BVwG W136 2199515-1

BVwGW136 2199515-116.3.2020

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2199515.1.00

 

Spruch:

W136 2199506-1/10E

W136 2199520-1/11E

W136 2199515-1/9E

W136 2199524-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , und 4. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 17.05.2018, 1.) Zl. 1096102008-151825434, 2.) Zl. 1096101305-151825507, 3.) Zl. 1096102509-151825809 und 4.) 1096103506-151825876 nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die nunmehrige Erstbeschwerdeführerin reiste mit ihrem Ehemann, dem Zweitbeschwerdeführer, und den beiden gemeinsamen Kindern, dem Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin, alle afghanische Staatsangehörige, in die Republik Österreich ein, wo sie am 19.11.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

2. Bei der Erstbefragung am 20.11.2015 gab die Erstbeschwerdeführerin im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie ihrem zehn Jahre älteren Cousin versprochen gewesen sei, auf dem Weg zur Universität aber einen Mann kennen gelernt habe, den sie lieber heiraten habe wollen. Aus Angst vor ihrer Familie habe sie sich zur Flucht in den Iran entschlossen, wo sie ihren jetzigen Ehemann islamisch geheiratet und rund vier Jahre mit ihm gelebt habe. Sie habe hin und wieder mit ihren Geschwistern telefoniert, ihre Eltern hätten ihr aber nicht verziehen und mit ihr nichts mehr zu tun haben wollen. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat habe sie Angst vor ihrer Familie, die ihrem Mann und ihr nie verzeihen würden. Sie würden ihn hart bestrafen, wenn sie ihn finden.

Der Zweitbeschwerdeführer gab im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er den Bus gefahren sei, der seine (jetzige) Frau jeden Tag zur Universität gebracht habe. Nachdem ihre Freundschaft intensiver geworden sei, hätten sie heiraten wollen. Die Familie seiner Frau habe sie jedoch mit einem zehn Jahre älteren Cousin verheiraten wollen. Da sie diese Ehe nicht gewollt bzw. ihr eine Zwangsheirat gedroht habe, hätten sie beschlossen, ohne Wissen der Familie seiner Ehefrau in den Iran zu flüchten, wo sie geheiratet und ihre Familie gegründet hätten. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen teilte er mit, dass sie islamisch gesehen unerlaubt gehandelt bzw. einen Tabubruch begangen hätten. Aus der Sicht seiner Schwiegerfamilie habe er seine Gattin entführt und würde man ihn bei einer Rückkehr in Afghanistan fertigmachen. Er habe Angst vor ihrem Onkel, der der Stellvertreter des afghanischen Präsidenten sei, und der Familie seiner Frau.

3. Am 22.02.2018 wurden die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi bzw. Dari (der Zweitbeschwerdeführer) niederschriftlich einvernommen.

Die Erstbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie den Sohn ihres Onkels mütterlicherseits heiraten habe sollen. Ihre Mutter habe zu ihr gesagt, dass sie ihn akzeptieren sollte, und dem Onkel zugesagt. Nach einer Verlobungsfeier ohne ihrem Verlobten und dessen Mutter sei sie ein- bis eineinhalb Jahre verlobt gewesen, wobei sich ihr Verlobter immer im Iran aufgehalten habe. Eines Tages sei sie von dessen Mutter aufgesucht und gefragt worden, warum sie deren Sohn akzeptiert hat. Dieser sei nämlich gewalttätig, würde Frauen schlagen und habe seiner Mutter die Hand gebrochen, bevor er in den Iran geflüchtet sei. Ihr Verlobter habe sie aus dem Iran übers Telefon eingeschränkt und ihr gesagt, was sie machen darf und was nicht. Sie habe dann den Fahrer eines Vans kennen gelernt, der sie und andere Studierende von zu Hause bzw. von der Universität abgeholt hat. Anfangs hätten sie sich geschrieben, in der Folge getroffen. Sie hätten etwa sechs Monate etwas zusammen unternommen. Als sie XXXX eines Tages gefragt habe, ob sie mit ihm in den Iran reisen möchte, habe sie zugestimmt. Ein Freund von XXXX habe die Reisepässe, sie habe das Visum und ein Ticket besorgt. Sie sei in den Iran zum Bruder von XXXX gereist und habe von dessen Festnetzanschluss ihren Bruder angerufen. Dadurch habe dieser die Telefonnummer herausbekommen. Daraufhin sei der Bruder ihres (jetzigen) Ehemannes von einem Bekannten ihres Vaters angerufen und darüber informiert worden, dass sein Bruder die Nichte des afghanischen Vizepräsidenten entführt habe, bzw. aufgefordert worden, sie wieder zurückzubringen, da sonst etwas passieren würde. Eine Studienkollegin habe nachfolgend XXXX Bescheid gegeben, dass sich Verwandte nach der Erstbeschwerdeführerin erkundigt hätten. Deshalb sei er sofort über Pakistan in den Iran gereist. Ihre Eltern hätten erfahren, dass sie mit XXXX geflüchtet sei. Wie sie in der Folge von ihrem Vater angezeigt worden sei, 16.000 Dollar und Schmuck von Cousin XXXX in den Iran mitgenommen zu haben, sei der in Afghanistan lebende Bruder ihres Mannes etwa eine Woche im Iran inhaftiert worden. Auch sie sei im Iran von der Polizei als Beschuldigte einvernommen worden. Sie habe die Vorwürfe bestritten. Die Hochzeit mit ihrem Cousin sei für zwei Tage nach ihrer Flucht geplant gewesen. Als ihr Onkel und dessen Sohn von ihrer Flucht in den Iran erfahren hätten, hätten sie ihre Mutter beschuldigt und eine andere Tochter, nämlich XXXX gefordert. Ihr Cousin sei in den Iran zurückgekommen, um nach ihr zu suchen, und sie und XXXX hätten in Isfahan (Iran) geheiratet. Ihr Cousin sei aber von der iranischen Polizei nach Afghanistan abgeschoben worden. Danach seien sie etwa zwei bis drei Jahre in Isfahan gewesen und hätten zwei Kinder bekommen. Dann habe ihr eine Tante väterlicherseits telefonisch mitgeteilt, dass ihr Bruder XXXX getötet wurde und dass die Cousins wieder in den Iran eingereist sind, um nach ihnen zu suchen. Der Cousin habe allen gesagt, wenn er die Erstbeschwerdeführerin nicht erwischt, dann ihre Tochter. Wie sie dann ihre Schwester XXXX angerufen und gesagt habe, dass sie zur Trauerfeier ihres Bruders kommen möchte, habe diese geantwortet, dass ihr Bruder tot, dass die Erstbeschwerdeführerin aber schon vorher für sie und ihre Familie gestorben sei. Abschließend teilte sie mit, dass sie Angst vor ihrem Onkel, dem afghanischen Vizepräsidenten hätten, der sie überall ausfindig machen könnte. Sie sei von ihrem Verwandten bedroht und könnte deswegen nicht zurück. Was sie in Afghanistan gemacht habe, den Geschlechtsverkehr vor der Hochzeit, sei streng verboten. Die Frau würde gesteinigt werden. Auf die Frage, welche Personen nach ihr suchen, zählte sie ihre Eltern, einen Cousin und einen Onkel mütterlicherseits auf. Befragt, warum ihre Eltern nach ihr suchen, erklärte sie, dass ihr Vater sie angezeigt habe, 16.000 Dollar mitgenommen zu haben. Außerdem würde man bestraft werden, wenn man in Afghanistan verlobt ist und flüchtet. Und ihr Onkel mütterlicherseits würde nach ihr suchen, weil sie die Verlobte seines Sohnes sei. Sein Sohn sei jetzt im Iran. Auf die Frage, wieso ihre Schwester die Heirat mit dem Cousin ablehnen habe können, sie aber nicht, erwiderte sie, dass sie die Ehre ihrer Familie verletzt habe, weil sie geflüchtet sei. Außerdem habe ihre Schwester gesagt, dass sie bereit sei, zu sterben, bevor sie ihn heiratet. Sie sei (noch) klein bzw. jung gewesen. Bezüglich Konsequenzen für ihre Schwester, teilte sie mit, dass diese von ihren Eltern beschützt gewesen sei. Die Eltern seien immer unter dem Druck von ihrem Onkel gewesen. Jetzt hätten ihre Eltern aber keinen Kontakt zum Onkel mehr. Auf Nachfrage, wieso sie die Ehe zu ihrem Cousin nicht ablehnen konnte, ihre Schwester aber schon, antwortete sie, dass sie auch eine andere Geschichte hinter sich gehabt habe, zumal sie eine Beziehung und eine Abtreibung gehabt habe. Ihre Schwester habe gemeint, dass sie ihn heiraten muss, weil er das nicht mitbekommen wird. Sie habe Angst gehabt, dass ihre Eltern von der Abtreibung erfahren könnten. Zwei Schwestern seien vom Vater an seine Verwandten gegeben worden und ihre Mutter habe sie an ihre Verwandten geben wollen. Obwohl sie dies verneint habe, habe ihre Mutter ihm trotzdem zugesagt. Sie habe gesagt, dass sie sich umbringen wird, wenn sie ihn heiraten muss, worauf ihre Mutter ihr entgegnet habe, dass sie ihr keine Angst machen kann. Befragt, wieso sie Angst gehabt hat, dass ihre Eltern von der Abtreibung erfahren, wenn sie diesen Mann nicht heiratet, erklärte sie, dass eine Frau vor der Heirat keine Beziehung haben dürfte. Hätten ihre Eltern es erfahren, hätten sie sie umgebracht. Vor ihrem älteren Bruder habe sie auch Angst gehabt. Bis sie nicht verheiratet gewesen sei, hätten ihre Eltern es nicht gewusst. Zu ihren Gründen für ihre Hochzeit mit XXXX teilte sie mit, wie sie ihm ihre Geschichte erzählt habe, habe er gesagt, dass sie ihren Cousin heiraten kann. Dann habe er sie gefragt, ob sie flüchten möchte. Das habe sie gewollt, also habe sie es gemacht. Weiters gab sie an, dass sie bereits in Afghanistan eine sexuelle Beziehung zu XXXX gehabt und dass ihre Mutter die Heirat mit ihrem Cousin gewollt habe. Befragt, ob es für sie ein Problem war, sich so zu kleiden, wie auf dem Foto ihrer Heiratsurkunde, also mit Hijab, gab sie verneinend an, dass es für sie egal sei, ob sie sich anzieht, wie sie jetzt sei, oder wie im Iran mit Hijab. Bezüglich eines Lebens an einem anderen Ort in Afghanistan, etwa in Mazar-e Scharif, erklärte sie, dass sie dort gewesen sei, dass sie aber nicht in anderen Provinzen leben hätten können, weil ihr Cousin oder ihr Onkel sie gefunden hätten. In Mazar hätten alle ihren Vater gekannt. Hinsichtlich einer möglichen Hilfe durch die Polizei gab sie an, dass sie mit ihrer Geschichte selbst Angst bzw. Angst gehabt habe, dass die Polizisten von ihrer damaligen Beziehung erfahren könnten. Zur Frage, wieso sie nach so langer Zeit noch von irgendwem gesucht werden sollte, gab sie an, sie wisse es nicht, würde aber immer noch hören, dass sie auf der Suche nach ihnen seien. Sie habe gehört, dass sie das deswegen machen würden, weil ihr Vater reich sei. Es sei eine Feindschaft mit ihrem Vater. Ihre Schwester habe zu ihr gesagt, dass der Onkel mütterlicherseits gesagt hat, dass ihr Cousin sie heiraten soll, damit er sich rächen kann. Es habe auch einen Grundstücksstreit gegeben. Auf Nachfrage erklärte sie, dass ihr Onkel mütterlicherseits nach ihr suchen würde. Der Politiker vielleicht auch, um ihrem Vater zu helfen. Durch diese Beziehung habe ihr Vater versucht, sie in Afghanistan ausfindig zu machen. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen teilte sie mit, dass sie Angst vor ihrem Onkel, vor ihren Eltern, vor der Polizei, vor Daesh und den Taliban habe. Bezüglich der Polizei fürchte sie, dass sie vom Onkel mütterlicherseits angezeigt wird, weil sie nicht mehr Jungfrau sei. Ihr Vater sei Analphabet und sehr traditionell eingestellt, sein Wunsch sei aber gewesen, dass jedes seiner Kinder eine Ausbildung machen kann. Auf Hinweis, dass studierende Frauen nicht üblich seien, erwiderte sie, dass sie im Iran geboren und etwas anders eingestellt seien. Sie hätten studieren können, aber nicht für sich selber entscheiden dürfen. Ihre Schwester XXXX habe ihren Verlobten auch nicht geheiratet, weil sie nicht einverstanden gewesen sei. Ihr Bruder habe sich scheiden lassen, weil er mit seiner Frau nicht einverstanden gewesen sei bzw. sich mit ihr nicht (mehr) verstanden habe. Zu einer allfälligen Einschränkung ihrer Rechte in Afghanistan berichtete sie, dass es in ihrer Heimat keine Gleichberechtigung von Frauen und Männern geben würde und dass Frauen keinen Wert hätten. Sie habe die Burka tragen müssen und das Haus als Frau nicht verlassen können. Sie habe zwar die Schule besuchen dürfen, danach aber sofort wieder nach Hause zurückkehren müssen. Weiters habe sie in Afghanistan nicht die Freiheit arbeiten zu gehen bzw. sich anzuziehen, wie sie möchte. Sie habe Burka tragen müssen, obwohl sie in die Universität gebracht worden sei. Befragt, ob die anderen Studentinnen auch alle Burka getragen hätten, erwiderte sie, manche schon, manche nicht. Manche hätten das Gesicht verschleiert. Ferner habe sie in Afghanistan als Frau nicht arbeiten gehen können und keine Freiheit gehabt. Manche Frauen würden auch verfolgt werden. Zudem könnte man als Frau keine voreheliche Beziehung haben. Darauf hingewiesen, dass ihre Schwester in Afghanistan arbeiten würde, entgegnete sie, dass sie verheiratet und ihr Mann vielleicht damit einverstanden sei. Auf die Frage, ob ihr Mann ihr erlauben würde, in der Heimat zu arbeiten, antwortete sie, sie glaube nicht. Sie wisse es aber nicht.

