungsantrag und begehrt in eventu die Überweisung der Rechtssache in das streitige Verfahren.

Die Antragstellerin verneint in ihrer Revisionsrekursbeantwortung die Zulässigkeit des Revisionsrekurses und beantragt, diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist rechtzeitig, weil das Rekursgericht - nach Ablauf der ursprünglichen Rechtsmittelfrist über Antrag der Antragstellerin - eine „Berichtigung" seines Sachbeschlusses vornahm, deren Inhalt und Umfang für die Antragsgegnerin nicht absehbar war und die deshalb eine neue Rechtsmittelfrist auslöste (vgl RIS‑Justiz RS0041797). Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt, weil der maßgebliche Entscheidungsgegenstand bislang unerledigt blieb:

1. Die Antragstellerin begehrte - inhaltlich - die Überprüfung der Zulässigkeit des begehrten Hauptmietzinses im Sinn des Kompetenztatbestands des § 37 Abs 1 Z 8 MRG. Mit Angemessenheit des Hauptmietzinses ist dessen Zulässigkeit gemeint (vgl RIS‑Justiz RS0070552). Es geht daher hier - wie offenbar nach Ansicht des Erstgerichts - nicht bloß und allein um die Feststellung des angemessenen Hauptmietzinses (Punkt 1. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses), sondern darum, ob der vereinbarte oder begehrte Hauptmietzins den gesetzlichen Zinsbildungsvorschriften entspricht (vgl RIS‑Justiz RS0069523; 5 Ob 75/04x = immolex 2005/24, 58 = wobl 2005/100, 284 = MietSlg 56.462). Dabei kann, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, der Außerstreitrichter vor die Aufgabe gestellt sein, bei der Feststellung des gesetzeskonformen Hauptmietzinses als Vorfrage auch das wirksame Zustandekommen oder den Inhalt einer Mietzinsvereinbarung zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0069523 [T1]; 5 Ob 208/02b mzN = immolex 2003, 136 [Pfiel] = wobl 2003/192, 359 = MietSlg 55.299; Weixelbraun‑Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 37 MRG Rz 12).

2. Soweit in § 37 Abs 1 Z 8 MRG vom „Hauptmietzins" die Rede ist, ist damit - entgegen der „berichtigten" Fassung des zweitinstanzlichen Sachbeschlusses - der „Netto"hauptmietzins gemeint; dies folgt aus der in § 15 Abs 1 MRG enthaltenen Definition der Mietzinsbestandteile sowie dem in § 16 MRG verwendeten Begriff „Hauptmietzins" in Verbindung mit § 15 Abs 1 Z 1 MRG. Gerade der zwischen den Parteien (konkludent) vereinbarte Nettohauptmietzins ist hier allerdings bislang ungeklärt geblieben, sodass auf der Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen das Rechtsschutzbegehren nicht abschließend beurteilt werden kann.

3. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern und folglich aussagekräftige Feststellungen zur Frage zu treffen haben, welchen Nettohauptmietzins die Parteien (konkludent) vereinbart haben. Darauf aufbauend wird dann zu entscheiden sein, in welchem Ausmaß gegebenenfalls der vereinbarte (Netto‑)Hauptmietzins den gesetzlich zulässigen (hier: angemessenen) (Netto‑)Hauptmietzins überschreitet.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG aF, weil das Verfahren vor dem 1. 1. 2005 - bei der vorgeschalteten Schlichtungsstelle - anhängig wurde (Art 10 § 2 Abs 3 WohnAußStrBeglG; 5 Ob 72/07k).

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