Der Zweitbeschwerdeführer brachte zu seinen Fluchtgründen zusammenfassend im Wesentlichen vor, dass er als Van Fahrer Studenten zur Universität und nach Hause gebracht habe. Dabei habe er seine Frau kennengelernt. Sie hätten einige Zeit telefonischen Kontakt gehabt und sich nach ein oder zwei Monaten getroffen. Die Erstbeschwerdeführerin habe ihm mitgeteilt, dass sie gezwungen sei, jemand zu heiraten, den sie nicht möchte. Sie habe erklärt, dass sie dann Selbstmord begehen würde und er schuld sei, weil er sie nicht unterstützt. Sie sei unter Druck gewesen. Er habe dann gesagt, dass sie flüchten können. Daraufhin habe sie ihm die Tazkira gebracht und er habe die Pässe besorgt. Seine Frau habe erst beim zweiten Versuch ein Visum bekommen. Er habe als lediger Mann kein Visum bekommen und sei in Mazar geblieben. Im Iran habe seine Frau ihre Angehörigen vom Haus seines Bruders angerufen. Die Person, mit der ihr Vater gesprochen habe, habe in der Nähe seines Bruders gewohnt. Diese habe seinem Bruder mitgeteilt, dass der Zweitbeschwerdeführer eine Angehörige des Ministers entführt habe. Als ihm dann eine Freundin seiner Frau berichtet habe, dass nach ihr gesucht wird, habe er sich zur Flucht in den Iran entschieden. Er sei schließlich zu seiner Mutter und seiner Schwester nach Zawara gekommen, wo dann die Trauung stattgefunden habe. Sein Schwiegervater habe ihn angezeigt und gesagt, dass er mit seiner Tochter geflüchtet bzw. schuld an ihrer Flucht sei. Sein Bruder sei in Haft genommen und jeden Tag einvernommen worden. Der Bruder habe gesagt, dass er den Aufenthaltsort des Zweitbeschwerdeführers nicht kennen würde. Sein Bruder sei beschuldigt worden, ihnen die Flucht organisiert zu haben. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen teilte er mit, dass er Angst vor seinen Schwiegereltern, vor dem Bruder seiner Frau und vor ihrem Verlobten XXXX habe. Außerdem hätten sie als Verwandte eines großen Politikers Angst vor den Taliban und anderen Gruppierungen. Der Verlobte seiner Frau würde ihn umbringen, sollte dieser ihn erwischen.

4. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde bezüglich der Erstbeschwerdeführerin insbesondere fest, dass es wenig plausibel erscheinen würde, dass XXXX lediglich der Schwester der Erstbeschwerdeführerin von der Abtreibung berichtet hat, nicht aber ihren Eltern, wenn er ihr tatsächlich damit Schaden zufügen hätte wollen. Weiters wäre es naheliegend, dass die Familie von XXXX die Abtreibung als Druckmittel gegen ihre Familie verwendet hätte, einer Ehe mit ihm zuzustimmen, wenn eine solche tatsächlich durchgeführt worden wäre. Hinsichtlich einer Anzeige durch ihren Onkel mütterlicherseits habe sie keine näheren Angaben machen können. Bezüglich dessen Kenntnis von einem vorehelichen Geschlechtsverkehr habe sie lediglich erklärt, dies nicht zu wissen. Ferner habe sie ihr Fluchtvorbringen in der Einvernahme massiv gesteigert. Sie habe in der Erstbefragung nämlich weder die Beziehung vor ihrem jetzigen Ehemann, noch die Anzeige gegen ihre Person in Afghanistan erwähnt. Zudem sei es wenig plausibel, dass gerade die Erstbeschwerdeführerin (zwangsweise) verheiratet werden sollte, während ihre Schwester eine derartige Heirat jedoch einfach und ohne Konsequenzen ablehnen konnte. Sie habe eine konkrete Begründung, weshalb gerade sie als einzige Tochter ihres Vaters gezwungen gewesen sei, einen Mann zu heiraten, den sie nicht gewollt hat, nicht geben können. Aus ihren Angaben würde vielmehr hervorgehen, dass ihre Familie eine eher offene Einstellung gehabt hat und als weniger traditionell angesehen werden kann. Jedes Kind habe eine Ausbildung machen können und ihre Familie sei bezüglich der Eheschließungen sehr tolerant und offen gewesen. Ihre Schwester XXXX habe ihren Verlobten nicht heiraten müssen, ihre Schwester XXXX habe die Heirat mit ihrem Cousin ablehnen und ihr Bruder habe sich scheiden lassen können. Dass sie als einzige in ihrer Familie zu einer Heirat gezwungen worden wäre, würde nicht nachvollziehbar erscheinen und sei daher nicht als glaubhaft anzusehen. Ebenso wenig sei es nachvollziehbar, dass ihr Cousin mehrere Jahre gewartet hat, bevor er sich wieder auf die Suche nach ihr gemacht hat. Während ihres rund vierjährigen Aufenthalts im Iran sei es jedenfalls zu keiner persönlichen Bedrohung bzw. Gewaltanwendung ihr bzw. ihrem Gatten gegenüber gekommen. Schließlich hätte sie ihre Schwester XXXX nie angerufen und den Wunsch geäußert, zur Trauerfeier ihres Bruders zu kommen, wenn sie tatsächlich verfolgt worden wäre bzw. scheint es wenig plausibel, dass ihre Familie nach ihr sucht, wenn sie nach Aussagen ihrer Schwester für diese "gestorben" sei. Abschließend sei aus ihren Angaben auch nicht hervorgegangen, dass sie seit ihrer Einreise in Österreich eine "westliche" Lebensführung und damit eine Lebensweise angenommen hat, welche einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde.

Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers wird zusammenfassend im Wesentlichen ausgeführt, dass die von ihm vorgebrachte Verfolgung aus der von seiner Gattin in deren Verfahren angegebenen drohenden Zwangsheirat resultieren würde. Diese habe die ihr drohende Zwangsheirat in Afghanistan jedoch nicht glaubhaft vorbringen können. Deshalb sei die von ihm vorgetragene Verfolgung nicht als glaubhaft zu werten gewesen.

Hinsichtlich der Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz wurde ausgeführt, dass den Beschwerdeführern aufgrund ihres Alters, ihrer sozialen Anknüpfungspunkte, ihrer Sprachkenntnisse und auch aufgrund ihres Gesundheitszustandes zugemutet werden könnte, für ihren Lebensunterhalt in Afghanistan zu sorgen. In einer Gesamtbetrachtung sei davon auszugehen, dass keine reale Gefahr im Fall ihrer Rückkehr und auch keine sonstigen, schwerwiegenden Hinderungsgründe einer Rückkehr gegeben seien und auch keine Gründe vorliegen, welche zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen könnten.

5. Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein.

Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde fast ausschließlich aus selektiven Zitaten aus den Protokollen der Einvernahmen und aus Textbausteinen bestehen würde. Einen erkennbaren Begründungswert hätten die Feststellungen des Bundesamtes nicht, zumal die Behörde scheinbar einen großen Teil der Aussagen der Erstbeschwerdeführerin nicht zur Kenntnis nehmen, sondern nur in tendenziöser Weise jene Aussagen der Entscheidung zugrunde legen würde, die deren Argumentation zuträglich seien. Weiters wird eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zitiert, in welcher festgestellt wird, dass Widersprüche aus unterschiedlichen Angaben in der Erstbefragung und in der Einvernahme nicht geeignet sind, dem Beschwerdeführer ausschließlich aus diesem Grund die Glaubwürdigkeit gänzlich abzusprechen (BVwG vom 24.09.2014, W228 1433746-1). Da die Behörde zu Spruchpunkt I. lediglich vollkommen unzureichend ausgeführt habe, dass sie in dem in der Beweiswürdigung dargestellten Umfang die Angaben als unwahr erachten würde, würde sie in unerträglicher Form der oben zitierten Entscheidung widersprechen. Die Behörde würde sich inhaltlich mit den einzelnen Fluchtgründen der Beschwerdeführer auch überhaupt nicht auseinandersetzen. Unabhängig davon würde es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau handeln, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich titulierten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert sei. Bei ihr würde das dargestellte Verfolgungsrisiko in ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der an dem westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen liegen. Sie würde bei einer Rückkehr in ihre Heimat als westlich orientierte Frau mit hoher Wahrscheinlichkeit Eingriffen von erheblicher Intensität ausgesetzt sein.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 28.06.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Schreiben vom 29.10.2019 wurden die Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.11.2019 geladen.

Am 21.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari mit den beschwerdeführenden Parteien und deren Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführenden Parteien im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführer sind afghanische bzw. iranische (die Viertbeschwerdeführerin) Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Hazara an und sind Schiiten. Die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer sind miteinander verheiratet und die Eltern des mj. Dritt- bzw. der mj. Viertbeschwerdeführerin.

1.2. Zur Person der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers, zu ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und zu ihrer Ausreise aus Afghanistan:

Die Erstbeschwerdeführerin ist in XXXX , im Iran geboren sowie aufgewachsen und hat dort bis zur sechsten Klasse die Schule besucht. Ab der siebenten Klasse hat sie den Unterricht bis zur zwölften Klasse in einer Schule in Afghanistan bekommen. Danach hat sie zwei Jahre die Universität in Mazar-e-Sharif besucht.

Der Zweitbeschwerdeführer ist im Dorf XXXX , Distrikt Tukzar, in der Provinz Sara-e Pol geboren und aufgewachsen, hat die Schule nur bis zur zweiten Klasse besucht, weil danach die Taliban an die Macht gekommen sind und er dann keine Schule mehr besucht hat. Mit 14 Jahren ist er in den Iran gezogen, bis er im Jahr 2009/2010 nach Afghanistan abgeschoben wurde. Nach rund einem Jahr ist er neuerlich in den Iran gezogen. Er hat in seiner Heimat als Taxifahrer und im Iran in einer Landwirtschaft bzw. als Hirte und zuletzt in einer Fabrik für medizinisches Nahtmaterial gearbeitet. Weiters hat er in einer Fabrik für Baumaterialien und auch als Schweißer gearbeitet.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben im Iran geheiratet. Der Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin kamen am XXXX bzw. am XXXX im Iran zur Welt.

Die Eltern und die fünf Geschwister der Erstbeschwerdeführerin leben in Kabul. Ein Onkel väterlicherseits, zwei Onkel mütterlicherseits und eine Tante väterlicherseits leben in Kabul bzw. in XXXX . Ein Onkel mütterlicherseits, zwei Tanten väterlicherseits und drei Tanten mütterlicherseits leben im Iran. Die Mutter und ein Bruder des Zweitbeschwerdeführers leben im Iran. Ein Bruder, eine Schwester, sein Stiefonkel väterlicherseits und zwei Onkel mütterlicherseits leben in Mazar-e Sharif. Ein Bruder lebt in Frankreich.

Die Beschwerdeführer sind gesund.

1.3. Zum Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die Beschwerdeführer befinden sich seit ihrer Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Die Beschwerdeführer beziehen seither regelmäßig Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Die Erstbeschwerdeführerin kümmert sich gemeinsam mit ihrem Ehemann um den Haushalt bzw. ihre beiden Kleinkinder (fünf und sechseinhalb Jahre alt) und hat seit 01.11.2019 eine berufliche Tätigkeit aufgenommen. Davor hat sie seit August 2018 ein- bis dreimal pro Woche in einem Altersheim ausgeholfen. Die Erstbeschwerdeführerin spricht nur gebrochen Deutsch (vgl. Verhandlung vom 21.11.2019). Der Zweitbeschwerdeführer kann sich auf Deutsch ganz gut verständigen.

Die Beschwerdeführer waren bisher nicht erwerbstätig.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.4. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Den Beschwerdeführern droht bei einer Rückkehr keine Verfolgung aufgrund ehrverletzenden Verhaltens in Form ihrer Verehelichung (insbesondere durch die Eltern der Erstbeschwerdeführerin oder ihren, in höherer Staatsfunktion tätigen Onkel). Den Beschwerdeführern droht auch keine Verfolgung durch den Onkel mütterlicherseits bzw. den Cousin der Erstbeschwerdeführerin, den sie heiraten hätte sollen. Ebenso droht ihnen keine Verfolgung durch die afghanische Polizei, durch die Taliban, durch den Islamischen Staat/Daesh oder eine andere Gruppierung.

Der Erstbeschwerdeführerin droht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine geschlechtsspezifische Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe "westlich-orientierter Frauen". Weiters ist weder die Erstbeschwerdeführerin auf Grund der Tatsache, dass sie sich mehrere Jahre in Europa aufgehalten und hier eine "westliche Wertehaltung" kennengelernt hat, noch ist jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan allein aus diesem Grund zwangsläufig physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Die Beschwerdeführer konnten nicht glaubhaft machen, dass ihnen im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat aufgrund ihrer individuellen Situation im Zusammenhang mit der Lage in ihrer Herkunftsregion ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK) droht.

1.5. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Eine Rückkehr der Beschwerdeführer etwa in ihre Herkunftsstadt Mazar-e Sharif oder auch die Stadt Herat ist möglich und zumutbar.

Die Erstbeschwerdeführerin ist im Iran und anschließend in Mazar-e Sharif und der Zweitbeschwerdeführer ist in Sare Pol und ab seinem vierzehnten Lebensjahr im Iran aufgewachsen, sie haben dort, also in islamisch geprägten Ländern ihre Sozialisation erfahren und der Zweitbeschwerdeführer hat dort insbesondere in einer Landwirtschaft bzw. in einer Fabrik gearbeitet. Die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer haben noch familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, die Familie der Erstbeschwerdeführerin ist von Mazar-e Sharif nach Kabul gezogen und Geschwister des Zweitbeschwerdeführers leben nun in Mazar-e Sharif. Da der Zweitbeschwerdeführer über umfassende und vielfältige Berufserfahrungen verfügt, ihre finanzielle Situation scheint daher gesichert zu sein.

Die finanzielle Lage insbesondere der Familie der Erstbeschwerdeführerin ist sehr gut, auch die erwachsenen Schwestern der Erstbeschwerdeführerin sind hochgebildet und verfügen über eine universitäre Ausbildung, eine ist Juristin, eine Ärztin.

Die Beschwerdeführer sind jung, gesund und der Zweitbeschwerdeführer hat langjährige Erfahrungen auf dem landwirtschaftlichen Sektor, als Hirte, als Fabrikarbeiter und als Schweißer, zudem hat er schon als Taxifahrer gearbeitet, es ist daher kein Grund ersichtlich, warum eine Wiederansiedlung in ihrer Heimat nicht möglich sein sollte. Auch ihre beiden Kinder, die jetzt sechseinhalb, bzw. fast fünf Jahre alt sind, sind gesund, es ist kein Grund ersichtlich, warum sie nicht gemeinsam mit ihren Eltern etwa in Herat leben könnten, auch wenn der Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin im Iran geboren wurden.

Insbesondere wurden auch keine Faktoren glaubhaft gemacht und haben sich solche auch sonst im Verfahren nicht ergeben, die eine Gefahrenverdichtung in den Personen des Dritt- bzw. der Viertbeschwerdeführerin aufgrund ihrer Minderjährigkeit darstellen. Es besteht für sie aufgrund ihrer Minderjährigkeit insbesondere keine erhöhte Gefahr, zivile Opfer von Angriffen Aufständischer oder sonstiger Auseinandersetzungen zu werden. Es ergaben sich im Hinblick auf die familiäre Situation auch keine Hinweise, dass die zwei minderjährigen Kinder der beiden Beschwerdeführer Gefahr laufen würden, Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Kinderarbeit zu werden.

Der Zweitbeschwerdeführer konnten auch bisher durch seine berufliche Tätigkeit in Afghanistan seinen Lebensunterhalt bestreiten und ist kein Grund ersichtlich, weshalb er nicht auch für seine Frau und seine beiden Kinder zumindest vorübergehend sorgen könnte. Die Erstbeschwerdeführerin ist mit zwölf Jahren Schulausbildung und zweijährigem Universitätsbesuch eine für afghanische Verhältnisse hochgebildete Frau, die nach ihren Angaben immerhin möchte auch eine berufliche Tätigkeit ausüben möchte. Ihnen wäre daher der (Wieder)Aufbau einer Existenzgrundlage etwa in der Heimatstadt Mazar- e Sharif oder Herat möglich, zumal sie in ihrer Heimat noch ausreichenden familiären Anschluss haben. Die Beschwerdeführer hätten zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Ebenso ist kein Grund ersichtlich, wieso Angehörigen der Erst- bzw. des Zweitbeschwerdeführers sie und ihre Familie nicht auch aus dem Iran unterstützen könnten.

1.6. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung wurden den Parteien aktuelle Länderfeststellungen zur Lage in AFGHANISTAN zur Kenntnis gebracht und im Folgenden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt.

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen bis 13.11.2019:

Allgemeines:

Zur Herkunftsprovinz der Beschwerdeführer:

Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.04.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019 - 20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.01.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 05.012.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.03.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 09.01.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 01.09.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 06.05.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.03.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban, die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.08.2019). Einem UN-Bericht zufolge gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 01.02.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.02.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.04.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.09.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

[...] Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.02.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten sechs Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.07.2019).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.02.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.06.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.09.2019; vgl KP 29.08.2019, KP 31.08.2019, KP 09.09.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.01.2019; vgl. KP 09.09.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 09.01.2019; vgl. TN 10.01.2019), Chemtal (TN 11.09.2018; vgl. TN 06.07.2018), Dawlatabad (PAJ 03.09.2018; vgl. RFE/RL 04.09.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.04.2019) an.

Berichten zufolge errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.08.2019; vgl. 10.08.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.08.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 01.01. - 31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.01.2019). Im Zeitraum 01.01. - 30.06.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.08.2019). Im Zeitraum 01.01. - 31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter 1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.01.2019). Im Zeitraum 01.01. - 30.06.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab, sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.08.2019).

Frauen

Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft (BFA Staatendokumentation 4.2018). Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 23.3.2016). Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Trotzdem gilt Afghanistan weiterhin als eines der gefährlichsten Länder für Frauen weltweit (AF 13.12.2017). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was großteils aus der Talibanzeit stammenden unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AF 13.12.2017). Viel hat sich dennoch seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5 .2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5 .2018).

Bildung

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 2017). Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).

In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017).

Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017).

Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit

16.049 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon 77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017).

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vgl. MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).

Berufstätigkeit

Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5 .2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o.D.).

Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. LobeLog 15.11.2017). Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MENA FN 19.12.2017).

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent (BFA Staatendokumentation 4.2018) und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht (BFA Staatendokumentation; vgl. IWPR 18.4.2017). Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WB 28.8.2017).

Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 20.4.2018).

Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WD 21.12.2017). Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sindkeine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind (BFA Staatendokumentation 4.2018). In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. YM 11.12.2017). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden (BFA Staatendokumentation; vgl. USAID 26.9.2017). In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019 (BFA Staatendokumentation; vgl. AKDN 26.7.2017). In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist und in deren Filiale sogar ein eigener Spielbereich für Kinder eingerichtet wurde (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. GABV 26.7.2017).

Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NZZ 23.4.2017). Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WD 21.12.2017). Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NZZ 23.4.2017).

Politische Partizipation und Öffentlichkeit

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018 (AA 5 .2018). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UNW o.D.). Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt (APA 5.12.2017). Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen. Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen (USDOS 20.4.2018).

Zusammenfassung einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: "Afghanistan - Frauen in urbanen Zentren" vom 18.09.2017 sowie European Asylum Support Office, Individuals targeted under social and legal norms, Pkt. 3.2.:

Kleidungsvorschriften

Generell umfasst Frauenkleidung in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung - diese unterscheiden sich je nach Bevölkerungsgruppe. Während Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat häufig den sogenannten "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel, mit verschieden Arten der Kopfbedeckung, bleiben konservativere Arten der Verschleierung, wie der Chador und die Burka (in Afghanistan chadri genannt) weiterhin, auch in urbanen Gebieten, vertreten. Es herrschen weiterhin Debatten über die angemessenste Art der Bekleidung von Frauen, vor allem auch darüber was letztendlich eine richtige "islamische" Körper- oder Kopfbedeckung darstellt. Die Vorstellungen, wie Frauen sich in der Öffentlichkeit zeigen sollen bzw. dürfen unterscheiden sich oft erheblich, je nach der Herkunft, Geschlecht und Bildungsstand der Befragten.

Der jährliche Bericht zu Afghanistan der Asia Foundation - einer internationalen Entwicklungs-NGO mit Sitz in San Francisco - beinhaltet auch eine Umfrage zum Thema Verschleierung und angemessener Kleidung von Frauen in der Öffentlichkeit. Im Jahr 2016 wurden 12,658 Afghaninnen und Afghanen zu verschieden Möglichkeiten der Kopf- und Körperbedeckung befragt. Nur 1.1% der Befragten fanden, dass es für eine Frau angemessen sei sich völlig unverschleiert in der Öffentlichkeit zu zeigen. Dagegen fanden 38% der befragten Männer und 30% der befragten Frauen, dass die Burka die angemessenste Form der Körperbedeckung für Frauen in der Öffentlichkeit sei. In den Antworten war jedoch ein starkes Gefälle in der Präferenz der Burka bei Befragten aus ländlichen und städtischen Gebieten zu verorten. Während 38,5% der Befragten aus ländlichen Gegenden die Burka bevorzugten, taten dies nur 20,3% der Befragten aus Städten. Ethnische Zugehörigkeit, sowie Bildung spielten ebenfalls eine erhebliche Rolle in der Bevorzugung und Akzeptanz der jeweiligen Kopf- bzw. Körperbedeckung. So bevorzugen Paschtunen die Burka, während Hazara zu weniger strengen Formen der Kopfbedeckung tendierten.

Auch Frauen in Kabul kleiden sich traditionell oder bescheiden (engl. "modestly") zur Vermeidung von Belästigungen.

Bewegungsfreiheit

Während Frauen in Afghanistan grundsätzlich einen männlichen Begleiter, Kollegen oder Bewacher benötigen, welcher sie außerhalb des Hauses begleitet, gilt dies nicht für die Großstädte Herat, Mazar und Kabul.

Beschäftigungsmöglichkeiten und Freizeitmöglichkeiten

Afghanische Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif in einer Vielzahl beruflicher Felder aktiv. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen, usw. Es bestehen mannigfaltigen Schwierigkeiten, mit denen Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Berufswelt zu kämpfen haben. Diese reichen von Diskriminierung in der Rekrutierung und im Gehalt, über Schikane und Drohungen bis zur sexuellen Belästigung. Während es Frauen der afghanischen Elite seit dem Ende der Taliban-Herrschaft zuweilen möglich war eine Reihe erfolgreicher Unternehmen aufzubauen, mussten viele dieser Neugründungen seit dem Einsturz der afghanischen Wirtschaft 2014 wieder schließen. Frauen der Mittel- und Unterschicht kämpfen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt und Lohnungleichheit. Dazu müssen Frauen unverhältnismäßig oft unbezahlte Arbeit leisten. Die letzten Jahre sahen einen steigenden Druck auf Frauen in der Arbeitswelt und eine zunehmende Abneigung gegenüber Frauen im Beruf, vor allem in konservativen Kreisen. Trotzdem finden sich viele Beispiele erfolgreicher junger Frauen in den verschiedensten Berufen.

Was die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für Frauen in afghanischen Städten betrifft, so gibt es auch hier, eine Vielzahl von Beispielen: So existiert etwa "Familienkino", das in Kabul zu bestimmten Tageszeiten Vorstellungen ausschließlich für Frauen anbietet. Es gibt auch einen sogenannten "Frauen-Garten" in Kabul - ein öffentlicher Park für Frauen mit verschiedenen Unterhaltungs-, Bildungs- und Sportmöglichkeiten. Der Garten, der sich über 13 Hektar Land streckt und vom Frauenministerium verwaltet wird, erlebt täglich einen großen Ansturm, vor allem am Wochenende. Er wurde nach der Taliban-Herrschaft durch finanzielle Unterstützung des US Entwicklungsministeriums und mit Hilfe von mehr als 600 afghanischen Arbeiterinnen und Arbeitern (großteils Frauen aus armen Verhältnissen) wiederaufgebaut. Neben den Gartenanlagen zählt auch ein Fitnesscenter, Buchgeschäft und Internetlokal zu den Einrichtungen des Gartens. Frauen können dort Computer benutzen und kostenfrei Sprachkurse belegen. Außerdem wird der Garten 24 Stunden/Tag von einem Sicherheitsteam bewacht.

Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 zur Lage in Herat-Stadt und in Mazar-e Sharif auf Grund anhaltender Dürre (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

"1. Wie wirkt sich diese Dürre auf die Versorgungslage der Bevölkerung im Hinblick auf die Wasserversorgung sowie auf die Versorgung mit Lebensmitteln in den Städten Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) und Herat (Hauptstadt der Provinz Herat) aus?

[...]

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass es im Umland von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, zu Wasserknappheit und einer unzureichenden Wasserversorgung kommt. Über die Situation in Mazar-e-Sharif selbst wird nicht berichtet. Zur Wasserversorgung in der Provinz Herat konnte ein Bericht gefunden werden, demzufolge Zahlungen an die Wasserversorgungsanstalt in der Höhe von 208 Mio. Afghanis ausstehen. Aufgrund der ausstehenden Zahlungen musste die Wasseranstalt Infrastrukturprojekte verschieben. Über die konkrete Versorgungslage in Herat-Stadt wurde nicht berichtet.

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte in Afghanistan dieses Jahr deutlich geringer ausfallen als in den vergangenen Jahren. Gemäß einer Quelle lagen die Getreidepreise auf den Märkten in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund guter Ernten im Iran und Pakistan im Mai 2018 dennoch nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.

Wie den nachfolgend zitierten Quellen weiters zu entnehmen ist, verfügen momentan 45 Prozent der afghanischen Bevölkerung über keinen gesicherten Zugang zu Lebensmitteln.

Einzelquellen:

Gemäß einem Bericht der afghanischen Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News klagen Einwohnerinnen und Regierungsvertreter aus den Bezirken Balkh, Nahar Shahi, Marmal, Khelm und Khas Balkh im Umkreis von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, über Wasserknappheit und unzureichende Wasserversorgung. Landwirte aus dem Bezirk Marmal haben aufgrund der Dürre keine Nutzpflanzen angebaut.

[...]

Pajhwok Afghan News berichtet, dass Bewohnerinnen und Bewohner der Provinz Herat der afghanischen Wasserversorgungsanstalt 208 Mio. Afghanis schulden. Ein Vertreter der Wasserversorgungsanstalt gab bekannt, dass aufgrund der offenen Rechnungen Projekte zur Entwicklung der Infrastruktur nicht umgesetzt werden konnten. Neben den unbezahlten Rechnungen nannte der Vertreter veraltete Kanalsysteme und einen Mangel an Spezialwerkzeugen zum Auffinden und Reparieren von undichten Stellen als ein Hauptproblem der Wasserversorgungsanstalt.

[...]

Gemäß einem Bericht des Famine Early Warning Systems Network (FEWS-NET) wird Afghanistan dieses Jahr rund zwei bis 2,5 Mio. Tonnen an Getreide importieren müssen, um seinen Bedarf zu decken. Das sind rund zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Da die Getreideernte im Iran und Pakistan voraussichtlich gut sein wird, sollte dieses Defizit durch konventionelle marktwirtschaftliche Kanäle ausgeglichen werden können. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Märkten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt, als auch Mazar-e-Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2017.

[...]

Gemäß dem Nachrichtenportal TOLO-News berichtet die afghanische Statistikorganisation, dass es rund 45 Prozent der afghanischen Bevölkerung an einem gesicherten Zugang zu Lebensmitteln mangelt. Das World Food Program warnt, dass sich die Versorgungslage aufgrund der anhaltenden Dürre weiter verschlechtern wird.

[...]

2. Gibt es bedingt durch diese Dürre in den Provinzen Balkh und Herat eine Landflucht in die Provinzhauptstädte?

[...]

Zusammenfassung:

Gemäß den nachfolgend zitierten Quellen kann davon ausgegangen werden, dass von Mai bis Mitte August rund 12.000 Familien, unter anderem aufgrund der Dürre, aus den Provinzen Badghis und Ghor nach Herat-Stadt geflohen sind. Zur Lage in Mazar-e-Sharif wurde nichts berichtet.

Einzelquellen:

Gemäß dem Protokoll einer Sitzung des Humanitarian Regional Teams (HRT) von OCHA am 14.8.2018 leben rund 12.000 Familien in behelfsmäßigen Zelten im Westen von Herat-Stadt und sind damit den Elementen ausgesetzt. Sie sind aufgrund der Dürre, den Konflikten und anderen Gründen aus ihren Heimatorten geflohen.

[...]

OCHA berichtet, dass die Auswirkungen der Dürre am Rand von Herat-Stadt momentan am sichtbarsten sind. Erste Familien kamen im Mai aus den Nachbarprovinzen Badghis und Ghor an und errichteten behelfsmäßige Zelte entlang der Straße nach Qala-e-Naw, Badghis. Ihre Anzahl ist inzwischen auf 7.400 gestiegen, oder mehr als 50.000 Personen.

[...]

3. Falls ja,

a. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Möglichkeit der Wohnraumbeschaffung für Neuansiedler in diesen Städten aus?

[...]

Zusammenfassung:

Gemäß den nachfolgend zitierten Quellen handelt es sich bei den Personen, welche vor der Dürre nach Herat-Stadt geflohen sind, um Personen, die ihren gesamten Besitz verloren haben. Sie leben in behelfsmäßigen Zelten in den armen Gegenden am westlichen Stadtrand von Herat. Über den Wohnungsmarkt oder auch Versuche dieser Personen, erschwinglichen Wohnraum in Herat-Stadt zu finden, konnten keine Berichte gefunden werden.

Einzelquellen:

Gemäß einem Bericht des Afghanistan Analysts Network (AAN) haben 1.760 Familien Zelte erhalten, andere leben in behelfsmäßigen Unterständen. Die Betroffenen berichten, dass sie von Brot und Wasser leben, da ihnen die Mittel für Reis oder Fleisch fehlen. AAN berichtet weiters, dass Familien, welche in den Behelfsunterkünften leben, nicht in ihre Herkunftsorte zurückkehren wollen. Sie haben ihre informellen Siedlungen in den ärmsten Gebieten von Herat-Stadt errichtet.

[...]

TOLO-News berichtet, dass die Mehrheit der von der Dürre betroffenen Bewohner der informellen Siedlungen Landwirte sind, welche ihren gesamten Besitz verloren haben.

[...]

b. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler in diesen Städten aus?

[...]

Zusammenfassung:

Der nachfolgend zitierten Quelle kann entnommen werden, dass die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 rund 17 Prozent unter dem Fünfjahresdurchschnitt lagen. Damit steht die Lohnentwicklung in Herat-Stadt im Kontrast zu Entwicklungen in anderen urbanen Zentren Afghanistans. In Mazar-e-Sharif lagen die Löhne für Gelegenheitsarbeit im Mai 2018 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.

Einzelquellen:

Gemäß einem Bericht von FEWS-NET sind die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 gegenüber dem Vorjahr und im Fünfjahresdurchschnitt um rund 17 Prozent gesunken. In Mazar-e-Sharif lagen sie dagegen 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.

[...]

4. Gibt es staatliche oder internationale Hilfsmaßnahmen für die in den Dürregebieten lebenden Personen?

[...]

Zusammenfassung:

Gemäß mehreren Berichten gibt es insbesondere von internationaler Seite Hilfe für die von der Dürre betroffenen Personen. Das Humanitarian Country Team (HCT) der UN hat den Humanitarian Response Plan (HRP) für 2018 aufgrund der anhaltenden Dürre aktualisiert. Dementsprechend benötigt Afghanistan in diesem Jahr rund 547 Mio. Dollar an Hilfsgeldern, wobei Ende Juli rund ein Drittel dieses Plans finanziert war. Bislang hat OCHA an die von der Dürre betroffene Bevölkerung unter anderem Trinkwasser und Nahrungsmittel verteilt. Weiters erhielten Betroffene auch Geld, über welches sie selbst verfügen können. In jenen Zentren, in denen sich von der Dürre Geflohene ansiedelten (Herat-Stadt, Qala-e-Naw und Chaghcharan) wurden unter anderem auch Zelte verteilt.

Das World Food Programme (WFP) gab Ende Juli an, über 400.000 Personen in den von der

Dürre betroffenen Provinzen Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jowzjan mit Nahrungsmittelsoforthilfe unterstützen zu wollen. Australien sagte eine Zahlung von 3,6 Mio. Dollar an das WFP zu. Auf Betreiben der WHO sind in Herat mobile Gesundheitsteams im Einsatz.

Die afghanische Regierung verteilte in Chaghcharan, Provinz Ghor, Getreide an 155.000 Familien.

Einzelquellen:

Gemäß Reliefweb hat das Humanitarian Country Team (HCT) der UN für Afghanistan den Humanitarian Response Plan (HRP) für 2018 aufgrund der anhaltenden Dürre aktualisiert. Entsprechend dem neuen HRP benötigt Afghanistan 117 Mio. Dollar mehr als ursprünglich geplant und somit insgesamt 547 Mio. Dollar. Momentan ist dieser Plan zu 29 Prozent finanziert.

[...]

Gemäß AAN kündigte das World Food Programme (WFP) am 24.07.2018 an, 441.000 Personen in den von der Dürre betroffenen Provinzen Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jowzjan mit Nahrungsmitteln versorgen zu wollen. Ein Vertreter der Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA) in Kabul gab an, dass aufgrund der anhaltenden Dürre der nationale Notstand ausgerufen werden müsste. Bislang ist dies allerdings nicht geschehen. AAN kritisiert, dass die Regierung nicht auf die Frühwarnungen des Famine Early Warning System (FEW) reagiert hat und die ANDMA, welche hierfür zuständig wäre, bislang untätig blieb. Die Central Statistics Organization führt derzeit unter anderem mit dem WFP eine Evaluierung der bisherigen Maßnahmen für die von der Dürre betroffenen Regionen durch.

[...]

USAID berichtet, dass USAID bzw. Food for Peace (FFP) 975.000 Dollar bereitgestellt hat, um rund 3.000 Haushalte mit unsicherer Ernährungslage im Juli und August in Zentralafghanistan zu unterstützen. Des Weiteren spendete USAID/FFP Spezialnahrung für rund 54.300 Kinder, die im Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018 von akuter Mangelernährung betroffen waren. Im April stellte das World Food Programme, ein Partner von USAID/FFP, Lebensmittel für rund 1,2 Mio. Personen bereit, davon für 460 Haushalte, welche aufgrund der Dürre in Herat vertrieben wurden.

[...]

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) berichtet:

Etwa zwei Millionen Menschen sind von Folgen der andauernden Dürre im Norden und Westen betroffen.

Der Common Humanitarian Fund (CHF) der UN hat 17 Millionen USD Hilfsgelder bereitgestellt. Bislang sind etwa 21.000 Menschen auf Grund der Dürre vom Land in Städte abgewandert.

[...]

Die WHO berichtet, dass in Zusammenarbeit mit dem afghanischen Gesundheitsministerium und Implementierern des Basic Package of Health Services for Afghanistan (BPHS) mobile Gesundheitsteams in Herat im Einsatz sind. Wichtige medizinische Güter wurden zudem in regionalen Lagerhäusern deponiert, um sie bei Bedarf verteilen zu können.

[...]

Gemäß TOLO-News kündigt das afghanische Finanzministerium an, 250 Mio. Afghanis zur Hilfe der von der Dürre betroffenen Bevölkerung bereitzustellen und aufgrund dessen mit der internationalen Gemeinschaft zu sprechen. Vertreter der Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA) geben an, dass zur Beseitigung aller Dürreschäden mindestens 500 Mio. Dollar notwendig wären, die Behörde allerdings nur über etwas mehr als 6 Mio. Dollar verfüge.

[...]

TOLO-News berichtet weiters, dass Australien die Zahlung von 3,6 Mio. Dollar an das WFP zur Bereitstellung von Lebensmittelhilfen für Personen zugesagt hat, welche von der Dürre betroffen sind.

[...]"

1.4.3. Auszug aus der Anfragebeantwortung von ACCORD vom 12.10.2018 zu den Folgen von Dürre in den Städten Herat sowie Mazar-e Sharif, zu Landflucht-Bewegungen und zur allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

"[...]

Landflucht als Folge der Dürre

Die britische Wochenzeitung The Telegraph veröffentlicht im Juli 2018 einen Artikel zur Dürre in Afghanistan und schreibt bezugnehmend auf [...], den Leiter des Hilfsprogramms der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan, dass Menschen selten aus einem einzigen Grund aus einem Land fliehen würden. Laut [...] würden die anhaltende Gewalt und fehlende Beschäftigung eine Rolle spielen, die Dürre würde die Situation aber noch verstärken. Aufgrund der Dürre hätten bereits tausende Familien und zehntausende Menschen ihre Häuser verlassen und seien in Städte wie Herat gezogen. Viele Menschen hätten das Land aufgrund der Dürre verlassen, erklärte [...], ein Mitglied des Provinzialrats der Stadt. Menschen, die das Land nicht verlassen könnten, würden ihre Häuser verlassen und in die großen Städte ziehen, so [...]:

[...]

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) schreibt im September 2018 in seinem Update zur humanitären Hilfe in Afghanistan, dass die Dürre bisher über 275.000 Menschen vor allem in die Städte Herat und Qala-e-Naw vertrieben habe. In diesen Städten sei die Situation nach wie vor dramatisch. WFP habe über 77.000 Binnenvertriebenen in Herat Geld und 21.000 schutzbedürftigen Binnenvertriebenen in Qalae-Naw Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt, und die Verteilaktion dauere an:

[...]

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children's Fund, UNICEF) bezieht sich in seinem Bericht zur humanitären Hilfe in der von der Dürre betroffenen westlichen Region Afghanistans im September 2018 auf Zahlen, die vom Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) in einem humanitären Landes-Team-Meeting Mitte September 2018 präsentiert worden seien. Den Angaben zufolge würden die von der Dürre betroffenen Binnenvertriebenen auf 266.000 geschätzt. 84.000 von ihnen hätten sich in Herat niedergelassen, 182.000 in Badghis, ihrer Herkunftsregion. Allein im letzten Monat seien mehr als 84.000 Menschen in die Stadt Herat und 18.579 Familien (94.945 Menschen) nach Qala-e- Naw (Hauptstadt der Provinz Badghis) vertrieben worden:

[...]

Die englischsprachige pakistanische Tageszeitung The Express Tribune berichtet im August 2018 von [...], einem Bauern, der nach dem Ausfall seiner Weizenernte und dem Austrocknen seiner Brunnen seine Tiere verkauft und sich Tausenden von anderen Bauern angeschlossen habe, die in die Städte zogen, da die schlimmste Dürre Afghanistans seit Menschengedenken das vom Krieg zerrüttete Land verwüste. Wie Hunderte von Bauernfamilien im Dorf Charkint in der normalerweise fruchtbaren nördlichen Provinz Balkh sei [...], 45, mit 11 Familienmitgliedern in die Provinzhauptstadt Mazar-e-Sharif gezogen, um Arbeit zu finden. [...], der seit mehr als drei Jahrzehnten Bauer sei, habe der französischen Presseagentur (AFP) erklärt, dass er sich an keine derart schwere Dürre wie diese erinnern könne:

[...]

[...], der Leiter des Afghanistan-Programms des Norwegian Refugee Council (NRC), einer unabhängigen, humanitären, gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, die Flüchtlingen und Binnenvertriebenen auf der ganzen Welt Unterstützung und Schutz bietet, erklärte in einer E-Mail-Auskunft vom 4. Oktober 2018, dass NRC noch keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif festgestellt habe. [...] merkte jedoch an, dass das NRC-Programm zur Bewältigung der Auswirkungen der Dürre ihren Fokus nicht auf Balkh bzw. Mazar-e Sharif habe und er deshalb nur bedingt über Informationen darüber verfüge. Der ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung (Integrated Food Security Phase Classification, IPC) folgend sei die Provinz Balkh mit ihrer Hauptstadt Mazar-e Sharif allerdings wie auch die umliegenden Provinzen mit Stufe 3 bewertet worden. Dies bedeute, dass die Ernährungssicherheit krisenhaft sei und sich in der rauen/kalten Wintersaison wahrscheinlich weiter zuspitzen werde:

[...]

Die nachfolgenden Quellen beinhalten allgemeine Informationen zu Landflucht-Bewegungen in Afghanistan. Diese beziehen sich nicht spezifisch auf die dürrebedingte Urbanisierung

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) veröffentlicht im Mai 2018 die Ergebnisse einer Befragung von Vertriebenen in jenen 15 Provinzen Afghanistans, die die höchste Population an RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen beheimaten würden. IOM gibt an, dass es auch bei den afghanischen RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen, die auf der Suche nach mehr Sicherheit, grundlegenden Dienstleistungen und Beschäftigungsmöglichkeiten seien, einen starken Trend zur Urbanisierung gebe. Rund 48 Prozent (1.718.202) der RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen in den 15 untersuchten Provinzen würden in Stadtteilen leben. Binnenvertriebene würden eher in städtische Gebiete fliehen. 55 Prozent der Binnenvertriebenen (953.146) und 42 Prozent der RückkehrerInnen (765.056) seien in städtische Gebiete gezogen:

[...]

In seinem ‚Humanitarian Needs Overview' zu Afghanistan führt UN OCHA im Dezember 2017 an, dass sich die Bevölkerung in den Ballungszentren konzentriere, da die von den Konflikten betroffenen Gebiete zunehmend ausgehöhlt würden: In stark von Konflikten betroffenen Bezirken habe die Gefahr wiederholter oder verschärfter Kämpfe viele Menschen dazu veranlasst, aus ihren Häusern zu fliehen, um nach sichereren Gebieten - typischerweise städtischen - zu suchen, wo der Zugang zu Dienstleistungen gesichert werden könne. Insgesamt würden die Provinzhauptstädte Afghanistans inzwischen mehr als 54 Prozent der Binnenvertriebenen beherbergen, was den Druck auf überlastete Dienstleistungen, Infrastruktur und den Wettbewerb um Ressourcen zwischen ankommenden und aufnehmenden Gemeinschaften weiter verschärfen würde:

[...]

Im Mai 2017 schreibt die Weltbank in ihrem Status-Update zur Armut in Afghanistan, einer Analyse, die auf den Erhebungen zu den Lebensbedingungen 2013-2014 und 2011-2012 sowie auf der Risiko- und Vulnerabilitätsbeurteilung 2007-2008 basiere, dass die Beschäftigungskrise in ländlichen Gebieten und die sich verschlechternde Sicherheitslage die afghanischen Haushalte dazu veranlasse, auf der Suche nach Arbeit und Sicherheit in städtische Gebiete zu ziehen. Trotz niedrigerer Geburtenraten sei die städtische Bevölkerung zwischen 2011-2012 und 2013-2014 um schätzungsweise 10 Prozent gewachsen, verglichen mit einem Anstieg von nur 2,2 Prozent in ländlichen Gebieten:

[...]

Auswirkung der Dürre auf die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln

Zur Wasserversorgung in Mazar-e Sharif konnten keine spezifischen Informationen gefunden werden.

NRC berichtet im September 2018, dass Herat für rund 60.000 Menschen, die aufgrund der Dürre aus ihren Häusern vertrieben worden seien, zum nächst gelegenen Zufluchtsort geworden sei. Auch der Konflikt habe viele dazu veranlasst, aus ihren Häusern in den verhältnismäßig sicheren Teil der Provinz zu fliehen. Die Kombination von Dürre und Konflikt habe zehntausende Familien mittellos gemacht. Sie würden in prekären Verhältnissen leben und weder eine langfristige Perspektive noch die Mittel dafür haben, Stabilität wiederzuerlangen. Trotz der rasch bereitgestellten Hilfe würden Trinkwasser, Lebensmittel und medizinische Versorgung fehlen. Die sengende Hitze würde die Ausdauer der Menschen in den Siedlungen der Binnenvertriebenen auf die Probe stellen. Viele Menschen würden an Dehydrierung leiden, wofür Kinder und ältere Binnenvertriebene besonders anfällig seien. Da es nur wenige Wasserressourcen gebe, sei Trinkwasser ein begehrtes Gut in den Siedlungen: [...]

Im September 2018 berichtet UN OCHA in seinem zweiten Lagebericht zur Dürre in Afghanistan von einem ‚Community Engagement Workshop' der humanitären Partnerorganisationen in Herat-Stadt, der am 12. und 13. September stattgefunden habe und den mehr als 350 Männer (‚male focal points') aus allen informellen Siedlungen der Stadt besucht hätten. Die größte Sorge der Vertriebenen sei die Verfügbarkeit von Lebensmitteln: Sowohl die Familien, die seit ihrer Ankunft in Herat-Stadt Bargeld für Lebensmittel erhalten hätten, als auch jene, die ein bis zwei Nahrungsmittelrationen in Form von Naturalien bekommen hätten, hätten berichtet, dass ihnen die Lebensmittel ausgegangen seien. Mit dem wenigen Geld, das sie verdienen würden, ernähren sie sich von Brot und Tee, da sie nicht in der Lage seien, Obst, Gemüse oder Fleisch zu kaufen. Viele der Familien, die Bargeld erhalten hätten, um Lebensmittel zu kaufen, hätten mit dem Geld Schulden abbezahlt, es für Gesundheitsleistungen verwendet oder damit Material für ihre provisorischen Unterkünfte gekauft, so dass sie nicht in der Lage gewesen seien, genügend Lebensmittel zu kaufen. Den Gesprächen zufolge seien die meisten vertriebenen Familien mit der Menge und Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden:

[...]

Im bereits erwähnten Lagebericht zur Dürre in Afghanistan listet UN OCHA im September 2018 den Bedarf im Bereich der Lebensmittelsicherheit und der Landwirtschaft auf. Dabei wird angeführt, dass Schätzungen zufolge beinahe 1,4 Millionen Menschen in zwölf Provinzen im ganzen Land, darunter Balkh und Herat, Nahrungsmittel benötigen würden. Erste Ergebnisse der Emergency Food Security Assessment (EFSA) unter der Leitung der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen und des Welternährungsprogramm würden zeigen, dass die ‚Food Consumption Scores'[...] der ländlichen Bevölkerung unter anderem in Herat kritisch seien. Unter den vertriebenen Familien in den Provinzen der westlichen Region sei die Situation noch schwerwiegender: 82 Prozent der Familien hätten schlechte Food Consumption Scores und 72 Prozent müssten auf negative Bewältigungsmechanismen zurückgreifen, wie die Reduktion der Nahrungsmittelzufuhr oder der Anzahl der Mahlzeiten, so das ‚Drought Impact and Needs Assessment' (DINA), das von UN OCHA sowie dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) und Partnern durchgeführt worden sei. In Bezug auf den Bedarf an Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene erwähnt UN OCHA unter anderem, dass laut Schätzungen in der westlichen Region 260.000 Menschen, insbesondere Vertriebene, Trinkwasser benötigen würden:

[...]

IOM verweist im bereits zitierten Artikel vom Mai 2018 auf den Leiter der IOM-Afghanistan Delegation, [...]. [...] zufolge würden sich Binnenvertriebene und RückkehrerInnen vor allem im städtischen Umfeld oftmals in sogenannten ‚informellen Siedlungen' in unmittelbarer Nähe von Wirtschaftszentren ansiedeln. Dort würden die Einkommensbezieher der Familie versuchen, als Tagelöhner Arbeit zu finden. Die Bedingungen in diesen Siedlungen seien sehr schlecht, mit extrem niedrigen Hygienestandards und begrenztem Zugang zu Wasser:

[...]

Auswirkungen der Dürre/Landflucht auf die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler

(insbesondere von RückkehrerInnen)

Laut den Ergebnissen der bereits erwähnten Befragung von NRC und WFP im Juli 2018 seien die Möglichkeiten für Gelegenheitsarbeit in allen der neun untersuchten Provinzen sehr begrenzt, wobei die meisten Menschen nur 2-3 Tage pro Woche Arbeit finden. Am höchsten sei der Tageslohn für ungelernte Arbeitskräfte in Takhar [...], gefolgt von den Provinzen Kundus, Badakhshan, Balkh, Faryab, Sar-e Pul und Ghor. Die niedrigste Tageslohnquote für ungelernte Arbeitskräfte sei in den Provinzen Badghis und Jawazjan [...] gemeldet worden. Nach Ansicht der Händler sei der Hauptgrund für die begrenzte Verfügbarkeit von Arbeit für unausgebildete Arbeitskräfte in diesem Jahr die Dürre, die die landwirtschaftliche Produktion, die für den größten Teil der Bevölkerung die Haupteinkommensquelle darstelle, hart getroffen habe. In der Zwischenzeit hätten die Unsicherheit in abgelegenen Gebieten und der Mangel an Industrien und Fabriken die Möglichkeiten für Gelegenheitsarbeit verringert: [...]

Im Zuge des bereits erwähnten ‚Community Engagement Workshop', an dem sich Binnenvertriebene in der Stadt Herat beteiligten und über den UN OCHA im September 2018 berichtete, habe sich herausgestellt, dass die Mehrheit der vertriebenen Menschen in Herat keine andere Existenzgrundlage finden könne, als Kinder zur Arbeit zu schicken, zu betteln, Müll zu sammeln oder dass Frauen in Haushalten in der Stadt putzen oder Kleidung waschen: [...]

FEWS NET nimmt im August 2018 Bezug auf die afghanischen RückkehrerInnen aus Pakistan und dem Iran und gibt an, dass viele RückkehrerInnen nur über minimale Ressourcen, begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten, Unterkünfte und Sicherheit verfügen würden, was es ihnen erschwere, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen:

[...]

Im September 2018 berichtet FEWS NET, dass der Konflikt die Vertreibung und die Zerstörung der Lebensgrundlagen verstärke. Viele der neu Vertriebenen seien wahrscheinlich von einer Lebensmittelkrise (IPC Phase 3) betroffen, da sie keinen Zugang zu ihrer normalen Lebensgrundlage hätten. Im Laufe des kommenden Winters werde externe Hilfe erforderlich sein, um das Fehlen an Lebensmitteln zu lindern, da die Beschäftigungsmöglichkeiten begrenzt seien und die Überweisungen aus den Nachbarländern deutlich unter dem Durchschnitt liegen würden:

Die nachfolgenden Informationen beziehen sich auf die allgemeine Lage am Arbeitsmarkt in den Großstädten Afghanistans. Diese beziehen sich nicht auf die spezifischen Auswirkungen der dürrebedingten Landflucht auf den Arbeitsmarkt

[...]

Im bereits erwähnten Lagebericht zur Dürre in Afghanistan schreibt UN OCHA im September 2018, dass in den benachbarten Provinzen Badghis und Herat Hilfe in den Siedlungen der Vertriebenen bereitgestellt werde und Anstrengungen unternommen würden, die Hilfe in den ländlichen Herkunftsgebieten der Vertriebenen zu verstärken. In den Provinzen Herat und Badghis würden rund 190.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser in Herkunfts- und Neuansiedlungsgebieten erreicht. Die Kapazitäten der Partnerorganisationen in der Provinz Badghis seien in allen Bereichen nach wie vor deutlich unzureichend. Seit Beginn der ganzheitlichen Maßnahmen zur Dürrebekämpfung im August wurden mehr als 690.000 Menschen mit lebensrettenden Hilfeleistungen erreicht:

[...]

FEWS NET berichtet im August 2018, dass Informationen über humanitäre Hilfe begrenzt seien. Verfügbare Informationen würden jedoch darauf hindeuten, dass Nahrungsmittelhilfe für die von der Dürre betroffenen Haushalte dokumentierter RückkehrerInnen und Binnenvertriebener in zugänglichen Gebieten geleistet werde. Insbesondere stelle die afghanische Regierung den Haushalten Futtermittel, Weizensaatgut und Düngemittel im Rahmen ihrer jährlichen Lebensmittelverteilung zur Verfügung:

[...]

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) führt im August 2018 an, dass die Maßnahmen gegen die Dürre in Afghanistan aus drei Phasen bestehen würden. Phase 1 sei im Juni abgeschlossen worden und habe auf 14 Provinzen abgezielt und 463.000 Menschen erreicht. In Phase 2, die im Juli begonnen und im August noch angedauert habe, habe das WFP 9.500 Tonnen verschiedener Rohstoffe für 441.000 von der Dürre betroffene Menschen bereitgestellt. Phase 3 beginne Ende September und basiere auf den Plänen, Nahrungsmittelhilfe für 1,4 Millionen Menschen bereitzustellen. Im August habe das WFP im Rahmen der zweiten Phase über 320.000 von der Dürre betroffene Frauen, Männer, Jungen und Mädchen in Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jawzjan erreicht. Um seine laufenden Programme im Rahmen des Länderstrategieplans (2018 - 2022) für die nächsten sechs Monate fortzusetzen, benötige das WFP bereits 81,4 Millionen US-Dollar. Dieser Betrag werde sich jedoch erhöhen, um den wachsenden Bedarf an Maßnahmen zur Dürrebekämpfung zu decken. Der Humanitäre Flugdienst der Vereinten Nationen (United Nations Humanitarian

Air Service, UNHAS) habe 1.900 Hilfskräfte und 6 Tonnen Leichtfracht befördert. In Afghanistan würden sich 160 Organisationen auf UNHAS verlassen, um bedürftige Menschen zu erreichen:

[...]"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Beschwerdeführern, zu ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und zu ihrer Ausreise aus Afghanistan:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer sowie zu ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und zu ihrer Ausreise aus Afghanistan ergeben sich aus deren glaubhaften und im Wesentlichen gleichlautenden Angaben im Rahmen des behördlichen und gerichtlichen Verfahrens.

Die Angaben der Beschwerdeführer zu ihren sonstigen persönlichen Verhältnissen, ihrem Geburtsort, ihrem schulischen sowie beruflichen Werdegang, ihrer Ausreise aus Afghanistan und ihren Familienangehörigen sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der in Afghanistan bestehenden sozioökonomischen Strukturen sowie der Länderfeststellungen plausibel. Die von den Beschwerdeführern hierzu getätigten Angaben waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Zum Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die Feststellung zu den Bezugszeiten von Leistungen aus der Grundversorgung ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem, die Feststellungen zur freiwilligen Tätigkeit der Erstbeschwerdeführerin seit August 2018 bzw. deren Berufstätigkeit seit November 2019 ergeben sich aus den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zu dem vom Zweitbeschwerdeführer besuchten Deutschkursen und seinen und den Deutschkenntnissen der Erstbeschwerdeführerin folgen aus den von ihm dahingehend vorgelegten Unterlagen sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellungen zu den Freunden in Österreich folgen aus deren dahingehend glaubhaften Angaben.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer folgt aus den eingeholten Strafregisterauszügen.

2.3. Soweit das von den Beschwerdeführern behauptete Fluchtvorbringen sowie eine Verfolgungsgefahr der Erstbeschwerdeführerin aufgrund einer angenommenen westlichen Lebensführung nicht festgestellt werden konnte (Pkt. II.1.4.), ist Folgendes festzuhalten:

2.3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 56/2018, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen. Ausgehend von § 274 Abs. 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (VwGH 27.05.2014, 2014/16/0003 mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung abweicht.

1. Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

2. Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

3. In diesem Zusammenhang ist der Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 337, 9, (Statusrichtlinie), maßgeblich:

"Artikel 4

Prüfung der Tatsachen und Umstände (1) - (4) [...]

(5) Wenden die Mitgliedstaaten den Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen;

b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war; und

e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."

2.3.2. Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

Im vorliegenden Verfahren haben die Beschwerdeführer nach ihrer Erstbefragung in einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Gelegenheit gehabt, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen. Der aufgrund dieser Befragungen festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag in den angefochtenen Bescheiden. In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, hat dieses auch keine Bedenken gegen die (in der Bescheidbegründung zum Ausdruck kommende) Annahme der belangten Behörde, dass den Beschwerdeführern in ihrem Herkunftsstaat keine gezielte konkrete Verfolgung droht.

2.3.3. Die von den beiden Beschwerdeführern behaupteten Bedrohungen bzw. Verfolgungsgefährdungen durch die Eltern bzw. die restlichen Familienangehörigen der Erstbeschwerdeführerin und durch ihren Onkel mütterlicherseits bzw. dessen Sohn, mit dem sie verlobt war, konnten letztlich nicht festgestellt werden. Ebenso haben sich keine Hinweise oder Anhaltspunkte für eine Verfolgung der Beschwerdeführer durch die afghanischen Behörden, durch die Taliban, den Islamischen Staat/Daesh oder durch eine andere Gruppierung ergeben. Den Beschwerdeführern war es im gesamten Verfahren nämlich nicht möglich konkrete Erlebnisse oder Erfahrungen zu schildern, welche ihre Ängste überzeugend untermauern. Sie haben insgesamt von keinem einzigen Vorfall in ihrer Heimat berichtet, welcher ihre dahingehenden Befürchtungen glaubwürdig stützen und eine Bedrohung für sie oder ihre beiden Kinder tatsächlich nahelegen würde. Sie haben vielmehr ausschließlich Vermutungen geäußert, welchen jeglicher Bezug zu konkreten Wahrnehmungen bzw. Vorfällen fehlt (vgl. Erstbefragung vom 20.11.2015: "Ich habe Angst vor meiner eigenen Familie, sie werden meinem Mann und mir nie verzeihen. Sie werden meinen Mann hart bestrafen, wenn sie ihn finden." Verhandlung vom 21.11.2019: "Ich kann nach Afghanistan auf keinen Fall zurückkehren, weil mir Gefahr seitens meiner Familie und Verwandten droht.").

Was die seitens der beiden Beschwerdeführer vorgebrachte Zwangsheirat der Erstbeschwerdeführerin betrifft, haben sie eine solche nicht nachvollziehbar und glaubhaft vorbringen können. Zum einen war den glaubwürdigen Schilderungen der Erstbeschwerdeführerin eindeutig zu entnehmen, dass ihre Familie eher liberal und weltoffen eingestellt ist (vgl. Einvernahme vom 22.02.2018: "LA: Wie fand Ihre Familie es, dass Sie als Frau in Afghanistan studieren? VP: Sie wollten das. [...] LA: Es ist doch nicht üblich, dass Frauen dort studieren? VP: Wir sind im Iran geboren, wir waren etwas anders eingestellt."), zum anderen haben ihre Geschwister hinsichtlich ihrer Ehepartner selbst entscheiden bzw. zumindest mitentscheiden können. So haben ihre beiden Schwestern XXXX und XXXX ihren Verlobten (bzw. den Verlobten der Erstbeschwerdeführerin) nicht heiraten müssen und hat sich einer ihrer Brüder sogar scheiden lassen, weil er sich mit seiner Frau nicht mehr verstanden hat (vgl. Einvernahme vom 22.02.2018: "Meine Schwester XXXX hat auch nicht ihren Verlobten geheiratet, weil sie damit nicht einverstanden war. [...] Meine Schwester musste ihren Cousin väterlicherseits heiraten, aber sie war nicht einverstanden und musste dann nicht."). Vor diesem Hintergrund ist es weder plausibel noch glaubwürdig, dass gerade die Erstbeschwerdeführer zu einer, von ihr abgelehnten ehelichen Verbindung gezwungen worden sein soll. Insoweit sie das Verständnis ihrer Eltern bzw. deren Nachsicht gegenüber ihrer Schwester mit dem von dieser angedrohten Selbstmord erklärt hat, ist darauf aufmerksam zu machen, dass auch die Erstbeschwerdeführerin ihren glaubwürdigen Angaben zufolge damit gedroht hat (vgl. Einvernahme vom 22.02.2018: "Ich habe gesagt, dass ich mich umbringen werde, wenn ich ihn heiraten muss, meine Mutter hat gesagt, dass ich ihr keine Angst machen kann."). Was die von ihr behauptete Beziehung und die angebliche Abtreibung betrifft, ist ihren Angaben zufolge - unabhängig von der weiter unten bezweifelten Glaubwürdigkeit - nicht davon auszugehen, dass ihre Eltern davon Kenntnis erlangt haben. Andernfalls wäre ihr die (weitere) Beziehung mit ihrem jetzigen Ehemann nicht möglich gewesen. Daher ist auch die Begründung mit ihrer "Vorgeschichte" nicht geeignet, eine mögliche Benachteiligung gegenüber ihren Geschwistern und eine Voreingenommenheit der Eltern ihr gegenüber zu begründen. Eine Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin durch ihre Eltern ist aber auch vor dem Hintergrund auszuschließen, dass diese von ihr vermutlich aufgrund ihrer überstürzten Ausreise bzw. ihrer Heirat ohne Eltern und Familie nichts mehr wissen wollen (vgl. Erstbefragung vom 20.11.2015: "Meine Eltern wollen noch immer nichts mit mir zu tun haben. Sie haben mir nicht verziehen." Einvernahme vom 22.02.2018: "Ich habe meine Schwester XXXX angerufen. [...] Sie teilte mir mit: ‚Unser Bruder ist tot, aber du bist schon vorher für uns gestorben.'" Verhandlung vom 21.11.2019: "Nachdem ich mit XXXX aus Afghanistan geflohen bin und geheiratet habe, wollte meine Familie keinen Kontakt mehr zu mir haben.").

Was ihre heimliche Affäre vor der Beziehung zu ihrem jetzigen Ehegatten bzw. den angeblichen Schwangerschaftsabbruch angeht, sind diese beiden Ereignisse vor dem Hintergrund ihrer weiteren Erzählungen nur sehr schwer vorstellbar. Wie die Erstbeschwerdeführerin nämlich wiederholt gleichlautend vorgebracht hat, war sie in ihrem Tagesablauf bzw. hinsichtlich ihrer Abwesenheiten vom elterlichen Haushalt doch sehr eingeschränkt (vgl. Einvernahme vom 22.02.2018: "[...] das Haus konnte ich als Frau nicht verlassen. Ich durfte zwar die Schule besuchen, musste dann aber sofort wieder zurück nach Hause. [...] Als Frau kann man keine Beziehung haben, bevor man heiratet."). Insoweit sie auf Nachfrage seitens der erkennenden Richterin erklärt hat, dass diese Beziehung bzw. der Schwangerschaftsabbruch während ihrer Schulzeit stattgefunden hätten (vgl. Verhandlung vom 21.11.2019: "Zur Schule durfte ich gehen. Alles was ich gemacht habe, war während der Schulzeit."), ist davon auszugehen, dass ihre Eltern von allfälligen, wiederholten Schulabwesenheiten mit Sicherheit verständigt worden wären. Ferner ist eine Abtreibung bei Minderjährigen ohne die Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten weder nachvollziehbar, noch plausibel. Vielmehr wäre sogar von einer Anzeige des behandelnden Mediziners an die zuständigen Behörden auszugehen. Auch die Beziehung zu ihrem jetzigen Ehemann, vor allem aber die Besorgung eines Visums und die legale Ausreise mittels Flugzeug sind ohne Kenntnis ihrer Eltern vor dem Hintergrund ihres weiteren Vorbringens ebenso nur schwer vorstellbar (vgl. Verhandlung vom 21.11.2019: "In Afghanistan haben Frauen ein sehr eingeschränktes Leben. Ich habe den Weg zur Schule und zur Universität gekannt. Darüber hinaus durfte ich nicht hinausgehen. Ich durfte auch nicht die Verwandten besuchen."). Sie war ihren Angaben zufolge nämlich auch hinsichtlich ihrer An- und Abreise zur bzw. von der Universität sehr eingeschränkt (vgl. Einvernahme vom 22.02.2018: "Obwohl wir von zuhause abgeholt wurden und in die Uni gefahren wurden, musste ich Burka tragen.").

Ihr Vorbringen, wonach ihr der Exfreund damit gedroht habe, zu ihren Eltern zu gehen, wenn sie den Kontakt zu ihm abbricht, ist weder plausibel noch verständlich und daher letztlich nicht glaubwürdig. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass ihr Exfreund XXXX tatsächlich jemanden von einer außerehelichen Beziehung bzw. gar von einem Schwangerschaftsabbruch erzählt, insbesondere wenn es sich zum damaligen Zeitpunkt um eine minderjährige Schülerin gehandelt hat. Damit würde er sich vielmehr selbst der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen. Aus diesem Grund sind auch Probleme mit den afghanischen Behörden wegen ihren (angeblichen) außerehelichen Beziehungen nicht zu erwarten. Außerdem hat die Erstbeschwerdeführerin den Zweitbeschwerdeführer mittlerweile ohnehin geheiratet, sodass eine behördliche Verfolgung ("Steinigung") in Afghanistan schon deshalb nicht mehr zu erwarten ist. Hinsichtlich der seitens der Beschwerdeführer in den Raum gestellten Entführung der Erstbeschwerdeführerin durch ihren nunmehrigen Ehemann ist darauf aufmerksam zu machen, dass sie allein in den Iran gereist und dass der Zweitbeschwerdeführer ihr erst mit entsprechender Verspätung gefolgt ist.

Hinsichtlich einer Verfolgung durch ihren Onkel mütterlicherseits oder ihren (ehemaligen) Verlobten ist darauf aufmerksam zu machen, dass sich der Onkel bzw. dessen Sohn den glaubwürdigen Angaben der Erstbeschwerdeführerin zufolge mit der Entscheidung der Erstbeschwerdeführerin letztlich abgefunden und deshalb ihre Schwester XXXX als Braut gefordert hätten, wie sie von der Flucht der Erstbeschwerdeführerin erfahren haben. Es ist daher grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass ihr ehemaliger Verlobter bzw. dessen Familie (weiterhin) nach ihr suchen. Vielmehr scheint es zwischen den beiden Familien zwischenzeitig gar keinen Kontakt mehr zu geben (vgl. Einvernahme vom 22.02.2018: "Jetzt haben meine Eltern keine Beziehung zu meinem Onkel. [...] Sie haben keinen Kontakt mehr.").

Schließlich haben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban, durch den Islamischen Staat/Daesh oder andere radikale Gruppierungen gefunden. Auch dazu wurden seitens der beiden Beschwerdeführer keine näheren Angaben gemacht und waren auch ihre in Afghanistan verbliebenen Familienmitglieder - mangels diesbezüglichen Vorbringens - bislang offenbar keinen derartigen Verfolgungshandlungen ausgesetzt. Die von ihnen geäußerte Befürchtung, als Angehörige eines höherrangigen Politikers einer Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt zu sein, hat sich damit ebenso nicht bestätigen lassen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass die Erstbeschwerdeführerin, die nach ihren Angaben, nachdem sie in den Iran gereist war, von ihren Eltern in Afghanistan wegen des Diebstahls einer erheblichen Geldsumme angezeigt worden war, zum einen telefonisch von den afghanischen Behörden dazu befragt worden ist und zum anderen während ihres mehrjährigen Aufenthalts im Iran wiederholt in Kontakt zu ihrer Familie in Afghanistan stand, weshalb davon auszugehen ist, dass ihrer Familie durchaus bekannt war, dass sie sich im Iran aufhält. Im Hinblick darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin durchaus glaubhaft angibt, dass XXXX , der (ehemalige) Vizepräsident ihr Onkel väterlicherseits ist, erscheint eine drohende Verfolgung durch ihre Familie allein schon deswegen nicht plausibel, weil es ihrer Familie im Hinblick auf deren Verbindung zu höchsten Regierungskreisen wohl durchaus möglich gewesen wäre, den Aufenthaltsort der Tochter im Iran herauszufinden und diese nach Hause zu holen, wenn ihr dies eine besonderes Anliegen gewesen wäre. Im Übrigen hat sich auch der Zweitbeschwerdeführer im Jahr 2014 mehrere Monate bei seinem Bruder in Mazar- e Sharif aufgehalten hat, ohne dass er ins Visier der Behörden geraten ist, obwohl diese seinen Bruder im Zusammenhang mit dem der Erstbeschwerdeführerin angelasteten Diebstahl etwa zwei Jahre zuvor befragt hatten.

Davon abgesehen konnten die beiden Beschwerdeführer nicht plausibel und nachvollziehbar angeben, wie sie in einer der modernen Großstädte Afghanistans ohne Meldewesen gefunden werden sollten. Den Länderberichten zufolge hat Afghanistan nämlich kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen (EASO 2.2018; vgl. BFA 13.6.2019). Auch muss sich ein Neuankömmling bei seiner Ankunft nicht in dem neuen Ort registrieren.

Es wurden somit insgesamt keine nachvollziehbaren Gründe für ihre Befürchtungen vorgebracht, welche ihre Ängste überzeugend untermauern. Aus ihrem gesamten Vorbringen lässt sich daher keine persönliche Gefährdung der Beschwerdeführer oder eine mögliche individuelle Verfolgung in einer der modernen Großstädte Afghanistans ableiten.

2.3.4. Zum Vorbringen einer Verfolgung wegen Verletzung sozialer Normen durch die Erstbeschwerdeführerin:

Aus der Lebenssituation der Erstbeschwerdeführerin vor der Ausreise aus Afghanistan ergeben sich keine Hinweise auf eine Sozialisierung (iSv Faktoren wie insb. Herkunft, Familie, Bildungsstand, Religiosität), die sie aufgrund einer Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen exponiert hätte. Die Erstbeschwerdeführerin wuchs ihren eigenen Angaben nach in einem urbanen Gebiet auf und hat rund zwölf Jahre lang die Schule und zwei Jahre eine Universität besucht.

Die Feststellungen zur Lebenssituation der Erstbeschwerdeführerin in Österreich fußen auf den insoweit glaubhaften Angaben in der Beschwerdeverhandlung. Die Umstände ihres Lebensalltages in Österreich und ihre Angaben lassen aber nicht darauf schließen, dass die Erstbeschwerdeführerin eine derartige Lebensführung und Geisteshaltung angenommen hat und dies wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden ist, die sie bei einer Rückkehr in einer die dortigen sozialen Normen verletzenden Weise exponieren würden.

Die Erstbeschwerdeführerin beschrieb ihren Alltag in Österreich im Wesentlichen damit, dass sie ihre Kinder nach dem Frühstück in den Kindergarten bringt und danach (Anm.: seit 01.11.2019) von 8 Uhr bis 16 Uhr 30 arbeiten geht. Ihr Mann holt die Kinder wieder ab und macht das Mittagessen. Danach bringt er ihren Sohn ins Lernkaffee und geht in Karate. Nachdem ihr Sohn die Hausaufgaben gemacht hat, essen sie um 19 Uhr zu Abend. Wenn ihre Kinder um 20 Uhr schlafen gehen, wartet sie auf ihren Mann, der gegen 21 Uhr nach Hause kommt. Nach einem kurzen Gespräch gehen sie schlafen, weil sie früh aufstehen muss. Es ergab sich daher, dass die Erstbeschwerdeführerin hier nur einen kleinen Bewegungs- und Aktionsradius eines Alltagslebens wahrnimmt und sich in Österreich im kleinstmöglichen Umgebungskreis aufhält, obwohl sie hier nicht von gesellschaftlichen/sozialen Normen eingeschränkt ist.

Zwar gab sie auf Befragen der erkennenden Richterin an, seit einem näher berichteten Vorfall im Bundesgebiet kein Kopftuch mehr zu tragen, gab jedoch glaubwürdig an, diese Entscheidung getroffen zu haben, weil sie den (einheimischen) Leuten keinen Grund geben möchte, sich vor ihr zu fürchten. Die Erstbeschwerdeführerin gab dazu auch an, dass eine gläubige Muslima (Anm: als solche hatte sie sich vor der belangten Behörde bezeichnet) zwar verpflichtet sei, ein Kopftuch zu tragen, sie sich jedoch, wenn sie in Österreich lebe, anpassen müsse, wozu gehöre, kein Kopftuch mehr zu tragen. Daher ist der Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin nach etwa zweieinhalbjährigem Aufenthalt in Österreich das Kopftuch abgelegt hat, keineswegs der Ausdruck einer westlichen selbstbestimmten Lebensweise, sondern ein durchaus lobenswertes Bemühen um Integration.

Aufgrund des von der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks und ihres Auftretens ergab sich jedoch nicht, dass sie eine selbstbestimmte Lebensweise verinnerlicht hätte und dies bereits Bestandteil ihrer Identität geworden wäre. Zu der von der Erstbeschwerdeführerin nach vierjährigem Aufenthalt in Österreich am 01.11.2019 angenommenen Arbeit als Zimmermädchen in ihrer Heimatgemeinde XXXX ist zu bemerken, dass diese Arbeit nicht der von der Erstbeschwerdeführerin angestrebte Beruf einer Altenpflegerin ist. Zwar ist der Erstbeschwerdeführerin bekannt, dass sie über entsprechende (bessere) Deutschkenntnisse verfügen muss, um eine entsprechende Ausbildung beginnen zu können, allerdings konnte sie keinen nachvollziehbaren Grund dafür angeben, warum sie in ihrem bisher vierjährigen Aufenthalt in Österreich lediglich die Deutschprüfung im Niveau A1 abgelegt hat und nur gebrochen deutsch spricht. Der Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin durchaus gebildet ist, sie jedoch trotz Besuchs des A2-Kurses nicht zur Prüfung angetreten ist, lässt die Angaben der Erstbeschwerdeführerin nach einer selbstbestimmten berufstätigen Lebensweise wenig glaubhaft erscheinen.

Zusammenschauend ergibt sich zwar, dass generell die vollständige Wahrnehmung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten für Frauen in Afghanistan nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist bzw. sein kann, jedoch grundsätzlich in der Stadt Mazar- e Sharif oder Herat und anderen urbanen Zentren Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten offenstehen und der Erstbeschwerdeführerin auch tatsächlich offen gestanden sind.

Hinsichtlich Kleidungsvorschriften ist festzuhalten, dass sich die notorische Situation in urbanen Zentren Afghanistans so darstellt, dass einerseits konservative Arten der Verschleierung (etwa Chador oder Burka) getragen werden, andererseits aber Frauen durchaus häufig moderne "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel, dies mit verschieden Arten der Kopfbedeckung. Die allgemeine Situation in urbanen Zentren ist also dergestalt, dass auch weniger strenge Formen der Kopfbedeckung üblich sind, sodass auch unter diesem Aspekt nicht indiziert ist, dass sich die Erstbeschwerdeführerin Kleidungsvorschriften unterwerfen müsste, die von ihrem erst kurz geübten Kleidungsstil in Österreich so erheblich abweichen würden, dass eine Anpassung daran von ihr nicht erwartet werden könnte. Es hat sich zudem aufgrund des von der Erstbeschwerdeführerin persönlich gewonnenen Eindrucks nicht ergeben, dass die völlig freie Wahl der Kleidung sich bereits so stark eingeprägt hat, dass dies ein Bestandteil ihrer Identität wurde (vgl. Einvernahme vom 22.02.2018: "LA: Auf Ihrem Foto auf der Heiratsurkunde tragen Sie ein Kopftuch (Hijab). War es für Sie ein Problem, sich so zu kleiden? VP: Nein. Für mich ist es egal, ob ich mich anziehe wie ich jetzt bin, oder wie im Iran mit Hijab.").

Aufgrund des eingeschränkten Aktionsradius in Österreich und vor dem Hintergrund der weit überwiegenden Sozialisierung der Erstbeschwerdeführerin im Iran bzw. in Afghanistan und ihrer rudimentären Sprachkenntnisse ergibt sich nicht, dass sie bereits eine Lebensweise angenommen hätte, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan, konkret bei einer Rückkehr in ein urbanes Gebiet, einen solchen Bruch mit sozialen Normen darstellen würde oder sie ein "westliches" Gesellschaftsbild angenommen hätte und eine solche Lebensweise Bestandteil ihrer Identität geworden wäre. Die Erstbeschwerdeführerin konnten damit weder glaubhaft machen, dass ein "westlich" orientierter Lebensstil Bestandteil ihrer Identität wurde und ist, noch, dass sie aufgrund ihrer Lebensweise politischen und/oder religiösen Normen derart widersprechen würde, dass sie bei einer Rückkehr konkrete Gefahr zu gewärtigen hätte.

Sofern die Erstbeschwerdeführerin nach Abschluss der Familienplanung tatsächlich eine (Wieder)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. zunächst eine Fortsetzung ihres Studiums im Rahmen einer erfüllten und selbstbestimmten Lebensweise anstrebt, sollte ihr dies auch in Afghanistan durchaus möglich sein.

2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu einer möglichen (Wieder)Ansiedlung der Beschwerdeführer etwa in ihrer Heimatstadt Mazar- e Sharif ergeben sich hinsichtlich der in der Provinz Balkh vergleichsweise guten Sicherheitslage (siehe oben zitiertes Länderinformationsblatt der Staatendokumentation) in Zusammenschau mit den - von den Beschwerdeführern glaubhaft dargelegten - persönlichen Umständen, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere maßgeblich ist, dass sie beide gesund und arbeitsfähig sind, der Zweitbeschwerdeführer über ausreichende und vielfältige Berufserfahrungen verfügt und beide Beschwerdeführer nach wie vor über einen umfangreichen familiären Anschluss in ihrer Heimat verfügen. Auch erscheint eine Unterstützung der Beschwerdeführer durch die - mittlerweile von Mazar -e Sharif nach in Kabul umgezogene - in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebende Familie der Erstbeschwerdeführerin durchaus möglich und wahrscheinlich. Darüber hinaus sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die beiden Beschwerdeführer nicht auch von ihren Familienmitgliedern aus dem Iran unterstützt werden könnten.

Für eine existenzielle Gefährdung der Beschwerdeführer oder ihrer Kinder bestehen bei einer Rückkehr in ihre Heimatstadt daher keinerlei Hinweise. Außergewöhnliche Gründe, die ihre Rückkehr ausschließen könnten, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Beim Dritt- und bei der Viertbeschwerdeführerin ist aufgrund ihres sehr jungen Alters keine selbstbestimmte Lebensführung anzunehmen, sie wachsen in ihrer afghanischen Familie auf und befinden sich zudem in einem anpassungsfähigen Alter.

Da die Familie vor der Ausreise in finanziell ausreichenden Verhältnissen lebte und auch noch viele Familienmitglieder in der Heimat bzw. im Iran leben, ist es nicht indiziert, dass der Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin aufgrund von Armut von Ausbildungsmöglichkeiten abgehalten wären.

2.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat (Pkt. II.1.6.):

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (s. u.a. die Aktualisierung vom 27.03.2019 zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Die Beschwerdeführer haben zu den ihnen im Vorfeld der mündlichen Beschwerdeverhandlung angeführten und zur Übermittlung angebotenen Länderberichten keine schriftliche Stellungnahme abgegeben, womit sie die Korrektheit dieser Erkenntnisquellen letztlich auch nicht in Zweifel zu ziehen vermochten. Insofern die Feststellungen Inhalte jüngeren Datums enthalten, hat sich diesbezüglich an der für die Entscheidung maßgeblichen Lage nichts geändert.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A):

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

3.2.1. Als primären Grund für die Flucht und die Unmöglichkeit der Rückkehr nach Afghanistan brachten die Beschwerdeführer vor, dass ihnen Gefahr durch den Vater der Erstbeschwerdeführerin bzw. durch dessen Familie drohe, dessen bzw. deren Familienehre verletzt sei, weil die Erstbeschwerdeführerin den Zweitbeschwerdeführer geheiratet hat. Weiters durch einen namentlich bekannten Verwandten der Erstbeschwerdeführerin bzw. durch dessen Sohn, den sie ihren Eltern bzw. ihrer Mutter zufolge heiraten hätte sollen. Ferner durch die afghanischen Behörden, weil sie eine voreheliche Beziehung gepflegt habe bzw. weil die Erstbeschwerdeführerin von ihrem Vater wegen eines angeblichen Diebstahls angezeigt worden sei, bzw. als Angehörige eines hochstehenden Politikers durch die Taliban, den IS oder eine andere Gruppierung.

Aus den Feststellungen geht hervor, dass es den Beschwerdeführern nicht gelungen ist, eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Ihr Vorbringen hat sich, wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, als nicht plausibel - somit als zur Gänze nicht glaubhaft - erwiesen. Erachtet die zur Entscheidung über einen Asylantrag zuständige Instanz - wie im gegenständlichen Fall - im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380).

Im Übrigen ist zu bemerken, dass selbst für den Fall der Wahrunterstellung des von den Beschwerdeführern dargelegten Bedrohungsszenarios, eine allfällige vom Vater der Erstbeschwerdeführerin bzw. dessen Familie oder ihren Verwandten ausgehende Bedrohung nicht von asylrechtlicher Relevanz wäre, handelt es sich doch hierbei um eine von einer Privatperson ausgehende Bedrohung ohne Zusammenhang mit einem Konventionsgrund.

3.2.2. Mögliche Verfolgung aufgrund einer angenommenen selbstständigen Lebensweise:

Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Afghanistan haben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans, insbesondere auch in urbanen Zentren, wie dem Herkunftsort der Erst- und des Zweitbeschwerdeführers, einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von solchen Einschränkungen und Diskriminierungen kann bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere einer diesen traditionellen und durch eine konservativ-religiöse Auslegung geprägten gesellschaftlichen Zwängen nach außen hin offen widerstrebenden Wertehaltung einer Frau, jedoch Asylrelevanz (Verfolgung aus dem Grund der politischen Gesinnung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK) erreichen.

Daher können Frauen Asyl beanspruchen, wenn sie aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden. Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen. Zu prüfen sind dabei - unter Heranziehung aktueller Länderberichte - die zu erwartenden Reaktionen auf die aktuelle Lebensweise der Frau auf die von ihr weiterhin angestrebte Lebensweise in ihrer Heimatregion, um das Vorliegen eines Konventionsgrundes beurteilen zu können. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht. Auch eine private Verfolgung kann insoweit maßgeblich sein, als der Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage ist, Schutz vor solcher Verfolgung zu gewähren (vgl. dazu zuletzt VwGH 22.03.2017, Ra 2016/18/0388 mwN).

Bei der Prüfung der Berechtigung eines Asylantrages einer weiblichen Antragstellerin ist zu untersuchen, ob der gepflegte Lebensstil die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan in einem Ausmaß verletzt, dass bei einer Rückkehr (unter Beibehaltung des Lebensstils) Verfolgung iSd GFK drohen würde. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl liegen vor, wenn dieser Lebensstil ein wesentlicher Teil der Identität einer Antragstellerin geworden ist, sodass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (vgl. dazu VfGH 12.06.2015, E 573/2015).

Der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung jedoch bereits mehrfach darauf hingewiesen hat, dass nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass ihr deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste (vgl. insbesondere in Bezug auf Afghanistan VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0301 bis 0306; 5.4.2018, Ra 2018/19/0154 bis 0156, 03.05.2018, Ra 2018/19/0191 bis 0195-4).

Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301-0306, Rz 13).

Bei einer Gesamtwürdigung des festgestellten Lebensstils der Erstbeschwerdeführerin bzw. deren festgestellter Lebensweise und unter Berücksichtigung der bereits verfestigten Aspekte dieses Lebensstils in Österreich droht der Erstbeschwerdeführerin fallbezogen jedoch auch in Gesamtschau in Gegenüberstellung mit den vorliegenden Informationen zur maßgeblichen Lage in Afghanistan - s. oben unter Pkt. Pkt. II.1.6. zur Lage von Frauen in Afghanistan - keine Gefahr einer Verfolgung:

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Lage für Frauen in Afghanistan seit dem Ende der Taliban Herrschaft im Allgemeinen, insbesondere aber in urbanen Gebieten, erheblich verbessert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - wie oben dargestellt - für die Erstbeschwerdeführerin eine Rückkehr nach Mazar-e Sharif als deren Heimatregion im Hinblick auf die Sicherheitslage wie auch die wirtschaftliche Lage möglich wäre.

Auch könnte die Erstbeschwerdeführerin nach den festgestellten Länderinformationen, ohne dass diesbezüglich aus den Informationen zur Lage in Balkh eine Verfolgungsgefahr abzuleiten wäre, durchaus alleine (d.h. ohne ständige Begleitung durch ihren Ehemann) - und zwar aufgrund einer eigenständigen Entscheidung - einkaufen gehen. Ebenso kann sie dort bei der Verwaltung der Einkünfte mitentscheiden, ohne dass ihr deswegen Maßnahmen drohen würden. Dies liegt allein an ihrem Ehegatten, der ihr auch im Bundesgebiet in beruflicher Hinsicht nichts in den Weg legt.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die konkrete Situation entscheidend von den Faktoren Herkunft, Familie, Bildungsstand, finanzieller Situation und Religiosität abhängig ist, allerdings ist im vorliegenden Fall diesbezüglich gerade von äußerst günstigen Verhältnissen auszugehen: Im Hinblick auf den bisherigen Lebensweg der Erstbeschwerdeführerin ist gerade bei ihr davon auszugehen, dass sie bei der Verwirklichung ihrer Zukunftsplänen einer möglichst selbständigen Lebensführung - anders als dies in der Beschwerde ausgeführt wird -, die derzeit bereits verinnerlichten Aspekte des Lebensstils - im Rahmen der aufgezeigten Möglichkeiten und Grenzen - auch in Balkh wird leichter umsetzen können, als andere Frauen, zumal auch von ihrem Ehemann Unterstützung zu erwarten ist. Betreffend ihre Volksgruppe - Hazara - ist überdies keine gesellschaftliche Diskriminierung in Mazar-e Sharif erkennbar.

Anpassen müsste die Erstbeschwerdeführerin in Balkh jedenfalls ihren derzeitigen Kleidungsstil, nachdem sie mittlerweile ihren Kopf nicht mehr bedeckt, wobei nach den festgestellten Länderinformationen der Kleidungsstil bei Frauen der Pashtunen - die Erstbeschwerdeführerin ist hingegen Hazara - strenger ist. Jedenfalls ist den festgestellten Länderinformationen nicht zu entnehmen, dass ein Chador in Balkh getragen werden muss, um gegen eine Frau gerichtete Maßnahmen zu vermeiden. Die Länderberichte sehen bezüglich der konkreten Situation von Frauen vielmehr je nach regionalem und sozialem Hintergrund starke Unterschiede (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.04.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegenüber Frauen existieren vor allem in ländlichen und abgelegenen Regionen (AA 5 .2018). Die Frauenkleidung im heutigen Afghanistan umfasst je nach Bevölkerungsgruppe ein breit gefächertes Spektrum von moderner westlicher Kleidung, über volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung. Die Vorstellung über die Kleidung von Frauen unterscheidet sich je nach der Herkunft, dem Geschlecht und Bildungsstand der Befragten. Da der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin selbst liberal und fortschrittlich eingestellt ist, bestehen nach Ansicht der erkennenden Richterin keine Zweifel, dass sie mit ihm gemeinsam in einer afghanischen Großstadt ein durchaus westlich orientiertes Leben führen und entsprechende Kleidung tragen könnte. Vor diesem Hintergrund ist auch ihre Befürchtung, wonach sie aufgrund ihres aktuellen Lebensstils u.U. von radikalen Islamisten verfolgt oder getötet werden könnte, in einer der afghanischen Großstädte völlig unbegründet. Wie bereits angeführt, ist mit einer derartigen Gefährdung eher in ländlichen und abgelegenen Regionen zu rechnen.

Bei einer Gesamtschau der verbleibenden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Benachteiligungen ist fallbezogen nicht davon auszugehen, dass diese sich so gravierend darstellen, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte der Erstbeschwerdeführerin darstellen, die gemäß Art 9 Abs. 1 lit b) EU-Richtlinie 2011/95/EU einer "Verfolgung" iSd Art. 1 Abschnitt A GFK gleichzuhalten wären. Jene Aspekte ihrer Lebensweise, welche die Erstbeschwerdeführerin in einem gewissen Umfang am Zielort ihrer Rückkehr ändern müsste bzw. die nicht im selben Umfang gelebt werden könnten wie in Österreich - im Wesentlichen der gepflogene Kleidungsstil - sind aus Sicht des erkennenden Gerichts für sich genommen außerdem noch kein "wesentlicher Bestandteil" von deren Gesamtidentität geworden. Dem größten Teil ihrer gepflegten Lebensweise bzw. ihres gepflegten Lebensstils könnte die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Heimatort Mazar-e Sharif auch im Rahmen ihrer Familie nachgehen. Die im gegenständlichen Fall bei der Erstbeschwerdeführerin vorzunehmende Anpassung lässt aus Sicht des erkennenden Gerichts noch auf keine Verfolgung iSd gesetzlichen Definition bzw. Gefahr einer solchen Verfolgung schließen.

3.2.3. Im Ergebnis liegt daher die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer - insbesondere landesweiten - aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe. Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesasylamtes abzuweisen.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:

3.3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) lauten wie folgt:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offensteht.

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in einer jüngst ergangenen Entscheidung vor dem Hintergrund der für den Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge: Status-Richtlinie) in unionsrechtskonformer Weise wie folgt ausgelegt: Nach der gefestigten Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union sind gemäß der Status-Richtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 leg.cit. zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 leg.cit. zu erleiden (Art. 15 lit. a und b leg.cit.) sowie auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 leg.cit. zurückzuführende Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c leg.cit.) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Herkunftsstaat zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK. Vor dem Hintergrund des Art. 3 Status-Richtlinie ist es dem nationalen Gesetzgeber auch verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die bei einem Fremden zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat führen (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, mit Hinweisen auf die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union).

Daher ist in der Folge in einem ersten Schritt zu prüfen, ob eine reale Gefahr der Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer nach Art. 2 oder 3 EMRK im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat gegeben ist. Bejahendenfalls wäre in weiterer Folge zu prüfen, ob sich eine solche Verletzung als ernsthafter Schaden unter einen der Tatbestände des Art. 15 Status-Richtlinie subsumieren ließe und somit zu einer Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 führte.

3.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in einer Entscheidung mit der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum realen Risiko einer drohenden Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK und zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt auseinandergesetzt und diese wie folgt zusammengefasst (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137):

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 und 23.09.2009, 2007/01/0515 mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Appl. 8319/07 und 11.449/07, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Rz 218, mit Hinweis auf EGMR 17.07.2008, Appl. 25.904/07, NA gegen Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Appl. 8319/07 und 11.449/07, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Rz 217).

Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung2, 2012, 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases"), wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.

Auch im jüngst ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23.08.2016, Appl. 59.166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte u.a. aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (v.a. Rz 91 und 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide (vgl. Rz 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (Rz 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (Rz 98).

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EG ) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07 , Elgafaji, und vom 30.01.2014, C-285/12 , Diakité).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).

3.3.4. Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall Folgendes auszuführen:

Die Beschwerdeführer stammen aus Mazar-e Sharif bzw. Sare Pol und ist die Familie der Erstbeschwerdeführerin nunmehr in Kabul bzw. sind Geschwister des Zweitbeschwerdeführers nun in Mazar-e Sharif ansässig. Nach den Länderberichten zählt die Provinz Balkh zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen. Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum, sodass davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführer mit, was den Zweitbeschwerdeführer betrifft, mehrjähriger Berufserfahrung, angemessene Arbeitsmöglichkeiten vorfinden werden.

Bei einer Rückkehr ist daher davon auszugehen, dass der Zweitbeschwerdeführer auch dann, wenn die Erstbeschwerdeführerin sich weiterhin ausschließlich um die mj. Kinder kümmert und nicht zum Erwerb der Familie beitragen kann, angemessen für seine Familie sorgen kann. Auch wenn der Kontakt zu den Angehörigen der Erstbeschwerdeführerin zwischenzeitig loser geworden bzw. von Verbitterung und Verdruss geprägt ist, ist mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach afghanischer Tradition Anschluss und Unterstützung finden werden. Auch eine allfällige Unterstützung durch die Familie des Zweitbeschwerdeführers, die sich zu einem Großteil im Iran aufhält, scheint nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Beschwerdeführer können zudem allenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen, wodurch sie Unterstützung für die Existenzgründung bei einer Rückkehr erlangen können. Dafür, dass die Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären, gibt es daher keine hinreichenden Hinweise. Insgesamt bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wären.

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es auch nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände konnten die Beschwerdeführer im Verfahren jedoch nicht glaubhaft machen.

Die Rückverbringung der Beschwerdeführer nach Afghanistan steht daher nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005, weshalb den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuzuerkennen war.

3.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels) und Spruchpunkt IV. (Erlassung einer Rückkehrentscheidung) der angefochtenen Bescheide:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen ist nicht zu erteilten, da auf den vorliegenden Fall keiner der im § 57 Abs. 1 AsylG genannten Fälle zutrifft.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze [§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG)] erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG i.S.d. Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens i.S.d. Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführer über keine über ihre Kernfamilie hinausgehenden Verwandten im Bundesgebiet verfügen, jedoch die Kernfamilie im selben Umfang von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen ist, liegt ein schützenswertes Familienleben der Beschwerdeführer im Bundesgebiet im oben dargestellten Sinn nicht vor.

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben der Beschwerdeführer eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [ ] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Die Beschwerdeführer halten sich seit November 2015 im Bundesgebiet auf und sie verfügten nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts aufgrund des Asylverfahrens. Die Beschwerdeführer sind illegal nach Österreich eingereist und stellten in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat. Die Dauer der Verfahren übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).

Die Erstbeschwerdeführerin hat zwar am 01.11.2019 mit einer beruflichen Tätigkeit begonnen und davor bereits seit August 2018 in einem Altersheim ein- bis dreimal pro Woche ausgeholfen, sie hat sich damit aber noch keine derartige wirtschaftliche Existenz aufgebaut, deren Aufgabe ihr nicht mehr zuzumuten wäre. Auch der Zweitbeschwerdeführer geht keiner regelmäßigen Beschäftigung nach. Ebenso haben sie keine hinreichend konkreten und substantiierten Angaben gemacht, welche auf eine besondere soziale Verfestigung im Bundesgebiet, etwa durch intensive Teilnahme am Vereins- oder Gesellschaftsleben oder Mitarbeit bei sonstigen gemeinnützigen Organisationen, schließen lassen würden. Zu den zwischenzeitig erworbenen Deutschkenntnissen ist anzumerken, dass auch solche für sich allein nicht ausreichen, um die fortgeschrittene oder gar vollständige Integration eines Fremden in Österreich annehmen zu können. Allfällige freundschaftliche Beziehungen im Bundesgebiet sind sie zu einem Zeitpunkt eingegangen, an dem sie sich ihrer prekären aufenthaltsrechtlichen Position bewusst sein mussten.

Das bisheriges Engagement der Erstbeschwerdeführerin (Mithilfe in einem Altersheim) ist zwar lobenswert und spricht für Integrationsbemühungen, diese genügen insbesondere vor dem Hintergrund ihrer erst kurzzeitigen Aufenthaltsdauer in Österreich aber nicht, um eine nachhaltige Integration in Österreich annehmen zu können.

Soweit, wie im vorliegenden Fall, Kinder von der Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind nach der Judikatur des EGMR die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 18.10.2006, Üner gegen die Niederlande, Beschwerde Nr. 46410/99, Rz 58, und vom 6.07.2010, Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 41615/07, Rz 146). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 31.07.2008, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Rz 66, vom 17.02.2009, Onur gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 27319/07, Rz 60, und vom 24.11.2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Rz 46) befinden (vgl. VwGH 21.04.2011, 2011/01/0132).

Der Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin werden noch zu Hause von ihrer Mutter bzw. vom Vater betreut und sind im Familienverband mit den Eltern aufgewachsen, weshalb davon auszugehen ist, dass sie mit den kulturellen Gegebenheiten ihres Heimatlandes und ihrer Muttersprache vertraut gemacht wurden.

Hinsichtlich der mj. Beschwerdeführer ist auszuführen, dass deren Sozialisation (wenn überhaupt) eben erst begonnen hat und es kann diese nicht als dermaßen fortgeschritten angesehen werden, dass sie nicht auch in ihrem Herkunftsstaat fortgesetzt werden könnte, zumal sie im Heimatland weiter in Obsorge ihrer Eltern sein werden und deren Begleitung die Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtern wird (zur Sozialisation von Kindern etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres vgl. VwSlg. 14972 A/1998 und VwGH 19.01.2006, 2005/21/0297).

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Beschwerdeführer für die Dauer ihres Asylverfahrens in Österreich stets nur vorläufig aufenthaltsberechtigt waren. Sie mussten von vornherein damit rechnen, dass es im Falle einer negativen Entscheidung über den Asylantrag zu einer Beendigung des Aufenthalts kommt. Eine Ausweisung - im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung - in derartigen Fällen, in denen sich die betroffene(n) Person(en) der Unsicherheit des Aufenthaltsstatus bewusst sein musste(n), könne nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen (vgl. hierzu zB: EGMR 11. 04. 2006, Useinov v. The Netherlands, Appl. 61.292/00 bzw. EGMR 08. 04. 2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06).

Den schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des VwGH kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (z.B.: VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer haben ihr gesamtes Leben bis zur Ausreise in Afghanistan bzw. im Iran verbracht und dort ihre Sozialisation erfahren. Die Erstbeschwerdeführerin hat im Herkunftsstaat zwölf Jahre lang die Schule und zwei Jahre eine Universität besucht und Interesse für den Beruf der Altenpflegerin. Der Zweitbeschwerdeführer hat zwar nur kurz eine Schule besucht, aber umfassende Erfahrungen auf dem landwirtschaftlichen Sektor, als Hirte, Fabrikarbeiter und Schweißer. Es ist daher davon auszugehen, dass sie sich nach nur wenigen Jahren Abwesenheit vom Herkunftsstaat in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können werden, zumal sie mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten vertraut sind und auf den Rückhalt ihrer dort ansässigen Großfamilie bzw. jedenfalls auf Unterstützung der Familie des Zweitbeschwerdeführers aus dem Iran bauen können.

Die Beschwerdeführer benötigen in Österreich auch keine medizinische Behandlung, welche sie in ihrem Herkunftsland nicht bekommen würden (siehe dazu VwGH 28.04.2015, Ra 2014/180146 bis 0152; VwGH 29.02.2012, 20110/21/0310 bis 0314 und 210/21/0366; VfGH 21.09.2015, E332/2015).

In einer Gesamtbetrachtung iSd. § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführer im Bundesgebiet das persönliche Interesse der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Somit begründet die angeordnete Rückkehrentscheidung keine Verletzung des Art. 8 EMRK. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG ist daher ebenfalls nicht geboten.

3.5. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides (Zulässigkeit der Abschiebung):

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg. cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestünde eine innerstaatliche Fluchtalternative.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Im Fall der Beschwerdeführer liegt weder ein Sachverhalt nach § 50 Abs. 1 FPG noch ein Sachverhalt nach § 50 Abs. 2 FPG vor (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0377).

§ 50 Abs. 3 FPG ist nicht erfüllt, weil eine derartige Empfehlung des EGMR für Afghanistan nicht besteht (vgl. dazu VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, mit zahlreichen Hinweisen auf die seit 2013 bestehende Rechtsprechung des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde).

Somit ist die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan zulässig.

3.6. Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides (Ausreisefrist):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die die Beschwerdeführer bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

Die Beschwerde ist daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. der angefochtenen Bescheide abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar, weshalb sich das Bundesverwaltungsgericht auf diese bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützt, wobei in wesentlichen Punkten die Tatfrage im Vordergrund stand.

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